LSG der Länder Berlin und Brandenburg, Urteil vom 6. Oktober 2015 – L 14 AL 3/15
Der Vorrang der Vermittlung (§ 4 Abs 2 SGB III) als Ermessenserwägung kann zur Ablehnung der Bewilligung eines Gründungszuschusses führen.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 19. November 2014 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Bewilligung eines Gründungszuschusses.
Der 1971 geborene Kläger ist gelernter Baufacharbeiter. Er war ab dem Jahr 2006 mehrfach jeweils in der Wintersaison arbeitslos und bezog zuletzt seit dem 1. Januar 2012 Arbeitslosengeld (Alg), das ihm durch Bescheid der Beklagten vom 23. Dezember 2011 für die Dauer von 360 Tagen bewilligt worden war.
Der Kläger beantragte am 19. März 2012 die Bewilligung eines Gründungszuschusses zur Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit im Bereich Bau- und Montageservice mit Wirkung zum 1. Juni 2012. Mit dem Antrag zum Gründungszuschuss reichte der Kläger seinen Businessplan, einen Lebenslauf, Zertifikate zu der Teilnahme an dem Assessment für Existenzgründerinnen und Existenzgründer und einem sich anschließenden Coaching, eine Bestätigung für die Anzeige beim zuständigen Gewerbeamt sowie die Gewerbeanmeldung vom 15. März 2012 bei der Beklagten ein. Danach hatte er sein Gewerbe zum 19. März 2012 angemeldet und dem Gewerbeamt kundgetan, das Gewerbe im Nebenerwerb ausüben zu wollen. Zum 31. Mai 2012 zeigte er der Beklagten an, das Gewerbe im Haupterwerb auszuüben.
Der Lotsendienst Märkisch Oderland beurteilte in seiner fachkundigen Stellungnahme vom 5. Juni 2012, dass bei dem Kläger die Voraussetzungen für das Existenzgründungsvorhaben sowohl in fachlicher und branchenspezifischer Hinsicht als auch in kaufmännischer und unternehmerischer Hinsicht gegeben seien. Die Zulassungsvoraussetzungen (z. B. Konzession, Eintragung ins Handelsregister, in die Handwerksrolle und ähnliches) seien ebenfalls erfüllt. Nach einer Potentialanalyse und einem Existenzgründerassessment sei die unternehmerische Eignung des Klägers festzustellen und eine weitere Betreuung in Form einer qualifizierten Beratung vereinbart worden. Der Kläger habe darüber hinaus am kaufmännischen Workshop für Existenzgründer beim Lotsendienst teilgenommen. Er sei auf eine Existenzgründung gut vorbereitet, kenne seine Rechte und Pflichten als Unternehmer und wisse, wie er bei der Gewinnung von Kunden vorgehen werde. In kaufmännischen Belangen nehme der Kläger die Unterstützung eines Steuerbüros in Anspruch. Die Existenzgründung des Klägers wurde durch den Lotsendienst als tragfähig eingeschätzt.
Nach einer Stellungnahme von Mitarbeitern der Beklagten vom 29. Juni 2012 sei die Förderung mit dem Gründungszuschuss nicht notwendig, weil fünf regionale Stellenangebote und mehr als 20 im Ostberliner Raum sowie unzählige Angebote der „PAV“ als Maurer bestünden und eine Integration im Angestelltenverhältnis sicher möglich gewesen wäre. Die Argumentation, dass der Kläger regelmäßig im Winter arbeitslos gewesen sei, könne nicht anerkannt werden, da es sich um eine witterungsbedingte Tätigkeit handele, die im Winter auch zu Arbeitslosigkeit führen könne. Durch eine Selbstständigkeit werde dies nicht ausgeschlossen, zumal die Erfahrung zeige, dass kaum ein Selbstständiger über umfangreiche Aufträge in den Wintermonaten verfüge.
Die Beklagte lehnte hieraufhin mit Bescheid vom 3. Juli 2012 die Gewährung eines Gründungszuschusses ab. Zur Begründung führte sie aus, dass zwar die Tatbestandsvoraussetzungen nach § 93 Abs. 2 des Sozialgesetzbuches Drittes Buch (SGB III) erfüllt seien, diese allein jedoch noch keinen Rechtsanspruch auf die Förderung der selbstständigen Tätigkeit begründen könnten. Im Rahmen der vorzunehmenden Ermessensausübung sei auch der Vorrang der Arbeitsvermittlung in jedem Einzelfall zu berücksichtigen. Eine Förderung des Klägers mit dem Gründungszuschuss sei danach nicht notwendig, da regional Stellenangebote als Maurer bestünden und eine Integration im Angestelltenverhältnis möglich wäre. Im Ergebnis einer sorgfältigen Abwägung der unterschiedlichen Gesichtspunkte sei eine nachhaltige Vermittlung in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung im Fall des Klägers ebenso erfolgversprechend wie die Förderung des Gründungsvorhabens mit dem Gründungszuschuss. Nach Abwägung des Förderaufwandes beim Einsatz des Gründungszuschusses und dem damit zu erreichenden Integrationserfolg sei unter Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit die Förderung durch den Gründungszuschuss für eine dauerhafte Eingliederung des Klägers nicht notwendig. Somit bestehe ein Vermittlungsvorrang. Die persönlichen Interessen des Klägers müssten gegenüber denen der Versicherungsgemeinschaft zurücktreten.
Mit seinem hiergegen am 9. August 2012 erhobenen Widerspruch machte der Kläger geltend, dass die Aufnahme der letzten Tätigkeit für ihn kein persönlicher Wunsch gewesen sei, sondern die einzig akzeptable Alternative zur Beendigung der permanenten Arbeitslosigkeit und der inakzeptablen Bezahlung durch die regionalen Bauunternehmen. Er habe seit 1990 elf verschiedene Arbeitgeber gehabt, von denen allein vier Unternehmen in Insolvenz gegangen seien. Ausgehend von den vermeintlichen Arbeitsangeboten, von denen er überhaupt keines erhalten habe, wäre zu prüfen gewesen, ob die Firmen überhaupt in der Lage gewesen seien, ihn nachhaltig zu beschäftigen. Allein die Nachfrage am Arbeitsmarkt und passende Stellenangebote seien mit dem Grundsatz des Vorrangs der Vermittlung nur vereinbar, wenn die Tätigkeit auch tatsächlich nachhaltig, respektive von Dauer und die Vergütung angemessen sei. Statistische Erhebungen im Landkreis Märkisch Oderland zeigten ein außerordentliches Missverhältnis der angebotenen freien Stellen zur Entlohnung der Beschäftigten.
Unter dem 6. August 2012 vermerkte eine Mitarbeiterin/ein Mitarbeiter der Beklagten, dass dem Kläger am 13. März 2012 klar kommuniziert worden sei, dass keine Notwendigkeit zur Förderung mit einem Gründungszuschuss bestanden habe, da elf regionale Angebote und über 200 Angebote als Maurer vorgelegen hätten.
Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 24. August 2012 zurück. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, dass der Vermittlung in Arbeit grundsätzlich Vorrang vor der Gewährung von Leistungen der aktiven Arbeitsförderung einzuräumen sei und auf dem für den Kläger in Betracht kommenden Arbeitsmarkt ausreichende Integrationsmöglichkeiten in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung bestünden.
Der Kläger hat am 24. September 2012 Klage vor dem Sozialgericht Frankfurt (Oder) erhoben, mit der er sein Begehren weiter verfolgt hat.
Die Beklagte ist dem damit entgegengetreten, dass sie weiterhin an ihrer Auffassung festgehalten hat, der Vermittlungsvorrang im Sinne von § 4 Abs. 2 SGB III sei gegenüber dem Gründungszuschuss als eine Leistung der aktiven Arbeitsförderung zwingend.
Das Sozialgericht hat durch Urteil vom 19. November 2014 der Klage unter Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 3. Juli 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. August 2012 stattgegeben und die Beklagte zur Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts verurteilt. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beklagte habe keine ermessensfehlerfreie Entscheidung getroffen. Sie habe sich zur Begründung ihrer ablehnenden Entscheidung allein auf den in § 4 SGB III geregelten Vermittlungsvorrang berufen, der auch im Verhältnis zu den sonstigen Leistungen der aktiven Arbeitsförderung, zu denen der Gründungszuschuss gemäß § 3 Abs. 2 SGB III zu zählen sei, gelte. Dabei habe sie jedoch nicht beachtet, dass § 4 SGB III im Verhältnis zum Berechtigten keine rechtsvernichtende oder rechtshindernde Einwendung gegenüber den nach § 4 Abs. 1 und 2 SGB III nachrangigen Leistungsansprüchen enthalte, deren tatbestandliche Voraussetzungen der Berechtigte erfülle. Dies ergebe sich daraus, dass die Norm eine Regelung des Verwaltungsbinnenrechts sei, nämlich eine Handlungsanweisung an die Bundesagentur, mit welchen Prioritäten sie die ihr auferlegten Aufgaben wahrzunehmen habe. So wie hiernach die Beklagte nicht die Zahlung von Arbeitslosengeld bereits mit der Begründung verweigern dürfe, der Arbeitslose sei vorrangig in Arbeit zu vermitteln und erst bei Erfolglosigkeit der Vermittlung sei Arbeitslosengeld zu zahlen, verbiete sich selbstverständlich auch die Bezugnahme auf den Vermittlungsvorrang im Rahmen von Ermessensentscheidungen der aktiven Arbeitsförderung. Soweit ein Vorrang der Vermittlung auch gegenüber den Berechtigten gelten solle, werde dies in der Regel unmittelbar in den jeweiligen Vorschriften zum Ausdruck gebracht. Die Gewährung eines Gründungszuschusses sei in den gesetzlich vorgegebenen Rechtsvoraussetzungen hingegen nicht an eine negative Beschäftigungsprognose geknüpft, sondern u.a. an die Tragfähigkeit der Existenzgründung. Die Beklagte habe sich in ihrem dem Kläger nunmehr zu erteilenden Bescheid nicht mehr auf den Vermittlungsvorrang zu berufen, sondern – im Falle einer erneuten Ablehnung – die tragenden Gesichtspunkte ihrer Entscheidung darzulegen und mit den Interessen des Klägers abzuwägen.
Gegen das der Beklagten am 18. Dezember 2014 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 5. Januar 2015 Berufung beim Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingelegt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, sie habe ihr Ermessen im vorliegenden Fall tatsächlich pflichtgemäß ausgeübt. Es entspreche Sinn und Zweck des § 93 SGB III, wenn sie darauf abgestellt habe, dass der Kläger voraussichtlich auch ohne die Förderung einer selbstständigen Tätigkeit in absehbarer Zeit in den Arbeitsmarkt eingegliedert worden wäre. Nach § 4 SGB III habe die Vermittlung in Arbeit Vorrang vor Leistungen der aktiven Arbeitsförderung, zu denen auch der Gründungszuschuss zähle. Der Gründungszuschuss diene der möglichst frühzeitigen Reintegration des Arbeitslosen in den Arbeitsmarkt. Insoweit sei aber der allgemeine Vorrang der Vermittlung zu beachten, so dass der Gründungszuschuss als Ermessensleistung – was vom Sozialgericht verkannt worden sei – nur dann gewährt werden könne, wenn er für eine dauerhafte Eingliederung erforderlich sei, das hieße, wenn eine Vermittlung in ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis voraussichtlich nicht zu einer Eingliederung in den Arbeitsmarkt führe. Es entspreche daher den gesetzlichen Vorgaben, wenn sie, wie im Fall des Klägers geschehen, im Rahmen ihres Ermessens entscheidend darauf abgestellt habe, ob eine möglichst nachhaltige Integration innerhalb des Alg-Bezugszeitraums realistisch sei, ob sofort oder in absehbarer Zeit Stellenangebote unterbreitet werden könnten oder ob Hemmnisse bestünden, die den Integrationserfolg behindern könnten. Es liege bei ihren Verwaltungsentscheidungen auch kein Abwägungsfehler vor. Ein für die Bewilligung eines Gründungszuschusses sprechender Gesichtspunkt, der mindestens ebenso gewichtig wäre wie der für die Ablehnung maßgebliche Gesichtspunkt der ausreichenden Vermittlungschancen des Klägers, sei nicht erkennbar und ließe sich auch nicht aus dem Vortrag des Klägers über seine beruflichen Erfahrungen in der Vergangenheit ableiten. Vielmehr sei davon auszugehen, dass die häufigen Arbeitgeberwechsel und saisonbedingten Zeiten der Arbeitslosigkeit mit dem Berufsfeld des Klägers zusammengehangen hätten und die hierfür maßgebenden Ursachen auch bei seiner selbstständigen Tätigkeit auftreten könnten, da er weiter im selben Berufsfeld seine Dienstleistungen habe anbieten wollen. Insoweit könne auch nicht gesehen werden, dass durch die selbstständige Tätigkeit eine dauerhafte Eingliederung in den Arbeitsmarkt eher gewährleistet sein solle als durch eine Vermittlung in eine abhängige Beschäftigung.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 19. November 2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er trägt vor, für ihn sei die Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit kein persönlicher Wunsch gewesen, sondern die einzig akzeptable Alternative zur Beendigung der permanenten Arbeitslosigkeit und der inakzeptablen Bezahlung durch die regionalen Bauunternehmen.
Mit den Beteiligten hat am 4. September 2015 ein Erörterungstermin stattgefunden. In diesem hat der Kläger erklärt, dass er sein Gewerbe am 19. März 2012 angemeldet habe und dieses auch noch bis heute betreibe. In der Zeit ab März 2012 habe er Fortbildungen besucht. Er habe sein Wissen um kaufmännische Angelegenheiten vertiefen müssen. Dies sei ihm auch von der Bundesagentur für Arbeit so nahegelegt worden. Aufträge für sein Gewerbe habe er erst ab Juni 2012 erhalten. In der Zwischenzeit von März bis Juni 2012 habe er nur stundenweise gearbeitet. Gelegentlich habe es auch mal ein Tag gewesen sein können, aber dann habe er auch wieder einige Tage gar nicht arbeiten können.
Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch den Senat zugestimmt.
Wegen der weiteren Einzelheiten zum Vorbringen der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten sowie die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen. Diese Akten haben vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung gewesen.
Gründe
Der Senat hat ohne mündliche Verhandlung entscheiden können, nachdem beide Beteiligten ihre Zustimmung hierzu erteilt haben; § 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig. Sie ist ohne weitere Zulassung nach § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG statthaft, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes 750 Euro übersteigt.
Die Berufung der Beklagten ist auch begründet. Das Sozialgericht Frankfurt (Oder) hat den Bescheid der Beklagten vom 3. Juli 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. August 2012 zu Unrecht aufgehoben. Die Klage gegen die genannten Bescheide ist zulässig, jedoch unbegründet. Die genannten Bescheide sind rechtmäßig.
Gemäß § 93 Abs. 1 SGB III in der hier anzuwendenden seit dem 1. April 2012 geltenden Fassung des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom 20. Dezember 2011 (BGBl. I S. 2854 – im Folgenden: n.F.) können Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbstständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung einen Gründungszuschuss erhalten. Vorliegend wird von der Beklagten auch zu Recht von der Anwendung des § 93 SGB III n.F. ausgegangen. Der Antrag auf Bewilligung des Gründungszuschusses wurde zwar schon am 19. März 2012 zu einem Zeitpunkt gestellt als noch § 57 SGB III a.F. als Rechtsgrundlage für die – ermessensfreie – Bewilligung eines Gründungszuschusses galt. Der Kläger hat aber erst zum 1. Juni 2012 seine selbstständige Tätigkeit hauptberuflich (als Hauptgewerbe) aufgenommen und wollte hierfür den Gründungszuschuss bewilligt erhalten.
Gemäß § 93 Abs. 2 Satz 1 SGB III n.F. kann ein Gründungszuschuss geleistet werden, wenn die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer
1.bis zur Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit einen Anspruch auf Arbeitslosengeld hat, dessen Dauer bei Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit noch mindestens 150 Tage beträgt und nicht allein auf § 147 Absatz 3 beruht,2. der Agentur für Arbeit die Tragfähigkeit der Existenzgründung nachweist und
3. ihre oder seine Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung der selbstständigen Tätigkeit darlegt.
Zum Nachweis der Tragfähigkeit der Existenzgründung ist der Agentur für Arbeit die Stellungnahme einer fachkundigen Stelle vorzulegen; fachkundige Stellen sind insbesondere die Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern, berufsständische Kammern, Fachverbände und Kreditinstitute (§ 93 Abs. 2 Satz 2 SGB III n.F.).
Der Gründungszuschuss wird nicht geleistet, solange Ruhenstatbestände nach den §§ 156 bis 159 vorliegen oder vorgelegen hätten (§ 93 Abs. 3 SGB III n.F.).
Die Förderung ist ausgeschlossen, wenn nach Beendigung einer Förderung der Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit nach diesem Buch noch nicht 24 Monate vergangen sind; von dieser Frist kann wegen besonderer in der Person der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers liegender Gründe abgesehen werden (§ 93 Abs. 4 SGB III n.F.).
Geförderte Personen, die das für die Regelaltersrente im Sinne des Sechsten Buches erforderliche Lebensjahr vollendet haben, können vom Beginn des folgenden Monats an keinen Gründungszuschuss erhalten (§ 93 Abs. 5 SGB III n.F.).
Der Kläger hatte zwar für die vor Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit als Baufacharbeiter mit seinem Bau- und Montageservice-Betrieb liegende Zeit ab dem 1. Juni 2012 einen durch bestandskräftigen Bescheid vom 23. Dezember 2012 begründeten Anspruch auf Arbeitslosengeld von 360 Tagen und verfügte damit auch noch über einen Restanspruch von mindestens 150 Tagen zum Zeitpunkt der Aufnahme seiner selbstständigen Tätigkeit. Der Anspruch ruhte auch nicht allein im Hinblick auf § 147 Abs. 3 SGB III n. F. Der Kläger hatte ebenso die Tragfähigkeit der Existenzgründung durch die Stellungnahme einer fachkundigen Stelle nachgewiesen und seine Fähigkeiten zur Ausübung der selbstständigen Tätigkeit dargelegt. Ruhenstatbestände nach den §§ 156 bis 159 SGB III n.F. oder ein Ausschlusstatbestand liegen nicht vor. Der Kläger hatte auch noch nicht durch Anmeldung seines Gewerbes mit Wirkung zum 19. März 2015 seine selbstständige Tätigkeit hauptberuflich aufgenommen gehabt. Dem Gewerbeamt hatte er mitgeteilt, die Tätigkeit im Nebengewerbe ausüben zu wollen. Hauptberuflichkeit liegt aber erst vor, wenn die Tätigkeit mehr als 15 Stunden in der Woche ausgeübt wird (vgl. Sächsisches LSG v. 20. November 2008 – L 3 AL 108/06; LSG Baden-Württemberg v. 24. Mai 2007 – L 7 AL 4485/05; Kuhnke in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB III, 1. Aufl. 2014, § 93 SGB III Rn. 15). Hauptberuflich übte der Kläger sein Gewerbe erst ab 1. Juni 2012 aus, wie er dem Vorsitzenden im Erörterungstermin vom 4. September 2015 glaubhaft versichern konnte. Der Senat hatte hieran keine Zweifel.
Damit liegen die Tatbestandsvoraussetzungen für die Bewilligung des Gründungszuschusses dem Grunde nach vor, sodass über das Begehren des Klägers von der Beklagten nach pflichtgemäßem Ermessen (§ 39 Abs. 1 Satz 1 des Ersten Buches Sozialgesetzbuches – SGB I) zu entscheiden ist. Bei Ermessensentscheidungen ist der Verwaltung ein Handlungsspielraum eingeräumt. Das Gericht darf bei der Überprüfung einer Ermessensentscheidung nicht seine Vorstellungen hinsichtlich einer zweckmäßigen Entscheidung an die Stelle des Verwaltungsermessens setzen. Es findet mithin nur eine gerichtliche Rechtskontrolle, nicht aber eine Zweckmäßigkeitskontrolle statt. Bei einem Streit über die Gewährung von Ermessensleistungen hat das Gericht im Streitfall nach § 54 Abs. 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zu prüfen, ob die Behörde, hier die Beklagte, die gesetzlichen Grenzen ihres Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat, und ob dadurch der Kläger in seinen Rechten verletzt worden ist (vgl. BSG, Urteil vom 7. Mai 2013 – B 1 KR 12/12 R – Rn. 12; zum Ganzen: Kuhnke, a.a.O., Rn. 34 ff.).
Der Kläger hat aber – im Gegensatz zur Auffassung des Sozialgerichts – keinen Anspruch auf Neubescheidung, weil die Beklagte bei ihrer ablehnenden Entscheidung das ihr nach § 93 Abs. 1 SGB III n.F. zustehende Ermessen rechtmäßig ausgeübt hat. So hat die Beklagte ihre Pflicht zur Ermessensbetätigung erkannt und Ermessen ausgeübt, wobei weder eine Ermessensüberschreitung, ein Ermessensmissbrauch noch ein Abwägungsdefizit vorliegt. Die Beklagte hat in dem angefochtenen Bescheid vom 3. Juli 2012 und dem Widerspruchsbescheid vom 24. August 2012 dem Begehren des Klägers entgegen gehalten, unter Berücksichtigung des der Agentur für Arbeit Strausberg auf dem für den Kläger fachlich und persönlich in Betracht kommenden Arbeitsmarkt seien ausreichende sozialversicherungspflichtige Beschäftigungen als Baufacharbeiter gemeldet. Die Erfolgsaussichten der Eigenbemühungen des Klägers sowie der Vermittlungsaktivitäten der Agentur für Arbeit Strausberg zur Erlangung einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung als Baufacharbeiter seien daher positiv einzuschätzen. Im Ergebnis einer sorgfältigen Abwägung der unterschiedlichen Gesichtspunkte sei eine nachhaltige Vermittlung in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung im Falle des Klägers ebenso erfolgversprechend wie die Förderung des Grundvorhabens mit dem Gründungszuschuss. Nach Abwägung des Förderaufwandes beim Einsatz des Gründungszuschusses und dem damit zu erreichenden Integrationserfolg sei unter Berücksichtigung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit die Förderung durch den Gründungszuschuss für die dauerhafte Eingliederung nicht notwendig. Die Arbeitslosigkeit hätte deshalb auch ohne die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit mit Blick auf die regional und bundesweit zur Verfügung stehenden Stellen im Berufsfeld des Klägers beendet werden können. Im Falle des Klägers bestehe somit ein Vermittlungsvorrang nach § 4 Abs. 2 SGB III. Diese Gesichtspunkte sind tragfähig und wurden von der Beklagten ermessensfehlerfrei erwogen. Insbesondere zu der Frage des Vermittlungsvorgangs im Sinne des § 4 Abs. 2 SGB III hat das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg im vergleichbaren Fall einer Klägerin ausgeführt (Urteil vom 28. Mai 2014 – L 18 AL 236/13 – zitiert nach juris Rn.22 m.w.N.:
„…Indem die Beklagte darauf abgestellt hat, ob die Klägerin voraussichtlich auch ohne die Förderung einer selbstständigen Tätigkeit in absehbarer Zeit in den Arbeitsmarkt eingegliedert worden wäre, hat sie einen legitimen, der Teleologie des § 93 SGB III n.F. entsprechenden Zweck verfolgt und damit ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der gesetzlichen Ermächtigung ausgeübt. Der GZ dient der möglichst frühzeitigen Reintegration des Arbeitslosen in den Arbeitsmarkt. Insoweit ist aber der allgemeine Vorrang der Vermittlung zu beachten, so dass der GZ als Ermessensleistung – was vom SG verkannt wird – nur dann gewährt werden kann, wenn er für eine dauerhafte Eingliederung erforderlich ist (§ 4 Abs. 2 SGB III), d.h. wenn die Vermittlung voraussichtlich nicht zu einer dauerhaften Eingliederung in den Arbeitsmarkt führt (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28. November 2013 – L 9 AL 81/13 -, juris, Rn. 42 m.w.N.). Diesen normativen Vorgaben entspricht es, wenn die Beklagte, wie im Falle der Klägerin geschehen, im Rahmen ihres Ermessens entscheidend darauf abstellt, ob eine möglichst nachhaltige Integration innerhalb des Alg-Bezugszeitraums realistisch ist, ob sofort oder in absehbarer Zeit Stellenangebote unterbreitet werden können oder ob Hemmnisse bestehen, die den Integrationserfolg behindern können. Die Beklagte ist auch nicht von einem unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt ausgegangen. Vielmehr ist ihre – als Teil einer Ermessensentscheidung nur eingeschränkt überprüfbare – Prognose, dass die Klägerin bei Inanspruchnahme der Vermittlungsbemühungen der Beklagten in absehbarer Zeit in den Arbeitsmarkt integriert worden wäre, ohne dass hierfür die Förderung der Selbstständigkeit notwendig gewesen wäre, angesichts der von der Beklagten dargestellten und von der Klägerin auch nicht in Zweifel gezogenen Lage auf dem für die Klägerin in Betracht kommenden regionalen Stellenmarkt nicht zu beanstanden. Danach durfte und musste die Beklagte davon ausgehen, dass für die Klägerin gute Vermittlungschancen bestanden…“
Der erkennende Senat hält diese Ausführungen des 18. Senats des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg nach eigener Prüfung für zutreffend und überzeugend und folgt ihnen deswegen. Dass der Vermittlungsvorrang überhaupt keine statthafte Ermessenserwägung darstellt, wie von der Vorinstanz offenbar angenommen wurde, erscheint schon wegen § 4 Abs. 2 SGB III eher fernliegend zu sein (vgl. Bienert, in: info also 2014, 209 a.E m.w.N). Der Hinweis des Sozialgerichts, auch Alg könne nicht mit Verweis auf den Vermittlungsvorrang abgelehnt werden, trifft zwar zu, ist aber mangels Vergleichbarkeit von Alg mit Leistungen der aktiven Arbeitsförderung nicht überzeugend. Der Kläger kann demgegenüber mit seinen Erwägungen nicht durchdringen. Soweit der Kläger mit seinem Widerspruch auf eine inakzeptable Bezahlung durch regionale Bauunternehmen hingewiesen hat, ist er darauf zu verweisen, dass für die Höhe der Arbeitsentgelte die Bautarifparteien zuständig sind. Auch der Umstand, dass vier verschiedene Arbeitgeber des Klägers Insolvenz hätten anmelden müssen, führt zu keinem anderen Ergebnis. Für das Ausfallrisiko des Arbeitsentgelts steht den Arbeitnehmern für die Dauer von drei Monaten Insolvenzgeld nach §§ 165 ff. SGB III in der ab 1. April 2012 geltenden Fassung bereit.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.