AG Hamburg, Urteil vom 17. Oktober 2018 – 49 C 176/17
Vermieter haftet für Mehrheizkosten, die durch den nach Mietvertragsschluss erfolgten Einbau einer besonders unwirtschaftlich arbeitenden Anlage entstehen (hier im Rahmen eines Contractor-Vertrages).
Tenor
1. Das Versäumnisurteil des Amtsgerichts Hamburg vom 29.05.2017 zum Az. 49 C 176/17 wird aufrechterhalten.
2. Die Beklagte hat die weiteren Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung der Kläger wegen der weiteren Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, so nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
Beschluss
Der Streitwert wird festgesetzt auf 994,52 €.
Tatbestand
1
Mit der Klage begehren die Kläger die Erstattung eines Betriebskostenguthabens.
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Die Kläger mieteten von der Beklagten zum 01.12.2014 nach einem Mietvertragsabschluss vom 18.08.2014 die Wohnung. Es handelt sich um eine nach Maßgabe des Mietvertrages 84,72 m² große 3-Zimmer-Wohnung. Als Vorauszahlung für die Betriebskosten wurde ein Betrag von 177,91 € und für die Heizkosten ein Betrag von 50,83 €, d. h. insgesamt ein Betrag von 228,74 € vereinbart. Dabei wurde hinsichtlich der Betriebskosten eine Aufschlüsselung vorgenommen. Hinsichtlich des ebenfalls mit vermieteten Stellplatzes in der Tiefgarage war vereinbart, dass die Kosten für die Reinigung der Tiefgarage sowie die Kosten für die Wartung der Doppelparkplätze oder Verschiebeparkplätze nach der Anzahl der PKW-Stellplätze umgelegt werden. Ergänzend wird Bezug genommen auf die Anlage K 1 (Bl. 5 ff d. A.).
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Am 21.04.2015 schloss die … GmbH & Co. KG vertreten durch den Nebenintervenienten, H. GmbH & Co KG, ebenfalls vertreten durch den Nebenintervenienten, einen Wärmeversorgungsvertrag über die Versorgung von 168 Mietwohnungen mit einer Wohnfläche von insgesamt ca. 13.800 m² in der, Wärmeenergie auf Basis von Erdgas ab. Es wird insoweit ergänzend Bezug genommen auf die Anlage B 7 (Bl. 88 ff d. A.).
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Am 30.09.2016 rechnete die Beklagte die Betriebs- und Heizkosten für das Jahr 2015 ab. Die Betriebskosten wiesen ein Guthaben über 580,29 € auf. Bei den Heizkosten sind Kosten in Höhe von 1.380,29 € bei einer Vorauszahlung von 609,96 € aufgenommen worden, so dass sich insgesamt eine Nachzahlung von 770,33 € ergab. Letztere wurde später von der Beklagten mit Schreiben vom 10.05.2017 um 329,24 € reduziert. Ferner wurde aus der Heizkostenabrechnung 2014 eine Gutschrift von 30,08 € vorgenommen. Andererseits wurde eine Nachberechnung der Niederschlagsgebühr in Höhe von 2,78 € für 2014 und von 31,10 € für 2015 sowie eine Nachberechnung der Grundsteuer für 2015 in Höhe von 519,55 € geltend gemacht. Es wird insoweit ergänzend Bezug genommen auf die Anlage B 1 (Bl. 46 ff d. A.).
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U. a. mit anwaltlichem Schreiben vom 13.01.2017, auf das ergänzend Bezug genommen wird (vgl. Anlage K 3, Bl. 25 d. A.) monierten die Kläger hinsichtlich der Abrechnung des Jahres 2015 die Höhe der Heizkosten und hielten diesen den Einwand der Unwirtschaftlichkeit entgegen. So würden die tatsächlichen Kosten für eine Megawattstunde bei 238,40 € liegen bei üblichen Preisen zwischen 62,74 € und 99,34 € und einem durchschnittlichen Wärmepreis von 86,98 € pro Megawattstunde. In diesem Punkt monierten die Kläger zusammen mit zahlreichen anderen vom Mieterverein vertretenen Mietern die nicht nachvollziehbare Veränderung der angesetzten Nutzflächen in den Jahren 2014 und 2015, die Umlage der Instandsetzungskostenanteile bei einem Vollwartungsvertrag des Aufzuges, die Instandhaltungstätigkeiten des Hauswartes, den fehlenden Vorwegabzug für die auf die Tiefgarage entfallenden Betriebskostenanteile sowie im Hinblick auf Nachforderungen für Grundsteuer und Niederschlagswasser die Intransparenz der dortigen Umlage. Insoweit beruhte die Nachforderung der Beklagten gemäß der Grundsteuer auf einem Bescheid des Finanzamtes vom 14.03.2017, auf den ergänzend Bezug genommen wird (vgl. Anlage B 6, Bl. 56 f. d. A.). Im Übrigen wird ergänzend Bezug genommen auf die Anlage K 5 (Bl. 77 ff d. A.).
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Die Kläger sind der Auffassung, dass die Beklagte weder mit einer Nachforderung aus den Heizkosten abrechnen könne, da diese unwirtschaftlich überhöht seien, noch sich Nachforderungen aus etwaigen korrigierten Grundsteuerbescheiden oder nachgeforderten Niederschlagsgebühren ergebe.
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Nachdem das Gericht die Beklagte durch Versäumnisurteil vom 29.05.2017 zur Zahlung von 580,29 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten oberhalb des Basiszinssatzes seit dem 05.05.2017 verurteilt hatte, beantragen die Kläger nach dem Einspruch der Beklagten nunmehr,
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das Versäumnisurteil des Amtsgerichts Hamburg aufrechtzuerhalten.
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Die Beklagte sowie die dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten beigetretene Nebenintervenientin, welche Betreiberin der Contractinganlage ist, beantragen übereinstimmend,
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das Versäumnisurteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte und die Nebenintervenientin sind der Auffassung, dass es sich um eine wirtschaftlich arbeitende Heizungsanlage handele. Im Übrigen verweist die Klägerin darauf, dass sie bei Erwerb des Hauses auch den Contractingvertrag mit habe übernehmen müssen. Zudem würden die Kläger aufgrund der Abrechnungskorrekturen für die Jahre 2014 und 2015 auch bei reduzierten Heizkosten aufgrund der Nacherhebung für Niederschlagswasser und Grundsteuer noch eine Nachforderung schulden, ein Guthaben der Kläger sei insoweit durch Aufrechnung erloschen.
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Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 09.11.2017 durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens des Sachverständigen W.. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf das Gutachten des Sachverständigen vom 04.04.2018 (Bl. 167 ff d. A.) sowie die Anhörung des Sachverständigen im Termin am 29.08.2018.
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Im Übrigen wird ergänzend Bezug genommen auf die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist begründet.
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Ein Anspruch der Kläger folgt aus § 556 BGB in Verbindung mit dem Mietvertrag, dort § 4 Ziff. 1 b). Ausweislich der Abrechnung vom 30.09.2016 steht den Klägern bei den Betriebskosten unter Außerachtlassung der Heizkosten ein Guthaben in Höhe von 580,29 € zu.
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Die Beklagte vermag nicht anspruchsreduzierend mit einer Heizkostennachforderung für das Jahr 2015 aufzurechnen, da das Gericht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon überzeugt ist, dass die Heizkosten unwirtschaftlich überhöht sind. Das Gericht stützt diese Überzeugungsbildung auf das Gutachten des Sachverständigen sowie dessen Anhörung im Termin am 29.08.2018. Das Gericht ist insoweit entsprechend auch dem Inhalt der streitgegenständlichen Abrechnung davon überzeugt, dass der Wirkungsgrad der Heizungsanlage lediglich 75 % betragen hat, so dass die Anlage schon insoweit unwirtschaftlich betrieben wird. Vom Sachverständigen ist insoweit überzeugend dargelegt worden, dass auch bei Anlagen dieser Baualtersklasse aus dem Jahre 2014 ein Wirkungsgrad von 90 % dem allgemein üblichen Standard entspreche. Baut der Vermieter nach Mietvertragsabschluss eine besonders unwirtschaftlich arbeitende Anlage ein, wodurch es zu vermeidbaren Mehrkosten kommt, hat er diese letztlich selbst zu tragen.
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Dabei sind die aus dem unwirtschaftlichen Betrieb der Heizungsanlage einhergehenden Mehrkosten darüber hinaus an dem vom Nebenintervenienten mit sich selbst in Vertretung zweier Firmen geschlossenen Vertrag und der dort vereinbarten Vergütung zu messen. Insgesamt ergibt sich, dass die Kläger 35 ct pro kW/h einschließlich Umsatzsteuer nach Maßgabe der Abrechnung des Jahres 2015 zu zahlen hätten. Der Durchschnittswert vergleichbarer Contractorenverträge liegt bei 12,33 ct, wobei das Gericht hier insoweit in Bezug auf die Berechnung des den Klägern zustehenden Schadensersatzanspruches, aufgrund dessen die Beklagte gehindert ist, unwirtschaftliche Kosten gegenüber den Klägern geltend zu machen, nur so weit zu gehen vermag, als die Kosten eines Contractors als noch wirtschaftlich anzusehen sind. Dies ist nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen bis zu einem Wert von 15 ct pro kW/h brutto der Fall. Insoweit sind von den angesetzten Wärmekosten von zunächst 1.380,29 € vorliegend 4/7 entsprechend dem Verhältnis von 15 ct zu 35 ct in Abzug zu bringen. Dies sind 788,38 €, so dass ein aufrechenbarer Anspruch mit Heizkosten der Beklagten vorliegend nicht besteht.
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Der Beklagten ist es auch nicht möglich, mit Nachforderungen aus nachträglichen Grundsteuererhebungen oder Niederschlagswasser aufzurechnen, da es insoweit an einer formell wirksamen Nachberechnung fehlt. In dem diesbezüglichen innerhalb der 3-Monats-Frist, binnen derer Nachforderungen zu erheben sind, zugegangenen Schreiben vom 10.05.2017 sind die Beträge zunächst nur als Gesamtbeträge angegeben worden. Aber auch die nachfolgende Aufstellung der Berechnung ist der Sache nach letztlich auch für den verständigen Mieter unvollständig und nicht nachvollziehbar und insoweit formell unwirksam. Anders als die ursprüngliche Abrechnung, die die Gesamtkosten der Gesamtfläche und anschließend der Wohnfläche der Kläger unter Berücksichtigung der ganzjährigen oder nur zeitanteiligen Anmietung gegenüberstellt, berechnet die Nachberechnung vom 10.05.2017 die Gesamteinheiten letztlich nach der Summe von Flächen und zeitlicher Nutzung in Tagen. Zwar wird dies aufgrund der schriftsätzlichen Erläuterung vom September 2018 deutlich, diese Erläuterung ist jedoch erst nach Ablauf der 3-monatigen Umlagemöglichkeit für derartige Nachforderungen erfolgt, so dass insoweit allein die Angaben aus dem Schreiben vom 10.05.2017 zu berücksichtigen sind. Die dort mitgeteilten Gesamteinheiten von 5.071.945,10 oder auch 48.429 bei Einheiten 30.922,80 und 365, die jeweils auf die Kläger entfallen sollen, ist schlichtweg für den Laien unverständlich, zumal in der nachfolgenden Erläuterung auch die Flächenanteile nochmals wiedergegeben werden. Zwar finden sich danach merkwürdigerweise im unmittelbaren Zusammenhang mit der Darstellung der Intensität der Stellplatznutzung weitere Berechnungen, die Sinnhaftigkeit dieser erschließt sich jedoch dem juristischen Laien und durchschnittlich gebildeten Mieter nicht ohne Weiteres. Hinzukommt, dass die angegebene Gesamtfläche nicht mit der vorliegenden Abrechnung in Einklang zu bringen ist. Insoweit stehen der Beklagten aus dieser Nachforderung keine weitergehenden Rechte zu.
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Im Übrigen ist eine nachträgliche Korrektur der Abrechnung auch dann ausgeschlossen, wenn der Vermieter zugunsten des Mieters ein Guthaben oder eine zu geringe Nachforderung errechnet hat (vgl. LG Berlin GE 2018, 194).
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Auf die Frage, inwieweit den Klägern aufgrund anderweitiger Fehler der Betriebskostenabrechnung ein noch höherer Guthabenbetrag zusteht, kommt es vorliegend nach Maßgabe der obigen Ausführungen nicht an.
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Der Zinsanspruch folgt aus den §§ 286, 288 BGB.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Vollstreckbarkeitsentscheidung auf den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO unter Berücksichtigung des Umstandes, dass eine Abwendungsbefugnis nach § 709 ZPO bei Versäumnisurteilen nur dann besteht, wenn diese nachfolgend mit einer Vollstreckbarkeitsentscheidung nach § 709 ZPO einhergehen.
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Die Streitwertfestsetzung berücksichtigt die Primäraufrechnung in Höhe der Klagforderung sowie die weitergehenden Aufrechnungsansprüche. Anzusetzen sind insoweit bei der Primäraufrechnung die Heizkostenaufrechnung in Höhe von 441,09 €, nachfolgend die Niederschlagsgebühren 2014 und 2015 in Höhe von 2,78 € und 31,10 € ebenfalls als Primäraufrechnung, die sich insoweit nicht streitwerterhöhend auswirken, sowie der erste Teil der Grundsteuernachforderung über 519,55 €, der letztlich bis zur Gesamthöhe von 580,29 € mit den anderen drei Primäraufrechnungen als solche zu werten ist und nur hinsichtlich des überschießenden Betrages als (streitwerterhöhende) Hilfsaufrechnung.
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Das Saldo aus der Betriebs- und Heizkostenabrechnung 2014 wirkt sich nicht aus, da dieses ausweislich des Schreibens vom 10.05.2017 von den Klägern nicht gezahlt worden ist, die weitergehende Gutschrift in Höhe von 30,08 €, welche den Klägern über die Klagforderung hinaus nach Maßgabe des Schreibens zusteht, ist nicht streitgegenständlich. Insoweit ergibt sich ein Gesamtstreitwert von 994,52 €.