Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 11.02.2011 – 1 U 99/09
1. Es gehört zu den Sorgfaltspflichten einer Bootswerft, die eine aus dem Winterlager kommende Segelyacht zu Wasser lassen soll, sich unmittelbar vor dem Slipvorgang durch eine Sichtkontrolle des Rumpfes von außen darüber zu vergewissern, dass alle Seeventile geschlossen sind, auch wenn der beim dem Slippen abwesende Eigentümer ihr tags zuvor mitgeteilt hat, das Schiff sei seeklar.(Rn.16)
2. Kommt es im Anschluss an das Slippen dadurch zu einem (Teil-)Sinkschaden des Bootes, dass über ein offen gebliebenes Seeventil Meerwasser eindringt, kann sich die Bootswerft grundsätzlich nicht auf ein Mitverschulden des Bootseigners berufen, wenn der Schaden allein durch einen lose montierten Deckel eines im inneren Seewasserkreislauf montierten Filtergehäuses verursacht wurde.(Rn.22)
(Leitsätze des Gerichts)
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 2. November 2009 verkündete Urteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des Landgerichts Lübeck unter Zurückweisung ihrer Berufung im Übrigen und unter Zurückweisung der Berufung der Klägerin wie folgt geändert:
Das Versäumnisurteil vom 17. September 2007 bleibt aufrechterhalten.
Auf die Widerklage wird die Klägerin unter Abweisung der Widerklage im Übrigen verurteilt, an die Beklagte 24.324,60 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 16. November 2007 zu zahlen.
Die Klägerin trägt die Kosten des gesamten Rechtsstreits.
Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
I.
1
Die Klägerin macht als Jachtservicebetrieb restliche Werklohnforderungen gegen die Beklagte geltend, denen diese widerklagend wegen einer teilweise gesunkenen Jacht Schadensersatzansprüche entgegenhält.
2
Die Klägerin ist mit der Beklagten durch einen Mietvertrag vom 18. Oktober 2005 über eine Stellfläche für eine Yacht verbunden, wonach sie für deren Schiff vom Typ Swan 651 mit Namen „A“ jeweils zur Wintersaison einen Stellplatz auf ihrem Servicegelände zur Verfügung stellt. Auf einen ihr fernmündlich seitens der Beklagten erteilten Auftrag setzte die Klägerin die „A“ am Nachmittag des 9. Mai 2006 ins Wasser und verbrachte sie nach einer Wartezeit von mehr als zwei Stunden von der Slipanlage an ihren Liegeplatz im Hafen. Am folgenden Morgen stellten Mitarbeiter der Klägerin fest, dass die Jacht im Hafenbecken teilweise gesunken war. Schadensursache hierfür war das über ein geöffnetes Seeventil und eine dahinterliegende, nicht ordnungsgemäß verschlossene Filteranlage eingedrungene Meerwasser.
3
Das Landgericht hat die auf restlichen Werklohn gerichtete Klage abgewiesen und die Klägerin auf die Widerklage mit dem angefochtenen Urteil, auf das wegen sämtlicher Einzelheiten Bezug genommen wird, nach Aufrechterhaltung eines Versäumnisurteils zur Zahlung des geltend gemachten Schadensersatzes verurteilt. Die mit der Klage geltend gemachten Werklohnforderungen seien nur zu einem Teilbetrag begründet, soweit sie auf vor dem Schadensfall getätigten Aufwendungen beruhten. Die darüber hinaus geltend gemachten Forderungen seien hingegen als Naturalrestitutionen anzusehen, weil der Sinkschaden im vorwerfbaren Verantwortungsbereich der Klägerin gelegen habe. Wegen der teilweisen Leistungen der Kaskoversicherung der Beklagten auf die streitgegenständlichen Rechnungen der Klägerin sei die Beklagte wegen des Vorrangs der Leistungskondiktion nicht bereichert, da die Kaskoversicherung zur Erfüllung ihrer Verpflichtung aus dem Versicherungsvertrag geleistet habe. Der verbleibende Teilanspruch der Klägerin sei durch die Aufrechnung der Beklagten mit ihren Schadensersatzansprüchen erloschen. Die Klägerin habe schuldhaft gegen die Pflichten einer Werft beim Zuwasserlassen eines Schiffes verstoßen. Nach dem schriftlichen Gutachten des Sachverständigen habe eine Werft beim Slippen grundsätzlich darauf zu achten, dass alle sichtbaren Seeventile geschlossen seien. Dabei komme es nach den mündlichen Ergänzungen des Sachverständigen nicht darauf an, welche Funktionen im Einzelnen diese Seeventile im Schiffsbetrieb hätten. Die Pflicht zur Schließung der Seeventile werde auch nicht dadurch geändert oder gemindert, dass der Eigner das Schiff vor dem Slippen als „seeklar“ bezeichnet gehabt habe. Auch im Falle einer solchen Äußerung bleibe es die Pflicht der Werft, die Seeventile darauf zu kontrollieren, dass sie geschlossen seien. Auch die Klägerin selbst sehe die Gefahr von Wassereinbrüchen, was sich aus einem Zusatz in ihrer Rechnung ergebe, wonach ein Schiff mit defektem Seeventil nicht zu Wasser gelassen werden dürfe. Deshalb bestehe weder ein Zweifel an der Pflicht der Klägerin zur Schließung der Seeventile noch ein Zweifel an der Schuldhaftigkeit der Pflichtverletzung, eines dieser Ventile offen gelassen gehabt zu haben. Mithin könne offen bleiben, inwiefern die Klägerin die Jacht im Zuge des Slippens kontrolliert und auch wer die Entsalzungsanlage wann nicht sachgerecht repariert gehabt habe. Für den Ursachenzusammenhang sei einzig bedeutsam, dass von der Klägerin das Außenventil vor der Wasserung nicht geschlossen worden sei. Die Widerklage sei aus einem Spitzenbetrag aus den geltend gemachten Eigenarbeitskosten sowie aus der nach dem Gutachten des zweiten Sachverständigen bestätigten Wertminderung der Jacht begründet. Dem stehe die Aussage des ersten Sachverständigen nicht entgegen, wonach eine Wertminderung nicht zu berücksichtigen sei, weil mit dieser eine von der Rechtsprechung so nicht akzeptierte Position eingenommen werde. Mit dem geltend gemachten Anspruchsumfang sei die Widerklage sicher begründet, ohne dass es auf die nachrangig geltend gemachten Anwaltskosten ankäme.
4
Die Klägerin trägt mit ihrer hiergegen eingelegten Berufung vor, bei einem Anruf eines Mitgesellschafters eines professionellen Jachtcharterunternehmers, das Schiff sei seeklar und könne ins Wasser gesetzt werden, habe sie davon ausgehen dürfen, dass die Beklagte bis zu diesem Anruf selbst zuvor alle Vorkehrungen getroffen gehabt habe, die erforderlich gewesen seien. Das Aufsuchen von fünfzehn Seeventilen im Innern des Schiffes und die Kontrolle dieser Seeventile auf Dichtigkeit würde mehrere Stunden Arbeitszeit in Anspruch nehmen und verursache dann zusätzliche Kosten, die die Beklagte aufgrund ihres kurz zuvor definierten Auftrages gerade habe vermeiden wollen. Wer als professionelles Jachtcharterunternehmen Kosten minimieren wolle, habe weder einen Anspruch auf Kontrolle noch auf Schadensersatz, wenn er bewusst diese Kosten zusätzlicher Kontrollen habe vermeiden wollen. Die beteiligten Parteien hätten sich hier auf gleicher Augenhöhe befunden, anders als in dem Fall eines Freizeitseglers. Eine Nachbetreuungsverpflichtung beim Slippen der Jacht sei mithin nicht ersichtlich. Die Beklagte habe sämtliche Arbeiten während des Winterlagers selbst oder durch Dritte durchführen lassen. Der Schaden wäre selbst bei offenem Seeventil nicht eingetreten, wenn entweder der Bolzen des Deckels des Seewasserfilters nicht unfachmännisch mit Silikon versehen oder der gesamte Seewasserfilter nicht unterhalb der Schwimmwasserlinie eingebaut gewesen wäre. Ferner sei die Bilgenpumpe nicht aktiviert gewesen, die den entstandenen Schaden bei ordnungsgemäßem Anspringen vermieden hätte. Außerdem habe eine Sichtkontrolle der streitgegenständlichen Bereiche stattgefunden, ohne dass hierbei ein Wassereintritt habe festgestellt werden können. Die Bilge sei knochentrocken gewesen. Damit habe die Klägerin ihrer Kontrollpflicht Genüge getan.
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Die Klägerin beantragt,
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unter Abänderung des angefochtenen Urteils und unter Aufhebung des Versäumnisurteils die Beklagte zu verurteilen, an sie 13.570,20 € nebst 8 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz auf 1.015,09 € seit dem 21. Juli 2006, auf weitere 3.555,11 € seit dem 1. September 2006 nebst 755,80 € vorgerichtlicher Mahnkosten nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 13. Januar 2007 zu zahlen und die Widerklage abzuweisen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen
und schließt sich der Berufung der Klägerin mit dem Antrag an,
die Klägerin über die zugesprochene Widerklagforderung hinaus zu verurteilen, an sie weitere 10.437,00 € nebst 8 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Anschlussberufung zurückzuweisen.
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Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und trägt zur Begründung ihrer Berufung vor, mangels abweichenden Vortrags sowohl in der Eingangsinstanz als auch in der Berufungsbegründung sei von dem seitens des Landgerichts zugrunde gelegten Zahlenwerk auszugehen, wonach die Widerklagforderung um 4.855,50 € zu erhöhen und auch die den beiden Anwaltsrechnungen zugrunde liegenden Rechtsverfolgungskosten zu übernehmen seien.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die bis zum Verhandlungstermin am 14. Januar 2011 gewechselten Schriftsätze sowie auf das Sitzungsprotokoll von diesem Tage Bezug genommen.
II.
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Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg, während die Berufung der Beklagten bis auf einen Teil der Zinsen erfolgreich ist.
14
Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen und der Widerklage bis auf einen Teil der Zinsen stattgegeben. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 2 ZPO (vgl. Zöller/Heßler, ZPO, 28. Aufl., 2010, § 540 Rn. 13 m.w.N.) auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
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Die Angriffe der klägerischen Berufung gegen die tatsächlichen und rechtlichen Würdigungen des Landgerichts sind sämtlich unbegründet. Das Berufungsgericht ist gemäß § 529 ZPO grundsätzlich an die tatsächlichen Würdigungen des Landgerichts gebunden. Macht der Berufungsführer im zweiten Rechtszug ein neues Angriffsmittel geltend, so ist dieses nur zuzulassen, wenn die in § 531 Abs. 2 ZPO bezeichneten Voraussetzungen vorliegen. Nach diesen Maßgaben rügt die Klägerin zu Unrecht eine unzureichende Würdigung ihres Tatsachenvortrages und eine verfahrensfehlerhaft unterbliebene Beweisaufnahme.
16
Es begegnet auch nach Überprüfung im zweiten Rechtszug keinen Bedenken, die Schadensersatzhaftung der Klägerin im Kern daran zu knüpfen, sie habe dadurch gegen ihre Sorgfaltspflichten im Sinne des § 280 BGB verstoßen, dass sie nicht darauf geachtet gehabt habe, dass alle sichtbaren Seeventile geschlossen gewesen seien.
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Nach den Ausführungen des Sachverständigen J in seinem schriftlichen Gutachten vom 8. August 2008 und ausweislich seiner mündlichen Stellungnahme im Verhandlungstermin des ersten Rechtszuges am 10. November 2008 ist davon auszugehen, dass eine Werft beim Slippen grundsätzlich darauf zu achten hat, dass alle sichtbaren Seeventile geschlossen sind, was auch durch den Inhalt des erstinstanzlich diskutierten Handbuches für den Jachtsport gestützt wird.
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Mithin beinhaltet ein Außerachtlassen der insoweit gebotenen Sorgfalt grundsätzlich einen schuldhaften Pflichtenverstoß der Werft. Dies wird bestätigt durch den im zweiten Rechtszug zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Auszug der Prüfungsfragen für den Sportbootführerschein See, wonach alle Seeventile zu schließen sind, wenn der Eigner sein festgemachtes Fahrzeug für längere Zeit verlässt. Aus diesem Postulat ergibt sich zum einen die für Sportbootführer als Allgemeingut vorauszusetzende Kenntnis, dass die Seeventile bei längerer Abwesenheit eines Eigners stets zu verschließen sind und zum anderen als weiterer Schluss, dass jeder Sportbootführer ein besonderes Augenmerk auf die Seeventile richten muss, wenn das Boot nach längerem Aufenthalt an Land aus dem Winterlager zurückkehrt. Diese Grundsätze gelten zur Überzeugung des Senats nicht nur für den Bereich privater Sportschifffahrt, sondern erst recht für die professionelle Seemannschaft.
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Die Angriffe der Berufung gegen diese Bewertung überzeugen nicht:
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Es bedarf hier keiner Beantwortung der Frage, ob nach den seitens des Landgerichts aufgestellten Anforderungen die Sorgfaltspflicht einer Werft überspannt wird, wenn sie stets und ohne Ausnahme verpflichtet sein soll, sich vor dem Slippen über die Dichtigkeit sämtlicher Seeventile zu vergewissern. Von diesen Anforderungen mag möglicherweise Abstand genommen werden können, wenn der Eigner während des Slipvorgangs zugegen ist, so dass er selbst insoweit seine eigene Sorgfalt Platz greifen lassen kann. Um einen derartigen Fall geht es hier jedoch nicht. Der Miteigner der Jacht hatte hier fernmündlich den Auftrag zum Slippen erteilt und wollte unstreitig erst am folgenden Tage den Liegeplatz aufsuchen. Wenn sich der Eigner nicht vor Ort befindet, muss in dieser Situation von der Werft grundsätzlich verlangt und auch erwartet werden können, dass sie „gleichsam mit den Augen des Eigners“ darauf achtet, dass dem Schiff nichts passieren kann und die Seeventile geschlossen sind.
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Auch die seitens der Klägerin insoweit geltend gemachte „gleiche Augenhöhe“ der Parteien vermag an dieser Bewertung nichts zu ändern. Selbst wenn sich ein sachverständiger Eigner in der Zeit des Winterlagers zuvor mit eigenen Arbeiten an der Jacht betätigt hat, entbindet dies die Werft – jedenfalls wenn der Eigner ortsabwesend ist – nicht davon, zum Zeitpunkt des Slippens die übliche und mithin gebotene Sorgfalt walten zu lassen. Auch wenn der an Bord der Jacht selbst tätig gewordene Eigner sein Schiff nach Abschluss dieser Arbeiten aus seiner Sicht „seeklar“ verlassen und dies der Werft – wie hier nach dem streitigen Vortrag der Klägerin – auch mitgeteilt hat, bietet auch eine vielleicht zutreffende Eigenwahrnehmung des Eigners nicht die Gewähr dafür, dass dieser Zustand bis zum Slippen unverändert bleibt. Möglicherweise ändern sich von dem Verlassen des Eigners bis zu einem vielleicht deutlich späteren Termin des Slippens in gravierender Weise sicherheitsrelevante Belange, die eine Seetüchtigkeit der Jacht nicht mehr gewährleisten. Es ist hier nicht angezeigt, diesbezüglich Spekulationen über das Ob und das Wie derartiger Änderungen anzustellen, sondern erscheint vielmehr ausreichend, darauf abzustellen, dass sich die Jachten üblicherweise unter freiem Himmel befinden und damit jedermann gegebenenfalls unter leichter Überwindbarkeit bootsseitiger Sicherungen Zugang bieten. Auch soweit dies nicht der Fall und die Schiffe in abgeschlossenen Hallen der Werften untergestellt sein sollten, gilt nichts anderes, denn dann sind sie jedenfalls den Mitarbeitern der Werft zugänglich und können von daher Beeinträchtigungen der Seeklarheit ausgesetzt sein, die auf deren möglicherweise auch völlig unbewusste oder unbeabsichtigte Versäumnisse bei Tätigkeiten vor dem Slippen zurückzuführen sind.
22
Weiter kann sich die Klägerin nicht mit Erfolg darauf berufen, dass hier als ergänzende Schadensursache hinzugetreten ist, dass der Deckel der Entsalzungsanlage bzw. des Entsalzungsfilters nicht sorgfältig genug verschlossen war. Es ist zwar richtig, dass Außenwasser durch ein geöffnetes Seeventil nur dann in den Bootskörper gelangen kann, wenn im internen Seewasserkreislauf unterhalb des Außenwasserspiegels Undichtigkeiten vorhanden sind. Aber wenn ein Schiff über einen längeren Zeitraum still liegen soll, ist jedenfalls nicht auszuschließen, dass Undichtigkeiten im Seewasserkreislauf vorhanden sind oder entstehen können. In dieser Situation ist es ohne weiteres einleuchtend, dass ein solches Fahrzeug nicht mit offenen Seeventilen ins Wasser gelassen werden kann (vgl. BGH VersR 1979, 932). Auch erscheint es etwa schuldhaft, bei hergestellter Verbindung zwischen Lenzleitung und geöffnetem Seeventil die Sicherheit des Schiffes allein einem automatisch arbeitenden Rückschlagventil in der Lenzleitung anzuvertrauen (OLG Hamburg MDR 1972, 425). Mit diesen Schadensfällen ist die hier zu verzeichnende Beschädigung der Jacht der Beklagten im weiteren Sinne vergleichbar, denn deren teilweises Sinken beruhte auf einem Eindringen von Seewasser über den internen Seewasserkreislauf. Als Fachfirma hat es sich der Klägerin unübersehbar aufdrängen müssen, dass für den Fall einer unterbliebenen Kontrolle der Seeventile die Sicherheit des Schiffes unter Umständen allein davon abhing, dass tatsächlich keine Undichtigkeiten in den jeweils dahinterliegenden Seewasserkreisläufen vorhanden waren. Unterlässt sie eine – nach Behauptung der Beklagten insoweit ausreichende – Sichtkontrolle der Seeventile im Hinblick darauf, dass diese geschlossen sind, erstreckt sich ihre Sorgfaltspflicht auf eine Kontrolle der jeweils innenbords liegenden Seewasserkreisläufe. Diese ist hier unterblieben, oder hat jedenfalls zu keinen Konsequenzen geführt, denn der Deckel der Filteranlage war unstreitig nicht fest verschlossen.
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Die Klägerin kann sich unbeschadet ihrer Pflicht zur äußeren Kontrolle der Seeventile nicht mit Erfolg darauf berufen, dass der Deckel der Filteranlage zunächst festgesessen und sich erst im Laufe der Nacht für sie unsichtbar infolge der Verwendung von Silikon an dem Zentralbolzen gelöst habe. Es spricht bereits Einiges dafür, dass es sich um insoweit unschlüssigen Vortrag handelt, dem in beiden Rechtszügen nicht im Wege der Beweiserhebung nachgegangen werden musste, zumal er im Berufungsrechtszug ohnehin den Verspätungsregeln des § 531 Abs. 2 ZPO unterläge. Jedenfalls bedurfte es einer Beweisaufnahme zu diesem streitigen Vorbringen schon deshalb nicht, weil die Klägerin nach dem Ende des Winterlagers auch mit einer derartigen Beschädigung des Deckels und dem hierauf beruhenden Wassereintritt hätte rechnen, bzw. ihre Sorgfaltspflichten hierauf abstimmen müssen.
24
Nur der Vollständigkeit halber sei die Klägerin hierzu – ohne dass es darauf ankäme – darauf hingewiesen, dass der von der Versicherung der Beklagten eingeschaltete Sachverständige T in seinem schriftlichen Gutachten vom 28. Juli 2006 nachvollziehbar festgestellt hat, dass für einen derartigen Geschehensablauf die entstandenen Wasserdrücke deutlich zu niedrig gewesen seien, so dass man davon ausgehen müsse, dass der Deckel bereits zum Zeitpunkt des Zuwasserlassens der Jacht geöffnet bzw. zumindest in der Form lose gewesen sei, dass unmittelbar zu diesem Zeitpunkt der Wassereintritt begonnen habe. Dieser Geschehensablauf wird erhärtet durch die Angaben des von der Versicherung der Klägerin selbst eingeschalteten Sachverständigen H in dessen schriftlichen Gutachten vom 8. Juli 2006, wonach der Wasserfilter nach seinem Zusammenbau auch mit dem vorhandenen „Alt“ – Silikon wieder völlig dicht war.
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Nach Allem bleibt festzuhalten, dass das Salzfilterventil jedenfalls nicht ordnungsgemäß verschlossen und daher wegen des Hereinströmens von Meerwasser die Ursache für das teilweise Sinken des Schiffes gewesen ist.
26
Auch soweit die Klägerin der Beklagten ausweislich ihrer Berufungsbegründung ein Mitverschulden wegen des losen Deckels entgegenhält, ist dieser Vortrag nicht von Erfolg gekrönt, denn sie hat nicht bewiesen, dass dieser Umstand auf ein gem. § 254 BGB zu berücksichtigendes Versäumnis der Beklagten zurückzuführen ist. Mithin haftet sie auf Schadensersatz in voller Höhe.
27
Der Schädiger ist für das Vorliegen der zugrunde liegenden Tatumstände beweispflichtig, aus denen er ein Mitverschulden des Geschädigten ableitet. Führt die Prüfung des von ihm geltend gemachten Vortrages insoweit zu einem „non liquet“, ist ein Mitverschulden des Geschädigten nicht zu berücksichtigen. So liegt es hier. Die Klägerin kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass ein Miteigner der Beklagten unstreitig im Bereich der Entsalzungsanlage tätig gewesen ist, weil auch sie selbst – ebenso unstreitig – Tätigkeiten in diesem Bereich entfaltet hat. Insbesondere vor diesem Hintergrund streitet für sie auch kein Anscheinsbeweis, dass der offen gebliebene Deckel auf ein Versäumnis der Beklagten zurückzuführen ist.
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Weiter ergibt sich auch aus dem Hinweis auf den unterhalb der Wasserlinie montierten Filter keine abweichende Bewertung im Hinblick auf ein etwaiges Mitverschulden. Dieser Frage ist nicht nachzugehen, denn die Beklagte verweist zu Recht darauf, dass ihr Segelschiff seiner Bestimmung gemäß im Einsatz mit unter Umständen erheblicher Schräglage im Wasser genutzt wird, so dass ein Eindringen äußeren Meerwassers über ein offenes Filtergehäuse auch möglich wäre, wenn dieses innenbords oberhalb der Wasserlinie montiert wäre.
29
Nach Allem erweist sich die angefochtene Entscheidung des Landgerichts in vollem Umfang als rechtmäßig.
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Auch die mit der Anschlussberufung der Beklagten im Wege der gem. § 533 ZPO für sachdienlich zu haltenden Widerklagerhöhung geltend gemachte Schadensersatzforderung ist begründet. Zutreffend weist die Beklagte hierzu darauf hin, dass die Schadenshöhe als solche in der Eingangsinstanz nicht substantiiert bestritten und auch die entsprechenden Feststellungen des Landgerichts ausweislich der Berufungsbegründung nicht angegriffen wurden, so dass insoweit von dem Rechenwerk aus ihrer Anschlussberufung vom 13. April 2010 auszugehen ist.
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Auch die weiteren Ansprüche bestehen zu Recht. Die mit den Schriftsätzen der Beklagten vom 25. April 2007 und vom 7. November 2007 geltend gemachten Forderungen wegen des vorprozessualen Tätigwerdens ihrer Bevollmächtigten gegenüber ihrer eigenen Versicherung und gegenüber der Klägerin sind begründet. Auf die im Verhandlungstermin problematisierte Absenkung bzw. Nichtberücksichtigung der Anwaltskosten für ihre Rechtsverfolgung braucht sie sich letztlich nicht verweisen zu lassen. Die Beklagte hat ausweislich ihrer Anschlussberufungsbegründung einen Anspruch dem Grunde und der Höhe nach schlüssig dargelegt und vorgetragen, dem die Klägerin weder mit ihrem schriftlichen Berufungsvorbringen noch im Verhandlungstermin mit einer dies in Abrede nehmenden Erwiderung entgegengetreten ist.
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Einer Korrektur bedarf lediglich der zu einem teilweisen Unterliegen der Beklagten führende Zinssatz, denn ihr steht nach der auch insoweit zutreffenden Ansicht des Landgerichts lediglich der Zinsanspruch gem. §§ 291, 288 Abs. 1 BGB zu.
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Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 2 Nr. 1, 97 Abs. 1 ZPO, die weiteren Nebenentscheidungen auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.