Rechtsmissbräuchliche Serienabmahnungen wegen fehlendem Hinweis auf Link zur OS-Plattform

OLG Frankfurt, Urteil vom 12. November 2020 – 6 U 210/19

Rechtsmissbräuchliche Serienabmahnungen wegen fehlendem Hinweis auf Link zur OS-Plattform

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 23.8.2019 verkündete Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten der Berufung zu tragen.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Gründe
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(Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen
wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a ZPO abgesehen.)

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Die Berufung der Klägerin ist zulässig, kann in der Sache aber keinen Erfolg haben. Das Landgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen

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Die Klage ist bereits unzulässig, da die Rechtsverfolgung durch die Klägerin rechtsmissbräuchlich ist.

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Nach § 8 Abs. 4 Satz 1 UWG ist die Geltendmachung der in § 8 Abs. 1 UWG bezeichneten Ansprüche auf Beseitigung und Unterlassung wegen einer unzulässigen geschäftlichen Handlung unzulässig, wenn sie unter Berücksichtigung der gesamten Umstände missbräuchlich ist, insbesondere wenn sie vorwiegend dazu dient, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen. Von einem Missbrauch ist auszugehen, wenn das beherrschende Motiv des Gläubigers sachfremde, für sich genommen nicht schutzwürdige Interessen und Ziele sind. Diese müssen allerdings nicht das alleinige Motiv des Gläubigers sein. Es reicht aus, dass die sachfremden Ziele überwiegen. Die Annahme eines derartigen Rechtsmissbrauchs erfordert eine Abwägung der maßgeblichen Einzelumstände. Ein Anhaltspunkt für eine missbräuchliche Rechtsverfolgung kann sich daraus ergeben, dass die Abmahntätigkeit in keinem vernünftigen wirtschaftlichen Verhältnis zur gewerblichen Tätigkeit des Abmahnenden steht (BGH GRUR 2016, 961 Rn 15 – Herstellerpreisempfehlung bei Amazon – m.w.N.). Weiteres Indiz für ein missbräuchliches Vorgehen ist es, wenn der Abmahnende an der Verfolgung des beanstandeten Wettbewerbsverstoßes kein nennenswertes wirtschaftliches Interesse haben kann, sondern seine Rechtsverfolgung aus der Sicht eines wirtschaftlich denkenden Gewerbetreibenden allein dem sachfremden Interesse der Belastung seiner Mitbewerber mit möglichst hohen Kosten dient (vgl. BGH GRUR 2001, 260, 261 – Vielfachabmahner; BGH GRUR 2019, 199 Rn 21 – Abmahnaktion II).

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Bereits die hohe Zahl von Abmahnungen, die die Klägerin zwischen Februar 2018 und Februar 2019 aussprechen ließ, spricht für ein missbräuchliches Vorgehen. Die Klägerin hat nach dem unstreitigen Vortrag des Beklagten über 240 Abmahnungen ausgesprochen, wobei es in fast allen Fällen entweder um die fehlende Verlinkung zur OS-Plattform oder um die Verletzung anderer Pflichten von Diensteanbietern geht. Hierbei handelt es sich um leicht ermittelbare Verstöße, die durch ein systematisches Durchforsten des Internets auffindbar sind. Die Klägerin wird durch diese Verstöße in ihrer wirtschaftlichen Betätigung nicht unmittelbar berührt. Die Verstöße, namentlich die fehlende Verlinkung zur OS-Plattform, betreffen die Rechtsbeziehungen der abgemahnten Reiseunternehmen zu ihren Kunden. Sie erschweren den Marktzugang für die Klägerin nicht. Zwar liegt es im Interesse eines lauter handelnden Unternehmens, dass auch Mitbewerber die Regeln des lauteren Wettbewerbs einhalten. Mit diesem Interesse lässt sich jedoch das massenhafte und flächendeckende Abmahnen von Bagatellverstößen innerhalb eines kurzen Zeitraums nicht erklären.

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Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin – wenn überhaupt – nur vorbereitend und in sehr speziellen Segmenten des Reisevermittlungsmarkts tätig ist. Wie die Klägerin zuletzt mit Schriftsatz vom 14.10.2020 vorgetragen hat, befinden sich die meisten ihrer angeblichen Tätigkeiten erst im Planungsstadium und dies seit mehreren Jahren. Dies gilt zum Beispiel für die seit Jahren geplante Hotelrenovierung ihrer Tochtergesellschaft A GmbH oder die angeblichen Kooperationen mit Unternehmen der Reisebranche. Soweit die Beklagte im Bereich der Vermittlung medizinischer Leistungen für russische Staatsbürger oder im Bereich der Vermittlung von Arbeitskräften in Gebiete der Ölförderung tätig werden möchte bzw. dies in der Vergangenheit plante, handelt es sich schon nicht um Leistungen, die mit jenen der Beklagten austauschbar sind.

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Selbst wenn man auf Grundlage der vagen Angaben der Klägerin von einer geplanten Tätigkeit als Reisevermittlerin ausgehen wollte, lässt sich in diesem Stadium aus Sicht eines wirtschaftlich denkenden Gewerbetreibenden die massenhafte Abmahnung von potentiellen Mitbewerbern nicht mit lauteren Interessen erklären. Kein kaufmännisch handelnder Unternehmer wird Kostenrisiken in einer für sein Unternehmen existenzbedrohenden Höhe durch eine Vielzahl von Abmahnungen oder Aktivprozessen eingehen, wenn er an der Unterbindung der beanstandeten Rechtsverstöße kein nennenswertes wirtschaftliches Interesse hat (BGH GRUR 2019, 199 Rn 21 – Abmahnaktion II). Dies gilt ungeachtet der Behauptung der Klägerin, dass sie über erhebliche Mittel verfügt und hinsichtlich der Kostenrisiken Rückstellungen gebildet hat.

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Das Verhalten der Klägerin lässt daher nur den Schluss zu, dass es ihr in erster Linie darum geht, sich im Zusammenwirken mit ihrem Prozessbevollmächtigten durch die Abmahntätigkeit eine Einnahmequelle zu erschließen, sei es durch die Generierung von Vertragsstrafeansprüchen oder von Erstattungskosten hinsichtlich der Abmahnkosten.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

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Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat seine Grundlage in §§ 708 Nr. 10 S. 2, 711, 713 ZPO.

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