Kein Schadensersatz bei Knochenbrüchen infolge sog. EMS-Trainings

Kammergericht, Urteil vom 23. Mai 2016 – 20 U 207/15

Kein Schadensersatz bei Knochenbrüchen infolge sog. EMS-Trainings

Der 20. Zivilsenat des Kammergerichts hat mit Urteil vom 23. Mai 2016 die Berufung einer Frau zurückgewiesen, die von der Betreibergesellschaft mehrerer EMS-Fitnessstudios Schadensersatz, Schmerzensgeld und eine Rente für Knochenbrüche bei einem behaupteten Unfall in einem der Fitnessstudios verlangte und in erster Instanz vor dem Landgericht Berlin erfolglos geblieben war.

Die 1951 geborene Klägerin trainierte seit August 2013 bei der Beklagten, die ein so genanntes EMS-Training (Elektro-Myo-Stimulation) an Sportgeräten anbietet. Für das Training werden den Teilnehmern Elektroden angepasst und mittels Stromreizen die verschiedenen Körperteile des Trainierenden stimuliert. Die Stromstärke kann mittels verschiedener Drehknöpfe für jede Körperpartie gesondert eingestellt werden.

Die Klägerin erschien am 6. Juni 2014 in einem der Fitnessstudios der Beklagten, befestigte die erforderliche Ausrüstung an ihrem Körper und begann mit dem Training, indem sie die Regler des Sportgerätes zur Regulierung des Stromdurchflusses in streitigem Umfang aufdrehte. Aufgrund von Umständen, die zwischen den Parteien ebenfalls streitig sind, befand sich ein Regler des Sportgerätes plötzlich auf höchster Stufe. Ein Mitarbeiter der Beklagte wurde aufmerksam und stellte das Trainingsgerät ab. Die Klägerin behauptet, einen starken elektrischen Schlag erhalten zu haben, der eine Ausrenkung beider Schultern mit Trümmerbrüchen der Oberarmköpfe auf beiden Seiten verursacht habe. Sie leide noch heute an erheblichen Bewegungseinschränkungen und chronischen Schmerzen.

Die Klägerin begehrt mit der vor dem Landgericht Berlin erhobenen Klage ein Schmerzensgeld von mindestens 50.000,00 EUR, den Ersatz von Haushaltsführungsschäden von knapp 3.500,00 EUR und eine vierteljährliche Rente von knapp 2.000,00 EUR. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.

Das Kammergericht hat in Bestätigung des landgerichtlichen Urteils eine Haftung der Beklagten verneint. Die Klägerin habe bereits nicht hinreichend dargelegt, dass die Beklagte ihre Verkehrssicherungspflichten verletzt habe. Eine Hinweispflicht auf die Gefahr etwaiger erheblicher Verletzungen in Form von Knochenbrüchen etc. bei einem Hochdrehen der Reglerknöpfe auf höchste Stufe habe nicht bestanden. Denn die Beklagte habe vor dem Unfall keine Kenntnis von solchen Vorfällen gehabt bzw. habe auch nicht zumindest damit rechnen müssen.

Der Beklagten könne auch nicht vorgeworfen werden, die Klägerin nicht darüber aufgeklärt zu haben, dass die Regler versehentlich verstellt werden könnten. Denn ein solch unterbliebener Hinweis wäre nicht ursächlich für die Verletzungen der Klägerin gewesen. Aus ihrem widersprüchlichen und unklaren Vorbringen könne nicht entnommen werden, dass sie den Regler tatsächlich unbewusst und nicht mit Absicht auf die höchste Stufe gedreht habe.

Eine Haftung der Beklagten ergebe sich auch nicht aus dem Gesetz über Medizinprodukte und der entsprechenden Betreiberverordnung. Das Gerät sei zwar ein aktives Medizinprodukt im Sinne dieser Vorschriften, da es therapeutischen Zwecken diene und in der Wirkung einer Medikamenteneinnahme vergleichbar sei. Es könne jedoch nicht festgestellt werden, dass die Beklagte schuldhaft gehandelt habe. Sie hätte zumindest den Verdacht haben müssen, die Gesundheit der Trainierenden werde in einem Maß gefährdet, das nach den medizinischen Erkenntnissen nicht mehr vertretbar wäre. Zwar liege nunmehr aufgrund des Unfalls auf der Hand, dass es bei dem Durchfluss von Strom in voller Stärke zu schweren Muskelkontraktionen kommen könne. Die Klägerin habe jedoch weder vorgetragen noch Beweis dafür angetreten, dass die Beklagte eine solche Kenntnis auch schon vor dem hiesigen Vorfall hatte oder zumindest mit diesen schweren Folgen hätte rechnen müssen.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig; gegen die Nichtzulassung der Revision kann Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesgerichtshof innerhalb eines Monats ab förmlicher Zustellung des Urteils eingelegt werden.

Die schriftlichen Urteilsgründe des Kammergerichts liegen vor und sind unter http://www.berlin.de/gerichte/presse/pressemitteilungen-der-ordentlichen-gerichtsbarkeit/2016/ verfügbar.

Quelle: Pressemitteilung Nr. 28/2016 vom 01.06.2016

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