Kein Rücktritt wegen Sachmangel bei überwiegendem Verschulden des Käufers für eingetretenen Schaden

Landgericht Dortmund, Urteil vom 21.12.2007 – 22 O 212/06

Kein Rücktritt wegen Sachmangel bei überwiegendem Verschulden des Käufers für eingetretenen Schaden

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

Der Kläger erwarb im Mai 2000 von der Beklagten einen gebrauchten Pkw G. Der Kaufpreis für den Pkw, der dem Kläger am 22.05.2006 mit einem Kilometerstand von knapp 60.000 übergeben wurde, betrug 8.990,00 €.

Am 10.11.2006 blieb der Pkw mit einem Motorschaden liegen, nachdem der Kläger mit ihm in seiner Besitzzeit ca. 14.000 km zurückgelegt hatte.

Der Kläger verbrachte den Pkw zur Beklagten und forderte sie zur Nachbesserung auf. Dies lehnte die Beklagte unter Hinweis auf Mängelfreiheit des Pkws bei Gefahrübergang ab. Die Beklagte versuchte eine „3-seitige Regelung“ unter Einbeziehung der Parteien und einer Garantieversicherung zu erreichen, wonach der Kläger und die Versicherung je 1.000,00 € zahlen sollten und die Beklagte einen von ihr zu beschaffenden Gebrauchtmotor einzubauen hatte. Hierzu war der Kläger nicht bereit.

Der Kläger behauptet, der Pkw sei bereits bei Übergabe im Mai 2006 mangelhaft gewesen.

Vor dem Eintritt des Motorschadens sei er auf der Autobahn bei Oberhausen-Sterkrade in einen Stau gekommen. Der Wagen habe dort im Stand geruckelt. Bei einem Gasgeben sei dies wieder weggegangen. Er habe dann von seiner Arbeitsstelle aus bei einer G-Werkstatt angerufen. Man habe ihm von dort erklärt, dass evtl. eine Sonde erodiert sei und er im Laufe der Woche vorbeischauen solle. Auf der Rückfahrt von der Arbeitsstelle sei es dann zu dem Motorschaden gekommen, ohne dass er zuvor eine Qualmentwicklung oder sonstige besondere Erscheinungen bemerkt habe. Morgens, beim erstmaligen Anlassen des Pkws, sei es lediglich zu der üblichen Qualmentwicklung gekommen.

Der Kläger lässt sich auf den Kaufpreis eine Nutzungsentschädigung in Höhe von 843,26 € anrechnen.

Er beantragt daher,

1.

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 8.146,74 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 30.01.2007 Zug um Zug gegen Rückgabe des Pkws mit der Fahrgestellnummer ################ zu zahlen,

2.

festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Annahme des im Klageantrag zu 1) bezeichneten Fahrzeuges im Verzug befindet,

3.

die Beklagte zu verurteilen, ihn von der Rechnung der Rechtsanwälte F, C, E und Kollegen in Höhe von 361,75 € freizustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie behauptet, ein Mangel, der zu dem Motorschaden führte, habe bei Übergabe des Pkws noch nicht vorgelegen.

Sie meint, der Kläger sei für den Eintritt des Motorschadens verantwortlich. Sie behauptet hierzu, vor dem Motorschaden müsse sich schwarzer Auspuffqualm in erheblicher Menge gebildet haben. Der Kläger habe am 18.11.2006 gegenüber ihrem Geschäftsführer erklärt, dass er bereits etliche Tage vor dem Liegenbleiben ein starkes Qualmen bemerkt habe, jedoch keinen Anlass sah, den Fahrbetrieb einzustellen.

Hilfsweise rechnet die Beklagte mit einem Wertersatzanspruch in Höhe von 3.000,00 € für den beschädigten Motor auf.

Die Beklagte behauptet weiter, bei einer Überprüfung nach dem Motorschaden sei festgestellt worden, dass sich im Motor 3 l Öl-Kraftstoffgemisch befanden.

Die Beklagte ist der Auffassung, es läge allenfalls eine unerhebliche Pflichtverletzung vor. Sie weist darauf hin, dass der Einbau einer neuen Einspritzdüse lediglich – insoweit unstreitig – Reparaturkosten in Höhe von brutto 160,00 € (Arbeit und Material) verursacht.

Das Gericht hat Beweis erhoben auf Grund des Beweisbeschlusses vom 30.03.2007 (Blatt 52 der Akten). Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des Dipl.-Ing. S vom 24.07.2007 Bezug genommen. Die Kammer hat ferner Beweis erhoben durch die Anhörung des Sachverständigen im Termin vom 09.11.2007. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme insoweit wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 09.11.2007, Blatt 91 ff. der Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises aus §§ 323, 346 ff., 433, 434, 437 Nr. 2 BGB. Zwar lag bei Übergabe des Pkws ein Mangel der Kaufsache vor (hierzu im Folgenden I.). Jedoch ist der Rücktritt des Klägers vom Kaufvertrag ausgeschlossen, weil er für den Umstand, der ihn zum Rücktritt berechtigen würde, weit überwiegend verantwortlich ist (II.).

I.

1. Ein Mangel der Kaufsache bei Gefahrübergang liegt vor. Das Fahrzeug war gemäß § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB mangelhaft, da es nicht die Beschaffenheit aufwies, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann. Üblich und vom Käufer zu erwarten ist nur normaler (natürlicher) Verschleiß eines Gebrauchtwagens, nicht aber übermäßiger Verschleiß (BGH NJW 2006, 434; OLG Düsseldorf NJW 2006, 2858; Reinking/Eggert, der Autokauf, 9. Aufl., Rdn. 1228). Soweit es – wie hier – nicht um einen sogenannten „Serienfehler“ geht, ist zur Ermittlung des Maßstabes für die übliche Beschaffenheit auf ein Fahrzeug abzustellen, das bauart-und typengleich ist und nach Alter und Laufleistung dem Kaufobjekt soweit wie möglich entspricht (Reinking/Eggert, a.a.O., Rdn. 1235; OLG Stuttgart NJW-RR 2006, 1720).

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichtes fest, dass die Ursache für den Motorschaden an dem Pkw ein Defekt an der Einspritzdüse des zweiten Zylinders war, wodurch Kraftstoff in erheblichen Überschussmengen in den Brennraum des zweiten Zylinders eingebracht wurde, was zu massiven Verbrennungsstörungen und in der Folge davon, durch die Weiterbenutzung des Fahrzeuges auch zu erheblichen mechanischen und thermischen Beschädigungen an Kolben und Zylindernwänden führte.

Ursächlich für den Ausfall der Einspritzdüse wiederum war betriebsbedingter deutlich überdurchschnittlicher Verschleiß. Der Sachverständige hat hierzu ausgeführt, dass bei dem vorliegenden Fabrikat von einer Regellaufleistung von 100.000 bis 150.000 km auszugehen sei, während hier der Ausfall der Einspritzdüse bereits bei einem Kilometerstand von gut 74.000 erfolgte. Die Feststellungen des Sachverständigen sind insgesamt überzeugend. Der Sachverständige ist von den zutreffenden Anschlusstatsachen ausgegangen. Seine Ausführungen sind plausibel.

2. Allerdings hat der Sachverständige keine Feststellungen dazu treffen können, ob ein überdurchschnittlicher und damit übermäßiger Verschleiß auch bereits bei Gefahrübergang im Mai 2006 vorlag. Der Sachverständige hatte dies damit begründet, dass ein linearer Verschleiß nicht zugrundegelegt werden könne, weil verschiedene Umstände einen nicht linearen Verschleiß bedingen können. Jedoch ist nach § 476 BGB zu vermuten, dass der übermäßige Verschleiß der Einspritzdüse bereits bei Gefahrübergang vorlag. Ein Verbrauchsgüterkauf gemäß § 474 Abs. 1 S. 1 BGB ist gegeben. Der Verschleiß der Einspritzdüse zeigte sich innerhalb von 6 Monaten seit Gefahrübergang, da sie am 10.11.2006 und damit noch kurz vor Ablauf der 6-Monatsfrist den Motorschaden verursachte.

Eine Unvereinbarkeit der Vermutung mit der Art der Sache oder des Mangels liegt nicht vor. Insbesondere steht der Anwendung der gesetzlichen Vermutung nicht entgegen, dass es sich um einen auf übermäßigem Verschleiß beruhenden Mangel eines Gebrauchtwagens handelt (OLG Hamm, Urteil vom 18.06.2007, Aktenzeichen 2 U 220/06 = Beck RS 200714370; OLG Koblenz NJW 2007, 1828). Soweit eine Gegenauffassung eine Ausnahme von der grundsätzlich gegebenen Beweislastumkehr bei gebrauchten Sachen annehmen will, bei denen die von vornherein anzunehmende unterschiedliche Abnutzung zu berücksichtigen sei (LG Hanau, NJW-RR 2003, 1561; Palandt, BGB, 65. Aufl., § 476, Rdn. 10, nicht mehr vertreten in der 66. Auflage; unklar: OLG Köln MDR 2006, 1391) ist diese durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (zuletzt klarstellend BGH NJW 2007, 2621) überholt. Der Ausschluss der Vermutung für den Käufer eines gebrauchten Pkws ist nicht gerechtfertigt. Gerade bei verborgenen Mängeln ist der Verbraucher schutzwürdig. Dies gilt auch für den Fall verborgener verschleißbedingter Mängel.

II.

Ungeachtet des Vorliegens eines Mangels ist der Kläger gleichwohl nicht zum Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigt, weil der Rücktritt vorliegend nach § 323 Abs. 6 BGB ausgeschlossen ist. Diese Vorschrift basiert auf dem allgemeinen Rechtsgedanken, dass der Gläubiger aus einer Situation, die er selbst zu verantworten hat, keine Rechte herleiten darf (Reinking/Eggert, a.a.O., Rdn. 428). Ein Gläubiger ist für den Umstand, der ihn zum Rücktritt berechtigen würde allein oder weit überwiegend verantwortlich, wenn auch ein Schadensersatzanspruch statt der Leistung nicht nur gekürzt, sondern nach § 254 BGB vollständig ausgeschlossen wäre (Staudinger, BGB-Neubearbeitung 2004, § 323, Rdn. E 7 unter Bezugnahme auf die Entstehungsgeschichte; Palandt, BGB, 66. Aufl., § 323, Rdn. 29: Verantwortungsquote des Gläubigers von 90 %, mindestens aber von 80 %). So kann es liegen, wenn sich ein bei Gefahrübergang vorhandener geringfügiger Fahrzeugmangel infolge seines Verschuldens derart ausweitet, dass die für das Rücktrittsrecht maßgebliche Schwelle des § 323 Abs. 5 S. 2 BGB erst dadurch überschritten wird (Reinking/Eggert, a.a.O., Rdn. 428).

Danach ist vorliegend von einem Ausschluss des Rücktrittsrechtes für den Kläger auszugehen. Der Grundmangel der überdurchschnittlich verschlissenen Einspritzdüse allein berechtigte den Kläger noch nicht zur Erklärung des Rücktritts. Denn die in der Mangelhaftigkeit der Einspritzdüse liegende Pflichtverletzung der Beklagten war nur geringfügig. Die Reparatur der defekten Einspritzdüse hätte, was zwischen den Parteien unstreitig ist, lediglich Reparaturkosten in Höhe von 160,00 € brutto veranlasst. Diese Reparaturkosten stellen rechnerisch bereits nur einen geringen Bruchteil (ca. 1,7 %) des Kaufpreises dar. Ferner ist zu berücksichtigen, dass es sich um einen versteckten Mangel handelte, welcher nach den Ausführungen des Sachverständigen bei einer normalen Überprüfung oder Probefahrt durch den gewerblichen Verkäufer nicht auffallen kann. Die Erheblichkeitsschwelle des § 323 Abs. 5 S. 2 BGB wurde vorliegend erst durch die Ausweitung des Grundmangels zum Motorschaden überschritten. Hierfür ist der Kläger verantwortlich. Dieser hat sich zumindest grob fahrlässig über Warnsignale (nachlassende Leistung, schwarzer Qualm) hinweggesetzt, als es noch nicht zu einer endgültigen Schädigung des Motors gekommen war. Dies steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts fest. Der Sachverständige ist den Erklärungen des Klägers entgegengetreten. Danach konnte es nicht lediglich vor dem Motorschaden zu einem Ruckeln gekommen sein. Der Sachverständige hat überzeugend erläutert, dass es vor einem endgültigen Motorschaden zunächst zu einem Leistungsverlust und schwarzen Qualmwolken kommt. Er hat weiter erklärt, dass die Qualmentwicklung sich sowohl im Stadtverkehr als auch bei Autobahnfahrten intensiv bemerkbar macht und gesehen werden müsste. Bei eigenüblicher Sorgfalt hätte der Kläger den Motorschaden mithin verhindern können. Soweit er Rat bei einer G-Werkstatt geholt haben will, so entlastet ihn dies nicht. Es ist bereits unklar, welchen tatsächlichen Sachverhalt er der G-Werkstatt unterbreitet haben will. Jedenfalls ist nicht ersichtlich, dass er der G-Werkstatt erklärte, dass schwarzer Qualm und ein Leistungsabfall eingetreten wäre.

Bei einer Gesamtabwägung ist nach alledem eine weit überwiegende Verantwortlichkeit des Klägers festzustellen. Während die Beklagte nur verschuldensunabhängig einen Sachmangel zu vertreten hat, welcher einen Reparaturkostenaufwand in Höhe von 160,00 € bedingt, hat der Kläger unter Verletzung der eigenüblichen Sorgfalt den weitergehenden Motorschaden verursacht. Die Reparaturkosten insoweit belaufen sich auf mindestens 3.000,00 €.

Nach alledem war zu erkennen wie geschehen.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 708 Nr. 1, 711 ZPO.

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