LG Stuttgart, Urteil vom 21.12.2017 – 5 S 142/17
Der leitungsbedingte Ausfall aller Check-In-Schalter einer Fluggesellschaft über mehrere Stunden stellt einen außergewöhnlichen Umstand i.S.d. Art. 5 Abs. 3 Verordnung (EG) 261/2004 dar.(Rn.18)
(Leitsatz des Gerichts)
Tenor
1. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Amtsgerichts Nürtingen vom 27.04.2017, Az. 12 C 2028/16, wird zurückgewiesen.
2. Die Kläger haben als Gesamtschuldner die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die vorläufige Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird auf € 1.800,00 festgesetzt.
Gründe
I.
1
Die Kläger machen gegen die Beklagte Ansprüche auf Zahlung einer Ausgleichsleistung nach Art. 7 Abs. 1 c der Verordnung (EG) 261/2004 (im Folgenden: FluggastrechteVO) geltend.
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Die Kläger hatten bei der Beklagten für den 29.05.2016 einen Flug von New York über London nach Stuttgart gebucht (Flugnummer BA 112). Dieser sollte am Abend um 18.35 Uhr Ortszeit in New York, Flughafen JFK, starten. Der Check-in der Beklagten am Terminal 7 des Flughafens JFK verzögerte sich, so dass die Maschine nicht pünktlich starten konnte und mit einer Verspätung von mehr als 2 Stunden in London landete. Aufgrund dieser Verspätung verpassten die Kläger ihren Anschlussflug nach Stuttgart, wo sie erst am 30.05.2016 um 20.03 Uhr – mit einer Verspätung von mehr als neun Stunden – eintrafen.
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Die Kläger beantragten erstinstanzlich,
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die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger jeweils € 600,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.08.2016 zu bezahlen.
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Die Beklagte beantragte
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Klagabweisung.
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Die Beklagte beruft sich auf einen außergewöhnlichen Umstand gemäß Artikel 5 Abs. 3 FluggastrechteVO. Am 29.05.2016 seien im Terminal 7 des Flughafens JFK aufgrund von Leitungsproblemen bei dem Telekommunikationsanbieter V. alle Check-in Schalter ausgefallen. Deshalb habe man alle Bordkarten und Gepäckabschnitte per Hand ausfüllen müssen, wodurch es zu gravierenden Verzögerungen gekommen sei. Von dem Ausfall der Computer seien alle Fluggesellschaften, die von Terminal 7 starten, betroffen gewesen. Die Beklagte habe von Terminal 7 nach dem Ausfall der Computersysteme zehn Flüge durchgeführt. Alle 10 Flüge seien mit mehr als einstündiger bis zu vierstündiger Verspätung gestartet.
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Die Beklagte habe alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen, um den manuellen Eincheckvorgang jedes einzelnen Passagiers zu beschleunigen. Dadurch habe sie keinen der 10 Flüge annulieren müssen, die Verspätung sei jedoch nicht zu vermeiden gewesen. Insgesamt seien mehr als 2500 Passagiere betroffen gewesen.
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Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, da ein außergewöhnlicher Umstand im Sinne des Artikel 5 Abs. 3 der FluggastrechteVO vorliege, so dass kein Anspruch der Kläger auf Zahlung einer Ausgleichsleistung bestehe.
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Mit der Berufung erstreben die Kläger die Abänderung des erstinstanzlichen Urteils und verfolgen ihre Ansprüche weiter. Zu Unrecht sei ein außergewöhnlicher Umstand angenommen worden. Die Bodenabfertigung sei gewöhnlicher Bestandteil der Ausübung der Luftfahrttätigkeit. Verzögerungen beim Check-in aufgrund eines Computerausfalls fielen in den Risikobereich und die Betriebssphäre des Luftfahrtunternehmens. Dass sich die Behebung der Leitungsprobleme aufgrund eines Streiks bei dem Telekommunikationsanbieter V. verzögert habe, habe erstmals der vom Amtsgericht vernommene Zeuge C. erklärt. Diesen Vortrag habe sich die Beklagte nicht zu eigen gemacht. Außerdem sei der Streik bei V. unerheblich, da er weder den Ausfall der Computer verursacht noch die sonstige Durchführung des Fluges beeinträchtigt habe. Schließlich habe sich das Gericht nicht mit der Durchführung der zumutbaren Maßnahmen zur Vermeidung einer Verspätung auseinandergesetzt. Es fehle jeglicher Vortrag der Beklagten zu den Möglichkeiten einer Umbuchung der Passagiere, um auf diese Weise eine Verspätung am Endziel zu vermeiden.
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Die Kläger beantragen daher:
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unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Nürtingen vom 27.04.2017, Az.: 12 C 2028/16, die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger zu 1 bis 3 jeweils 600,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.08.2016 zu bezahlen.
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Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil und beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes bis zum Abschluss der ersten Instanz und der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß § 540 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf das angefochtene Urteil Bezug genommen. Im Übrigen wird ergänzend auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
II.
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Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und mit einer Begründung versehene Berufung der Kläger hat in der Sache keinen Erfolg.
1.
17
Den Klägern steht gegen die Beklagte kein Ausgleichsanspruch gemäß Artikel 7 Absatz 1 c), Artikel 5 Abs. 1 c) FluggastrechteVO zu. Die Beklagte ist von ihrer Pflicht zur Leistung einer Ausgleichszahlung gemäß Artikel 5 Abs. 3 der FluggastrechteVO befreit.
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a) Der aufgrund von Leitungsproblemen bei dem Telekommunikationsunternehmen V. eingetretene Ausfall der Primär- und Back-up-Systeme für das Einchecken der Passagiere über einen Zeitraum von mehr als 13 Stunden begründet einen außergewöhnlichen Umstand im Sinne der Verordnung.
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aa) Das Amtsgericht hat unter Würdigung der Aussage des Zeugen C. festgestellt, dass am Tag des streitgegenständlichen Fluges gegen 10.30 Uhr Ortszeit bei dem Telekommunikationsunternehmen V. die Energieversorgung für die Primär- und Back-up-Systeme an Terminal 7 des Flughafens JFK ausfiel. Techniker der Beklagten hätten das Problem nicht beheben können. Ein Techniker des Unternehmens V. sei erst um 24.00 Uhr am Abend gekommen, da bei V. vom 13.04.2016 bis zum 31.05.2016 gestreikt worden sei. Diese Feststellungen des Amtsgerichts beruhen auf der Aussage des Zeugen C., die das Amtsgericht als glaubhaft bewertet hat. Fehler oder Unvollständigkeiten in der Würdigung der Zeugenaussage durch das Amtsgericht sind nicht ersichtlich.
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Der mit der Berufung geltend gemachte Einwand der Kläger, die streikbedingte Verzögerung der Reparatur sei erstmals von dem Zeugen C. im Rahmen seiner Vernehmung vor dem Amtsgericht erwähnt worden und die Beklagte habe sich diesen Vortrag nicht zu eigen gemacht, verfängt nicht. Zwar ist zutreffend, dass die Beklagte erstinstanzlich nicht schriftsätzlich vorgetragen hatte, dass der Ausfall der Computersysteme aufgrund des Streiks bei dem Telekommunikationsunternehmen V. erst um 24.00 Uhr am Abend des 29.05.2016 behoben werden konnte. Dies bekundete erst der Zeuge C. in seiner Vernehmung vor dem Amtsgericht. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist jedoch grundsätzlich davon auszugehen, dass sich eine Partei die bei einer Beweisaufnahme zutage tretenden Umstände jedenfalls hilfsweise zu Eigen macht, soweit sie ihre Rechtsposition zu stützen geeignet sind (BGH Urteil vom 03.04.2001, MDR 2001, 887). Die Beklagte übersandte im Nachgang zur Vernehmung des Zeugen C. mit Schriftsatz vom 04.03.2017 (Bl. 68 f. d.A.) eine Presseerklärung der CWA-Union, einer amerikanischen Gewerkschaft, zum Nachweis des Streiks bei der Belegschaft des Telekommunikationsunternehmen V.. Mit diesem ergänzenden Vortrag hat die Klägerin klar zu verstehen gegeben, dass sie sich die Bekundungen des Zeugen C. zu der streikbedingten Verzögerung der Reparatur zu Eigen macht.
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Somit sind die vom Amtsgericht festgestellten Tatsachen gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zugrunde zu legen.
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bb) Die vom Amtsgericht festgestellten Umstände sind außergewöhnlich im Sinne von Art. 5 Abs. 3 FluggastrechteVO. Diese enthält keine Definition des Begriffs der „außergewöhnlichen Umstände“. Nr. (14) und (15) der Erwägungsgründe der Verordnung präzisieren den Begriff ebenfalls nicht hinreichend (Staudinger/Keiler-Maruhn, FluggastrechteVO, 1. Aufl. 2016, Rn. 6).
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(1) Nach der Rechtsprechung des EuGH ist das Tatbestandsmerkmal eng auszulegen, um das vom Unionsgesetzgeber gewollte Schutzniveau zu wahren (EuGH, Urteil vom 22. Dezember 2008 – C-549/07). Im Rahmen dieser engen Auslegung kommt es im Ausgangspunkt darauf an, ob der die Verzögerung verursachende Umstand untrennbar mit dem System zum Betrieb eines Flugzeugs verbunden ist oder seiner Natur oder Ursache nach nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betroffenen Luftfahrtunternehmens und von ihm nicht tatsächlich beherrschbar ist (siehe etwa EuGH, Beschluss vom 14. November 2014 – C-394/14 -, Rn. 20, zit. nach juris; Urteil vom 04.05.2017- C-315/15 -, Rn. 24, zit. nach juris). Entsprechend sind von außen einwirkende Umstände wie ein Sabotageakt oder eine terroristische Handlung (EuGH – Wallentin-Hermann/Allitalia, Urt. v. 19.11.2009 – Rs. C-420/07, Rn. 26, zit. nach juris; EuGH – Siewert/Condor, Urteil vom 14.11.2014, Rs. C-394/14 Rn. 19, zit. nach juris; EuGH – van der Lans/KLM, Urteil vom 17. September 2015 – C-257/14 -, Rn. 38, zit. nach juris), Naturereignisse wie ein Vulkanausbruch (EuGH – McDonagh/Ryanair, Urteil vom 31.01.2013, Rs. C-12/11, Rn. 34; zit. nach juris) oder eine behördliche Anordnung, die Auswirkungen auf den Flugbetrieb hat (EuGH – Wallentin-Hermann/Allitalia, Urt. v. 19.11.2009 – Rs. C-420/07, Rn. 26, zit. nach juris), außergewöhnliche Ereignisse.
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(2) Der Bundesgerichtshof stellt zur Ausfüllung der vom EuGH gegebenen Definition zum einen auf die Häufigkeit bzw. Üblichkeit eines Umstandes, zum anderen auf dessen Beherrschbarkeit ab; außerdem seien außergewöhnliche Umstände in der Regel solche, die „von außen“ auf den Luftverkehr einwirken. Entsprechend hat der BGH etwa in seiner Entscheidung vom 21.08.2012 (Az. X ZR 138/11) ausgeführt, der Begriff des außergewöhnlichen Umstands sei dadurch gekennzeichnet, dass es sich um einen Umstand handeln müsse, der nicht dem gewöhnlichen Lauf der Dinge entspricht, sondern außerhalb dessen liegt, was üblicherweise mit dem Ablauf der Personenförderung im Luftverkehr verbunden ist oder verbunden sein kann – der aus den üblichen und erwartbaren Abläufen des Flugverkehrs also herausragt. Die Außergewöhnlichkeit der Umstände kann sich daher auch aus einem – gegebenenfalls nur ein einzelnes Flugzeug betreffendes – Vorkommnis ergeben, das wie ein Sabotageakt oder ein terroristischer Anschlag außerhalb dessen liegt, womit im Rahmen der normalen Betriebstätigkeit eines Luftverkehrsunternehmens gerechnet werden muss (BGH, Urteil vom 21.08.2012, Az. X ZR 138/11, Rn. 16). So hat der BGH etwa in Übereinstimmung mit den vom EuGH in der Rechtssache Wallentin-Hermann/Alitalia (Urteil vom 12. Mai 2011 – Rs. C-294/10, Rz. 43, zit. nach juris) entwickelten Grundsätzen ausgeführt, dass zwar einerseits technische Defekte, wie sie beim Betrieb eines Flugzeugs typischerweise auftreten, grundsätzlich keine außergewöhnlichen Umstände begründen. Dies gilt auch dann, wenn das Luftverkehrsunternehmen alle vorgeschriebenen oder sonst bei Beachtung der erforderlichen Sorgfalt gebotenen Wartungsarbeiten frist- und ordnungsgemäß ausgeführt hat. Solche Defekte sind Teil der normalen Tätigkeit des betroffenen Luftverkehrsunternehmens (BGH, Urteil vom 12.11.2009 – Xa ZR 76/07, Rn. 23). Wenn ein technischer Defekt aber ein nicht beherrschbares Vorkommnis zur Folge hat, das außerhalb des Rahmens der normalen Betriebstätigkeit des Luftverkehrsunternehmens liegt – etwa weil nicht nur ein einzelnes Flugzeug betroffen ist, sondern der gesamte über einen Flughafen abgewickelte Luftverkehr oder die gesamte Flotte eines Luftverkehrsunternehmens – liegt doch ein außergewöhnlicher Umstand vor (BGH, Urteil vom 21.08.2012 – X ZR 138/11, Rn. 16, zit. nach juris).
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(3) Unter Berücksichtigung obiger Grundsätze ist der Umstand, dass an einem Terminal alle Primär- und Back-up-Systeme für das Einchecken der Passagiere über einen Zeitraum von mehr als 13 Stunden ausfallen und aufgrund dessen eine Vielzahl von Passagieren von der Beklagten manuell eingecheckt werden mussten, als außergewöhnlich anzusehen. Unzweifelhaft sind technische Defekte wie der Ausfall eines einzelnen Computers beim Check-in grundsätzlich Bestandteil der normalen Betriebstätigkeit des Luftfahrtunternehmen. Auch mit einem kurzzeitigen Ausfall aller primären Systeme wird ein Luftfahrtunternehmen im Rahmen seiner gewöhnlichen Flugabfertigung rechnen müssen. Etwas anderes gilt aber, wenn nicht nur das primäre System, sondern auch das back-up System ausfallen und dieser Komplettausfall der Computersysteme über mehr als 13 Stunden andauert. Der Zeuge C. führte in seiner Vernehmung vor dem Amtsgericht aus, dass sich die Zeit für das Einchecken eines Passagiers von 1-2 Minuten aufgrund des Ausfalls der elektronischen Systeme auf durchschnittlich 8-9 Minuten pro Passagier verlängert habe. Alle 10 Flüge, die die Beklagte am 29.05.2016 nach dem Ausfall des Systeme durchgeführt habe, seien mit – zum Teil erheblicher – Verspätung gestartet. Die Flüge der anderen Fluggesellschaften, die an diesem Tag auch von Terminal 7 starteten, seien ebenfalls verspätet gewesen. Dadurch, dass die Computersysteme über mehr als 13 Stunden nicht nutzbar waren, war nicht nur ein einzelnes Flugzeug der Beklagten von dem Defekt betroffen, sondern die gesamte, am 29.05.2016 von Terminal 7 des Flughafens JFK startende Flugzeugflotte der Beklagten sowie zahlreiche Flüge anderer Fluggesellschaften. Der mehrstündige Ausfall aller Computersysteme schaffte eine Situation, die von der Beklagten nicht mehr beherrschbar war und damit außerhalb des Rahmens der gewöhnlichen Betriebstätigkeit eines Luftfahrtunternehmens liegt. Diese besondere Situation trat durch eine Verkettung verschiedener Umstände ein: es fiel nicht nur das primäre, sondern auch das Back-up System aus und aufgrund des Streiks der Belegschaft des Telekommunikationsanbieters V. konnte die Funktionsfähigkeit der Systeme erst nach mehr als 13 Stunden wieder hergestellt werden. Eine solche Kumulation ungünstiger Ereignisse begründet eine seltene Ausnahmesituation, mit der im normalen Flugbetrieb nicht gerechnet werden muss. Somit ist auch unter dem vom BGH herangezogenen Aspekt der Häufigkeit und Beherrschbarkeit des Umstandes von einem außergewöhnlichen auszugehen.
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b) Die Beklagte hat zur Überzeugung der Kammer alle zumutbaren Maßnahmen getroffen, um den Eintritt der außergewöhnlichen Umstände sowie eine Verspätung des streitgegenständlichen Fluges zu verhindern.
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aa) Unzweifelhaft hatte die Beklagte keinen Einfluss auf die von dem Telekommunikationsunternehmen V. zu gewährleistende Energieversorgung der Computersysteme. Der Zeuge C. führte in seiner Vernehmung vor dem Amtsgericht aus, dass Mitarbeiter der Beklagten aus dem IT-Bereich zunächst erfolglos versucht hätten, das Problem zu lösen. Da Ursache für den Ausfall der Systeme ein Leitungsproblem des Unternehmens V. war, konnte die Beklagte mit den ihr zur Verfügung stehenden Fachleuten das Problem nicht beheben. Ein Luftfahrtunternehmen ist nicht verpflichtet, entsprechende Fachleute vorzuhalten, um Zuleitungsprobleme zu den ihm vom Flughafenbetreiber zur Nutzung bereitgestellten Computersystemen zu beheben. Die Zuleitung wird von dem Unternehmen V. gewährleistet, so dass dieses bei einem Leitungsproblem fachkundige Techniker zur Behebung des Problems zur Verfügung stellen muss. Dass streikbedingt erst gegen 24.00 Uhr nachts ein Techniker von V. kam, um die Probleme zu beseitigen, liegt außerhalb des Verantwortungsbereichs der Beklagten und war von dieser nicht zu beeinflussen.
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bb) Die Beklagte hat am 29.05.2016 alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen, um eine Verspätung der betroffenen Flüge bzw. deren Annullierung zu vermeiden. Der Zeuge C. führte diesbezüglich aus, dass alle zur Verfügung stehenden Laptops genutzt worden seien, um die Passagiere über die Website der Beklagten einzuchecken. Zusätzlich hätten Mitarbeiter der Beklagten in Washington einzelne Passagiere telefonisch über ihr System eingecheckt. Auch habe man versucht, Mitarbeiter, die sich im Urlaub befanden oder dienstfrei hatten, zu kontaktieren, um personelle Verstärkung für die manuellen Eincheckvorgänge zu erhalten. Mit diesen Maßnahmen habe die Beklagte alle Flüge durchführen können und keinen annullieren müssen. Unter Würdigung dieser Aussage ist die Kammer überzeugt, dass die Beklagte alle in dieser Ausnahmesituation möglichen Maßnahmen ergriffen hat, um die manuelle Abfertigung schnellstmöglich durchzuführen und die Verspätung so gering wie möglich zu halten.
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Sind wie im vorliegenden Fall mehrere Flugzeuge von der außergewöhnlichen Situation betroffen, steht die Fluggesellschaft vor der Aufgabe, den Betriebsablauf an die Situation angepasst zu organisieren. In Anbetracht der komplexen Entscheidungssituation, bei der eine Vielzahl von Flügen sowie deren Verknüpfung untereinander zu berücksichtigen sind, ist dem Luftverkehrsunternehmen bei der Beurteilung der zweckmäßigen Maßnahmen ein Spielraum zuzubilligen (BGH, Urteil vom 21.08.2012 – X ZR 138/11-, Rdnr. 33 zit. nach juris). Dabei hat das Luftfahrtunternehmen darauf hinzuwirken, dass die Beeinträchtigung für die Gesamtheit der Fluggäste möglichst gering ausfällt (BGH, a.a.O., Rdnr. 33). Von dem Ausfall der Computersysteme waren 10 Flüge der Beklagten und damit eine Vielzahl von Passagieren betroffen. Vor diesem Hintergrund entschied sich die Beklagte, die der Gesamtheit ihrer Fluggäste verpflichtet ist, alle Flüge mit Verspätung durchzuführen und keinen einzigen Flug zu annullieren. Aufgrund der Vielzahl der betroffenen Passagiere konnte von der Beklagten nicht erwartet werden, dass sie über ihre Anstrengungen, alle Flüge durchzuführen, zusätzlich noch einzelne Passagiere auf Flüge anderer Fluggesellschaften umbucht. Die Beklagte hat mit ihrer Entscheidung, alle Flüge durchzuführen, das Interesse der Gesamtheit der Fluggäste im Blick gehabt und gewahrt, die Beeinträchtigung für den einzelnen Reisenden, dessen Anschlussflug aufgrund der Verspätung möglicherweise verpasst wurde, tritt dahinter zurück.
2.
30
Mangels Hauptanspruch ist die Klage auch bezüglich des geltend gemachten Zinsanspruchs abzuweisen.
III.
31
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Absatz 1 ZPO.
32
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
33
Die Revision war gemäß § 543 Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen.