OLG Hamm, Urteil vom 27.01.2014 – I-17 U 35/13, 17 U 35/13
Zur Frage der Beweislast bzw. Beweislastumkehr, wenn der Oberschenkelhalsbruch einer gestürzten Heimbewohnerin durch den Sturz ausgelöst worden sein kann oder durch eine durch Osteoporose ausgelöste Spontanfraktur.(Rn.5)(Rn.10)
(Leitsatz des Gerichts)
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund vom 12. Dezember 2012 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
A.
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Gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO und § 544 ZPO in Verbindung mit § 26 Nr. 8 EGZPO wird von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen abgesehen.
Entscheidungsgründe
B.
I.
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Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Das Landgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Der Klägerin stehen gegen die Beklagten Schadensersatzansprüche aus übergegangenem Recht ihrer Versicherungsnehmerin, Frau L, weder aufgrund vertraglicher Grundlage aus § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. dem Heimvertrag noch aus Delikt gemäß den §§ 823, 831 BGB zu.
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1. Ein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte zu 2), bei der mangels vertraglicher Bindung allein eine deliktische Anspruchsgrundlage in Betracht kommt, scheidet bereits deshalb aus, weil die Beklagte zu 2) als angestellte Pflegekraft gegenüber der Heimbewohnerin weder verkehrssicherungspflichtig war noch ihr gegenüber eine Garantenstellung inne hatte.
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2. Die Klägerin hat darüber hinaus keinen Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten zu 1) als Träger des Seniorenheims, in welchem die Versicherungsnehmerin untergebracht war. Den ihr obliegenden Beweis dafür, dass die Versicherungsnehmerin aufgrund eines eigenen Verschuldens des Beklagten zu 1) oder durch ein pflichtwidriges Verhalten der Beklagten zu 2), das sich der Beklagte zu 1) gemäß § 278 BGB oder über § 831 BGB zurechnen lassen müsste, zu Schaden gekommen ist, hat die Klägerin nicht zu führen vermocht.
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Es steht nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit fest, dass der Oberschenkelhalsbruch, deren Heilbehandlungskosten die Klägerin mit vorliegender Klage erstattet verlangt, dadurch verursacht worden ist, dass der Beklagte zu 1) seine gegenüber der Versicherungsnehmerin bestehenden Obhutspflichten verletzt hätte.
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1. Nach allgemeinen Beweislastregeln obliegt die Beweislast dafür, dass der Schaden, für den Ersatz verlangt wird, kausal auf einem pflichtwidrigen Verhalten des Beklagten zu 1) beruht, der Klägerin als Anspruchsstellerin.
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2. Eine Beweislastumkehr zu Lasten des Beklagten zu 1) kommt im gegebenen Fall nicht in Betracht.
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a) Zwar hat sich – entgegen der Auffassung des Landgerichts in der angefochtenen Entscheidung- der vorliegende Schadensfall durchaus im Rahmen einer Situation ereignet, die dem Bereich des so genannten “voll beherrschbaren Risikos” zuzuordnen ist und bei der nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung Beweiserleichterungen für den Geschädigten greifen können. Denn anders als der normale alltägliche Gefahrenbereich im Heim, der grundsätzlich in die Risikosphäre des Bewohners fällt und bei dem dieser im Schadensfall für die Pflichtverletzung und deren Kausalität darlegungs- und beweisbelastet ist, greift in einer konkreten Gefahrensituation, die gesteigerte (erfolgsbezogene) Obhutspflichten bezüglich des Heimbewohners auslöst und deren Beherrschung gerade einer speziell dafür eingesetzten Pflegekraft anvertraut ist, eine Beweislastumkehr analog § 280 Abs. 1 S. 2 n.F. (§ 282 BGB a.F.) ein, so dass sich der Heimträger entlasten muss (vgl. zB. BGH vom 18.12.1990, NJW 1991, 1540).
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Der vorliegende Fall eines begleitenden Toilettengangs einer unbestritten sturzgefährdeten Heimbewohnerin stellt sich als konkrete, auf den besonderen Schutz dieser Heimbewohnerin angelegte Pflegemaßnahme zweifellos als eine dem voll beherrschbaren Gefahren- und Verantwortungsbereichs zuzuordnende Situation dar.
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b) Allerdings kann im konkreten Fall nicht festgestellt werden, dass sich in der Verletzung, für die die Klägerin hier Heilbehandlungskosten verlangen, tatsächlich auch ein Risiko verwirklicht hat, das der Beklagte zu 1) aufgrund seiner vertraglichen Verpflichtung vollständig zu beherrschen hatte. Denn nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme in erster Instanz, dessen Ergebnis von der Klägerin nicht in Zweifel gezogen wird, verbleibt die Möglichkeit, dass der Sturz der Versicherungsnehmerin nur Folge eines Spontanbruches des Oberschenkelhalsknochens gewesen ist, nicht aber seine Ursache. Der Sachverständige Dr. T hat in seinem Sachverständigengutachten vom 15. Oktober 2012 ausgeführt, dass sowohl für einen sturzausgelösten Oberschenkelhalsbruch als auch für eine durch eine Osteoporose beförderte Spontanfraktur verschiedene Indizien sprächen und die Ursache der Verletzung letztlich aus ärztlicher Sicht nicht geklärt werden könnte. Die Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Fraktur nicht auf dem Sturzereignis beruhe, sondern eine Spontanfraktur gewesen sei, hat der Sachverständige dabei mit mindestens ca. 5-20 % bewertet.
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Kann danach auf der Grundlage dieses Gutachtenergebnisses nicht sicher festgestellt werden, dass die Verletzung kausal durch den Sturz verursacht worden ist, fehlt es aber an der für die oben dargestellte Beweislastumkehr erforderlichen Voraussetzung, dass sich in dem Schaden ein Risiko verwirklicht hat, das durch den Betrieb des Seniorenheims gesetzt und durch sachgerechte Organisation und Koordination des Behandlungsgeschehens objektiv voll hätte beherrscht werden müssen. Denn nur in diesem Fall ist es gerechtfertigt, dem Heimträger in Abweichung von der allgemeinen Beweislast den Nachweis dafür aufzubürden, dass das Schadensereignis, das zu verhindern grundsätzlich in seine vertraglich übernommene Verpflichtung fiel, nicht auf seine schuldhafte Pflichtverletzung zurückzuführen ist. Verbleibt die Möglichkeit, dass die Verletzung auf einer Vorschädigung der Verletzten beruhte, die ihre Ursache nicht im vertraglich übernommenen Risikobereich der Heimleitung hat, so können der Klägerin daher Beweiserleichterungen nicht zugutekommen.
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3. Verbleibt es danach bei der allgemeinen Beweislastverteilung, so hat die Klägerin nachzuweisen, dass die in Rede stehende Verletzung ihrer Versicherungsnehmerin auf einer Pflichtverletzung des Beklagten zu 1) beruhte. Dieser Beweis kann schon deshalb nicht erbracht werden, weil – wie ausgeführt – ein Spontanbruch nicht ausgeschlossen werden kann. Bei einer bis zu 20%igen Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen eines Spontanbruches vermochte sich der Senat keine hinreichende Überzeugung davon zu bilden, dass die Verletzung der Versicherungsnehmerin auf einem von dem Beklagten zu 1) zu verantwortenden Sturz beruhte.
II.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
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Die Voraussetzungen der Zulassung der Revision gem. § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch ist eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Fortbildung des Rechts oder Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Das Urteil stellt eine Einzelfallentscheidung dar, die der Senat auf der Grundlage vertretener und anerkannter Auffassung in der Rechtsprechung, insbesondere des Bundesgerichtshofs, und der Literatur getroffen hat.