Besonderer Gerichtsstand des Haustürgeschäfts

Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 31.01.2014 – 1 AR 30/13

1. Auch wenn für zwei Beklagte ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand (hier: § 29c Abs. 1 Satz 1 ZPO) gegeben ist, gebietet es die Prozessökonomie die Zuständigkeitsbestimmung – entgegen § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO – nicht hieran scheitern zu lassen, wenn das zuständige und im Ergebnis als solches zu bestimmende Gericht erhebliche Zweifel an seiner Zuständigkeit geäußert hat.

2. Kam es durch ein Haustürgeschäft i.S.v. § 312 Abs. 1 Satz 1 BGB zur Fondsbeteiligung des Klägers, ist für alle sich daraus ergebenden Klagen das Gericht am Wohnsitz des Klägers zuständig. Das gilt auch für (Folge-)ansprüche aus Kapitalanlagen und deren Vermittler.

(Leitsatz des Gerichts)

Tenor

Zuständig ist das Landgericht Dessau-Roßlau.

Gründe
1
Der Kläger nimmt die Beklagten vor dem Landgericht Dessau-Roßlau im Zusammenhang mit seiner Beteiligung an einem in G. ansässigen geschlossenen Filmfonds vorwiegend auf Schadensersatz in Anspruch. Hierzu trägt er vor, von einem durch die Beklagte zu 2. beauftragten und für diese handelnden Berater in einer Haustürsituation zur Abgabe der Beitrittserklärung veranlasst worden zu sein, was zum Treuhand- und Beteiligungsverwaltungsvertrag mit der Beklagten zu 1., einer mit der Mittelverwendungskontrolle beauftragten Gründungskommanditistin der Fonds-KG, geführt habe. Die sich daraus für die Beklagten ergebenden vertraglichen und vorvertraglichen Pflichten sieht der Kläger zu seinem Schaden verletzt.

2
Auf die Rüge der örtlichen Zuständigkeit hat das Landgericht Zweifel am vom Kläger gewählten Gerichtsstand geäußert. Der Kläger beantragt nunmehr, die Zuständigkeit gerichtlich zu bestimmen.

3
Der zulässige Antrag führt analog §§ 36 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2; 37 Abs. 1 ZPO zur Bestimmung des ohnehin zuständigen Landgerichts Dessau-Roßlau. Gegen beide Beklagten kann am gemeinschaftlichen besonderen Gerichtsstand für Haustürgeschäfte Klage erhoben werden (§ 29c Abs. 1 Satz 1 ZPO). Die Prozessökonomie gebietet es, die Zuständigkeitsbestimmung – entgegen dem Wortlaut des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO – nicht hieran scheitern zu lassen, nachdem das zuständige und im Ergebnis als solches zu bestimmende Gericht erhebliche Zweifel an seiner Zuständigkeit äußerte (BayObLG NJW-RR 2004, 944; OLG München NJW-RR 2010, 645, 646 m.w.N.; PG/Lange, ZPO, 5. Aufl., § 36 Rdn. 6 m.w.N.).

4
Der Kläger hat sich zutreffend für den besonderen Gerichtsstand des § 29c ZPO entschieden (§ 35 ZPO). Ein ausschließlicher Gerichtsstand, insbesondere bei falschen, irreführenden oder unterlassenen öffentlichen Kapitalmarktinformationen nach § 32b ZPO existiert nicht. Der Kläger verfolgt keine der in § 32b Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2 ZPO genannten Ansprüche. Er wirft den Beklagten die individuelle Verletzung vertraglicher und vorvertraglicher Pflichten vor, ohne dies mit öffentlichen Kapitalmarktinformationen in Verbindung zu bringen. Für die Beklagte zu 2. wird nicht vorgetragen, dass es unter dem Einfluss öffentlicher Kapitalmarktinformationen, vor allem in Form des Prospektes, zur Beitrittserklärung kam. Der Kläger stellt das Geschehen ausdrücklich in der Weise dar, dass ihm der Prospekt erst nach der Unterzeichnung der Beitrittserklärung übergeben wurde. Eine (Mit-) Verantwortung der Beklagten zu 1. für unrichtige öffentliche Kapitalmarkinformationen ist nicht behauptet. § 32b ZPO setzt aber gerade den Bezug zu solchen Kapitalmarktinformationen voraus (BGH, Beschluss vom 30. 7. 2013, X ARZ 320/13 – zitiert in juris Rdn. 30 f. = NJW-RR 2013, 1302; PG/Lange, § 32b Rdn. 2; Zöller/Vollkommer, ZPO, 30. Aufl., § 32b Rdn. 5).

5
Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist nach dem Sachvortrag des Klägers der gemeinsame Gerichtsstand für Haustürgeschäfte zu bejahen. Kam es durch ein Haustürgeschäft i.S.v. § 312 Abs. 1 Satz 1 BGB zur Fondsbeteiligung des Klägers, ist für alle sich daraus ergebenden Klagen das Gericht am Wohnsitz des Klägers zuständig. Das gilt im Interesse des Verbraucherschutzes auch für (Folge-) Ansprüche aus Kapitalanlagen und gegen deren Vermittler (BGH NJW-RR 2011, 1137, 1138; Zöller/Vollkommer, § 29c Rdn. 4, 5a; PG/Wern, § 29c Rdn. 2). Der vom Landgericht in Anlehnung an die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 3.5.2011 (a.a.O.) vermisste rechtliche Zusammenhang zwischen den geltend gemachten Ansprüchen und dem Haustürgeschäft besteht. Die Beklagte zu 1. wird nicht nur als Mittelverwendungskontrolleurin, sondern auch als Treuhänderin der Beteiligung des Klägers in Anspruch genommen. Diese Stellung erlangte sie durch den in der Wohnung des Klägers vom Vertreter der Beklagten zu 2. am 2.5.2005 angebahnten mittelbaren Fondsbeitritt. Die Beitrittserklärung enthielt das an die Beklagte zu 1. gerichtete Angebot zum Abschluss des im Beteiligungsprospekt abgedruckten Treuhandvertrages, der mit Annahme des Angebots durch die Fondsgesellschaft zustande kam. Schon in der Beitrittserklärung ist festgehalten, dass die Beklagte zu 1. sodann als Treuhänderin gemäß dem Treuhand- und Mittelverwendungskontrollvertrag auf Rechnung des Klägers einen Kommanditanteil erwerben und für den Kläger verwalten wird.

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