AG Bamberg, Urteil vom 29.11.2010 – 105 C 1729/10
1. Bei der Prüfung allgemeiner Geschäftsbedingungen von Fitnessstudioverträgen sind im Rahmen von § 307 Abs. 2 Nr. 1 als wesentliche Grundgedanken der gesetzlichen Regelungen zur Fälligkeit des Entgeltes die Bestimmungen des Mietrechts in §§ 556b und 579 BGB heranzuziehen.
2. Eine Regelung, die die Fälligkeit des Entgeltes um bis zu einem Jahr und neun Monaten nach vorn verlagert, benachteiligt den Verbraucher in unangemessener Weise, da es ihm das Insolvenzrisiko betreffend dem Fitnessstudioanbieter für die Fälle überwälzt, in denen sich der Verbraucher infolge gewichtiger Gründe gemäß § 314 BGB vom Vertrag in der verbleibenden Restlaufzeit vorzeitig lösen kann.
(Leitsätze des Gerichts)
Tenor
1. Der Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichtes Coburg vom 13.09.2010, Az. 10-7507992-0-2, wird insoweit aufrechterhalten, dass die Beklagte verpflichtet ist an die Klägerin als Hauptforderung 520,22 €, als Nebenforderungen 26,50 €, als Kosten 22,50 € und Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
aus 219,04 € seit 22.06.2010,
aus weiteren 13,69 € seit 29.06.2010,
aus weiteren 13,69 € seit 06.07.2010,
aus weiteren 13,69 € seit 13.07.2010,
aus weiteren 13,69 € seit 20.07.2010,
aus weiteren 13,69 € seit 27.07.2010,
aus weiteren 13,69 € seit 03.08.2010,
aus weiteren 13,69 € seit 10.08.2010,
aus weiteren 13,69 € seit 17.08.2010,
aus weiteren 13,69 € seit 24.08.2010,
aus weiteren 13,69 € seit 31.08.2010,
aus weiteren 13,69 € seit 07.09.2010,
aus weiteren 13,69 € seit 14.09.2010,
aus weiteren 13,69 € seit 21.09.2010,
aus weiteren 13,69 € seit 28.09.2010,
aus weiteren 13,69 € seit 05.10.2010,
aus weiteren 13,69 € seit 12.10.2010,
aus weiteren 13,69 € seit 19.10.2010,
aus weiteren 13,69 € seit 26.10.2010,
aus weiteren 13,69 € seit 02.11.2010,
aus weiteren 13,69 € seit 09.11.2010,
aus weiteren 13,69 € seit 16.11.2010,
aus weiteren 13,69 € seit 23.11.2010
zu zahlen.
Im Übrigen wird der Vollstreckungsbescheid aufgehoben und die Klage abgewiesen. Auch die Kostenentscheidung des Vollstreckungsbescheides wird im Übrigen aufgehoben.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 298,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 31.10.2010 zu bezahlen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Die Beklagte schloss am 06.03.2010 mit der Klägerin einen Vertrag zur Nutzung des von der Klägerin betriebenen Fitnessstudios in Bamberg. Als Laufzeit wurden 104 Wochen mit einem wöchentlichen Beitrag von 13,69 Euro und einem Startpaket zum Preis von 298 Euro vereinbart. Zum Startpaket war im Vertrag abweichend zur formularmäßig vorgesehenen Fälligkeit bei Vertragsschluss durch handschriftlichen Zusatz bestimmt: Startpaket auf 6 Raten ab 19.03.2010. Das wöchentliche Entgelt ist nach den auf der Rückseite des Vertrags genannten AGB im Voraus zu Beginn der Kalenderwoche fällig. Die Beklagte erteilte der Klägerin eine Einzugsermächtigung.
2
Die von der Klägerin verwendeten AGB beinhalten eine Bestimmung, dass bei schuldhaftem Zahlungsverzug mit mehr als neun Wochenbeiträgen sämtliche Beiträge sofort zur Zahlung fällig werden.
3
Die Beklagte leistete keinerlei Zahlungen.
4
Am 13.09.2010 erließ das Amtsgericht Coburg als Mahngericht einen Vollstreckungsbescheid gegen die Beklagte mit einer Hauptforderung aus Mitgliedsbeträgen vom 08.03.2010 bis 04.3.2012 von 1.423,76 Euro, Kosten von 210 Euro, Nebenforderungen von zusammen 26,50 Euro für Mahnkosten, Auskünfte und Bankrücklastkosten, sowie ausgerechnete Zinsen in Höhe von 11,74 Euro für die Zeit vom 22.06.2010 bis 19.08.2010 aus der Hauptforderung und weitere laufende Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus der Hauptforderung ab dem 20.08.2010.
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Gegen diesen am 15.09.2010 zugestellten Vollstreckungsbescheid legte die Beklagte am 28.09.2010 Einspruch ein.
6
Die Klägerin beantragt:
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1. Der Vollstreckungsbescheid des AG Coburg vom 13.09.2010, Az. 10-7507902-0-2 bleibt aufrecht erhalten.
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2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere 298,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Die Klage nebst Ladung zum frühen ersten Termin wurde der Beklagten am 30.10.2010 durch persönliche Übergabe zugestellt. Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 29.11.2010 ist die Beklagte nicht erschienen.
Entscheidungsgründe
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Das Klägervorbringen begründet den im Vollstreckungsbescheid tenorierten Anspruch nur zum Teil. Dieser war daher insoweit durch zweites Versäumnisurteil aufrecht zu erhalten und im Übrigen die Klage durch Endurteil abzuweisen, da der Anspruch gegenwärtig jedenfalls nicht besteht, da die Vorfälligkeitsklausel unwirksam ist.
11
Im Übrigen war betreffend der zulässigen und begründeten Klageerweiterung durch Erstes Versäumnisurteil zu entscheiden.
I.
12
Die Beklagte hat fristgerecht Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid eingelegt.
II.
13
Aufgrund der Unwirksamkeit der Vorfälligkeitsklausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin kann die Klägerin nur die Zahlung der bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung fällig gewordenen 38 Wochenraten verlangen, § 241 Abs. 1 BGB.
1.
14
Die Vorfälligkeitsklausel ist gemäß § 307 Abs. 1 und 2 BGB unwirksam, da sie im Widerspruch zu einer gesetzlichen Regelung, hier der für ein Dauerschuldverhältnis ähnlich einem Mietvertrag in §§ 556b Abs. 1 bzw. 579 Abs. 1 S. 2 BGB normierten gestuften Leistungszeit steht.
a)
15
Ein Vertrag über die Nutzung einer Einrichtung eines Fitnessstudios wird allgemein als sog. gemischter Vertrag angesehen (Palandt/Weidenkaff, BGB, 70. Aufl. 2011, Einf. v. § 535 Rn. 36), wobei nach Ansicht des Bundesgerichtshofes den mietvertraglichen Elementen prägende Gestalt zukommt (Urt. v. 04.12.1996 Az. XII ZR 193/95, juris Text-Nr. 12, auch veröffentlicht in NJW 1997, 739, wohl nur ein obiter dictum; für überwiegend mietvertraglichen Einschlag auch Brandenburgisches OLG, Urt. v. 25.06.2003, Az. 7 U 36/03, juris Text-Nr. 35 m.w.N. ).
b)
16
Davon ausgehend ist als gesetzliche Regelung der Leistungszeit nicht § 271 BGB, sondern § 556b Abs. 1 BGB heranzuziehen, wonach das Entgelt zu Beginn der einzelnen Zeitabschnitte, nach denen es bemessen ist, zu entrichten ist.
17
Es handelt sich somit nicht nur lediglich um eine Stundung unter Einräumung einer Ratenzahlungsvereinbarung (so wohl die Annahme des OLG Celle, Urt. v. 19.10.1994, Az. 13 U 38/94, juris Text-Nr. 11, auch veröffentlicht in NJW-RR 1995, 370).
18
Dem Charakter des Mietvertrages als Dauerschuldverhältnis entsprechend bezeichnet auch der vorliegende Vertrag nicht das Gesamtentgelt von 1.423,76 Euro zzgl. der Aufnahmegebühr, sondern wöchentliche Beiträge von vorliegend 13,69 Euro.
c)
19
Eine Regelung, die die Fälligkeit wie vorliegend um bis zu einem Jahr und neun Monaten nach vorn verlagert, benachteiligt den Verbraucher in unangemessener Weise, da es im das Insolvenzrisiko betreffend dem Fitnessstudioanbieter für die Fälle überwälzt, in denen sich der Verbraucher infolge gewichtiger Gründe gemäß § 314 BGB vom Vertrag in der verbleibenden Restlaufzeit vorzeitig lösen kann.
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Insoweit ist auch ein Vergleich mit dem Kündigungsrecht nach § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 a) BGB unbehelflich, weil dieser auch im Falle eines Zeitmietvertrages keine Fälligkeit der Miete für die Restvertragslaufzeit nach sich zieht. Soweit ggf. ein Schadensersatzanspruch wegen entgangenen Gewinns in Betracht kommt, so kann diesem bei der Bemessung des Schadens gleichfalls eine vorzeitige Vertragsbeendigungsmöglichkeit aufgrund eines Kündigungsrechtes gemäß § 314 bzw. § 543 Abs. 1 BGB entgegenhalten.
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Soweit im Übrigen die Klägerseite die Entscheidung des Brandenburgischen Oberlandesgerichtes dafür heranzieht, die Unbedenklichkeit einer Vorfälligkeitsregelung in AGB zu begründen, übersieht sie, dass gerade das OLG in seiner bereits zitierten Entscheidung vom 25.06.2003 für den Fall einer Vorverlegung der Fälligkeit bei einer Vertragslaufzeit von 3 Monaten keine Bedenken hatte, im Übrigen aber gerade ausdrücklich offen gelassen hat, ob dies auch bei längeren Laufzeiten gelten kann.
d)
22
Die 39. Wochenrate wurde erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung am Vormittag des 29.11.2010 fällig, sodass vorliegend nur der Betrag aus 38 Wochenraten geschuldet.
23
Nach dem Vertrag wird die Wochenrate zu Beginn der Kalenderwoche fällig. Insoweit ist davon auszugehen, dass die Leistung im Laufe des Tages zur gewöhnlichen Öffnungszeit eines Fitnessstudios fällig ist. Eine bestimmte Öffnungszeit ist nicht mitgeteilt. Aufgrund der regelmäßig eher in den Abend gezogenen Öffnung von Fitnessstudios ist daher von einer Fälligkeit erst nach 12 Uhr auszugehen.
e)
24
Der Zinsanspruch ergibt aufgrund der Unwirksamkeit der Vorfälligkeitsklausel gemäß §§ 286 Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1 BGB nur gestaffelt jeweils ab dem Dienstag der jeweiligen Woche. Zu beachten war vorliegend auch, dass Zinsen erst für die Zeit ab 22.06.2010 beantragt sind.
III.
25
Die weiteren im Vollstreckungsbescheid tenorierten Forderung im Umfang vom 26,50 Euro sind begründet.
26
Der Anspruch auf Ersatz von Mahnkosten und Auskunftskosten ergibt sich ebenfalls aus Verzug. Der Anspruch auf Ersatz der Bankrücklastkosten ergibt sich aus §§ 280 Abs. 1, 249 BGB, da die Beklagte gegen die mit der Erteilung der Bankeinzugsermächtigung verbundene Verpflichtung, für eine hinreichende Deckung des Kontos zu sorgen bzw. die Lastschrift nicht zu widerrufen, verstoßen hat.
IV.
27
Aus dem geschlossenen Vertrag schuldet die Beklagte das einmalige Entgelt von 298 Euro.
28
Soweit insoweit eine Stundungsvereinbarung getroffen wurde, mangels es bei dieser an einer Zeitbestimmung, in welchen Abständen die Raten zu zahlen sind. Insoweit ist zu erwägen, dass diese Abrede daher zu unbestimmt und gegenstandslos ist. Auch ist zu erwägen, dass insoweit gleichfalls eine Wochenfrist wie für den Beitrag im Übrigen gelten sollte. Aber selbst wenn eine Stundung mit Monatsraten vereinbart gewesen sein sollte, war der Gesamtbetrag jedenfalls im Zeitpunkt der Klagezustellung vollumfänglich zur Zahlung fällig.
29
Der Zinsanspruch ergibt sich demgemäß auch aus §§ 286 Abs. 1 bzw. 291 sowie 288 Abs. 1 BGB.
V.
30
Die Kostenentscheidung ergibt sich im wesentlichen aus § 92 Abs. 1 ZPO.
31
Dabei ist vorliegend eine einheitliche Kostengrundentscheidung sowohl für die Kosten des Mahnverfahrens wie des streitigen Verfahrens aufgrund Anrechnung der Gebühren gemäß 1100 KV GKG, angeordnet in Nr. 1210 KV GKG, bzw. 3305 VV RVG veranlasst.
32
Für die Gebühr zur Beantragung des Vollstreckungsbescheides gemäß Nr. 3308 VV RVG findet keine Anrechnung der Kosten des Mahnverfahrens statt, sodass insoweit die Kostenentscheidung des Vollstreckungbescheides aufrechtzuerhalten war, soweit die Gebühren für den zutreffend tenorierten Teil des Vollstreckungsbescheides angefallen sind. Dies ist vorliegend eine 0,5fache Gebühr aus einem Gegenstandswert von bis zu 600 Euro ohne Umsatzsteuer: 22,50 Euro.
33
Die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 2 ZPO.
VI.
34
Bei der Streitwertfestsetzung war zu berücksichtigen, dass der Anspruch auf Ersatz der Lastschriftrückgabegebühren als Schadensersatzforderung keine Nebenforderung im Sinn von § 4 ZPO ist.
35
Beschluss
36
Der Streitwert wird auf 1.730,76 € festgesetzt.