Arbeitsplatzverlust durch Entzug der Fahrerlaubnis kann Sperrzeit rechtfertigen

Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 15.08.2013 – L 3 AL 133/10

1. Das durch den Entzug der Fahrerlaubnis eingetretene Unvermögen eines Arbeitnehmers, seinen arbeitsvertraglichen Pflichten als Kraftfahrer weiter nachzukommen, berechtigt, wenn der Arbeitnehmer es zu vertreten hat und er anderweitig nicht eingesetzt werden kann, im Allgemeinen zur Kündigung. Das vom Arbeitnehmer zu vertretende Unvermögen ist daher vertragswidriges Verhalten. (Rn.34)

2. Ein Arbeitnehmer, der zur Führung von Kraftfahrzeugen verpflichtet war, hat dafür Sorge zu tragen, nach Straßenverkehrsrecht hierzu berechtigt zu bleiben. Er hat daher nicht nur wie jedermann Verkehrsverstöße zu unterlassen; gegenüber dem Arbeitgeber trifft ihn die Nebenpflicht, jegliche Verkehrsverstöße zu unterlassen, die zur Entziehung des Fahrerlaubnis führen könnten. (Rn.34)

3. Grob fahrlässig ist im Allgemeinen ein Handeln, bei dem die erforderliche Sorgfalt nach den gesamten Umständen in ungewöhnlich großem Maße verletzt ist, wenn also schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt werden und dasjenige unbeachtet geblieben ist, was im gegebenen Falle jedem hätte einleuchten müssen. Sie liegt etwa dann vor, wenn der Eintritt der Arbeitslosigkeit in Folge vertragswidrigen Verhaltens so nahe lag, dass diese Möglichkeit nicht außer Betracht bleiben durfte; entscheidend ist immer, dass die drohende Entwicklung dem Arbeitslosen bekannt sein musste, ihm mithin vorzuwerfen ist, diese Entwicklung nicht berücksichtigt zu haben. (Rn.35)

4. Selbst wenn ein Arbeitgeber aus dem straßenverkehrsrechtlichen Fehlverhalten seines Arbeitnehmers Nutzen gezogen haben sollte, bliebe dennoch das Vorhandensein der Fahrerlaubnis zur Erfüllung der vertraglichen Arbeitspflicht Geschäftsgrundlage des mit dem Arbeitnehmer bestehenden Arbeitsvertrages. Auch das Bestehen der arbeitsvertraglichen Nebenpflicht zur Unterlassung von Handlungen, die die Fahrerlaubnis in Wegfall bringen, bliebe davon unberührt. Ob eine andere Einschätzung jedenfalls dann gerechtfertigt wäre, wenn der Arbeitgeber um eines wirtschaftlichen Vorteils willen grob eigennützig und unter Ausnutzung des Abhängigkeitsverhältnisses den Arbeitnehmer vorsätzlich zu einer strafbaren Handlung oder einer Ordnungswidrigkeit nötigt, kann vorliegend offen bleiben. (Rn.36)

(Leitsätze des Gerichts)

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 24. März 2010 abgeändert. Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

II. Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

III. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand
1

Die Beteiligten streiten um den Eintritt einer Sperrzeit.
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Der am … 1980 geborene Kläger ist Berufskraftfahrer. Am 1. März 2006 nahm er ein Arbeitsverhältnis mit der Spedition G… auf. Zu diesem Zeitpunkt war er im Deutschen Verkehrszentralregister (VZR) mit einem Stand von 22 Punkten registriert. Die aus den Jahren 2003 und 2004 herrührenden Eintragungen beruhten auf wiederholtem Überschreiten der zulässigen Geschwindigkeit, verbotswidrigem Überholen, Nichteinhaltung des erforderlichen Mindestabstands zum vorausfahrenden Fahrzeug, verbotswidriger Nutzung eines Telefons, verbotswidrigen Führens eines Lkw’s an Sonn- und Feiertagen sowie dem fahrlässigen Gebrauch eines Fahrzeuges ohne Haftpflichtversicherung. Diese Umstände waren dem Arbeitgeber, der, mit Ausnahme eines Mechanikers, ausschließlich Kraftfahrer beschäftigt, bei Abschluss des Arbeitsvertrages nicht bekannt.
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Nachdem der Kläger zwei weitere Verkehrsordnungswidrigkeiten (Geschwindigkeitsüberschreitung und Abstandsverletzung) begangen hatte, wurde ihm durch den zuständigen Landkreis mit Wirkung zum 9. Mai 2008, 24.00 Uhr, die Fahrerlaubnis für die Dauer von sechs Monaten entzogen. Mit Schreiben vom 11. April 2008 kündigte der Arbeitgeber das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis zum 9. Mai 2008 und führte zur Begründung aus:
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„Leider ist uns aus betrieblichen Gründen eine Fortführung Ihres Arbeitsverhältnisses als Lkw-Fahrer nicht möglich, da sie, wie wir heute erfahren haben, am 09.05.2008 ihre Fahrerlaubnis verlieren und leider kein Ersatzarbeitsplatz zur Verfügung steht.“
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Am 13. Juni 2008 meldete sich der Kläger bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Arbeitslosengeld.
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Mit Bescheid vom 9. Juli 2008 stellte die Beklagte den Eintritt einer Sperrzeit vom 10. Mai 2008 bis 1. August 2008 fest. Mit Bescheid gleichen Datums bewilligte sie dem Kläger Arbeitslosengeld ab dem 9. August 2008. Die Nichtbewilligung von Leistungen für den Zeitraum vom 2. August 2008 bis 8. August 2008 beruht auf der bestandskräftigen Feststellung des Eintritts einer einwöchigen Sperrzeit wegen verspäteter Arbeitssuchendmeldung.
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Den Widerspruch des Klägers vom 10. Juli 2008 gegen den Sperrzeitbescheid vom 9. Juli 2008 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 4. August 2008 zurück. Der Arbeitgeber habe das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger gelöst, weil dessen Fahrerlaubnis für die Dauer von sechs Monaten eingezogen worden sei. Es liege ein vertragswidriges Verhalten des Klägers vor, denn ihn treffe als Berufskraftfahrer gegenüber dem Arbeitgeber die Pflicht, Verkehrsverstöße zu unterlassen, die zur Entziehung der Fahrerlaubnis führen können. Der Besitz der Fahrerlaubnis sei Geschäftsgrundlage für die Erfüllung des Arbeitsvertrages. Die Arbeitslosigkeit sei daher zumindest grob fahrlässig herbeigeführt worden, ein wichtiger Grund sei nicht erkennbar.
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Auf die Klage vom 5. September 2008 hat das Sozialgericht mit Urteil vom 24. März 2010 den Sperrzeitbescheid und den Widerspruchsbescheid abgeändert, die Beklagte verurteilt, dem Kläger im Anschluss an eine am 10. Mai 2008 beginnende sechswöchige Sperrzeit Arbeitslosengeld zu bewilligen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt:
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„Gemäß § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGB III tritt eine Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe ein, wenn der Arbeitslose durch ein arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gegeben und er dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat. Der Arbeitnehmer führt mit einer Lösung des Arbeitsverhältnisses die Arbeitslosigkeit in der Regel – wenn nicht vorsätzlich, so doch grob fahrlässig – herbei, wenn er nicht mindestens konkrete Aussichten auf einen Anschlussarbeitsplatz hat. Die Sperrzeit beginnt mit dem Tag nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründet und beträgt im Falle der Arbeitsaufgabe 12 Wochen (§ 144 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 SGB III). Das sperrzeitbegründende Ereignis ist grundsätzlich das rechtliche Ende des Beschäftigungsverhältnisses (Niesel, SGB III-Kommentar, 4. Aufl., Rdnr. 145 zu § 144 SGB III). Die Kündigung erfolgte hier zum 9. Mai 2008, so dass für den Beginn der Sperrzeit, unabhängig von der Arbeitslosmeldung des Klägers, auf den 10. Mai 2008 abzustellen ist.
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Nach Auffassung der Kammer lag auch ein arbeitsvertragswidriges Verhalten des Klägers vor, das eine außerordentliche Kündigung nach § 626 BGB gerechtfertigt hat. Sperrzeit-rechtlich relevant für den Eintritt der Sperrzeit ist dabei nicht der Entzug der Fahrerlaubnis zum 9. Mai 2008, sondern das zu dieser Maßnahme führende Verhalten des Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 6. März 03, B 11 AL 69/02 R in SozR 4-4300 § 144 Nr. 2). Zum Zeitpunkt der Arbeitsaufnahme bei der Spedition G… (am 1. März 2006) waren im Verkehrszentralregister bereits 11 Verstöße mit 22 Punkten zu lasten des Klägers registriert. Der überwiegende Anteil der Verstöße ging dabei auf ein Verhalten des Klägers während seiner Tätigkeit als Berufskraftfahrer zurück. Nach Aufnahme der Tätigkeit bei G… hat der Kläger weiter gegen die Straßenverkehrsordnung verstoßen und sich damit arbeitsvertragswidrig verhalten.
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Ein Verstoß gegen arbeitsvertragliche Pflichten kann bei der Verletzung von Haupt- oder Nebenpflichten vorliegen. Relevant sind dabei nur Verstöße, die eine Kündigung rechtfertigen können. Der Kläger war als Berufskraftfahrer beschäftigt. Es gehört für Berufskraftfahrer zu einer ungeschriebenen Nebenpflicht des Arbeitsvertrages, sich untadelig während der Berufsausübung im Straßenverkehr zu verhalten (vgl. BSG vom 15. Dezember 2005, B 7a AL 46/05 R, Rdnr. 14, zitiert nach JURIS). Der Kläger hat gegen diese ungeschriebene Nebenpflicht verstoßen, da er trotz des beachtlichen Punktekontos weitere Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung während der Beschäftigung bei G… begangen hat. Nachdem bei Beschäftigungsaufnahme bereits 22 Punkte zu lasten des Klägers registriert waren kamen während der Beschäftigung bei der Spedition G… weitere Verstöße (am 16. April 2007 und am 29. Juni 2007) hinzu, welche mit jeweils 3 Punkten geahndet wurden.
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Aufgrund der weiteren Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung hat der Kläger zumindest grob fahrlässig die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses veranlasst. Der Kläger war für die Tätigkeit als Kraftfahrer auf den Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis zwingend angewiesen. Er hatte somit dafür Sorge zu tragen, dass er zum Führen von Kraftfahrzeugen im Straßenverkehr berechtigt bleibt und ihm die Fahrerlaubnis nicht entzogen wird. Ihn traf mithin auch gegenüber dem Arbeitgeber die Pflicht, solche Verkehrsverstöße zu unterlassen, die zu Entziehung der Fahrerlaubnis führen können. Nach der Rechtsprechung des BSG stellt bereits der Führerscheinentzug aufgrund eines Verstoßes während einer Privatfahrt ein arbeitsvertragswidriges Verhalten dar, dass zur Sperrzeit führt (Urteil 6. März 2003, B 11 AL 69/02 R in SozR 4-4300 § 144 Nr. 2). Erst Recht muss dies bei Verstößen gelten, die im Rahmen der Berufsausübung erfolgten. Die Verstöße am 16. April 2007 und am 29. Juni 2007 während der Berufsausübung stellen somit ein sperrzeitauslösendes arbeitsvertragswidriges Verhalten dar. Der Verweis des Klägers auf BSG vom 15. Dezember 2005 (B 7a 46/05 R) fuhrt nicht zu einer anderen Bewertung: Anders als dort hat der Kläger nicht ausschließlich wegen eines vor der (unbefristeten) Arbeitsaufnahme erfolgten Verstoßes den Führerschein abgeben müssen. Auch war der Arbeitgeber dort, anders als hier, vor der Verlängerung des Arbeitsverhältnisses über die Komplikationen informiert worden.
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Mit dem arbeitsvertragswidrigen Verhalten hat der Kläger einen Grund für eine außerordentliche Kündigung gegeben (vgl. BAG, Urteil vom 5. Juni 2008, 2 AZR 984/06, zitiert nach JURIS). Vor diesem Hintergrund führt auch eine fehlende Abmahnung nicht zur offensichtlichen Rechtswidrigkeit der ausgesprochenen Kündigung. ‚Abmahnung’ bedeutet, dass der Arbeitgeber in einer für den Arbeitnehmer hinreichend deutlich erkennbaren Art und Weise seine Beanstandungen vorbringt und damit deutlich – wenn auch nicht expressis verbis – den Hinweis verbindet, im Wiederholungsfall seien der Inhalt und der Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet. Entbehrlich ist eine Abmahnung dann, wenn im Einzelfall besondere Umstände vorgelegen haben, aufgrund derer eine Abmahnung als nicht erfolgversprechend angesehen werden durfte. Dies ist insbes. der Fall, wenn – wie hier – eine außerordentliche Kündigung gerechtfertigt war. Die Fahrerlaubnis stellt die Grundlage des Arbeitsverhältnisses als Berufskraftfahrer dar, so dass hinsichtlich der Kündigung auf das vom Arbeitnehmer zu vertretende Unvermögen der Arbeitsleistung und damit mittelbar auf das vorangegangene vorwerfbare Fehlverhalten abzustellen ist (vgl. BSG, Urteil vom 25. August 1981, 7 RAr 44/80; BSGE 91, 18 ff. Rdnr. 7 ff.). Eine Abmahnung erweist sich dabei arbeitsrechtlich als entbehrlich für die verhaltensbedingte Kündigung (vgl. Möller-Glöge in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 3. Aufl. 2003, § 626 Rdnr. 48 f; Ascheid, ebd KSchG § 1 Rdnr. 303 ff). Schließlich ist die Androhung einer Kündigung nicht erfolgversprechend im Hinblick auf den angekündigten Führerscheinentzug, da der Kläger an dieser Folge, auch bei Änderung seines Verhaltens, nichts mehr ändern konnte. Auch aus diesem Grund erfordert die Rechtmäßigkeit der Kündigung nicht zwingend die aus Gründen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes vorangegangene Abmahnung. Da auch keine Umsetzungsmöglichkeit im Betrieb bestand, war die Kündigung gerechtfertigt.
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Der Kläger kann sich hinsichtlich des Verlustes des Arbeitsplatzes auch nicht auf einen wichtigen Grund berufen. Was als wichtiger Grund im Sinne des § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGB III anzusehen ist, ist im Gesetz nicht näher bestimmt. Der Gesetzgeber ist davon ausgegangen, dass die Vielzahl der Lebensverhältnisse, welche eine Arbeitsaufgabe rechtfertigen können, durch eine Aufzählung nicht vollständig erfassbar ist. Über das Vorliegen eines wichtigen Grundes ist unter Berücksichtigung des Ziels der Sperrzeitregelung zu entscheiden: Eine Sperrzeit soll nur eintreten, wenn dem Arbeitslosen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung seiner Interessen mit den Interessen der Versichertengemeinschaft ein anderes Verhalten zugemutet werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 5. November 1998 – B 11 AL 5/98 R, SozR 3-4100 § 119 Nr. 16).
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Der wichtige Grund muss objektiv vorliegen. Dabei kann ein wichtiger Grund nur dann angenommen werden, wenn der Arbeitnehmer erfolglos einen zumutbaren Versuch unternommen hat, den Grund, der zum Verlust des Arbeitsplatzes geführt hat, zu beseitigen, oder wenn von vornherein feststeht, dass ein solcher Versuch erfolglos geblieben wäre. Vorliegend ist nicht erwiesen, dass der Kläger den Arbeitgeber darauf hingewiesen hat, dass bei weiteren Verstößen der Verlust des Führerscheins zwangsläufig droht. Er hat den Arbeitgeber nicht nachweislich auf die zwingende Erforderlichkeit der Einhaltung der Straßenverkehrsordnung hingewiesen. Insbesondere stellt der vom Kläger geschilderte Zeit- und Konkurrenzdruck im Speditionsgewerbe keinen wichtigen Grund dar. Es mag sein und ist auch gerichtsbekannt, dass von den Arbeitgebern, wenngleich es nicht verlangt, so doch ggf. erwartet wird, dass die Arbeitnehmer die vorgegebenen Zeiten einhalten, auch wenn dies bedeutet, dass beispielsweise Geschwindigkeitsüberschreitungen in Kauf genommen werden. Gleichwohl stellt dies keinen wichtigen Grund dar. Der Kläger ist als Berufskraftfahrer gehalten, sich untadelig im Straßenverkehr zu verhalten. Sofern ihm gekündigt wird, weil er unter Beachtung der Straßenverkehrsordnung gefahren ist und dabei ggf. Zeitvorgaben versäumt hat, wäre diese Arbeitgeberkündigung nicht gerechtfertigt und erfolgreich in der Kündigungsschutzklage anzufechten. Erst recht läge kein sperr-zeitrelevantes Verhalten vor.
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Danach hat die Beklagte das Vorliegen eines wichtigen Grunde zu Recht abgelehnt. Sofern sie jedoch den Fall der besonderen Härte verneint, erweist sich dies als rechtswidrig.
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Nach § 144 Abs. 3 Satz 2 lit. b) SGB III umfasst die Sperrzeit sechs Wochen, wenn eine Sperrzeit von 12 Wochen für den Arbeitslosen nach den für ihren Eintritt maßgebenden Tatsachen eine besondere Härte bedeutet. Dies ist hier der Fall. Nach der Rechtsprechung müssen Umstände, die von ihrem Gewicht her zwar den Eintritt einer Sperrzeit nicht hindern, auf Grund der Besonderheiten des Einzelfalles eine Sperrzeit mit Regeldauer aber besonders hart erscheinen lassen, berücksichtigt werden (BSG SozR 4100 § 119 Nr. 19, 32, 33 und 34). Dabei sind persönliche und wirtschaftliche Umstände (wie beispielsweise die finanzielle Situation) grundsätzlich unbeachtlich. Anerkannt ist ein Irrtum über das Vorliegen der Sperrzeitvoraussetzungen, wenn dieser unverschuldet ist (vgl. BSG SozR 3-4100 § 119 Nr. 11; 3-1500 § 144 Nr. 12). Vorliegend ist die mit zwei ehrenamtlichen Richtern aus dem Bereich der Arbeitgeber und Arbeitnehmer besetzte Kammer zu dem Schluss gekommen, dass dem Kläger, wäre er vorschriftsmäßig gefahren, unter einem anderem (vorgeschobenen) Grund gekündigt worden wäre, wenn er die Zeitvorgaben der Spedition G… nicht eingehalten hätte. Aus Sicht der Kammer war hier das Auseinanderfallen von Theorie und Praxis zu würdigen, wonach einerseits von dem Kraftfahrer erwartet wird, Verkehrsverstöße zu unterlassen, andererseits das Einhalten der Zeitvorgaben nahe gelegt wird. Zu berücksichtigen war auch, dass die Hauptvergehen, die zum Verlust des Führerscheins führten, vom Kläger begangen wurden, bevor dieser das 24. Lebensjahr vollendet hatte. Die Verstöße erfolgten zunächst im Zeitraum vom 23. Mai 2003 bis 12. August 2004. Mit Aufnahme der Tätigkeit bei der Spedition K…, bei welcher offensichtlich kein Zeitdruck herrschte, erfolgten (bis auf den Verstoß am 12. August 2004, 1 Punkt) bis 16. April 2007 keine Verstöße mehr. Damit wird augenscheinlich, dass sich der Kläger um ein tadelloses Verhalten im Straßenverkehr bemüht, sofern er nicht von seinem Arbeitgeber zu Überschreitungen (der Geschwindigkeit) angehalten wird. Schließlich war der Kläger davon ausgegangen, dass aufgrund Zeitablaufs mit Beginn der Tätigkeit bei G… lediglich 13 Punkte angefallen waren. Diese Hintergründe, sowie die Tatsache, dass sich der Kläger zwischenzeitlich (bei der Spedition K…) vernünftig verhalten hat, war für die Kammer ausschlaggebend für die Annahme einer besonderen Härte. Diesen Gesichtspunkt, den die Beklagte von Amts wegen hätte prüfen müssen, hat sie nicht berücksichtigt.
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Danach war die Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe, die dem Grunde nach gerechtfertigt war, auf sechs Wochen, beginnend mit dem 10. Mai 2008, zu begrenzen. Dem Kläger ist somit Arbeitslosengeld im Anschluss an eine sechswöchige Sperrzeit sowie unter Berücksichtigung der einwöchigen Sperrzeit wegen verspäteter Arbeitsuchendmeldung in gesetzlicher Höhe und für die gesetzliche Dauer zu gewähren.“
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Gegen das am 4. Mai 2010 zugestellte Urteil richten sich die Berufung der Beklagten vom 28. Mai 2010 und die Berufung des Klägers vom 4. Juni 2010.
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Die Beklagte vertritt die Auffassung, mangels Vorliegen einer besonderen Härte sei die Reduzierung der Sperrzeit auf nur sechs Wochen nicht gerechtfertigt. Das Sozialgericht habe das Vorliegen der besonderen Härte mit der Hypothese begründet, dass dem Kläger, wenn auch zu einem späteren Zeitpunkt, in jedem Fall gekündigt worden wäre, also auch, wenn er immer vorschriftsmäßig die Verkehrsregeln befolgt hätte. Dies sei nicht nachvollziehbar. Das Sozialgericht unterstelle damit dem Arbeitgeber, seine Fahrer durch enge Zeitvorgaben, die nur bei Missachtung der Geschwindigkeitsbegrenzungen eingehalten werden könnten, zu Verkehrsverstößen zu zwingen. Dafür gebe es aber keinen Beweis. Allein die hypothetische Annahme, bei Nichteinhaltung von Zeitvorgaben wäre das Arbeitsverhältnis gekündigt worden, reiche nicht aus, um eine „besondere Härte“ im Sinne von § 146 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b des Sozialgesetzbuches Drittes Buch – Arbeitsförderung – (SGB III) zu begründen.
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Die Beklagte beantragt,
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das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 24. März 2010 abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen
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und
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die Berufung des Klägers zurückzuweisen
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Der Kläger beantragt,
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das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 24. März 2010 abzuändern, den Sperrzeitbescheid der Beklagten vom 9. Juli 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. August 2008 aufzuheben sowie den Arbeitslosengeldbescheid vom 9. Juli 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. August 2008 dahingehend abzuändern, dass dem Kläger Arbeitslosengeld ohne Anrechnung einer Sperrzeit bewilligt wird
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und
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die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
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Der Kläger vertritt die Auffassung, sich nicht versicherungswidrig verhalten zu haben. Ihm sei zum einen der tatsächliche „Punktestand“ nicht bewusst gewesen. Zum anderen habe er den Arbeitgeber Ende Juni 2007/Anfang Juli 2007 darauf hingewiesen, dass es nach einem Verkehrsverstoß vom 29. Juni 2007 nur noch eine Frage der Zeit sei, dass ihm der Führerschein entzogen werde. Der Arbeitgeber habe ihn trotz des Vorliegens von 22 Punkten im Deutschen Verkehrszentralregister eingestellt. Damit sei bereits bei Abschluss des Arbeitsvertrages die abstrakte Gefahr des Verlustes des Führerscheins vorhanden gewesen, was der Arbeitgeber zumindest billigend in Kauf genommen habe. Wenn er sich dann bei der Kündigung auf den Verlust des Führerscheines berufe, sei dies zumindest grob treuwidrig und die Kündigung arbeitsrechtlich unzulässig. Dies zumal er, der Kläger, den Führerschein nicht auf Dauer, sondern nur temporär habe abgeben müssen und mit einer baldigen Wiedererlangung zu rechnen gewesen sei. Das Verhalten des Klägers sei also nicht kausal für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses geworden. Selbst wenn die Kündigung zulässig gewesen wäre, könne aber eine Sperrzeit nicht verhängt werden. Die Herbeiführung der Beschäftigungslosigkeit müsse auf Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit des Arbeitnehmers beruhen, wobei nicht von einem objektiven, sondern einem subjektiven Maßstab auszugehen sei. Dabei sei, wie im Strafrecht, ein individueller Maßstab, ausgerichtet an den Kenntnissen und Fähigkeiten des Betroffenen, anzulegen. Er, der Kläger, sei sich der Gefahren stets bewusst gewesen und habe den Arbeitgeber immer über den Punktestand aufgeklärt. Er habe in der Zeit bei der Firma G… auch nur zwei Verstöße begangen. Ob dies während des Führens eines privaten Kraftfahrzeugs geschehen sei, habe die Beklagte nicht ausermittelt. Er habe den Führerschein behalten wollen, die Verstöße in der Zeit nach Aufnahme des Beschäftigungsverhältnisses seien daher allenfalls als leichte Fahrlässigkeit zu bezeichnen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt des beigezogenen Verwaltungsvorgangs sowie der Gerichtsakten beider Instanzen verwiesen.

Entscheidungsgründe
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Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet. Der dem Kläger zustehende Anspruch auf Arbeitslosengeld ruhte vom 10. Mai 2008 bis 1. August 2008 wegen des Eintritts einer Sperrzeit. Umstände, die die Annahme einer besonderen Härte mit der Folge einer Halbierung der Sperrzeit auf sechs Wochen rechtfertigen könnten, liegen nicht vor. Die zulässige Berufung des Klägers ist daher unbegründet.
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Der Senat sieht von einer weiteren Begründung – vorbehaltlich der folgenden Ausführungen zu Verlauf des Berufungsverfahrens – ab und verweist auf die zutreffenden Ausführungen in den Entscheidungsgründen des erstinstanzlichen Urteils (vgl. § 153 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG]), soweit das Sozialgericht den Eintritt einer Sperrzeit und insbesondere das Fehlen eines wichtigen Grundes bejaht hat.
33

Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 SGB III (in der vom 31. Dezember 2005 bis 31. Dezember 2008 geltende Fassung von Artikel 2 des Gesetzes über den Ausgleich von Arbeitsgeberaufwendungen und zur Änderung weiterer Gesetze vom 22. Dezember 2005 [BGBl. I S. 3676]; im Folgenden: a. F.) ruhte ein Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Dauer einer Sperrzeit, wenn sich der Arbeitnehmer versicherungswidrig verhalten hatte, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben. Versicherungswidriges Verhalten lag gemäß § 144 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB III a. F. dann vor, wenn der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst oder durch ein arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gegeben und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hatte (Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe). Ein solches arbeitsvertragswidriges Verhalten liegt vor, wenn der Arbeitnehmer gegen Haupt- oder Nebenpflichten aus seinem Arbeitsvertrag verstößt.
34

Grund der Kündigung war vorliegend, wie sich aus dem Kündigungsschreiben des Arbeitgebers ergibt, das durch den Entzug der Fahrerlaubnis eingetretene Unvermögen des Klägers, seinen arbeitsvertraglichen Pflichten als Kraftfahrer weiter nachzukommen. Dieses Unvermögen berechtigt, wenn der Arbeitnehmer es zu vertreten hat und er anderweitig nicht eingesetzt werden kann, im Allgemeinen zur Kündigung (vgl. BAG, Urteil vom 30. Mai 1978 – 2 AZR 630/76BAGE 30, 309 = NJW 1979, 332 = JURIS-Dokument Rdnr. 17). Das vom Arbeitnehmer zu vertretende Unvermögen ist daher vertragswidriges Verhalten (BSG, Urteil vom 25. August 1981 – 7 RAr 44/80BB 1982, 559 = JURIS-Dokument Rdnr. 20). Der Kläger hat vorliegend den Verlust der Fahrerlaubnis auch zu vertreten. Als Arbeitnehmer, der zur Führung von Kraftfahrzeugen verpflichtet war, hat er dafür Sorge zu tragen, nach Straßenverkehrsrecht hierzu berechtigt zu bleiben. Er hatte daher nicht nur wie jedermann Verkehrsverstöße zu unterlassen; gegenüber dem Arbeitgeber traf ihn die Nebenpflicht, jegliche Verkehrsverstöße zu unterlassen, die zur Entziehung des Fahrerlaubnis führen könnten (BSG, Urteil vom 25. August 1981, a. a. O., Rdnr. 21). Gegen diese Nebenverpflichtung verstieß der Kläger und setzte sich damit der Gefahr aus, die Fahrerlaubnis zu verlieren. Zwischen dem pflichtwidrigen Verhalten und dem Verlust des Arbeitsplatzes bestand auch ein Kausalzusammenhang. Der Verstoß gegen die Nebenpflicht hatte auf Grund zwingenden Ordnungsrechts den Verlust der Fahrerlaubnis zur Folge, was wiederum dem Arbeitgeber, wie sich aus dem Kündigungsschreiben ergibt, Anlass zur Kündigung gab. Dadurch trat Arbeitslosigkeit ein.
35

Der Senat hat keinen Zweifel daran, dass der Kläger insoweit grob fahrlässig gehandelt hat. Grob fahrlässig ist im Allgemeinen ein Handeln, bei dem die erforderliche Sorgfalt nach den gesamten Umständen in ungewöhnlich großem Maße verletzt ist, wenn also schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt werden und dasjenige unbeachtet geblieben ist, was im gegebenen Falle jedem hätte einleuchten müssen. Sie liegt etwa dann vor, wenn der Eintritt der Arbeitslosigkeit in Folge vertragswidrigen Verhaltens so nahe lag, dass diese Möglichkeit nicht außer Betracht bleiben durfte; entscheidend ist immer, dass die drohende Entwicklung dem Arbeitslosen bekannt sein musste, ihm mithin vorzuwerfen ist, diese Entwicklung nicht berücksichtigt zu haben (vgl. BSG, Urteil vom 25. August 1981, a.a.O., Rdnr. 24). In diesem Sinne handelte der Kläger grob fahrlässig. Nach eigener Darstellung war ihm jedenfalls vor der letztlich ausschlaggebenden letzten Verkehrsordnungswidrigkeit bekannt, dass ihm der Verlust der Fahrerlaubnis droht. Mit Schriftsatz vom 6. Februar 2009 trug er vor, er habe im Verlauf seiner Tätigkeit öfters auf seinen Punktestand hingewiesen und nach dem Verstoß vom 29. Juni 2007 den Arbeitgeber „erneut“ darauf hingewiesen, dass es nur noch eine Frage der Zeit sei, bis ihm die Fahrerlaubnis entzogen werde. Hatte er danach bereits zuvor den Arbeitgeber über die Gefahr informiert, war sie ihm auch bewusst. Dem Kläger, der wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften und in einem Falle gegen das Strafgesetz verstoßen hatte, war also angesichts der bei ihm bestehenden Ordnungswidrigkeitenhistorie bekannt, dass weitere Verstöße, gegebenenfalls auch bereits ein einzelner weiterer Verstoß, zum Verlust der Fahrerlaubnis und damit zum Verlust des Arbeitsplatzes führen würden. Dass er dennoch weiterhin verkehrsrechtlichen Vorschriften zuwider handelte, kann angesichts der Vorgeschichte zur Überzeugung des Senats nicht als Verschulden unterhalb der groben Fahrlässigkeit angesehen werden.
36

Ohne Erfolg wendet der Kläger mit Bezug auf die im Rahmen der Kausalitätsprüfung bedeutsame Frage, ob die Kündigung des Arbeitgebers zu Recht ausgesprochen wurde, ein, der Arbeitgeber habe von den Verkehrsverstößen profitiert, sie durch enge Zeitvorgaben provoziert und letztlich gutgeheißen. Der Senat sieht keine Möglichkeit, diese Umstände zu Gunsten des Klägers zu berücksichtigen. Sie machen die Kündigung nicht arbeitsrechtlich unwirksam. Selbst wenn der Arbeitgeber aus dem Fehlverhalten des Klägers Nutzen gezogen haben sollte, bliebe dennoch das Vorhandensein der Fahrerlaubnis zur Erfüllung der vertraglichen Arbeitspflicht Geschäftsgrundlage des mit dem Kläger bestehenden Arbeitsvertrages. Auch das Bestehen der arbeitsvertraglichen Nebenpflicht zur Unterlassung von Handlungen, die die Fahrerlaubnis in Wegfall bringen, bliebe davon unberührt. Ob eine andere Einschätzung jedenfalls dann gerechtfertigt wäre, wenn der Arbeitgeber um eines wirtschaftlichen Vorteils Willen grob eigennützig und unter Ausnutzung des Abhängigkeitsverhältnisses den Arbeitnehmer vorsätzlich zu einer strafbaren Handlung oder einer Ordnungswidrigkeit nötigt (vgl. LAG Hamm, Teilurteil vom 5. April 2000 – 10 (16) SA 1012/99 – JURIS-Dokument Rdnr. 98 [zur Frage eines Schadensersatzanspruchs wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung]) kann offen bleiben. Ein derart nachdrückliches Einwirken des Arbeitgebers auf sein Verhalten im Straßenverkehr hat der Kläger nicht behauptet. Es sind keine konkreten Anordnungen des Arbeitgebers dargelegt oder ersichtlich, die unausweichlich zu den Ordnungswidrigkeiten vom 16. April 2007 und 29. Juni 2007 führen mussten. Die vom Kläger geltend gemachten Umstände reichen insoweit nicht aus. So hatte er etwa in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht am 24. März 2010 auf großen „Konkurrenzdruck“ und „Zeitdruck“ verwiesen. Schließlich muss der Senat auch nicht klären, wie in diesem Zusammenhang die vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 15. August 2013 aufgestellte Behauptung, der Arbeitgeber habe das für die Bezahlung etwaiger Bußen oder Strafen erforderliche Geld bereitgestellt, zu werten ist. In der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht am 24. März 2010 hatte er insoweit vorgetragen, den Arbeitgeber (lediglich) bei Fahrzeitüberschreitungen informiert zu haben, weil es dann „auch um die hohen Bußgelder“ gegangen sei. Die Bußgelder für die Geschwindigkeitsüberschreitungen und Überholverbotsüberschreitungen habe er hingegen selbst getragen. Der Arbeitgeber habe dazu gesagt: „Leute, dass ist eure Geschichte, das müsst ihr selber tragen.“. Dem kann entnommen werden, dass der Arbeitgeber die Überschreitung von Lenkzeiten als seinem Betriebszweck dienlich „gewollt“ hat. Die andere Handhabung der Bußgelder bei Geschwindigkeitsüberschreitungen, und um eine solche Übertretung handelte es sich bei dem letzten und ausschlaggebenden Verkehrsverstoß am 29. Juni 2007, zeigt, dass der Arbeitgeber diese Art von Verkehrsverstoß gerade nicht gewollt oder im Sinne eines bedingten Vorsatzes zumindest billigend in Kauf genommen hat.
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Soweit der Kläger noch geltend macht, die Beklagte habe nicht ermittelt, ob die Verkehrsverstöße während der Zeit der Beschäftigung bei der Firma G… beim Führen eines privaten Kraftfahrzeuges geschehen seien, ist er darauf zu verweisen, dass nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht am 24. März 2010 lediglich das Fahren ohne Haftpflichtversicherung ein Verstoß „aus dem privaten Bereich“ gewesen sei.
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Nach alldem hat die Beklagte zu Recht mit Bescheid vom 9. Juli 2008 und Widerspruchsbescheid vom 4. August 2008 den Eintritt einer Sperrzeit festgestellt. Soweit das Sozialgericht zu der Einschätzung gelangt ist, die Sperrzeit sei nach § 144 Abs. 3 Satz 2 Buchst. b SGB III wegen Vorliegens einer besonderen Härte auf sechs Wochen zu reduzieren, teilt der Senat diese Auffassung nicht. Die hypothetische Erwägung, dem Kläger wäre auch dann, wenn er sich im Straßenverkehr vorschriftsmäßig verhalten hätte, gekündigt worden, dann nämlich, weil er Zeitvorgaben der Spedition nicht eingehalten hätte, ist spekulativ. Die insoweit angestellten Überlegungen sind nicht tragfähig. Welchen Verlauf die Dinge genommen hätten, hätte sich der Kläger regelkonform verhalten, ist ungewiss und könnte auch durch weitere Ermittlungen nicht geklärt werden. Schon die Frage, welche konkreten Auswirkungen eine verkehrsrechtlich beanstandungsfreie Fahrweise des Klägers auf die zeitlichen Abläufe gehabt hätte, entzieht sich der Klärung. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Kläger seine Fahraufträge auch ohne das Begehen von Ordnungswidrigkeiten zur Zufriedenheit des Arbeitgebers hätte erfüllen können. Umso weniger kann eingeschätzt werden, ob und gegebenenfalls in welcher Weise der Arbeitgeber bei anderem Geschehensablauf reagiert hätte.
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Ist nach alldem auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Sozialgerichts abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen, muss aus den gleichen Erwägungen die Berufung des Klägers erfolglos bleiben.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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Gründe für die Zulassung der Revision (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.

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