Arbeitnehmer dürfen mit Kollegen über Gehalt reden

LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 21. Oktober 2009 – 2 Sa 237/09

Eine Klausel, wonach der Arbeitnehmer verpflichtet ist, über seine Arbeitsvergütung auch gegenüber Arbeitskollegen Verschwiegenheit zu bewahren, ist unwirksam, da sie den Arbeitnehmer daran hindert, Verstöße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz im Rahmen der Lohngestaltung gegenüber dem Arbeitgeber erfolgreich geltend zu machen. Darüber hinaus verstößt sie gegen Art. 9 Abs. 3 GG.

(Leitsatz des Gerichts)

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer Abmahnung wegen Verstoß gegen eine Verschwiegenheitsverpflichtung.

Der Kläger ist bei der Beklagten aufgrund eines Anstellungsvertrages seit dem 1. September 2007 beschäftigt. In § 4 Nr. 4 dieses Vertrages heißt es, dass der Arbeitnehmer verpflichtet ist, die Höhe der Bezüge vertraulich zu behandeln, im Interesse des Betriebsfriedens auch gegenüber anderen Firmenangehörigen.

Die Beklagte ist der Auffassung, der Kläger habe sich mit seinem Arbeitskollegen Herrn E. über die Höhe der Bezüge und die damit verbundenen Änderungen im Januar und Februar 2009 unterhalten. Sie erteilte daraufhin dem Kläger eine Abmahnung unter dem 11.03.2009, hinsichtlich deren Inhalt auf Blatt 4 der Gerichtsakte Bezug genommen wird.

Auf eine daraufhin erhobene Klage hat das Arbeitsgericht Schwerin durch Urteil vom 02.07.2009 die Beklagte verurteilt, die dem Kläger mit Schreiben vom 11.03.2009 erteilte Abmahnung aus der Personalakte zu entfernen. Die Kosten des Rechtsstreits wurden der Beklagten auferlegt. Der Streitwert ist auf 4.460,00 EUR festgesetzt worden.

Hinsichtlich der Entscheidungsgründe wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.

Dieses Urteil ist der Beklagten am 17.07.2009 zugestellt worden. Sie hat dagegen Berufung eingelegt, die am 17.08.2009 beim Landesarbeitsgericht eingegangen ist. Die Berufungsbegründung ist am 17.09.2009 beim Landesarbeitsgericht eingegangen.

Die Beklagte ist der Auffassung, Gespräche über das Gehalt unter den Mitarbeitern könnten den Arbeitsfrieden beeinträchtigen. Auf Meinungsfreiheit könnten die Arbeitnehmer sich nicht berufen, da es nicht um das Äußern einer Meinung, sondern um die Mitteilung von Tatsachen gehe.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Schwerin vom 02.07.2009 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger tritt der angefochtenen Entscheidung bei.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die vorbereitenden Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

1. Die Berufung ist zulässig.

Die Berufungsschrift trägt im Rubrum zwar nicht den Namen eines Rechtsanwalts, sondern den Namen einer Firma, die mit der Beklagten und Berufungsführerin offensichtlich durch ein Holdingverhältnis verbunden ist. Prozessbevollmächtigte der Beklagten sind jedoch – wie sich aus dem Rubrum ergibt – nicht diese Gesellschaft, sondern Rechtsanwälte, bei denen es sich offensichtlich um Syndikus-Anwälte handelt.

Die Prozesshandlung ist auch wirksam; ein möglicher Verstoß gegen § 46 Abs. 2 Nr. 1 BRAO führt nicht zur Nichtigkeit des zwischen Anwalt und Mandant abgeschlossenen Geschäftsbesorgungsvertrages gemäß § 134 BGB (BGH vom 25.02.1999, IX ZR 384/97, m. w. N.).

2. Die Berufung ist nicht begründet.

Die Abmahnung vom 11.03.2009 ist aus der Personalakte zu entfernen, da sie nicht gerechtfertigt ist. Eine Pflichtverletzung des Klägers liegt nicht vor. Die Klausel in § 4 Nr. 4 des Anstellungsvertrages, wonach der Arbeitnehmer verpflichtet ist, die Höhe der Bezüge vertraulich zu behandeln und auch gegenüber anderen Firmenangehörigen Stillschweigen darüber zu bewahren, ist unwirksam. Sie stellt eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers entgegen den Geboten von Treu und Glauben im Sinne von § 307 BGB dar.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (zuletzt: Urteil vom 15.07.2009, 5 AZR 486/08) ist der Arbeitgeber auch bei der Lohngestaltung dem Gleichbehandlungsgrundsatz verpflichtet. Die einzige Möglichkeit für den Arbeitnehmer festzustellen, ob er Ansprüche aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz hinsichtlich seiner Lohnhöhe hat, ist das Gespräch mit Arbeitskollegen. Ein solches Gespräch ist nur erfolgreich, wenn der Arbeitnehmer selbst auch bereit ist, über seine eigene Lohngestaltung Auskunft zu geben. Könnte man ihm derartige Gespräche wirksam verbieten, hätte der Arbeitnehmer kein erfolgversprechendes Mittel, Ansprüche wegen Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes im Rahmen der Lohngestaltung gerichtlich geltend zu machen.

Darüber hinaus wird das Verbot auch gegen die Koalitionsfreiheit gemäß Art. 9 Abs. 3 GG verstoßen, da sie auch Mitteilungen über die Lohnhöhe gegenüber einer Gewerkschaft verbietet, deren Mitglied der betroffene Arbeitnehmer sein könnte. Sinnvolle Arbeitskämpfe gegen ein Unternehmen wären so nicht möglich, da die Gewerkschaft die Lohnstruktur nicht in Erfahrung bringen kann.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit § 97 ZPO.

Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 Ziff. 1 ArbGG

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