SG Berlin, Urteil 26.10.2012 – S 67 U 708/09
1. Für die Annahme einer versicherten Tätigkeit „wie ein Beschäftigter“ im Sinne von § 2 Abs 2 S 1 iVm § 2 Abs 1 Nr 1 SGB 7 ist nicht entscheidend, ob die Beteiligten die Tätigkeit eines Interessenten für ein späteres Arbeits- bzw Beschäftigungsverhältnis als unentgeltliches Probearbeitsverhältnis oder Einfühlungsverhältnis mit oder ohne Direktionsrecht des Unternehmers vereinbaren und bezeichnen, sondern allein, ob die Tätigkeit nach den tatsächlichen Verhältnissen noch dem privaten Lebensbereich des potentiellen Beschäftigten zuzurechnen ist oder bereits als eine im Wesentlichen dem Unternehmen dienende Tätigkeit zu bewerten ist. (Rn.44)
2. Bei der Einarbeitungszeit für eine bereits feststehende künftige Beschäftigung als sogenannter „night-auditor“ (Nachtportier bzw Empfangsmitarbeiter mit erweitertem Verantwortungsbereich) handelt es sich um eine versicherte Tätigkeit im Sinne von § 2 Abs 2 S 1 iVm § 2 Abs 1 Nr 1 SGB 7, die fremdnützig einem Unternehmen zu dienen bestimmt war und nicht um eine unversicherte Beschäftigung im Rahmen eines sogenannten „Einfühlungsverhältnisses“. (Rn.48)
Tenor
1. Der Bescheid vom 08.07.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30.09. 2009 wird aufgehoben.
2. Es wird festgestellt, dass es sich bei dem Unfall des Klägers vom 30.03.2009 um einen von der Beklagten aus der Gesetzlichen Unfallversicherung zu entschädigenden Arbeitsunfall handelt.
3. Die Beklagte hat dem Kläger dessen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten. Im übrigen haben die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand
1 Streitig ist die Anerkennung eines Arbeitsunfalles.
2 Am 30.03.2009 stürzte der 1942 geborene Kläger am späten Abend um ca. 23.20 Uhr im Hotel A… B… in B… auf einer Treppe. Er zog sich durch den Sturz schwere Verletzungen im Bereich der Halswirbelsäule (HWS) und des Rückenmarks zu, in deren Folge er querschnittsgelähmt ist (inkomplette spastische Tetraplegie sub C4).
3 Der Kläger ist englischer Staatsangehöriger und war in der Vergangenheit über viele Jahre im Hotelgewerbe tätig, u.a. in der Leitung von Hotels in England. Im fraglichen Zeitraum zu Beginn des Jahres 2009 war er in Deutschland wohnhaft und arbeitslos. Für die Zeit ab April 2009 hatte der Kläger die Aufnahme einer geringfügigen Beschäftigung bei der „n… H… GmbH“ (im folgenden Text: H…) als sog. „Night-auditor“, einer Art Nachtportier bzw. Empfangsmitarbeiter mit erweitertem Verantwortungsbereich u.a. für das Ein-/Auschecken von Gästen, Managementaufgaben, buchhalterische Aufgaben und die Kassenverwaltung, ins Auge gefasst. Die Firma H… stellt „Night-auditoren“ für verschiedene Hotels, mit denen entsprechende vertragliche Vereinbarungen bestehen, zur Verfügung. Sie ist ein Mitgliedsunternehmen der Beklagten.
4 Für den Kläger wurde von ihm und der H… eine Tätigkeit im Hotel A…-B… erwogen, einem Mitgliedsbetrieb der Beigeladenen, wo der Nachtdienst jeweils von einem Mitarbeiter der H… geleistet wird. Der Kläger sollte die geplante Tätigkeit im Hotel A… B… vor dem erwogenen Beschäftigungsbeginn Anfang April 2009 zunächst in Begleitung und Betreuung einer Mitarbeiterin der Fa. H… kennenlernen. Zu diesem Zweck vereinbarten die H… und der Kläger zunächst unter dem 27.03.2009 schriftlich ein sogenanntes „Einfühlungsverhältnis“ für den Zeitraum 27.03.2009, 22.45 Uhr, bis 28.03.2009, 07.00 Uhr. Nach dem Inhalt der Vereinbarung sollte der Kläger im Rahmen des Einfühlungsverhältnisses unter Betreuung der H… Mitarbeiterin S… M… (seinerzeit noch S… P…) auch „einzelne Verrichtungen“ übernehmen. Das Einfühlungsverhältnis sollte von jeder Seite jederzeit durch eine einseitige Erklärung beendet werden können. Eine Arbeitspflicht des Klägers wurde in der Vereinbarung ebenso ausgeschlossen wie ein Vergütungsanspruch für seine Tätigkeit.
5 Wie vereinbart war der Kläger in der Nacht vom 27.03.2009 auf den 28.03.2009 im Hotel A…-B… in Begleitung von Frau M…. Am 28.03.2009 schloss er dann mit der Fa. H… eine zweite Vereinbarung über ein Einfühlungsverhältnis, jetzt für den Zeitraum vom 28.03.2009 bis 01.04.2009, jeweils für alle vier Nächte von 22.45 Uhr bis 07.20 Uhr. Die Vereinbarung enthält den Zusatz, dass für den Fall, dass es anschließend zu einem Arbeitsvertrag kommt, 2 Tage des Einfühlungsverhältnisses nach bestandener Probezeit gemäß den tariflichen Regelungen vergütet werden.
6 Gleichzeitig wurden dem Kläger am 28.03.2009 bereits diverse Vertragsunterlagen zu einem Arbeitsvertrag ausgehändigt, u.a.
7 – als „Anlage zum Arbeitsvertrag“ eine vom Kläger zu unterschreibende und am 28.03.2009 unterschriebene eidesstattliche Erklärung betreffend fehlender Vorstrafen,
8 – als weitere „Anlage zum Arbeitsvertrag“ eine vom Kläger zu unterschreibende und am 28. 03.2009 unterschriebene „Erklärung zur Verschwiegenheitspflicht“, u.a. betreffend Kenntnisse, die er „aus seiner Tätigkeit für den Arbeitgeber, den Geschäftsbetrieb, geschäftliche Vorfälle sowie über Mitarbeiter und Vertrauenspersonen erlangt hat“ und „Kenntnisse, die er über Firmen und Personen erlangt hat, die mit dem Arbeitgeber geschäftlich und wirtschaftlich verbunden sind“,
9 – einen vom Kläger zu unterschreibenden und am 28.03.2009 unterschriebenen „Personalbogen zur Lohnberechnung“, in der u.a. Angaben zur Krankenkasse, der dortigen Versicherungsnummer, zum zuständigen Finanzamt und zur Bankverbindung gemacht wurden,
10 – eine „Checkliste für geringfügig entlohnte oder kurzfristig Beschäftigte“, auch diese vom Kläger auszufüllen und zu unterschreiben, beides umgesetzt am 28.03.2009,
11 – einen unter dem 28.03.2009 vom zuständigen und handlungsbevollmächtigten Regionalmanager der H… für den Kläger erstellten und unterschriebenen Dienstplan für den Monat April 2009, nach dem der Kläger ab dem 12.04.2012 an insgesamt 6 Nächten von jeweils 22.45 Uhr bis 07.00 Uhr im Hotel A… B… mit einer Arbeitszeit von 8,00 Stunden arbeiten sollte
12 – und eine vom Kläger zu unterschreibende und am 28.03.2009 unterschriebene „Dienstanweisung“ für „alle Mitarbeiter“ zur Kassenübernahme / Kassenübergabe mit Ausführungen insbesondere betreffend das einzuhaltende Vieraugenprinzip und die Pflicht der Mitarbeiter, für Fehlbestände der Kasse zu haften, wenn die Kasse nicht unter Einhaltung des Vieraugenprinzip mit Unterschrift des H…-Mitarbeiters und des Hotelmitarbeiters übergeben bzw. übernommen wurde.
13 Am 29.03.2009 erhielt der Kläger von Herrn S… S… als zuständigem Regionalmanager der H…, der auch die beiden Vereinbarungen zum Einfühlungsverhältnis mit dem Kläger unterzeichnet hatte, eine E-Mail mit folgendem Wortlaut:
14 „Sehr geehrter Herr K…,
15 in der Zeit vom: 30.03. – einschließlich 15.04.2009 befinde ich mich im Urlaub. In dringenden Fällen erreichen Sie jemanden im Büro. Festnetz: 0…
16 Ich habe Frau K… bezüglich Ihrer Frage informiert. Sie wird Sie kommende Woche informieren. Bitte lassen Sie ihr noch die Bankverbindung zukommen.
17 Ab 01. April 2009 wird Frau L… die Dienstplanung übernehmen. Sie erreichen Sie unter: 0….
18 Frau P… ist definitiv am Sonntag den 05.04. und Montag den 06.04.09 im Hotel A… B… im Dienst eingeteilt. Sollten Sie der Meinung sein, dass Sie noch einen Einarbeitungstag benötigen, damit nicht diese große Lücke im April entsteht, können Sie ja nochmal einen der beiden Tage mit Frau P… begleiten.“
19 Wie vereinbart war der Kläger unter Begleitung erneut von Frau M… (P…) am 28./29. 03.2009 und 29./30.03.2009 im Hotel A… B…. Auch zur Nachtschicht vom 30.03.2009 auf den 31.03.2009 in Begleitung von Frau M… kam der Kläger ins Hotel A… B…. Um ca. 23.20 Uhr begab er sich zur Rezeption, um diese alleine zu besetzen, während Frau M… und der Juniorchef des Hotels (Herr E…) eine Pause machten. Der Kläger kam von der Küche, wo er sich vor seinem Dienstantritt an der Rezeption, einen Kaffee geholt hatte. Auf dem Weg von der Küche zur Rezeption ereignete sich der Sturz.
20 Die den Kläger nach dem Unfall behandelnden Ärzte / Kliniken informierten die Beklagte erstmals am 08.04.2009. Ihnen gegenüber hatte der Kläger angegeben, den Unfall während einer beruflichen Tätigkeit als Night-auditor erlitten zu haben. In der Folge übernahm die Beklagte zunächst die Kosten der Heilbehandlung des Klägers und informierte den Kläger hierüber mit Schreiben vom 20.04.2009.
21 In einem Fragebogen der Beklagten machte der Kläger am 03.05.2009 Angaben zum Unfallhergang und gab an, den Unfall am 30.03.2009 an seinem Arbeitsplatz während der Nachtschicht im Hotel A…-B… erlitten zu haben. Demgegenüber teilte die Firma H… der Beklagten auf die Anforderung einer Unfallanzeige unter dem 06.05.2009 mit, dass es sich bei dem Unfall des Klägers nicht um einen Versicherungsfall gehandelt habe. Der Kläger sei zur Zeit des Unfalles kein Beschäftigter gewesen, sondern habe sich in einem Einfühlungsverhältnis befunden. Beigefügt war die schriftliche Vereinbarung zum Einfühlungsverhältnis vom 28.03.2009. Frau E… als Geschäftsführerin des Hotels gab bei einem Gespräch mit Mitarbeitern der Beklagten an, dass der Nachtdienst regelmäßig von einer Person geleistet werde. Diese werde von der Fa. H… gestellt. Am Unfalltag habe Frau M… (P…) Dienst gehabt. Der Kläger habe zur Zeit des Unfalls keinen Arbeitsauftrag gehabt. Die Kassenübergabe erfolge selbstverständlich nur mit den dafür autorisierten, also den bei der Fa. H… beschäftigten Personen. Am Unfalltag sei die Schlüssel- und Kassenübergabe von ihrem Sohn an Frau M… (P…) erfolgt. Demgegenüber gab Frau M… (P…) selbst gegenüber der Beklagten auf deren Nachfrage am 12.06.2009 an, dass die Kassen- und Schlüsselübergabe am Unfalltag von Herrn E… (Juniorchef) an den Kläger erfolgt sei. Herr E… und sie hätten dann eine kurze Pause machen wollen und der Kläger die Rezeption währenddessen besetzen sollen.
22 Auf ein nachfolgendes Anhörungsschreiben der Beklagten vom 17.06.2009, wonach sie beabsichtige, das berufsgenossenschaftliche Heilverfahren zu beenden, weil sich der Unfall im Rahmen eines nicht versicherten Einfühlungsverhältnisses ereignet habe, machte der Kläger unter Einreichung der ihm am 28.03.2009 übergebenen Vertragsunterlagen für eine Beschäftigung ab April 2009 sowie der E-Mail von Herrn S… vom 29.03.2009 geltend, dass er am Unfalltag nicht im Rahmen eines nicht versicherten bloßen Einfühlungsverhältnisses tätig geworden sei. Es gebe keine gesetzlichen Regelungen zu einem angeblich nicht versicherten Einfühlungsverhältnis. Jedenfalls dann, wenn die Tätigkeit direkt in eine reguläre Beschäftigung übergehen solle, müsse von einer versicherten Tätigkeit ausgegangen werden. In seinem Fall sei auch eine Bezahlung für die letzten beiden Tage des zweiten Einfühlungsverhältnisses vereinbart gewesen, wenn eine Übernahme in ein Beschäftigungsverhältnis erfolgt. Die Übernahme sei ihm schon am 28.03.2009 von Herrn S… zugesichert worden. Das Einfühlungsverhältnis sei abgeschlossen worden, um ihn für diese bereits vereinbarte Beschäftigung einarbeiten zu können, ohne hierfür bereits ein Arbeitsentgelt bezahlen zu müssen bzw. nur ein teilweises Entgelt nach Ablauf der Probezeit. Leider liege ihm der abgeschlossene Arbeitsvertrag selbst nicht mehr vor, jedoch die ihm zu diesem Vertrag übergebenen weiteren Vertragsunterlagen. Auch die Mail des Herrn S… vom 29.03.2009 bestätige mittelbar, dass ein Beschäftigungsverhältnis jedenfalls für April 2009 bereits vereinbart gewesen sei. Außerdem habe er bereits ab dem dritten Tag seiner Tätigkeit verschiedene Tätigkeiten selbständig ausgeführt. Er sei auch klaren Vorgaben und Weisungen hinsichtlich der Arbeitszeiten unterworfen gewesen und habe klare Arbeitsaufträge erteilt bekommen und zwar nicht nur gelegentlich und in äußerst geringem Umfang. Unter anderem habe er bis zum Unfallzeitpunkt die Hauptkasse selbständig übernommen, das Restaurant für das Frühstücksbuffet selbständig vorbereitet, Telefonate von Hotelgästen entgegengenommen und die während seiner Arbeitszeit ankommenden Gäste eingecheckt. Auch die Übergabe an die Tagesschicht habe er übernommen. Er habe praktisch die gesamte night audit abgewickelt. Ein Einfühlungsverhältnis, bei dem es nur darum gehen könne, sich gegenseitig näher kennen zu lernen, um überhaupt zu entscheiden, ob man ein Beschäftigungsverhältnis eingehe bzw. abschließen will, habe nicht vorgelegen. Es sei der Fa. H… nur darum gegangen, einen neuen Mitarbeiter bereits vor dem Beginn der arbeitsvertraglich vereinbarten Beschäftigung kostenfrei einzuarbeiten. Deshalb müsse zumindest ein Versicherungsschutz nach § 2 Absatz 2 SGB VII angenommen werden.
23 Mit Bescheid vom 08.07.2009 lehnte es die Beklagte ab, das Ereignis vom 30.03.2009 als Arbeitsunfall anzuerkennen und dem Kläger Entschädigungsleistungen der Gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren. In den Gründen führte sie aus, dass der Kläger am Unfalltag nicht als versicherter Beschäftigter der Fa. H…, sondern nur im Rahmen eines grundsätzlich nicht versicherten Einfühlungsverhältnisses tätig geworden sei. Ein solches diene dazu, dass ein potentieller künftiger Arbeitnehmer den Betrieb, die auszuführenden Tätigkeiten, das Betriebsklima und künftige Arbeitskollegen kennenlernt. Der potentielle Arbeitgeber habe während eines solchen Einfühlungsverhältnisses keine Vergütungspflicht und auch der potentielle Arbeitnehmer übernehme keine Verpflichtung zur Arbeit. Insbesondere unterliege er keinem Weisungsrecht des potentiellen Arbeitgebers. Unabhängig von der getroffenen Entscheidung werde die BG Nahrungsmittel und Gaststätten als für den Hotelbetrieb zuständiger Unfallversicherungsträger um Prüfung gebeten, ob Versicherungsschutz nach § 2 Absatz 2 SGB VII für eine Tätigkeit wie ein Beschäftigter bestehe.
24 Den Widerspruch gegen den Bescheid vom 08.07.2009 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30.09.2009 zurück, gegen den der Kläger am 10.11.2009 Klage erhob.
25 Zu diesem Zeitpunkt war die Beklagte bereits auf einen vom Kläger gestellten Antrag auf Gewährung vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutzes vom Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg mit Beschluss vom 30.09.2009 (L 2 U 260/09 ER) verpflichtet worden, dem Kläger vorläufig bis zur Erledigung der Hauptsache Leistungen der berufsgenossenschaftlichen Heilbehandlung und berufsgenossenschaftliche Rehabilitationsleistungen zu gewähren. In den Gründen führte das LSG aus, dass der Kläger während seiner Tätigkeit im Hotel A…-B… am 30.03.2009 unabhängig vom Vorliegen eines von der Beklagten mit beachtlichen Gründen bejahten Einfühlungsverhältnisses auf jeden Fall als sogenannter „Wie-Beschäftigter“ nach § 2 Absatz 2 SGB VII in der Gesetzlichen Unfallversicherung versichert gewesen sei, und zwar sowohl im Verhältnis zum Hotelbetrieb als auch im Verhältnis zur H… als potentiellem Arbeitgeber des Klägers bzw. Verleiher dessen Arbeitskraft an den Hotelbetrieb. Vom Versicherungsschutz erfasst sei auch der Weg zum Kaffeeholen. Leistungsverpflichtet sei jedenfalls für das einstweilige Rechtsschutzverfahren die Beklagte, da ihr gegenüber Versicherungsschutz bestehe. Ob daneben weitere Leistungsträger zuständig sein könnten, könne dahinstehen, zudem die Beklagte auch als erstangegangener Versicherungsträger nach § 43 Absatz 1 Satz 1 SGB I vorläufig leistungsverpflichtet sei. Zuvor war erstinstanzlich vom erkennenden Gericht (S 67 U 446/ 09 ER) einstweiliger Rechtsschutz mit Beschluss vom 24.07.2009 noch mit der Begründung abgelehnt worden, dass bei bestehendem Krankenversicherungsschutz keine Eilbedürftigkeit bestehe. Dies bewertete das LSG in seiner Entscheidung unter Hinweis darauf, dass an den Anordnungsgrund bei eindeutig gegebenem Anordnungsanspruch nur geringe Anforderungen zu stellen sind, anders.
26 Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Anerkennung des Unfalls vom 30.03.2009 als Arbeitsunfall durch die Beklagte, hilfsweise die Beigeladene als für den Hotelbetrieb A…-B… zuständiger Träger der Gesetzlichen Unfallversicherung. Die Beiladung erfolgte durch Beschluss des Gerichts vom 03.05.2010 nach § 75 Absatz 2 SGG.
27 In der Sache macht der Kläger wie bereits zur Anhörung der Beklagten und im Verfahren zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes geltend, dass zwischen ihm und der H… eindeutig nicht nur ein Einfühlungsverhältnis vorgelegen habe. Die Beklagte müsse deshalb Versicherungsschutz aus der Gesetzlichen Unfallversicherung gewähren. Versicherungsschutz der Beigeladenen als für den Hotelbetrieb zuständigem Träger der Gesetzlichen Unfallversicherung komme seines Erachtens eigentlich nicht in Betracht. Für den vorliegenden Fall könne insoweit nichts anderes gelten wie bei einem normalen Arbeitsvertrag mit einem Leiharbeitsunternehmen, das Arbeitnehmer an Betriebe verleihe. Ein versichertes Beschäftigungsverhältnis bestehe dann immer nur im Verhältnis zum Verleiher und nicht zum Entleiher.
28 Der Kläger beantragt,
29 1. den Bescheid vom 08.07.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30.09.2009 aufzuheben.
30 2. festzustellen, dass es sich bei seinem Unfall vom 30.03.2009 um einen von der Beklagten, hilfsweise der Beigeladenen, aus der Gesetzlichen Unfallversicherung zu entschädigenden Arbeitsunfall handelt.
31 Die Beklagte beantragt,
32 die Klage abzuweisen.
33 Sie bezieht sich zur Begründung auf die Auskünfte der H…. Aus ihnen ergebe sich, dass der Kläger jedenfalls für die H… am Unfalltag keine versicherte Tätigkeit ausgeübt, sondern nur im Rahmen eines unversicherten Einfühlungsverhältnisses gehandelt habe. Sollte man von einer Tätigkeit wie ein Beschäftigter nach § 2 Absatz 2 SGB VII ausgehen, dann müsse diese dem Hotelbetrieb zugerechnet werden, für die die Beigeladene der zuständige Unfallversicherungsträger sei.
34 Die Beigeladene beantragt ebenfalls,
35 die Klage abzuweisen.
36 Zur Begründung trägt sie vor, dass bei einem Einfühlungsverhältnis kein Versicherungsschutz bestehe, weil die Tätigkeit in diesem Rahmen nach der Rechtsprechung keine versicherte fremdnützige Tätigkeit sei, sondern der nicht versicherten, weil eigen- und nicht fremdnützigen Arbeitssuche zuzurechnen sei. Treffe der Vortrag des Klägers zu den Umständen seiner Tätigkeit zu, könne es zwar sein, dass kein Einfühlungsverhältnis bestanden habe, sondern eine befristet Beschäftigung, dies dann allerdings eindeutig bei der H… im Zuständigkeitsbereich der Beklagten. Eine Beschäftigung beim Hotelbetrieb habe es auf keinen Fall gegeben. Gehe man wie das LSG Berlin-Brandenburg von einer versicherten Tätigkeit als „Wie-Beschäftigter“ aus, müsse auch dies eindeutig der H… zugerechnet werden und nicht dem Hotel. Die Situation sei insoweit keine andere als bei der normalen Überlassung eines Arbeitnehmers durch eine Leiharbeitsfirma an einen Einsatzbetrieb.
37 Wegen des weiteren Sachverhalts und Beteiligtenvorbringens wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakten zum vorliegenden Rechtsstreit, der Gerichtsakten zum einstweiligen Rechtsschutzverfahren S 67 U 446/09 ER – L 2 U 260/09 B ER sowie der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten und der Beigeladenen verwiesen.
Entscheidungsgründe
38 1) Die beim zuständigen Sozialgericht form- und fristgemäß erhobene Klage ist als Anfechtungs- und Verpflichtungsklage, gerichtet auf den Erlass eines von der Beklagten mit dem angefochtenen und streitgegenständlichen Bescheid vom 08.07.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30.09.2009 abgelehnten Verwaltungsaktes mit der Feststellung, dass es sich bei dem Unfall vom 30.03.2009 um einen aus der Gesetzlichen Unfallversicherung von der Beklagten zu entschädigenden Arbeitsunfall handelt (feststellender Verwaltungsakt), statthaft und zulässig.
39 Dass die Frage, ob es sich bei einem Unfall um einen Arbeitsunfall im Sinne der Gesetzlichen Unfallversicherung nach § 8 SGB VII handelt, der von einem bestimmten Träger der Gesetzlichen Unfallversicherung zu entschädigen ist, ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis im Sinne von § 55 Absatz 1 Nr. 1, Nr. 2 SGG ist, entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. Urteil v. 02.12.2008 – B 2 U 26/06 R -). Allerdings ist dann, wenn wie im vorliegenden Fall die Anerkennung des Arbeitsunfalles, also der Erlass eines feststellenden Verwaltungsaktes, durch einen Bescheid abgelehnt wurde, neben der Anfechtungsklage nach Auffassung der Kammer eine Verpflichtungsklage auf Erlass des gewünschten feststellenden Verwaltungsaktes (Anerkennung des Arbeitsunfalles durch den zuständigen Unfallversicherungsträger) die richtige und statthafte Klageart und nicht die hierzu nur subsidiär zulässige Feststellungsklage (a.A. wohl BSG, a.a.O.; vgl. zur Subsidiarität der Feststellungsklage einschließlich des Streits um die Geltung des Subsidiaritätsgrundsatzes auch für Feststellungsklagen gegen juristische Personen des öffentlichen Rechts: Meyer-Ladewig / Keller / Leitherer [Hrsg.] – Keller [Bearb.], Sozialgerichtsgesetz, 10. Auflage 2012, § 55, Rn 19 ff).
40 2) Die Klage ist auch begründet. Die Entscheidung der Beklagten im angefochtenen und streitgegenständlichen Bescheid vom 08.07.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30.09.2009, den Unfall des Klägers vom 30.03.2009 nicht als Arbeitsunfall im Sinne des Rechts der Gesetzlichen Unfallversicherung nach § 8 SGB VII anzuerkennen, war rechtswidrig. Der Kläger erlitt den Unfall vom 30.03.2009, bei dem er sich eine schwere HWS-Verlet-zung mit der Folge einer inkompletten spastischen Tetraplegie sub C4 zuzog, entgegen der Auffassung der Beklagten im Rahmen einer versicherten Tätigkeit nach § 2 SGB VII und in innerem Zusammenhang mit derselben, so dass es sich bei diesem Unfall gemäß § 8 Absatz 1 SGB VII um einen Arbeitsunfall handelte (s.u. zu a]). Zuständiger Träger der gesetzlichen Unfallversicherung für die Entschädigung dieses Arbeitsunfalles ist die Beklagte, da die versicherte Tätigkeit des Klägers ihrem Mitgliedsbetrieb H… zuzurechnen ist und nicht dem in der Zuständigkeit der Beigeladenen stehenden Hotel A… B…, wo der Kläger tätig war und wo sich der Unfall ereignete (s.u. zu b]).
41 a) Die Tätigkeit des Klägers im Hotel A…-B…, während derer er am 30.03.2009 den streitgegenständlichen Unfall erlitt, war nach Auffassung des erkennenden Gerichts als Einarbeitungszeit für eine zu diesem Zeitpunkt bereits feststehende künftige Beschäftigung bei der Fa. H… ab April 2009 als sogenannter „night-auditor“ mit einem geplanten Einsatz im Hotel A…-B… eine versicherte Tätigkeit im Sinne von § 2 SGB VII und entgegen der Auffassung der Beklagten keine unversicherte Tätigkeit im Rahmen eines sogenannten „Einfühlungsverhältnisses“ (s.u. zu aa]). Der Kläger hat den Unfall auch bei einer versicherten Tätigkeit und in innerem Zusammenhang mit derselben erlitten (s.u. zu bb])
42 aa) Dahinstehen kann, ob der Kläger am 30.03.2009 in Anbetracht der unten noch näher darzustellenden Umstände und Gesichtspunkte bereits als Beschäftigter der H… im Sinne von § 2 Absatz 1 Nr. 1 SGB VII in Verbindung mit § 7 Absatz 1 Satz 1 SGB IV im Hotel A…-B… tätig war. Insbesondere muss nicht entschieden werden, ob trotz bzw. entgegen der zwischen ihm und der H… mit der Vereinbarung zum Einfühlungsverhältnis vom 28.03.2009 vereinbarten Unentgeltlichkeit eine zu vergütende Tätigkeit im Rahmen eines Arbeitsvertrag angenommen werden muss (vgl. überzeugend zur Gefahr der Umgehung arbeitsrechtlicher Bestimmungen und des Gebots einer Vergütung geleisteter Arbeit durch eine zu großzügige Zulassung unentgeltlicher „Einfühlungsverhältnisse“ bzw. „Probearbeitsverhältnisse“: Arbeitsgericht Weiden, Urteil v. 07.05.2008 – 1 Ca 64/08 C -), ob der Kläger entgegen der Bezeichnung seiner Tätigkeit als Einfühlungsverhältnis wie ein Arbeitnehmer in den Betrieb des Hotels und/oder der H… im Sinne einer persönlichen Abhängigkeit bei Ausübung der Tätigkeit eingegliedert war, oder ob auch dann, wenn man keine Tätigkeit des Klägers im Rahmen eines faktischen befristeten Arbeitsvertrages annimmt (vgl. ArbG Weiden, a.a.O.), eine Beschäftigung im Sinne von §§ 2 Absatz 1 Nr. 1 SGB VII, 7 Absatz 1 Satz 1 SGB IV vorliegen kann (bejahend: LSG Hamburg, Urteil v. 31.01.2012 – L 3 U 21/11 -; verneinend: LSG Ba-Wü, Urteil v. 16.12.2011 – L 8 U 2630/10 -).
43 Denn für das Recht der Gesetzlichen Unfallversicherung besteht Versicherungsschutz auch außerhalb eines Arbeits- und/oder Beschäftigungsverhältnisses gemäß § 2 Absatz 2 Satz 1 SGB VII schon dann, wenn jemand wie ein Beschäftigter tätig wird. Hierfür bedarf es anders als für die Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses keiner wirtschaftlichen und vor allem keiner persönlichen Abhängigkeit des „Beschäftigten“ zum Unternehmer und einer die persönliche Abhängigkeit ausmachenden Eingliederung in das Unternehmen, für welches die Tätigkeit ausgeübt wird (vgl. Becker / Burchardt / Krasney / Kruschinsky [Hrsg.] – Kruschinsky [Bearb.], Gesetzliche Unfallversicherung – Kommentar [Loseblatt], Bd. 1, § 2 Rn 27 ff zum Beschäftigungsverhältnis im Sinne von § 2 Absatz 1 Nr. 1 SGB VII sowie § 2 Rn 841 f zur Tätigkeit wie ein Beschäftigter nach § 2 Absatz 2 SGB VII; jeweils m.w.N.). Die Vereinbarung eines Arbeitsentgeltes ist nach zutreffender Auffassung schon keine Voraussetzung für die Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses im Sinne von § 2 Absatz 1 Nr. 1 SGB VII (vgl. Becker u.a. – Kruschinsky, a.a.O., § 2 Rn 30 f, vgl. hingegen zum Arbeitsverhältnis im Sinne des Arbeitsrechts: Arbeitsgericht Weiden, a.a.O.), auf keinen Fall aber für die Annahme einer Tätigkeit wie ein Beschäftigter nach § 2 Absatz 2 SGB VII (s. Becker u.a. – Kruschinsky, a.a.O., § 2 Rn 839; s. auch SG Berlin, Urteil v. 27.01.2012 – S 67 U 635/09 – zur Abgrenzung unentgeltlicher versicherter Tätigkeiten im Sinne von § 2 Absatz 2 SGB VII zu bloßen unversicherten Gefälligkeiten bei privaten Bauhelfern).
44 Vorauszusetzen, aber auch ausreichend für die Annahme einer versicherten Tätigkeit wie ein Beschäftigter im Sinne von § 2 Absatz 2 SGB VII ist nur, dass eine ernstliche, einem fremden Unternehmen dienende Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert verrichtet wird, welche dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers entspricht, ihrer Art nach auch von Personen verrichtet werden könnte, die in einem dem allgemeinen Arbeitsmarkt zuzurechnenden Beschäftigungsverhältnis stehen und ungeachtet des Beweggrundes für den Entschluss, tätig zu werden, unter solchen Umständen geleistet wird, dass sie einer Tätigkeit auf Grund eines Beschäftigungsverhältnisses ähnlich ist (vgl. Becker u.a. – Kruschinsky, a.a.O., § 2 Rn 804; BSG, Urteil v. 05.07.2005 – B 2 U 22/04 R -; BSG, Urteil v. 05.07.1994 – 2 RU 24/93 – [zur Vorgängerregelung des § 539 Absatz 2 RVO]; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 29.01.2009 – L 3 U 107/ 07 -). Diese Voraussetzungen sind vorliegend für die streitgegenständliche Tätigkeit des Klägers im Hotel A…-B… am 30.03.2009 erfüllt.
45 Insbesondere muss entgegen der Auffassung der Beklagten davon ausgegangen werden, dass die Tätigkeit des Klägers nach seiner für die Bewertung maßgeblichen Handlungstendenz fremdnützig einem Unternehmen zu dienen bestimmt war und es sich nicht lediglich um eine bloß oder wesentlich eigennützige, dem privaten unversicherten Lebensbereich des Klägers zuzurechnende Tätigkeit handelte. Da der Kläger zum streitgegenständlichen Zeitpunkt im Hotel A… B… im Vorgriff auf eine dauerhafte Beschäftigung als sogenannter „Night-auditor“ tätig war bzw. jedenfalls teilweise Tätigkeiten eines „Night-auditors“ wahrnahm, könnte eine Tätigkeit, die ausschließlich oder ganz wesentlichem seinem privaten Lebensbereich zuzurechnen ist und nicht als fremdnützig im Sinne einer einem Unternehmen dienenden Tätigkeit bewertet werden kann, nach Auffassung des erkennenden Gerichts nur dann angenommen werden, wenn der Kläger im Rahmen eines keinen Versicherungsschutz begründenden sogenannten „Einfühlungsverhältnisses“ gehandelt hätte.
46 Der Begriff des Einfühlungsverhältnisses, für den es keine gesetzliche Grundlage gibt, wurde vor allem im Arbeitsrecht als ein loses Rechtsverhältnis eigener Art zwischen einem Interessenten für eine Arbeitsstelle und dem potentiellen Arbeitgeber geprägt, das sich dadurch kennzeichnen und aufgrund der Vertragsfreiheit zulässig sein soll, dass der potentielle Arbeitnehmer das Unternehmen und der potentielle Arbeitgeber den potentiellen Arbeitnehmer in einer Art verlängertem Bewerbungsverfahren näher kennenlernen können (vgl. LAG Schl-Ho, Urteil v. 17.03.2005 – 4 SA 11/05 -; LAG Bremen, Urteil v. 25.07.2002 – 3 SA 83/02 -; s.u. zur Unzulässigkeit von Probearbeit im Rahmen eines Einfühlungsverhältnisses). Häufig werden Begriffe wie Probearbeitsverhältnis, Hospitation u.ä. synonym gebraucht, wobei die begriffliche Klarheit und die Abgrenzung zum tatsächlich bestehenden Arbeitsverhältnis bei einer festzustellenden Tendenz zum Missbrauch seitens der Arbeitgeber unklar erscheint, insbesondere dann, wenn es nicht nur um eine klassische, im wesentlichen beobachtende Hospitation ohne nennenswerte eigene Arbeitstätigkeit des Hospitierenden geht, sondern zur Probe Arbeit geleistet werden soll (vgl. Arbeitsgericht Weiden, Urteil v. 07.05.2008 – 1 Ca 64/08 C -; LSG Hamburg, Urteil v. 31.01.2012 – L 3 U 21/11 -; SG Aachen – Urt. v. 16.09.2009 – S 8 U 26/09 -; LSG NRW, Urt. v. 16.02.2000 – L 17 U 290/99 -).
47 Für das Recht der Gesetzlichen Unfallversicherung lässt sich ein Verzicht auf den Versicherungsschutz alleine mit dem Gesichtspunkt der fehlenden Eingliederung in das Unternehmen im Sinne eines umfassenden Weisungs- und Direktionsrechts des Unternehmers nicht begründen, weil ein solches zwar erforderlich sein mag, um ein Arbeits- oder Beschäftigungsverhältnis zu begründen, aber nicht erforderlich ist, um wie ein Beschäftigter nach § 2 Absatz 2 SGB VII tätig und versichert zu sein (s. Becker u.a. – Kruschinsky, a.a.O., § 2 Rn 842).
48 Tatsächlich geht der Blick auf die Frage, ob der Unternehmer in Bezug auf die fragliche Tätigkeit ein umfassendes Direktions- und Weisungsrecht hat oder nur sein Hausrecht ausüben kann, wie es beim Einfühlungsverhältnis der Fall sein soll, nach Auffassung der Kammer am Kern des Problems, unversicherte Einfühlungsverhältnisse von einer versicherten Tätigkeit als Beschäftigter oder wie ein Beschäftigter abzugrenzen, vorbei. Diese Abgrenzung kann entsprechend der ursprünglichen Herkunft, Idee und Begründung der Rechtsfigur des Einfühlungsverhältnisses jedenfalls für das Recht der Gesetzlichen Unfallversicherung nur an der Linie zwischen der noch dem privaten, nicht versicherten Lebensbereich zuzurechnenden Arbeitssuche einerseits, und der fremdnützigen, dem Unternehmen dienenden Tätigkeit als bzw. wie ein Beschäftigter andererseits erfolgen (ähnlich: LSG NRW, a.a.O.; LSG Hamburg, a.a.O.). Maßgeblich muss die sich in der Tätigkeit ausdrückende Handlungstendenz des potentiell Versicherten sein (LSG Hamburg, a.a.O.; LSG NRW, a.a.O.). Dient sie nicht dem Unternehmen, sondern im wesentlichen der Arbeitssuche, wie z.B. eine Hospitation zum Kennenlernen eines Betriebes, schließt dies sowohl einen Versicherungsschutz nach § 2 Absatz 1 Nr. 1 SGB VII aus als auch einen solchen als „Wie-Beschäftigter“ nach § 2 Absatz 2 SGB VII. Dient eine Tätigkeit hingegen im wesentlichen dem Unternehmen, ist sie fremdnützig und muss (beim Vorliegen der weiteren Kriterien) Versicherungsschutz als Beschäftigter nach § 2 Absatz 1 Nr. 1 SGB VII oder wie ein Beschäftigter nach § 2 Absatz 2 SGB VII begründen. Dabei ist nicht entscheidend, ob die Beteiligten die Tätigkeit eines Interessenten für ein späteres Arbeits- bzw. Beschäftigungsverhältnis als unentgeltliches Probearbeitsverhältnis oder Einfühlungsverhältnis mit oder ohne Direktionsrecht des Unternehmers vereinbaren und bezeichnen, sondern alleine, ob die Tätigkeit nach den tatsächlichen Verhältnissen noch dem privaten Lebensbereich des potentiellen Beschäftigten zuzurechnen oder bereits als eine im wesentlichen dem Unternehmen dienende Tätigkeit zu bewerten ist.
49 Letzteres muss nach Auffassung der Kammer grundsätzlich dann angenommen werden, wenn die fragliche Tätigkeit der Erprobung in dem Sinne dient, dass der Unternehmer aufgrund der geleisteten Probearbeit bzw. einem Vorarbeiten besser beurteilen kann, ob jemand die im Unternehmen bei einer Beschäftigung geforderte Tätigkeit entsprechend den Vorstellungen und Anforderungen des Unternehmens zu verrichten in der Lage ist, insbesondere auch dann, wenn mehrere Bewerber auf diese Weise erprobt werden, um dem Unternehmer / Arbeitgeber die Auswahl zu erleichtern (ähnlich: LSG Hamburg, a.a.O.; ArbG Weiden, a.a.O.; a.A.: SG Aachen, Urt. v. 16.09.2009 – S 8 U 26/09 -). Denn die Erprobung eines potentiellen Arbeitnehmers dient vor allem dem Interesse des Unternehmers / Unternehmens an einem möglichst effektiven Einsatz seiner Arbeitskräfte bzw. dem frühzeitigen Ausschluss nicht geeigneter Arbeitskräfte und/oder der Auswahl zwischen verschiedenen Bewerbern. Will er dieses legitime Interesse über bloße Bewerbungsgespräche hinaus dadurch verwirklichen, dass er Bewerber in seinem Unternehmen arbeiten lässt, handelt es sich hierbei um eine dem Interesse des Unternehmens dienende Erprobung, die nicht mehr als eine im wesentlichen dem privaten Lebensbereich zuzurechnende Tätigkeit desjenigen bewertet werden kann, der die Probearbeit leistet. Tatsächlich dürfte eine Erprobung regelmäßig auch nur bei einer weitgehenden Eingliederung in das Unternehmen und einem Weisungs- und Direktionsrecht des Unternehmers sinnvoll stattfinden können und damit ein Arbeits-/Beschäftigungsverhältnis vorliegen (ebenso: LSG Hamburg, a.a.O.; ArbG Weiden, a.a.O.; a.A.: SG Aachen, a.a.O.). Zu einem solchen gehört eben auch die Erprobung eines Arbeitnehmers zu Beginn seiner Beschäftigungszeit mit den Möglichkeiten des Arbeitgebers, seine legitimen Interessen durch die Vereinbarung einer Probezeit und/oder einer Befristung des Arbeitsvertrages zu wahren (ebenso: ArbG Weiden, a.a.O.). Die Erprobung eines Arbeitnehmers den Regelungen des Arbeitsrechts und des Sozialversicherungsrechts zu entziehen, indem ein ganztägiges, manchmal sogar mehrere Tage andauerndes unentgeltliches Vorarbeiten bzw. Probearbeiten zugelassen wird, ist von den gesetzlichen Bestimmungen des Arbeitsrechts und Sozialrechts nicht vorgesehen und entzieht Personen trotz einer tatsächlich in einem Unternehmen für dieses von ihnen geleisteten Tätigkeit sachwidrig dem Schutz zwingender arbeits- und sozialrechtlicher Bestimmungen, u.a. auch dem Schutz der Gesetzlichen Unfallversicherung. Diese Bestimmungen sollen für die Beteiligten eines Arbeits- und/oder Beschäftigungsverhältnisses gerade nicht disponibel sein und dürfen deshalb nicht dadurch umgangen werden, dass eine nach den tatsächlichen Umständen geleistete Arbeit für ein Unternehmen bzw. einen Arbeitgeber zwischen den Beteiligten nicht als Arbeits- bzw. Beschäftigungsverhältnis bezeichnet und vertraglich vereinbart wird, sondern als ein Rechtsverhältnis anderer Art, z.B. als Einfühlungsverhältnis oder Probearbeitsverhältnis.
50 Ähnliches wie für die Erprobung eines potentiellen Arbeitnehmers / Beschäftigten gilt für die Einarbeitung einer Person, die angestellt bzw. beschäftigt werden soll, in die betrieblichen Abläufe und die auszuführenden Tätigkeiten. Die Einarbeitung dient der Effektivierung des Einsatzes der Arbeitskraft und damit im wesentlichen dem Unternehmen bzw. ist auf das Unternehmen ausgerichtet und kann somit nicht dem unversicherten, rein privaten Lebensbereich desjenigen, der eingearbeitet wird, zugerechnet werden. Insbesondere kann sie nicht mehr der dem privaten Lebensbereich zuzuordnenden und deshalb in der Gesetzlichen Unfallversicherung nicht versicherten Arbeitssuche zugerechnet werden, bei der die betreffende Person nach ihrer Handlungstendenz noch nicht unternehmensnützig handelt, wenn zwischen den Beteiligten bereits feststeht, dass der Einzuarbeitende im Anschluss an die Einarbeitungszeit ganz normal als Arbeitnehmer bzw. Beschäftigter für den Arbeitgeber / Unternehmer tätig sein soll.
51 Im vorliegenden Fall muss unter Würdigung aller Umstände, insbesondere der vom Kläger vorgelegten Unterlagen davon ausgegangen werden, dass jedenfalls das zweite von ihm mit der H… am 28.03.2009 für den Zeitraum 28.03.2009 bis 01.04.2009 vereinbarte Einfühlungsverhältnis entgegen seiner Bezeichnung tatsächlich und im wesentlichen dazu diente, den Kläger im Hinblick auf eine bereits feststehende Beschäftigung als „Night auditor“ ab April 2009 in die betrieblichen Abläufe beim Hotel A… B…, wo der Kläger auch künftig eingesetzt werden sollte, und die von ihm erwarteten Tätigkeiten einzuarbeiten. Die Einarbeitung in eine im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses auszuübende Tätigkeit dient wie dargestellt primär dem Unternehmen, weshalb die Tätigkeit des Klägers im Rahmen dieser Einarbeitungszeit als dem Unternehmen dienende, dem tatsächlichen Willen des Unternehmers entsprechende Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert (siehe hierzu unten) Versicherungsschutz zumindest nach § 2 Absatz 2 SGB VII begründete. Die Annahme, es habe sich bei der Tätigkeit des Klägers zum Unfallzeitpunkt um ein unversichertes, weil alleine oder wesentlich der Arbeitssuche und damit dem persönlichen Lebensbereich zuzurechnendes Einfühlungsverhältnis gehandelt, ist weder mit den vorliegenden Unterlagen noch mit den sonst vorliegenden Erkenntnissen der Kammer zur Tätigkeit des Klägers im Hotel A…-B… vereinbar.
52 Bereits die in der vertraglichen Vereinbarung zum Einfühlungsverhältnis vom 28.03.2009 vorgesehene Begleitung bzw. Betreuung des Klägers durch einen Mitarbeiter der H… begründet Zweifel, ob es lediglich um ein unverbindliches Kennenlernen eines Unternehmens bzw. eines Arbeitsplatzes im Rahmen eines unversicherten Einfühlungsverhältnisses ging oder nicht doch um die Einarbeitung des Klägers in die von ihm bei einer Beschäftigung als Night-auditor im Hotel A… B… konkret erwartete Tätigkeit. Immerhin war der Kläger bereits vorher über viele Jahre im Hotelgewerbe einschlägig tätig gewesen, so dass davon ausgegangen werden kann, dass alle Beteiligten wussten, dass ihm das Tätigkeitsprofil eines Night-auditors grundsätzlich bekannt war und ein Kennenlernen der betrieblichen Gegebenheiten im Sinne eines bloßen Einfühlungsverhältnisses, also außerhalb einer echten Einarbeitung in die erwartete konkrete Tätigkeit (s.o.), eigenverantwortlich durch den Kläger selbst vor Ort im Hotel A… B… möglich gewesen wäre ohne das Erfordernis einer „Betreuung“ durch einen Mitarbeiter der H….
53 Hinzu kommt, dass dem am 28.03.2009 vereinbarten „Einfühlungsverhältnis“ bereits eine erste Tätigkeit des Klägers im Hotel A… B… im Rahmen des am 27.03.2009 mit der H… vereinbarten Einfühlungsverhältnisses während der Nachtschicht vom 27.03.2009 auf den 28.03.2009 vorausgegangen war, in der er ausreichend Gelegenheit hatte, die Arbeits- und Betriebsverhältnisse im Hotel A… B… und auch diejenigen bei der H… kennenzulernen. Warum zu diesem Zweck, der alleine die Vereinbarung eines nicht versicherten und noch kein Arbeits- bzw. Beschäftigungsverhältnis darstellen sollenden Einfühlungsverhältnis rechtfertigen kann (s.o.), eine weitere Anwesenheit des einschlägig berufserfahrenen Klägers in vier weiteren Nachtschichten vom 28.03. Auf den 29.03, vom 29.03. auf den 30.03., vom 30.03. auf den 31.03. und vom 31.03. auf den 01.04.2009 erforderlich sein sollte, ist wenig nachvollziehbar.
54 Betrachtet man alleine die beiden Vereinbarungen zur Begründung eines Einfühlungsverhältnisses vom 27.03.2009 und 28.03.2009 mögen noch Zweifel bestehen, ob es nicht doch nur um ein Kennenlernen des Arbeitsplatzes im Sinne eines Einfühlungsverhältnisses ging. Aufgrund der vom Kläger eingereichten weiteren Unterlagen und der sonstigen Erkenntnisse aus dem Verwaltungsverfahren steht jedoch zur Überzeugung der Kammer fest, dass der tatsächliche Zweck jedenfalls des zweiten, am 28.03.2009 vereinbarten „Einfühlungsverhältnisses“ die Einarbeitung des Klägers in eine von ihm als Beschäftigter auszuübende berufliche Tätigkeit als Night-auditor im Hotel A… B… war und die im Rahmen des am 28.03.2009 vereinbarten „Einfühlungsverhältnisses“ vom Kläger ausgeübte Tätigkeit nicht mehr als seinem privaten, nicht nach dem SGB VII versicherten Lebensbereich zuzurechnende Arbeitssuche bewertet werden kann.
55 Der Kläger hat diverse, ihm mit der Vereinbarung zum „Einfühlungsverhältnis“ am 28.03.2009 von der H… übergebene ergänzende Unterlagen zu einem im April 2009 beginnenden Arbeitsvertrag eingereicht, aus denen mit Wahrscheinlichkeit geschlossen werden muss, dass zu diesem Zeitpunkt bereits ein Arbeitsvertrag geschlossen worden war, mit Sicherheit aber feststeht, dass zwischen dem Kläger und der H… Einigkeit darüber bestand, dass der Kläger dort ab April 2009 als Night-auditor mit Einsatz im Hotel A… B… beschäftigt werden soll, nämlich
56 – als „Anlage zum Arbeitsvertrag“ eine vom Kläger zu unterschreibende und am 28.03.2009 unterschriebene eidesstattliche Erklärung betreffend fehlender Vorstrafen,
57 – als weitere „Anlage zum Arbeitsvertrag“ eine vom Kläger zu unterschreibende und am 28. 03.2009 unterschriebene „Erklärung zur Verschwiegenheitspflicht“, u.a. betreffend Kenntnisse, die er „aus seiner Tätigkeit für den Arbeitgeber, den Geschäftsbetrieb, geschäftliche Vorfälle sowie über Mitarbeiter und Vertrauenspersonen erlangt hat“ und „Kenntnisse, die er über Firmen und Personen erlangt hat, die mit dem Arbeitgeber geschäftlich und wirtschaftlich verbunden sind“,
58 – einen vom Kläger zu unterschreibenden und am 28.03.2009 unterschriebenen „Personalbogen zur Lohnberechnung“, in der u.a. Angaben zur Krankenkasse, der dortigen Versicherungsnummer, zum zuständigen Finanzamt und zur Bankverbindung gemacht wurden,
59 – eine „Checkliste für geringfügig entlohnte oder kurzfristig Beschäftigte“, auch diese vom Kläger auszufüllen und zu unterschreiben, beides umgesetzt am 28.03.2009,
60 – eine vom Kläger zu unterschreibende und am 28.03.2009 unterschriebene „Dienstanweisung“ für „alle Mitarbeiter“ zur Kassenübernahme / Kassenübergabe mit Ausführungen insbesondere betreffend das einzuhaltende Vieraugenprinzip und die Pflicht der Mitarbeiter, für Fehlbestände der Kasse zu haften, wenn die Kasse nicht unter Einhaltung des Vieraugenprinzip mit Unterschrift des H…-Mitarbeiters und des Hotelmitarbeiters übergeben bzw. übernommen wurde.
61 All diese Unterlagen legen nahe, dass der Kläger bereits ab dem 28.03.2009 bei seiner Tätigkeit im Hotel A… B… als Arbeitnehmer und Beschäftigter der H… tätig war. Jedenfalls belegen sie, dass zwischen der H… und dem Kläger Einigkeit über dessen Anstellung als Night auditor spätestens nach Ablauf des am 28.03.2009 für den Zeitraum 28.03.2009 bis 01.04.2009 vereinbarten „Einfühlungsverhältnisses“ bestand. Dann aber war er auch schon während der Zeit des „Einfühlungsverhältnisses“ kein Arbeitssuchender mehr, der sich lediglich einen potentiellen Arbeitsplatz anschaut und hospitiert. Das „Einfühlungsverhältnis“ diente vielmehr tatsächlich seiner Einarbeitung unter der Betreuung von Frau M… (P…) als erfahrener Mitarbeiterin der H… für die Zeit ab April 2009, war also mit den obigen Ausführungen kein unversichertes Einfühlungsverhältnis, sondern bereits eine versicherte Tätigkeit als Beschäftigter, jedenfalls wie ein Beschäftigter im Sinne von § 2 Absatz 2 SGB VII. Dass eine Beschäftigung des Klägers als Night auditor bei der H… mit Einsatz im Hotel A… B… bereits feststand und es sich beim „Einfühlungsverhältnis“ vom 28.03.2009 bis 01.04.2009 nach den maßgeblichen tatsächlichen Verhältnissen um kein solches, sondern um die Einarbeitung des Klägers in die Tätigkeit als Night-auditor im Hotel A… B… handelte, bestätigt auch die vom Kläger vorgelegte E-Mail des Herrn S… S… als zuständigem und handlungsbevollmächtigtem Regionalmanager der H… an ihn vom 28.03.2009, wenn dem Kläger dort u.a. Informationen zur Erreichbarkeit zuständiger Personen der H… während einer urlaubsbedingten Abwesenheit von Herrn S… bis zum 15.04.2009 mitgeteilt werden, z.B. auch der für die Dienstplanung zuständigen H…-Mitarbeiterin, und ihm die Möglichkeit eröffnet wird, in den Nächten vom 05.04. auf den 06.04 und vom 06.04. auf den 07.04. in Begleitung von Frau M… (P…) „noch einen Einarbeitungstag“ zu absolvieren, „damit nicht diese große Lücke im April entsteht“. Tatsächlich war der Kläger nämlich für April 2009 nach dem von ihm eingereichten, von Herrn S… am 28.03.2009 unterschriebenen und für den Kläger als „Arbeitszeitnachweis für Mitarbeiter“ erstellten Dienstplan bereits für insgesamt 6 Nächte mit jeweils 8 Stunden Arbeitszeit, erstmals für den 12./13.04.2009, als im Hotel B… ohne Begleitung tätiger Night auditor vorgesehen.
62 Hinzu kommt, dass das Vorbringen des Klägers, er habe während des zweiten Einfühlungsverhältnisses zunehmend alle Aufgaben als Night-auditor selbständig ausgeführt, durch Frau M… am 12.06.2009 gegenüber der Beklagten dahingehend bestätigt wurde, dass die nach der entsprechenden Dienstanweisung als besonders sensibel geltende und mit Haftungsrisiken für die Mitarbeiter verbundene Kassenübergabe zu Beginn der Arbeitsschicht am Unfalltag direkt vom Juniorchef und Sohn der Geschäftsführerin des Hotels an den Kläger erfolgte, was nach der Einlassung der Geschäftsführerin des Hotels nur mit den dafür autorisierten Beschäftigten der H… zulässig war. Insgesamt sprechen somit alle Gesichtspunkte dafür, dass der Kläger am Unfalltag im Wissen aller beteiligten Personen bereits als Beschäftigter der H… im Hotel A… B… tätig war, jedenfalls aber als „Wie-Beschäftigter“ im Sinne von § 2 Absatz 2 Satz 1 SGB VII, der in die Tätigkeit als Night-auditor im Hinblick auf eine bereits vereinbarte künftige Beschäftigung eingearbeitet wurde.
63 Dass die am Unfalltag ausgeübte Tätigkeit des Klägers von wirtschaftlichem Wert für das Hotel A… B… war, steht in Anbetracht dessen, dass er die besonders bedeutsame Kassenübergabe durchgeführt hat, außer Zweifel. Auch die nach den Angaben von Frau M… gegenüber der Beklagten geplante selbständige Übernahme der Rezeption ist wirtschaftlich von Wert.
64 Für die H… mag man auf den ersten Blick zweifeln, ob die Tätigkeit des Klägers im Rahmen des Einfühlungsverhältnisses und insbesondere am Unfalltag von wirtschaftlichem Wert für das Unternehmen war. Denn der Kläger befand sich ja in Begleitung der H…-Mitarbeiterin M… (P…), so dass ein wirtschaftlicher Vorteil der H… bei einer üblichen Besetzung der Nachtschicht durch nur einen von der H… gestellten Night-auditor zunächst nicht ersichtlich ist. Diese Betrachtung greift jedoch zu kurz, weil sie nicht berücksichtigt, dass jede Einarbeitung eines neuen Mitarbeiters für ein Unternehmen zunächst mit allenfalls geringen, eventuell gar keinen sofortigen wirtschaftlichen Vorteilen verbunden ist, häufig sogar zunächst andere Arbeitskräfte, die den neuen Beschäftigten einarbeiten, bindet und deshalb kurzfristig wirtschaftlich nachteilig sein kann. Gleichwohl besteht natürlich langfristig ein den kurzfristigen Nachteil überwiegender wirtschaftlicher Vorteil im Zweck der Einarbeitung, nämlich den neu Beschäftigten möglichst schnell in die Lage zu versetzen, alle von ihm auszuübenden Tätigkeiten selbständig, zuverlässig, effizient und mit voller Arbeitskraft für das Unternehmen ausüben zu können. Nicht anders ist es im vorliegenden Fall hinsichtlich der Einarbeitung des Klägers als für die H… im Hotel A… B… tätiger Night auditor.
65 bb) Der Kläger hat den Unfall nach den Erkenntnissen aus dem Verwaltungsverfahren, insbesondere den dort von Frau M… (P…) gegenüber der Beklagten gemachten Angaben, erlitten, als er sich auf dem Weg von der Küche zur Rezeption befand, deren Besetzung er übernehmen, also eine nach den obigen Ausführungen wohl nach § 2 Absatz 1 Nr. 1 SGB VII, zumindest aber nach § 2 Absatz 2 Satz 1 SGB VII versicherte Tätigkeit ausführen sollte. Dass der Kläger sich auf wem Weg von der Küche zur Rezeption befand, weil er sich dort einen Kaffee geholt hatte, steht dem Versicherungsschutz nach den zutreffenden Ausführungen des LSG Berlin-Brandenburg in seinem Beschluss vom 30.09.2009 zum einstweiligen Rechtsschutzverfahren (L 2 U 260/09 B ER) nicht entgegen, weil auch Wege im Betrieb zur Beschaffung von Speisen und Getränken zum alsbaldigen Verzehr in der Gesetzlichen Unfallversicherung versichert sind (s. Becker u.a. – Krasney, a.a.O., § 8 Rn 73 m.w.N.).
66 b) Entgegen der Auffassung des LSG Berlin-Brandenburg im genannten Beschluss kann für den vorliegend streitgegenständlichen Unfall nicht gleichzeitig Versicherungsschutz durch die Beklagte und die Beigeladene bestehen, weil der Kläger sowohl dem Hotel gegenüber als auch der H… gegenüber wie ein Beschäftigter gearbeitet habe. Ebensowenig wie eine Person einen Arbeitsunfall gleichzeitig als Beschäftigter zweier verschiedener Unternehmen erleiden kann, sondern die zum Unfall führende Tätigkeit einem der in Frage kommenden Unternehmen zugeordnet werden muss, ist dies bei einer Tätigkeit wie ein Beschäftigter nach § 2 Absatz 2 SGB VII der Fall.
67 Für Fälle der Arbeitnehmerüberlassung bzw. Leiharbeit folgt aus der Regelung des § 133 Absatz 2 SGB VII, wonach sich der für die Versicherten zuständige Träger der Gesetzlichen Unfallversicherung nach der Zuständigkeit für das die Arbeitnehmer überlassende Unternehmen richtet, soweit diese für die Zahlung des Arbeitsentgeltes verpflichtet sind, dass Versicherungsschutz für die versicherte Tätigkeit von Leiharbeitnehmern regelmäßig der für die Leiharbeitsfirma als Arbeitgeber zuständige Unfallversicherungsträger ist. Wäre das Verhältnis zwischen der H… und dem Hotel A… B… im vorliegenden Fall im Sinne eines Arbeitnehmerüberlassungsvertrages ausgestaltet, würde hieraus die Verpflichtung der H… zur Zahlung eines entsprechenden Arbeitsentgeltes und die Zuständigkeit der Beklagten für die von der H… für das Hotel A… B… gestellten und von der H… selbst (gegen eine Vergütung durch das Hotel A… B…) bezahlten Night-auditoren und deren Tätigkeit folgen.
68 Wäre der Kläger zum fraglichen Zeitpunkt des Unfalls vom 30.03.2009 als Beschäftigter der H… zu bewerten, wofür vieles spricht (s.o.) und handelte es sich um einen Fall der Arbeitnehmerüberlassung, wäre also die Beklagte der zuständige Unfallversicherungsträger.
69 Aber auch dann, wenn man die Tätigkeit des Klägers während seiner Einarbeitung ab dem 28.03.2009 als eine Tätigkeit wie ein Beschäftigter mit Versicherungsschutz nach § 2 Absatz 2 Satz 1 SGB VII bewerten würde, gälte bei Unterstellung eines Arbeitnehmerüberlassungsverhältnisses zwischen H… und Hotel B… nichts anderes. Die Interessenslage zwischen den Beteiligten ist die gleiche wie bei einer Arbeitnehmerüberlassung und da das Anlernen am Einsatzort auf die spätere Arbeitnehmerüberlassung ausgerichtet ist, ist kein Grund ersichtlich, das Risiko zwischen den beteiligten Unternehmen und die Zuständigkeit der Unfallversicherungsträger für den Fall, dass auch der Entleiher der bei ihm eingearbeiteten Person für die Einarbeitungszeit kein Arbeitsentgelt zahlt, abweichend von der grundlegenden Bewertung des § 113 Absatz 2 SGB VII zu bewerten. Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass die Einarbeitung ausschließlich auf Initiative der H… erfolgte, diese die Tage und Dauer der Einarbeitung bestimmte und auch die Betreuung des Klägers durch ihre Mitarbeiterin M… (P…) übernommen und organisiert hat. Auch dann, wenn man den Kläger zur Zeit des streitgegenständlichen Unfalls nicht als Beschäftigten der H… bewertet, sondern als „Wie-Beschäftigten“ im Sinne von § 2 Absatz 2 Satz 1 SGB VII, hätte auch unter der Annahme, dass zwischen der H… und dem Hotel B… ein Arbeitnehmerüberlassungsverhältnis bestand, das den Versicherungsschutz der Gesetzlichen Unfallversicherung begründende „Einarbeitungsverhältnis“ eindeutig ausschließlich gegenüber der H… und nicht gegenüber dem Hotel B… bestand. Auch dann wäre die Beklagte der für die Entschädigung des Unfalls vom 30.03.2009 zuständige Unfallversicherungsträger.
70 Tatsächlich dürfte jedoch nach den vorliegenden Erkenntnissen zwischen der H… und dem Hotel A… B… gar kein Arbeitnehmerüberlassungsverhältnis bestehen, sondern das Hotel A… B… bei der H… den Nachtdienst an der Rezeption sowie weitere, damit in Zusammenhang stehende und im Einzelnen benannte Leistungen einkaufen und die H… diese Leistung durch eigene Arbeitnehmer erbringen, ohne die Verfügungsgewalt über den Einsatz der verschiedenen Arbeitnehmer an das Hotel A… B… zu übertragen, wie dies bei einer Arbeitnehmerüberlassung im Sinne von § 133 Absatz 2 SGB VII der Fall wäre. Dafür spricht jedenfalls die Tatsache, dass maßgebliche Weisungen zur Ausführung der Arbeit, z.B. diejenige zur Kassenübergabe, von der H… stammen und nicht vom Hotel A… B…, und dass der Dienstplan mit der Bestimmung, wer an welchen Tagen die Nachtschicht im Hotel A… B… übernimmt, von der H… und nicht vom Hotel A… B… gemacht wird. Dann aber muss die Tätigkeit des Klägers am Unfalltag erst recht ausschließlich der H… und somit dem Zuständigkeitsbereich der Beklagten zugerechnet werden, gleichgültig, ob man die Einarbeitungszeit ab dem 28.03.2009 (s.o.) und die Tätigkeit am Unfalltag als eine solche im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses nach § 2 Absatz 1 Nr. 1 SGB VII bewertet oder als Tätigkeit wie ein Beschäftigter nach § 2 Absatz 2 SGB VII.
71 3) Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Sie folgt dem Ergebnis der Hauptsacheentscheidung, weil keine Gesichtspunkte ersichtlich sind, die eine abweichende Beurteilung rechtfertigen würden.