Zur Frage der Haftung des Gynäkologen für ungewollte Schwangerschaft

OLG Hamm, Urteil vom 23.02.2018 – 26 U 91/17

Haftung des Gynäkologen für ungewollte Schwangerschaft?

Das OLG Hamm hat entschieden, dass ein Gynäkologe nicht für eine ungewollte Schwangerschaft haftet, wenn eine 45 Jahre alte Frau trotz des Hinweises des Arztes auf die begrenzte Aussagekraft des Anti-Müller-Hormon-Wertes (AMH-Wertes) die notwendige weitere Verhütung unterlässt.

Die Mutter dreier vor dem Jahr 2000 geborener Kinder verlangt von einem Gynäkologen Schadensersatz aufgrund einer ungewollten Schwangerschaft. Nach dieser brachte die Klägerin im Alter von 45 Jahren Ende des Jahres 2012 einen weiteren Sohn zur Welt. Nachdem die Klägerin über zehn Jahre die Antibabypille eingenommen hatte, begehrte sie im Frühjahr 2012 die Bestimmung des AMH-Wertes, wobei die Parteien darüber streiten, ob die Klägerin über die Bedeutung des Wertes zutreffend aufgeklärt wurde. Einige Wochen nach dem Gespräch über den Test erfuhr die Klägerin, dass ihr AMH-Wert unter 0,1 liege und entschloss sich dazu, die Antibabypille abzusetzen. Eine andere Art der Empfängnisverhütung unterließ sie und wurde in der Folgezeit – ungewollt – schwanger. Für die aus Sicht der Klägerin behandlungsfehlerhaft eingetretene Schwangerschaft verlangt sie von den beklagten Gynäkologen ein Schmerzensgeld i.H.v. 50.000 Euro und Ersatz von Unterhaltsschäden bis zur Volljährigkeit des Kindes.
Die Schadensersatzklage hatte keinen Erfolg. Das LG Bielefeld konnte keine fehlerhafte Behandlung der Klägerin durch die beklagten Gynäkologen feststellen.

Das OLG Hamm hat das erstinstanzliche Urteil bestätigt.

Nach Auffassung des Oberlandesgerichts ist die Klägerin nicht falsch über die Aussagekraft des AMH-Wertes informiert worden. Ausweislich der glaubhaften Aufzeichnungen in den Behandlungsunterlagen der Beklagten sei die Klägerin bei dem ersten Gespräch über den AMH-Test von dem sie behandelnden Gynäkologen auch auf die Unsicherheit des Tests und die Notwendigkeit weiterer Verhütung hingewiesen worden. Dass ihr zu einem späteren Zeitpunkt – bei der Bekanntgabe ihres AMH-Wertes – von einer Mitarbeiterin der Beklagten fälschlicherweise mitgeteilt worden sei, dass sie bei dem festgestellten Wert nicht mehr verhüten müsse, sei nicht bewiesen.

Die beklagten Gynäkologen seien auch nicht verpflichtet gewesen, die Klägerin von sich aus nach dem Erhalt des AMH-Wertes (erneut) über dessen geringen Aussagewert und das Erfordernis weiterer Verhütung aufzuklären. Ihre Aufklärung in dem ersten Gespräch sei ausreichend gewesen. In dieser Situation sei von einem behandelnden Gynäkologen kein weiteres eigenständiges Nachfragen bei einer Patientin zu verlangen. Die Entscheidung, ob sie weiterhin Verhütung betreiben oder diese unterlassen wolle, habe allein der Klägerin oblegen. Es sei daher ihre Sache gewesen, dem behandelnden Gynäkologen von sich aus ggf. weitere Fragen zu stellen.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Klägerin hat Nichtzulassungsbeschwerde beim BGH eingelegt (Az.: VI ZR 153/18).

Quelle: Pressemitteilung des OLG Hamm v. 19.06.2018

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