LG Heidelberg, Urteil vom 28.03.2013 – 3 O 183/12
Hat ein Unternehmen sich verpflichtet, “es zu unterlassen im geschäftlichen Verkehr an … zur Aufnahme oder Vertiefung eines geschäftlichen Kontakts nach seinem Werbewiderspruch, Werbeschreiben zu senden und/oder übersenden zu lassen, es sei denn es liegt eine Rücknahme dieses Widerspruchs oder eine sonstige Einwilligung vor.”, verstößt es nicht gegen diese Verpflichtung, wenn es statt Werbebriefe E-Mails versendet (Rn.42).
Die Zusendung von Werbung an eine E-Mail-Adresse stellt einen anders gelagerten Eingriff dar, als die Übersendung eines Poststückes an eine postalische Adresse (Rn.46)
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Der Kläger macht eine Vertragsstrafe aufgrund der strafbewährten Unterlassungserklärung der Beklagten vom 19.03.2012 (Anlage K 1) geltend, wegen des Versands dreier E-Mails an E-Mail-Adressen, die von ihm in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt genutzt werden.
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Der Kläger war Kunde der Beklagten und widersprach bei Beendigung der Kundenbeziehung mit Fax vom 12.11.2008 und E-Mail vom 14.11.2008 der weiteren Nutzung seiner Daten gem. § 28 Abs. 4 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG). Im März 2012 erhielt er einen Katalog der Beklagten per Post zugesandt. Mit Schreiben vom 05.03.2012 (Anlage B3) begehrte der Kläger von der Beklagten die Abgabe nachfolgender strafbewährter Unterlassungserklärung (vgl. Anlage B4):
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“Die Firma … , verpflichtet sich hiermit gegenüber …
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1. es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr an … u.a. zur Aufnahme oder Vertiefung eines geschäftlichen Kontaktes unaufgefordert Werbeschreiben zu übersenden und/oder übersenden zu lassen und/oder mitzuwirken;
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2. für jeden Fall der schuldhaften Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtungen aus Ziffer 1. dieser Erklärung – auch durch Erfüllungs- oder Verrichtungsgehilfen, Beauftragte oder als Mitstörer -, wobei eine “natürliche Handlungseinheit” und/oder ein “Fortsetzungszusammenhang” nicht in Betracht kommen, eine Vertragsstrafe in Höhe von 5.100,00 Euro (in Worten: fünftausendeinhundert Euro) zu bezahlen”
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Daraufhin gab die Beklagte mit Anwaltsschreiben vom 19.03.2012 (Anlage K1) in teilweiser Abänderung der Formulierung folgende strafbewertende Unterlassungserklärung ab:
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“Die Fa. … verpflichtet sich hiermit gegenüber …
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1. es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr an … zur Aufnahme oder Vertiefung eines geschäftlichen Kontakts nach seinem Werbewiderspruch Werbeschreiben zu senden und/oder übersenden zu lassen, es sei denn, es liegt eine Rücknahme dieses Widerspruchs oder eine sonstige Einwilligung vor;
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2. für jeden Fall der schuldhaften Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung aus Ziffer 1 … eine angemessene Vertragsstrafe zu bezahlen, die von ihm festzusetzen ist und im Streitfall vom Landgericht Heidelberg überprüft werden kann.”
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Der Kläger nahm diese geänderte Unterlassungserklärung mit Schreiben vom 20.03.202 (Anlage B 5) an.
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Der Kläger erhielt an seine E-Mail-Adresse … Werbe-folgende E- Mails der Beklagten:
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21.05.2012, 22.42 Uhr – Ihre Newsletteranfrage wurde entgegengenommen (Anlage K2),
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24.05.2012, 23.01 Uhr – Erinnerung! Bitte bestätigen Sie Ihre Newsletterbestellung (Anlage K3),
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04.06.2012, 13.38 Uhr – Ihr Geschenk: Tasse inkl. 15 Kugelschreibern! (Anlage K4) und an seine E-Mail-Adresse … folgende Werbe-E-Mails der Beklagten:
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01.06.2012, 12.12 Uhr – Ihre Newsletteranfrage wurde entgegengenommen (Anlage K5),
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04.06.2012, 13.01 Uhr – Erinnerung! Bitte bestätigen Sie Ihre Newsletterbestellung (Anlage K6)
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Der Kläger ist der Ansicht, dass die Beklagte durch die E-Mails Anlage K3, K4 und K6 schuldhaft gegen die abgegebene Unterlassungserklärung vom 19.03.2012 verstoßen habe. Der Kläger ist der Ansicht, dass für jeden dieser drei Verstöße eine Vertragsstrafe von mindestens 5.000,01 Euro angemessen sei. Von der angemessenen Vertragsstrafe in Summe von 15.000,03 Euro macht der Kläger mit der vorliegenden Klage jeweils Teilbeträge geltend und zwar für die E-Mail Anlage K3 die ersten 500,00 Euro, für die E-Mail Anlage K6 die ersten 499,99 Euro und für die E-Mail Anlage K4 den vollen Betrag in Höhe von 5.000,01 Euro.
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Der Kläger ist der Auffassung, dass auch die streitgegenständliche E-Mail-Werbung vom Wortlaut der Unterlassungserklärung vom 19.03.2012 “Werbeschreiben” umfasst sei. Zumindest handele es sich jedoch um kerngleiche Verstöße. Die Unterlassungserklärung sei nach den allgemeinen, für die Vertragsauslegung geltenden Grundsätzen auszulegen. In der Unterlassungsverpflichtung der Beklagtenseite sei keine Einschränkung auf bestimmte Übermittlungswege von Werbeschreiben enthalten. Die Formulierung “an … unter den Adressen …” konkretisiere lediglich die Person des Gläubigers.
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Der Kläger bestreitet, dass er sich über die Internetseite der Beklagten für den Newsletterdienst der Beklagten angemeldet habe. Diese angeblichen Anmeldungen seien nicht durch den Kläger veranlasst gewesen. Der Kläger ist in diesem Zusammenhang der Ansicht, dass für eine wirksame Einwilligung die Beklagte die Beweislast trage. Allein der bestrittene Umstand, dass die E-Mail-Adresse des Klägers auf der Homepage der Beklagten eingetragen worden sei, lasse die Beweislastverteilung unberührt. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Eintragungen immer tatsächlich vom Inhaber der eigetragenen E-Mail-Adresse stamme.
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Weiter wendet sich der Kläger gegen den Vorwurf der Rechtsmissbräuchlichkeit. Er ist der Auffassung, dass auch massenhaft vorgenommene Abmahnungen nicht rechtsmissbräuchlich seien, wenn sie zur Abwehr massenhafter Rechtsverletzung erforderlich seien. In diesem Zusammenhang behauptet der Kläger, er trete in Rechtsstreiten, die die Abwehr unerwünschter Werbung zum Gegenstand hat, nicht nur in eigenem Namen auf, sondern auch für Mandanten.
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Der Kläger beantragt:
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Die Beklagtenseite wird verurteilt, an die Klägerseite 6.000,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p.a. seit dem 05.07.2012 zu bezahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte ist der Auffassung, dass die Vertragsstrafe nicht verwirkt sei, da die Beklagte durch die Versendung der streitgegenständlichen E-Mails nicht gegen die Unterlassungspflichten aus der Unterlassungserklärung vom 19.03.2012 verstoßen habe. Der Wortlaut umfasse ausschließlich die Versendung von Print-Werbung an zwei ausdrücklich genannte postalische Adressen des Klägers. Versendung von Werbung an E-Mail-Adressen sei davon nicht umfasst. Ein von diesem Wortlaut abweichender Erklärungswille sei nicht erkennbar, wobei bei der Auslegung die Entstehungsgeschichte der Unterlassungserklärung heranzuziehen sei, nämlich die Versendung eines gedruckten Werbekataloges als Anlass. Ferner sei zu berücksichtigen, dass die Beklagte nicht die vom Kläger mit Schreiben vom 05.03.2012 vorformulierte Unterlassungserklärung abgegeben habe, sondern bewusst diese weiter gefasste Erklärung. Daraus sei zu ersehen, dass die Beklagte den Willen gehabt habe sich zu verpflichten, keine Printmedien an genau die beiden postalischen Adressen des Klägers zu übersenden, was auch Anlass der Abmahnung gewesen sei.
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Ferner ist die Beklagte der Ansicht, dass E-Mail-Werbung auch im Verhältnis zu der von der Unterlassungserklärung erfassten Printwerbung kein kerngleicher Verstoß sei. Charakteristisch für die konkrete Verletzungshandlung, nämlich Zusenden des Werbekataloges an den Kläger per Post, sei das physische Vorfinden der unerwünschten Werbung im Briefkasten. Kerngleich seien somit andere Postsendungen, z.B. ein anderer Katalog, Briefwerbung, Flyer oder Ähnliches.
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Weiter ist die Beklagte der Ansicht, dass schon deshalb kein Raum für eine ergänzende Auslegung der Unterlassungserklärung sei, weil der Kläger ausdrücklich mit der Beschränkung auf die konkrete Verletzungshandlung einverstanden gewesen sei.
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Außerdem behauptet die Beklagte, der Kläger habe wirksam eine Einwilligung in den E-Mail-Empfang erteilt durch die Anmeldung zu dem Newsletter der Beklagten über deren Internetseite. Der Kläger habe sich auf der Internetseite der Beklagten am 21. Mai 2012 um 22.41 Uhr mit seiner E-Mail-Adresse … und am 01.06.2012 um 12.12 Uhr mit seiner E-Mail-Adresse … für den Newsletterdienst der Beklagten angemeldet.
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Die Beklagte erhebt ausdrücklich die Einrede des Rechtsmissbrauchs gem. §§ 242 BGB, 8 Abs. 4 UWG. Dies zeige sich u.a. daran, dass sich der Kläger als Wettbewerbspolizist geriere und einen Feldzug gegen Unternehmen mit sogenannten Single-Opt-In-Verfahren führe. Das Vorgehen des Klägers habe sich zur Einnahmeerzielung verselbständigt, was das eigentliche Interesse der Abmahntätigkeit des Klägers sei. Dies sei jedoch nicht schutzwürdig. Der Kläger betreibe ein Massengeschäft an Abmahnungen und darauf beruhend Klageverfahren. Er führe überwiegend Klageverfahren in eigener Sache. Der Rechtsmissbrauch zeige sich darin, dass der Kläger zahlreiche weitere Fälle mit identischem Muster verfolge.
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Weiter ist die Beklagte der Ansicht, die vom Kläger angesetzte Vertragsstrafe sei unangemessen hoch.
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Die Beklagte behauptet weiter, es liege entweder eine Einwilligung des Beklagten vor, weil er selbst die Anmeldung über die Homepage der Beklagten vorgenommen habe oder aber er wirke kollusiv mit einem Dritten zusammen, der die Eintragungen vornehme, um der Beklagten zu schaden. Ein Systemfehler oder Fehler der Mitarbeiter der Beklagten seien auszuschließen.
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Die Beklagte behauptet, es sei technisch nicht möglich, aufgrund der Aufnahme des Vor- und Nachnamens und der postalischen Adresse in eine Sperrliste, wie dies die Beklagte aufgrund des Werbewiderspruchs des Klägers vom 12.11.2008 getan habe, jeglichen E-Mail-Versand an eine E-Mail-Adresse dieser Person zu verhindern. Bei der Anmeldung zum Newsletterversand könne sich die Beklagte nicht von der Identität des Inhabers der genannten E-Mail-Adresse überzeugen. Dies habe zur Folge, dass bei entsprechend weiter Auslegung der Unterlassungserklärung, die der Kläger vornehmen will, sich die Beklagte der Gefahr potentiell unendlich vieler Klagen ausgesetzt hätte, ohne dies technisch verhindern zu können.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrages wird auf die von den Parteien zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
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Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 18.12.2012 hat das Gericht den Kläger und den Mitarbeiter der Beklagten … informatorisch persönlich angehört. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift vom 18.12.2012, AS. 168 ff. Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Kläger hat gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung von Vertragsstrafe aus dem streitgegenständlichen Unterlassungsvertrag vom 19.03./20.03.2012.
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I. Zulässigkeit
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1. Der Antrag entspricht den Bestimmtheitsanforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der Kläger bestimmt bei der erhobenen Teilklage, mit welchem Anteil bzw. mit welcher Reihenfolge die einzelnen Ansprüche auf Zahlung einer Vertragsstrafe aufgrund der übersandten E-Mails, Anlage K2, K6 und K4 geltend gemacht wird.
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2. Die Zuständigkeit des Landgerichts Heidelberg ergibt sich aus der Vereinbarung der Parteien vom 19.03.2012.
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3. Eine Unzulässigkeit der Klage kann sich vorliegend auch nicht aus § 8 Abs. 4 UWG ergeben. Der Unterlassungsanspruch des Klägers gegen die Beklagte hinsichtlich der Zusendung unerwünschter E-Mail beruht nicht auf § 8 Abs. 1 UWG, weil der Kläger nicht dem in § 8 Abs. 3 UWG genannten Personenkreis angehört. Insbesondere ist er kein Mitbewerber der Beklagten. Der Unterlassungsanspruch des Klägers gegen die Beklagte stützt sich auf §§ 823, 1004 BGB bzw. auf den zwischen den Parteien geschlossenen Unterlassungsvertrag. Ob in diesem Zusammenhang die Geltendmachung der vereinbarten Vertragsstrafe rechtsmissbräuchlich ist, richtet sich nach § 242 BGB. Ein Rechtsmissbrauch gem. § 242 BGB würde die Klage jedoch nicht unzulässig machen, sondern lediglich unbegründet, so dass die Frage des rechtsmissbräuchlichen Handelns des Klägers in diesem Zusammenhang offen bleiben kann.
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II. Begründetheit
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1. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung der geltend gemachten Vertragsstrafen.
42
Nach dem Unterlassungsvertrag der Parteien vom 19.03./20.03.2012 war die Beklagte verpflichtet, “es zu unterlassen im geschäftlichen Verkehr an … zur Aufnahme oder Vertiefung eines geschäftlichen Kontakts nach seinem Werbewiderspruch, Werbeschreiben zu senden und/oder übersenden zu lassen, es sei denn es liegt eine Rücknahme dieses Widerspruchs oder eine sonstige Einwilligung vor.” Diese Voraussetzungen werden durch die Übersendung der streitgegenständlichen E-Mails (Anlage K3, K4 und K6) nicht erfüllt.
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Die Auslegung des Unterlassungsvertrages richtet sich nach den allgemeinen, für die Vertragsauslegung geltenden Grundsätze. Danach ist der wirkliche Wille der Vertragsparteien, gem. §§ 133, 157 BGB, zu ermitteln, zu dessen Auslegung neben dem Wortlaut der Vertragserklärung auch die beiderseits bekannten Umstände, insbesondere die Art und Weise des Zustandekommens der Vereinbarung, ihr Zweck sowie die Interessenlage der Parteien heranzuziehen sind (st. Rspr. z.B. BGH NJW 1997, 3087; BGH GRUR 2003, 545; GRUR 2010, 167).
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Nach dem Wortlaut des Unterlassungsvertrages ergibt sich gerade nicht, dass sich die Beklagte verpflichtet hat, die Übersendung von Werbeschreiben auf jeglichem erdenklichen Übertragungsweg zu unterlassen. Vielmehr findet sich in dem Wortlaut die Einschränkung auf die dort genannten postalischen Adressen in Heidelberg und Dossenheim. E-Mail-Adressen des Klägers sind in dieser Unterlassungserklärung gerade nicht genannt.
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Diese Auslegung wird gestützt durch die Geschichte des Zustandekommens der Unterlassungserklärung vom19.03.2012. Anlass war die Übersendung eines Kataloges in Papierform an eine der Postanschriften des Klägers. Dem ursprüngliche Text der durch den Kläger verlangten Unterlassungserklärung (Anlage B4), der den Zusatz “unter den Adressen” nicht enthielt, konnte durchaus so ausgelegt werden, dass mit der Angabe der Adressen direkt nach dem Namen des Klägers, lediglich dessen Person näher konkretisiert werden sollte. Durch den Zusatz in der Unterlassungserklärung vom 19.03.2012, mit der sich der Kläger am 20.03.2012 einverstanden erklärt hat, wird klargestellt, dass sich die Unterlassungsverpflichtung auf eine Versendung von Werbeschreiben genau an die dort genannten Anschriften des Klägers beziehen sollte.
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2. Es liegt auch keine kerngleiche Verletzungsform vor. Zwar ist Zweck eines Unterlassungsvertrages regelmäßig, nach einer Verletzungshandlung die Vermutung der Widerholungsgefahr durch eine Vertragsstrafenbewehrung der Unterlassungsverpflichtung auszuräumen und damit die Einleitung oder Fortsetzung eines gerichtlichen Verfahren entbehrlich zu machen. Die Vermutung der Wiederholungsgefahr gilt jedoch nicht allein für die identische Verletzungsform, sondern umfasst auch alle im Kern gleichartigen Verletzungsformen, so dass der regelmäßig anzunehmende Zweck eines Unterlassungsvertrages erfahrungsgemäß dafür spricht, dass die Vertragsparteien durch ihn auch im Kern gleichartige Verletzungsformen erfassen wollten (st. Rspr. z.B. BGH NJW 1997, 3087; GRUR 2010, 167). Die Zusendung von Werbung an eine E-Mail-Adresse stellt jedoch einen anders gelagerten Eingriff dar, als die Übersendung eines Poststückes an eine postalische Adresse. Sinn und Zweck des Unterlassungsvertrages war nicht, den Kläger von jeglicher Werbung der Beklagten zu verschonen, sondern lediglich von der Versendung von Print-Werbung an seine postalischen Anschriften, was auch Anlass für den Unterlassungsvertrag gewesen ist. Kerngleiche Eingriffe wären hier beispielsweise die Versendung sämtlicher Schriftstücke, seien es jetzt ein Katalog, Werbeschreiben, Flyer o.ä., nicht jedoch die Übermittlung eines Newsletters auf elektronischem Wege in ein elektronisches Postfach. Diese Übermittlungsformen sind so verschiedenartig, dass es sich hier nicht um im Kern gleichartige Verletzungshandlungen handelt.
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3. Unabhängig davon ist weiter zu berücksichtigen, dass sich der Kläger ausdrücklich mit der von der Beklagten vorgeschlagenen einschränkenden Formulierung der Unterlassungsverpflichtung am 20.03.2012 einverstanden erklärt hat. Dadurch ist es ihm verwehrt, sich nunmehr auf eine erweiterte Auslegung des Unterlassungsvertrages zu berufen. Zwar spricht der regelmäßig anzunehmende Zweck eines Unterlassungsvertrages erfahrungsgemäß dafür, dass die Vertragsparteien durch ihn auch im Kern gleichartige Verletzungsformen erfassen wollten. Zwingend ist dies jedoch nicht. Die Auslegung des Unterlassungsvertrages kann nämlich auch ergeben, dass dieser eng auf die bezeichnete konkrete Verletzungsform bezogen ist (BGH NJW 1997, 3087, OLG Hamburg GRUR-RR 2004, 376). Deshalb muss sich der Kläger den Einwand der Beklagten entgegen halten lassen, es habe bei dem vorliegenden konkreten Unterlassungsvertrag nach dem übereinstimmend erklärten Willen, tatsächlich nur die konkrete Verletzungsform, nämlich Printwerbung, erfasst werden sollen.
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4. Da sich schon dem Grunde nach kein Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe aus dem streitgegenständlichen Unterlassungsvertrag ergibt, konnte offen bleiben, ob die Geltendmachung der Strafe rechtsmissbräuchlich ist, angesichts der von Beklagten geltend gemachten Umstände und dem Vorwurf, der Kläger betreibe Abmahnungen zum Zweck der Einnahmeerzielung.
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5. Es bestand kein Anlass, den Kläger aufgrund seines Schriftsatzes vom 30.01.2013 vor Erlass dieses Urteils gemäß § 139 ZPO darauf hinzuweisen, dass das Gericht zu dem Ergebnis kommt, dass eine Vertragsstrafe aufgrund des Unterlassungsvertrages nicht verwirkt ist, um diesen die Gelegenheit zu geben, die erhobene Zahlungsklage auf Unterlassung umstellen zu können. Ein solcher Hinweis ist nicht erforderlich, nachdem bereits im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 18.12.2012 die Sach- und Rechtslage umfassend erörtert wurde. Bereits aufgrund dieser Erörterung wäre es dem Kläger möglich gewesen, zumindest hilfsweise einen Unterlassungsantrag zu stellen. Ein weiterer Hinweis würde das Verfahren verzögern. Desweiteren ist auch nicht sicher, dass eine Klageänderung, so sie denn erfolgen würde, im gegenwärtigen Verfahrensstadium noch zulässig wäre. Es bestehen Bedenken hinsichtlich der Sachdienlichkeit.
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III. Nebenentscheidungen
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.