Zur Wettbewerbswidrigkeit abwertender Kommentare zu Mitbewerbern über XING

LG Heidelberg, Urteil vom 23.05.2012 – 1 S 58/11

Mitteilungen über XING an Angestellte eines Konkurrenzunternehmens mit Formulierungen wie „Sie wissen ja hoffentlich, was Sie sich da angetan haben?“ und/oder „Sie wissen ja hoffentlich, in was für einem Unternehmen Sie gelandet sind?“ ohne jegliche sachliche Begründung stellen eine unverhältnismäßige Beeinträchtigung der berechtigten Interessen des Konkurrenzunternehmens auf angemessene Darstellung in der Öffentlichkeit dar und sind wettbewerbswidrig (Rn. 15).

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Heidelberg vom 26.10.2011, Az. 27 C 135/11, im Kostenpunkt aufgehoben und im übrigen wie folgt neu gefasst:

a) Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 602,14 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.02.2011 zu zahlen.

b) Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

3. Von den Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen trägt die Klägerin 24 %, der Beklagte 76 %.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

1

Die Parteien streiten um die Erstattung von Kosten, die der Klägerin durch eine Abmahnung des Beklagten wegen wettbewerbswidrigem Verhalten entstanden sind.

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Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Wegen des Parteivortrags in erster Instanz sowie wegen Inhalt und Begründung dieses Urteils, einschließlich der erstinstanzlichen tatsächlichen Feststellungen, wird auf Entscheidungsformel, Tatbestand und Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen (§ 540 ZPO).

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Die Klägerin hat gegen das Urteil Berufung eingelegt. Sie rügt die rechtliche Würdigung des Amtsgerichts als unzutreffend. Der Beklagte habe wettbewerbswidrig gehandelt. Er erbringe ebenso wie die Klägerin Leistungen für Großfirmen im IT-Bereich. In dieser Eigenschaft habe er versucht, auf Mitarbeiter der Klägerin Einfluss zu nehmen, diese abzuwerben und die Klägerin verächtlich zu machen. Die von dem Beklagten über XING geführte Korrespondenz mit neuen Mitarbeitern der Klägerin stelle ein firmenschädigendes Verhalten dar. Der Beklagte habe die Mitarbeiter gezielt verunsichern und eine ablehnende Haltung gegenüber der Klägerin herbeiführen wollen. Das Abwerbeinteresse des Beklagten ergebe sich unmittelbar aus seinem Auftritt bei XING unter der Firma P. GmbH, denn der Beklagte habe dort als Ziel seines Auftritts die Suche nach neuen Mitarbeitern angegeben. Die Höhe der eingeklagten Gebühren ergebe sich aus einer 1,0 fachen Geschäftsgebühr ausgehend von einem Streitwert von 20.000 €.

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Die Klägerin beantragt,

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das Urteil des Amtsgerichts Heidelberg vom 26.10.2011 (27 C 135/11) abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 792,54 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 18.02.2011 zu zahlen.

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Der Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Er behauptet, er sei auf XING nicht geschäftlich aufgetreten. Es handele sich um einen privaten Account und um rein privat versandte Nachrichten. Er betreibe keine eigene Firma und habe nie Mitarbeiter abgeworben oder aufgefordert zu kündigen. Die Angaben auf der Plattform XING seien nur eine lose Kurzbeschreibung, die vom Anbieter eingefordert werde. Bereits dem Wortlaut sei zu entnehmen, dass es nicht ausschließlich um Abwerbeinteressen gehe. Schließlich sei die Abwerbung als solche auch nicht wettbewerbswidrig, sondern branchenüblich.

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Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze der Parteien in beiden Rechtszügen nebst Anlagen sowie den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

II.

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1. Die Berufung ist zulässig, aber nur zum Teil begründet. Der Klägerin steht gegen den Beklagten gem. § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG ein Anspruch auf Zahlung von Abmahnkosten in Höhe von 602, 14 € zu.

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a) Die Klägerin war zur Abmahnung des Beklagten berechtigt. Sie hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Unterlassen der streitgegenständlichen email-Korrespondenz gem. §§ 8, 3, 4 Nr. 7 UWG.

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aa) Die Parteien sind Mitbewerber gem. §§ 8 Abs. 3 Nr. 1, 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG. Der Beklagte ist ebenso wie die Klägerin als Personaldienstleister im IT-Bereich tätig. Dies hat der Beklagte nicht bestritten. Ob der Beklagte selbständig, für eine eigene Firma oder im Angestelltenverhältnis tätig ist, ist in diesem Zusammenhang unerheblich (Köhler/Bornkamm, UWG, 30. Auflage 2012, § 8 Rn. 2.5). Ein Wettbewerbsverhältnis besteht auch dann, wenn die beteiligten Unternehmen nicht im Absatz von Produkten, sondern in der Nachfrage nach Dienstleistungen, einschließlich derer von Arbeitskräften, konkurrieren (Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 4 rn. 10.104). So liegt der Fall auch hier. Die Klägerin vermittelt an ihre Kunden projektbezogen Mitarbeiter mit Kenntnissen im IT-Bereich. Die Firma, unter deren Namen der Beklagte auf der Plattform XING aufgetreten ist, beschäftigt sich ausweislich ihrer Firmierung („… P. GmbH“) ebenfalls mit der Vermittlung von IT-Fachkräften.

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bb) Der Beklagte hat auch geschäftlich gehandelt gem. §§ 8 Abs. 1 Satz 1, 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG, als er die Mitarbeiter der Klägerin über die Plattform XING kontaktierte. Geschäftliche Handlung ist das Verhalten zugunsten eines eigenen oder fremden Unternehmens, das mit der Förderung des Absatzes von Dienstleistungen oder dem Bezug von Dienstleistungen oder dem Abschluss von Verträgen über Dienstleistungen objektiv zusammenhängt. Eine geschäftliche Handlung liegt dann nicht vor, wenn eine natürliche Person nicht als Unternehmer, sondern als Verbraucher im Eigeninteresse handelt (Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 2 Rn. 18). Insofern ist eine objektive Betrachtungsweise unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls entscheidend (OLG Karlsruhe, Urteil vom 09.07.2009 – 4 U 188/07, GRUR – RR 2010, 47). Hier hat der Beklagte durch seinen Auftritt auf der Plattform XING den objektiven Anschein einer unternehmensbezogenen Tätigkeit gesetzt. Er hat kein Profil als Privatperson erstellt, sondern unter Verwendung der Firma, für die er tätig ist. Darüber hinaus hat er geschäftliche Gründe für seinen Auftritt bei XING benannt, nämlich das Generieren von Neugeschäften und Aufträgen sowie das Finden neuer Mitarbeiter. Unter Berücksichtigung dieser Umstände war es für den objektiven Betrachter fernliegend, von einem privaten Handeln des Beklagten auszugehen, wenn dieser über die Plattform XING Nachrichten versandte. Dies gilt umso mehr, wenn der Empfänger der Nachricht – so wie hier – mit dem Beklagten bislang nicht bekannt oder befreundet war und sich die Nachrichten auf berufliche Tätigkeiten beziehen. Schließlich sind die vom Beklagten versandten Nachrichten auch zur Beeinflussung des Absatzes von Dienstleistungen geeignet. Sie nehmen inhaltlich zur Qualität des Unternehmens der Klägerin und zu deren Eigenschaften als Arbeitgeberin Stellung und können daher die Entscheidung von Mitarbeitern der Klägerin über die Aufrechterhaltung ihrer Arbeitsverhältnisse beeinflussen.

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cc) Der Beklagte hat beim Versenden der streitgegenständlichen Nachrichten gegen § 4 Nr. 7 und Nr. 10 UWG verstoßen.

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(1) Es liegt eine wettbewerbswidrige Herabsetzung der Klägerin als Mitbewerberin vor, § 4 Nr. 7 UWG. Die Herabsetzung eines Mitbewerbers ist zu bejahen, wenn die Handlung geeignet ist, die Wertschätzung des betroffenen Mitbewerbers in den Augen der angesprochenen Verkehrskreise zu verringern. Die Handlung muss die Interessen des Mitbewerbers nach Abwägung zwischen dem Informationsinteresse der Verbraucher und der Meinungsfreiheit in unverhältnismäßiger Weise beeinträchtigen. Grundsätzlich unzulässig sind Schmähkritik sowie bloße pauschale und unsachliche abfällige Äußerungen ohne jeden Informationsgehalt (Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 4 Rn. 7.19; Piper/Ohly/Sasnitza, UWG, 5. Auflage 2010, § 4 Rn. 7.12). So liegt der Fall auch hier. Der Beklagte hat sich durch die Formulierungen „Sie wissen ja hoffentlich, was Sie sich da angetan haben?“ und „Sie wissen ja hoffentlich, in was für einem Unternehmen Sie gelandet sind?“ abwertend über die Klägerin geäußert, ohne diesen Abwertungen konkrete Informationen beizufügen. Eine solche negative Darstellung des Unternehmens der Klägerin und ihrer Qualitäten als Arbeitgeber ohne jegliche sachliche Begründung greift unverhältnismäßig in die berechtigten Interessen der Klägerin auf angemessene Darstellung in der Öffentlichkeit ein.

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(2) Weiter liegt eine gezielte Behinderung der Klägerin durch unlauteres Abwerben von Mitarbeitern vor, § 4 Nr. 10 UWG. Das Gericht geht entgegen dem Vortrag des Beklagten davon aus, dass der Beklagte mit den über XING versandten Nachrichten Mitarbeiter von der Klägerin abwerben wollte. Insofern ist wieder der objektive Erklärungsgehalt der versandten Nachrichten entscheidend. Der Beklagte hat am Schluss der an D.S. versandten Nachricht mitgeteilt, „Bei Fragen gebe ich gerne Auskunft.“. Dies kann aus Sicht eines objektiven Empfängers nur als Versuch der Kontaktaufnahme und, da der Beklagte ebenfalls als Personaldienstleister im IT-Bereich aufgetreten ist, als Versuch der Abwerbung des angesprochenen Mitarbeiters gesehen werden. Die Abwerbung von Mitarbeitern ist zwar grundsätzlich zulässig, nicht aber, wenn wettbewerbsrechtlich unlautere Begleitumstände hinzukommen wie z. B. herabsetzende Äußerungen über den bisherigen Arbeitgeber (Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 4 Rn. 10.104; Küttner, Personalhandbuch, Kap. 3 Rn. 4). Da hier die Kontaktaufnahme mit den Mitarbeitern der Klägerin mit unzulässigen herabsetzenden Äußerungen verbunden wurde, liegt eine wettbewerbswidrige Abwerbung vor.

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dd) Es besteht Wiederholungsgefahr, § 8 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. UWG. Die Wiederholungsgefahr wird bei einer bereits begangenen Verletzung vermutet. Die Vermutung ist unter strengen Anforderungen widerlegbar. In der Regel entfällt die Wiederholungsgefahr nur bei bedingungsloser und unwiderruflicher Unterlassungsverpflichtungserklärung mit Vereinbarung einer Vertragsstrafe (Köhler/Bornkamm, § 8 Rn. 1.33). Eine strafbewehrte Unterlassungserklärung hat der Beklagte nicht abgegeben. Auch andere Gründe für einen Wegfall der Wiederholungsgefahr liegen nicht vor.

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b) Die Klägerin kann den Ersatz von Abmahnkosten jedoch nur in Höhe von 602,14 € verlangen. Die Klägerin darf die Abmahnkosten nur aus einem Streitwert von 10.000 € berechnen. Der von der Klägerin angesetzte Streitwert von 20.000 € ist überhöht. Der Unternehmer kann gem. § 12 Abs. 1 Satz 2 UW die für eine Abmahnung entstandenen Rechtsanwaltskosten ersetzt verlangen, wobei der Geschäftswert entsprechend dem Hauptsacheverfahren festzulegen ist (Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 12 Rn. 1.93 und 1.96). Bei einem Unterlassungsanspruch nach dem UWG bestimmt sich der Streitwert im wesentlichen nach der Größe des Unternehmens des Anspruchsberechtigten auf der einen Seite und der Markstellung des Anspruchsgegners sowie der Gefährlichkeit des Wettbewerbsverstoßes auf der anderen Seite (Zöller, ZPO, 29. Auflage, § 3 ZPO Stichwort „Gewerblicher Rechtsschutz“). Ferner ist gem. § 12 Abs. 4 UWG zu berücksichtigen, ob die Sache nach Art und Umfang einfach gelagert ist. Danach hält das Gericht hier einen Streitwert von 10.000 € für angemessen. Der Beklagte hat die streitgegenständlichen Nachrichten nur an zwei Mitarbeiter der Klägerin versandt, so dass von einer geringen Gefährlichkeit des unlauteren Verhaltens für die Klägerin ausgegangen werden kann. Auch handelt es sich um einen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht überschaubaren Sachverhalt, so dass mit Blick auf § 12 Abs. 4 UWG ein höherer Streitwert nicht zugrunde gelegt werden konnte.

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c) Der Anspruch auf die Nebenforderungen ergibt sich aus §§ 286, 288 Abs. 1 BGB.

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2. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision lagen nicht vor, § 543 Abs. 2 ZPO.

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