LG Coburg, Urteil vom 02.09.2015 – 12 O 308/15
Arglistiges Verschweigen von Vorerkrankungen berechtigt zur Anfechtung
Das LG Coburg hat entschieden, dass ein Versicherer im Falle eines arglistigen Verschweigens von Vorerkrankungen durch den Versicherungsnehmer im Zusammenhang mit dem Abschluss eines Versicherungsvertrages, zur Anfechtung des Vertrages wegen arglistiger Täuschung berechtigt ist.
Der Kläger hatte Ansprüche aus einer bei der Beklagten abgeschlossenen Berufsunfähigkeitszusatzversicherung geltend gemacht. Im Antrag auf Abschluss dieser Versicherung hatte der Kläger im Jahr 2008 die Frage Nr. 2 im Antragsformular nach durchgeführten stationären Behandlungen oder Operationen bzw. nach ambulanten oder stationären Kurmaßnahmen der letzten zehn Jahre bejaht, hierzu aber lediglich auf zwei chirurgische Maßnahmen aus den Jahren 2003 und 2005 verwiesen. Darüber hinaus war der Kläger in den Jahren 1998 und 1999 aber jeweils für mehrere Tage in stationärer Behandlung, im Jahr 2000 darüber hinaus auch mehrere Monate in therapeutischer Behandlung gewesen, jeweils wegen seiner Alkoholabhängigkeit. Eine weitere Frage (Nr. 5) im Antrag nach ärztlicher Beratung oder Behandlung u.a. wegen Alkohol in den letzten fünf Jahren verneinte der Kläger zutreffend. Den Antrag des Klägers auf Leistungen aus dem Versicherungsvertrag hatte die beklagte Versicherung zurückgewiesen und den Vertrag insgesamt wegen arglistiger Täuschung durch unvollständige Angaben zu früheren Behandlungen im Antragsformular angefochten, weil der Kläger bei der Beantwortung der Frage Nr. 2 wiederholte stationäre Entgiftungs- und Alkoholentwöhnungsbehandlungen im Jahr 2000 nicht mitgeteilt habe. Der Kläger gab an, er sei bei der Beantwortung der Fragen davon ausgegangen, dass nur die Frage Nr. 5 (speziell) nach Alkoholerkrankungen gestellt sei, weshalb eine Angabe hierzu in der Frage Nr. 2 nicht erfolgte.
Das LG Coburg hat die Klage abgewiesen.
Nach Auffassung des Landgerichts hat der Kläger die Frage Nr. 2 nach vergangenen stationären Behandlungen oder Operationen bzw. ambulanten oder stationären Kurmaßnahmen falsch beantwortet, indem er die unstreitig durchgeführten Behandlungen aus den Jahren 1998, 1999 und 2000 verschwieg. Der Kläger habe dabei auch arglistig gehandelt. Er sei sich der Möglichkeit bewusst gewesen, dass der Antrag ansonsten nicht angenommen worden wäre und habe trotzdem die Angaben nicht offenbart. Bei diesem Punkt sei maßgeblich darauf abzustellen, dass dem Kläger das Gewicht seiner Alkoholerkrankung durchaus bewusst gewesen sei. Auch die Rechtfertigung des Klägers, er habe das Verhältnis der Fragen Nr. 2 und Nr. 5 zueinander falsch verstanden, besitze unter Hinweis auf den klaren Wortlaut und auch die Reihenfolge der Fragen im Antragsformular keine Gültigkeit. Es stehe weiterhin außer Frage, dass die Alkoholerkrankung des Klägers ein sog. gefahrerheblicher Umstand für den Versicherer sei. Die Anfechtung des Versicherungsvertrages sei daher zu Recht erfolgt, weshalb die Klage auf Leistungen aus diesem Vertrag erfolglos bleiben musste.
Diese Entscheidung verdeutliche erneut, dass auf die Beantwortung von Fragen im Antrag auf Abschluss eines Versicherungsvertrages, sei es eine Lebens-, Kranken- oder Berufsunfähigkeitsversicherung, vom potentiellen Versicherungsnehmer besondere Sorgfalt verwendet werden sollte. Eine richtige und vor allem auch vollständige Angabe von Vorerkrankungen etc. sollte hier im eigenen Interesse zur Vermeidung späterer Streitigkeiten selbstverständlich sein. Erlange der Versicherer später Kenntnis von verschwiegenen Vorerkrankungen, sei die Erhebung eines mitunter erheblichen Risikozuschlages rückwirkend ab Vertragsbeginn noch die für den Versicherungsnehmer verhältnismäßig glimpflichste Folge. Meist stehe der gesamte Bestand des Versicherungsvertrages, z.B. wegen vom Versicherer ausgesprochener Anfechtung, in Frage. Mitunter langwierige und teure Prozesse seien dann nicht selten die Folge.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Quelle: Pressemitteilung des LG Coburg Nr. 4/2016 v. 05.02.2016