Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen, Urteil vom 02. Oktober 2019 – 1 U 12/18
1. Wer willentlich eine Beratungs- und Vertrauenssituation übernimmt und sich unter Ausnutzung dieser Stellung erhebliche finanzielle Vorteile vom Treueberechtigten zuwenden lässt, handelt sittenwidrig im Sinne des § 826 BGB. Hierbei handelt es sich um eine allgemeine Wertung, die Geltung auch über die Fälle gesetzlich geregelter Fallgestaltungen von Vertrauensstellungen hinaus beansprucht.
2. Der Sittenwidrigkeitsvorwurf gegenüber der Ausnutzung einer Beratungs- und Vertrauenssituation gilt auch für den Fall der Annahme von Vorteilen zugunsten von nahestehenden Personen der Vertrauensperson.
3. Die Ausnutzung der Vertrauensstellung im Rahmen eines Beratungsvertrags zur eigennützigen Vorteilserzielung beinhaltet zudem auch eine Verletzung vertraglicher Treuepflichten.
4. Ein Vertrag über die Erbringung esoterischer Lebensberatung in Verbindung mit Kartenlegen, dem die Ausnutzung der Leichtgläubigkeit oder Labilität des Diensteberechtigten zugrunde liegt, um hieraus die Zahlung erheblicher Vergütungen zu erzielen, ist sittenwidrig nach § 138 Abs. 1 BGB. Der Verpflichtete kann sich gegenüber der Geltendmachung des Bestehens vertraglicher Treuepflichten aus diesem Vertrag nicht auf die Nichtigkeit dieses Vertrags wegen Sittenwidrigkeit berufen.
(Leitsatz des Gerichts)
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts vom 07.12.2017, Az. 2 O 33/16 abgeändert wie folgt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, als Gesamtschuldnerin neben dem ehemaligen Beklagten D. an die Klägerin EUR 365.000,- nebst Zinsen in Höhe von 3,45 % jährlich aus EUR 285.000,00 vom 19.06.2010 bis 20.08.2013 sowie Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab 21.08.2013 bis zum 14.03.2015 aus demselben Betrag und ab dem 15.03.2015 in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus EUR 365.000,- zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass der Anspruch zu 1. auf vorsätzlicher unerlaubter Handlung beruht.
II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
V. Der Gegenstandswert der Berufung wird auf EUR 365.000,00 festgesetzt.
Gründe
I.
1
Die Parteien streiten um Ansprüche wegen der Gewährung zweier Darlehen durch die Klägerin, aufgrund derer die Klägerin Zahlungsansprüche in Höhe des nicht zurückgezahlten Darlehenskapitals gegen die Beklagte geltend macht.
2
Die im Jahr 1938 geborene, verwitwete Klägerin aus München und die in Bremen lebende Beklagte lernten sich in den Jahren 2007/2008 über das Internetportal X. kennen, über das als Plattform Kunden in telefonischen Kontakt mit Wahrsage- bzw. Lebensberatungsanbietern treten konnten. Die Beklagte bot über dieses Portal gewerblich Dienstleistungen im Bereich esoterischer Lebensberatung an, unter anderem auch mittels Kartenlegens von Tarot-Karten. Die Klägerin besprach mit der Beklagten im Rahmen dieser Gespräche Lebensprobleme. Für die Telefonate wurden dem Kunden nach dem System des Internetportals Minutenpreise berechnet, die jeweiligen Berater erhielten anteilige Honorare aufgrund ihrer Vereinbarungen mit dem Portalbetreiber. Die Klägerin zahlte insgesamt etwa EUR 140.000,- für telefonische Beratungen durch die Beklagte über dieses Portal und stand hierüber in häufigem Kontakt mit der Beklagten.
3
Ab 2009 erfolgten Telefonate zwischen der Klägerin und der Beklagten nicht länger über das Portal, sondern über den Privattelefonanschluss der Beklagten. Auch diese Telefonate erfolgten häufig, etwa täglich oder mehrfach täglich, und es wurde auch hier die Beklagte weiter beratend für die Klägerin tätig. Ob der Wechsel zu Telefonaten über den Privattelefonanschluss der Beklagten auf Veranlassung der Klägerin oder der Beklagten erfolgte, ist zwischen den Parteien streitig; ebenso ist streitig, ob die Klägerin für diese Telefonberatungen Zahlungen direkt an die Beklagte erbrachte. Es entwickelte sich im Laufe der Zeit eine engere persönliche Beziehung zwischen der Klägerin und der Beklagten sowie deren Ehemann, im Zuge derer sie sich gegenseitig in Bremen und München besuchten und mehrere gemeinsame Urlaube in der Türkei verbrachten. Der Ehemann der Beklagten betrieb zu dieser Zeit mehrere Bekleidungsgeschäfte unter dem Namen Y. in Bremen.
4
Unter dem 27.05.2010 unterzeichneten die Klägerin (darin als Darlehensgeber bezeichnet) und der Ehemann der Beklagten (darin als Darlehensnehmer bezeichnet) einen Darlehensvertrag über EUR 300.000,-. Der Darlehensvertrag sah eine Laufzeit von 20 Jahren vor bei Ausschluss einer vorzeitigen Kündigung sowie einer auf 20 Jahre festgeschriebenen Verzinsung von 3,45 % p.a. Die Rückzahlung sollte ab dem 01.07.2010 in monatlichen Raten von EUR 1.250,- erfolgen, wobei Sondertilgungen „je nach Geschäftsentwicklung der Firma Y.“ möglich sein sollten. Eine Besicherung des Darlehensrückzahlungsanspruchs war nicht vorgesehen. Der Darlehensbetrag wurde am 18.06.2010 von der Klägerin auf ein auf den Namen des Ehemanns der Beklagten laufendes Konto ausgezahlt, für das auch die Beklagte verfügungsbefugt war. Bis einschließlich Juli 2011 wurden monatliche Raten in Höhe von insgesamt EUR 15.000,- an die Klägerin zurückgezahlt, seither erfolgte keine Rückzahlung mehr. Am 05.08.2011 überwies die Klägerin auf die Vereinbarung eines weiteren Darlehens hin einen weiteren Betrag von EUR 80.000,- auf dasselbe Konto. Insoweit hat die Beklagte, die zunächst mit der Klagerwiderung vom 20.04.2015 behauptet hatte, es habe sich bei dieser Zahlung um eine Schenkung an ihren Ehemann gehandelt, in ihrer persönlichen Anhörung vom 29.08.2018 den Vortrag der Klägerin bestätigt, dass auch diese Zahlung darlehensweise erfolgte.
5
Zur Beschaffung des darlehensweise ausgekehrten Betrags nahm die Klägerin am 30.04.2010 ein Darlehen über EUR 340.000,- bei der Z. zu einem Nominalzins von 3,4 % p.a. bei einem anfänglichen effektiven Jahreszins von 3,45 % und einer Zinsbindung von 10 Jahren auf, das in gleichbleibenden monatlichen Raten von EUR 1.246,67 zu tilgen war und das grundpfandrechtlich am eigengenutzten Wohngrundstück (Reihenhaus) der Klägerin in München besichert wurde. Die Beklagte wusste davon, dass der Klägerin dieses Haus gehörte. Die Klägerin erteilte der Beklagten wie auch deren Ehemann zudem am 21.10.2011 eine notarielle Generalvollmacht und Betreuungsvollmacht, die zwischenzeitlich widerrufen wurde, und setzte mit notariellem Testament vom selben Tag die Beklagte zur Alleinerbin und deren Ehemann zum Ersatzerben ein.
6
Mit Kaufvertrag vom 19.01.2012 verkaufte die Klägerin ihre Wohnimmobilie zu einem Verkaufspreis von EUR 467.000,-. Das Darlehen bei der Z. wurde von der Klägerin im Juli 2012 vollständig zurückgeführt, wobei zwischen den Parteien streitig ist, ob dies aus den Mitteln des Hausverkaufs erfolgte.
7
Im Sommer 2012 kam es zum Bruch in der Beziehung zwischen den Parteien, wobei die Umstände im Einzelnen zwischen ihnen streitig sind. In diesem Zusammenhang wurde auch ein bereits in die Wege geleiteter Umzug der Klägerin von München nach Bremen abgesagt.
8
Mit anwaltlichem Schreiben vom 05.08.2013 und 13.08.2013, zugestellt am 20.08.2013, erklärte die Klägerin gegenüber der Beklagten und ihrem Ehemann die Kündigung der Darlehen über EUR 300.000,- und EUR 80.000,- und forderte sie fruchtlos zur Rückzahlung auf. Am 16.11.2015 wurde ein Verbraucherinsolvenzverfahren über das Vermögen des Ehemanns der Beklagten eröffnet. Die Beklagte erhebt gegenüber den Ansprüchen der Klägerin die Einrede der Verjährung.
9
Die Klägerin behauptet, sie habe die Beratung bei der Beklagten in Anspruch genommen zur Besprechung von Lebensproblemen, namentlich im Hinblick auf ihren verstorbenen Ehemann, ihren Sohn und die Beziehung zu ihren Eltern. Die Beklagte habe ihr dabei Tarotkarten für die Zukunft gelegt und sie, die Klägerin, glaube daran. Sie habe in der Folge jahrelang unter dem Einfluss der Beklagten gestanden. Infolge des Umstandes, dass die Klägerin an esoterische und magische Erscheinungen und Einflussmöglichkeiten glaube, habe die Beklagte psychische Macht über sie erlangt, wobei dies unter Ausnutzung durch die Beratungstätigkeit von der Klägerin erlangter Kenntnisse geschehen sei. Dass bei der Klägerin eine erhöhte Suggestibilität vorliege und dass sie geschickten Beeinflussungen gegenüber hilflos ausgeliefert sei, ergebe sich auch aus dem am 26.05.2018 im Betreuungsverfahren vom Amtsgericht München eingeholten Gutachten, welches die Klägerin zur Akte des vorliegenden Verfahrens gereicht hat.
10
Weiter behauptet die Klägerin, dass die Beklagte ihr im Jahr 2009 angeboten habe, die telefonischen Beratungsgespräche statt über das Internetportal auch direkt führen zu können. Die Beklagte könnte die Gespräche dann günstiger anbieten und nur EUR 2,- pro Minute berechnen anstelle der über das Portal gezahlten EUR 3,-. In der Folge habe die Beklagte der Klägerin jeweils mündlich mitgeteilt, wieviel sie ihr für die Gespräche berechne. Diese Beträge habe die Klägerin dann bar in Briefumschlägen per Post übersandt. Etwa zehn dieser Umschläge pro Jahr habe sie mit Beträgen wie etwa EUR 2.000,- oder EUR 9.000,- an die Beklagte übersandt.
11
Zu den streitgegenständlichen Darlehenszahlungen sei die Klägerin von der Beklagten dadurch veranlasst worden, dass die Beklagte ihr zunächst von einem Bekannten in Nepal erzählt habe, der das Geld brauche. Dem Zahlungsverlangen habe sie später Nachdruck verliehen mit der Behauptung, dass sie, die Beklagte, einen Guru an der Hand habe, der die Klägerin „kaputtmachen“ werde, wenn sie nicht zahlen sollte. Die Beklagte habe sie, die Klägerin, jeden Morgen um 05.00 Uhr angerufen, weil sie sie offenbar habe kontrollieren wollen. Die Klägerin habe an die drohende Anwendung von Magie durch den Guru geglaubt. Zur konkreten Verwendung der dann von der Klägerin überwiesenen Gelder sei ihr nur gesagt worden, der Ehemann der Beklagten benötige Geld. Tatsächlich habe der Ehemann der Beklagten sich zu diesem Zeitpunkt in einer wirtschaftlich desolaten Situation befunden. Dies habe die Klägerin aber erst deutlich später erfahren. Die Beklagte habe sie damit darüber getäuscht, dass keine Aussicht bestanden habe, den Darlehensbetrag wiederzuerlangen. Die Klägerin habe zunächst geglaubt, dass sie ihr Geld wiederbekomme, da sie auch geglaubt habe, das Y.-Geschäft laufe gut. Mit dem Ehemann der Beklagten selbst habe die Klägerin so gut wie keinen Kontakt gehabt, da er der deutschen Sprache nicht mächtig sei. Die Beklagte habe daher auch bei den Darlehensverträgen als Übersetzerin Hilfe leisten müssen.
12
Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagte sei als Darlehensnehmerin der beiden Darlehen aus 2010 und 2011 anzusehen. Die Klägerin behauptet, die Beklagte sei im Darlehensvertrag vom 27.05.2010 als Darlehensnehmerin mitgemeint gewesen und die Beklagte sei auch als Betreiberin der Y.-Bekleidungsgeschäfte aufgetreten und anzusehen. Jedenfalls habe der Ehemann der Beklagten dieser die Darlehensbeträge unentgeltlich überlassen und die Darlehensbeträge seien niemals in die Geschäfte geflossen. Nachdem ab 2011 die Rückzahlungen auf den Darlehensvertrag ausgeblieben seien, habe die Beklagte sie damit vertröstet, dass ihr Ehemann Geschäfte im Internet mache und ihr damit das Geld zehnfach zurückzahlen werde.
13
Die Beklagte habe, so die Behauptungen der Klägerin weiter, sie so weit unter Kontrolle gehabt, dass sie auf Betreiben der Beklagten im Sommer 2011 mit einem, wie sie damals nicht gewusst habe, bereits verheirateten und 20 Jahre jüngeren türkischen Mann verlobt worden sei. Auch an diesen Mann habe die Klägerin zwei weitere Zahlungen von jeweils EUR 80.000,- vorgenommen. Ferner habe die Klägerin am 27.07.2010 ein Appartement in München für EUR 68.000,- verkauft und die Beklagte habe sodann in München etwa EUR 80.000,- in bar entgegengenommen. Am 05.03.2012 habe die Klägerin zudem einen Erbanteil für EUR 107.500,- verkauft und die Beklagte habe auch diesen Erlös sogleich in bar an sich genommen.
14
Im Jahr 2012 habe die Klägerin auf Veranlassung der Beklagten nach Bremen umziehen sollen. Sie habe zuvor ihr Haus verkaufen müssen, um das Darlehen bei der Z. zurückzahlen zu können. Sie habe durch die Darlehen und die weiteren Zahlungen, die sich insgesamt zu einem Betrag von EUR 750.000,- addierten, nahezu ihr gesamtes Vermögen und den Erlös aus dem Hausverkauf bis auf einen Betrag von EUR 10.000,- verloren und es sei ihr darüber hinaus nur ein Restbetrag aus einem Erbe verblieben.
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Zum Bruch in der Beziehung zwischen den Parteien sei es, so die Klägerin weiter, im Jahr 2012 gekommen, weil die Beklagte ihr gegenüber schwarze Magie betrieben habe durch das Deponieren von magischen Gegenständen unter ihrem Auto und in ihrer Wohnung. Dies habe die Klägerin von einer anderen von ihr über dasselbe Internet-Portal konsultierten Beraterin erfahren, die ihr zudem geraten habe, aufzupassen, ob nicht die Beklagte an ihr Geld und insbesondere an ihr Bankkonto herankommen wolle.
16
Die Klägerin hat ihre Klage, die bis zur Trennung der Verfahren mit Beschluss des Landgerichts vom 07.01.2016 ursprünglich gegen die Beklagte und ihren Ehemann, den ehemaligen Beklagten D., gemeinsam gerichtet war, mit der am 14.03.2015 zugestellten Klagschrift vom 03.09.2014 zunächst auf die Geltendmachung eines vertraglichen Darlehensrückzahlungsanspruchs i.H.v. EUR 365.000,- nebst Zinsen gestützt. Mit Schriftsatz vom 15.02.2016 hat sie erstmals im vorliegenden Verfahren vorgetragen, zum Abschluss des Darlehens durch Drohungen bewegt worden zu sein. Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 23.05.2016, Az. 2 O 33/16, nach Vernehmung des Ehemanns der Beklagten als Zeuge sowie einer Parteivernehmung der Beklagten mit der Begründung abgewiesen, dass die Beklagte nicht Vertragspartei der Darlehensverträge gewesen sei und dass deliktische Ansprüche sich nicht hätten nachweisen lassen. Auf die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin hat der Senat mit Urteil vom 25.01.2017, Az. 1 U 42/16, das landgerichtliche Urteil aufgehoben und die Sache an das Landgericht zurückverwiesen. Dabei hat der Senat seiner Entscheidung maßgeblich zugrunde gelegt, dass der Grundsatz der prozessualen Waffengleichheit es geboten hätte, die Klägerin, die für die behaupteten Drohungen keinen anderen Beweis anbieten konnte, persönlich anzuhören. Mit Urteil vom 07.12.2017, Az. 2 O 33/16, ist die Klage sodann vom Landgericht nach erfolgter persönlicher Anhörung der Klägerin wiederum abgewiesen worden. Das Landgericht begründete seine Entscheidung damit, dass wiederum die Klägerin keinen Beweis dafür erbracht habe, dass die Beklagte Darlehensnehmerin gewesen sei oder dass die Beklagte die Klägerin durch Täuschungen oder Drohungen zu den Vermögensverfügungen veranlasst habe. Die Vernehmung weiterer Zeugen sei nicht veranlasst gewesen, da die Klägerin angegeben habe, die Telefongespräche, in denen die Beklagte Drohungen ausgesprochen habe, stets allein geführt zu haben. Hinsichtlich des Tatbestandes und des weiteren Vorbringens der Parteien in erster Instanz einschließlich der dort gestellten Anträge wird Bezug genommen auf die Feststellungen in den Urteilen des Landgerichts Bremen vom 23.05.2016 und 07.12.2017, jeweils zum Az. 2 O 33/16 (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
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Mit ihrer Berufung gegen das klagabweisende Urteil des Landgerichts vom 07.12.2017 verfolgt die Klägerin und Berufungsklägerin unter Bezugnahme auf ihren bisherigen Vortrag ihr erstinstanzliches Klagebegehren weiter. Sie stützt die Berufung weiter darauf, dass das Landgericht das Ergebnis der Anhörung der Klägerin anders hätte würdigen müssen und dass nicht redlicherweise zu erklären sei, wie die Klägerin ohne die von ihr behaupteten Drohungen hätte zu derartigen Transaktionen zugunsten der Beklagten veranlasst werden können. Die Klägerin verweist weiter darauf, dass die Beklagte aus ihrer Tätigkeit für das Lebensberatungsportal gewusst habe, dass die Klägerin leichtgläubig gewesen sei, und dass sie dies ausgenutzt habe.
18
Die Klägerin und Berufungsklägerin beantragt, unter Abänderung des angefochtenen klagabweisenden Urteils
19
1. die Beklagte zu verurteilen, als Gesamtschuldner neben dem ehemaligen Beklagten D. an die Klägerin einen Geldbetrag in Höhe von EUR 365.000,- nebst Zinsen in Höhe von 3,45 % jährlich aus EUR 285.000,00 vom 19.06.2010 bis 20.08.2013 sowie Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab 21.08.2013 bis zum Eintritt der Rechtshängigkeit aus demselben Betrag und ab Rechtshängigkeit in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus der Klagesumme zu zahlen;
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2. festzustellen, dass der Klaganspruch auf vorsätzlicher unerlaubter Handlung beruht.
21
Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt die Zurückweisung der Berufung.
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Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Sie behauptet, der Gegenstand ihrer Beratungsleistungen sei Lebensberatung, indem sie sich die persönlichen Belange der Anrufer anhöre, Karten lege und dann die Karten in Bezug auf die zu beratenden Personen deute. Sie gebe Ratschläge oder Hilfe, wie Schwierigkeiten in einer Partnerschaft und in der Liebe zu bewältigen wären. Beim Kartenlegen handele es sich um eine erlernbare Technik und es gehe um Zukunftsprognosen, die sich für sie daraus ergeben würden, wie die Karten fielen. Mit Magie mache sie nichts, sie sei „keine Hokus-Pokus-Tante“. Die Beklagte bezeichnet sich selbst als bekannte Beraterin, auch aus dem Fernsehen, und als Markenname in der Esoterik. Sie behauptet weiter, bei den Gesprächen zwischen ihr und der Klägerin sei es um deren ständige Männergeschichten gegangen sowie darum, dass sie sich ständig mit Menschen gestritten habe, unter anderem auch mit ihrem Sohn.
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Dass die Telefonate zwischen ihr und der Klägerin ab 2009 nicht mehr über das Internetportal erfolgten, sei nicht auf ihre Veranlassung erfolgt, sondern es habe die Klägerin ihre private Telefonnummer herausgefunden und dort angerufen, als die Beklagte einige Wochen nicht mehr auf dem Portal aufgetreten sei. Für diese oft, etwa jeden Tag oder auch mehrmals am Tag erfolgenden privaten Gespräche habe sie keine Bezahlung bekommen. Sie verdiene mit solcher Beratung ihr Geld und höre sich dies deswegen immer wieder an. Die Beratung der Klägerin sei aber kostenlos gewesen, weil sie mit dieser Mitleid gehabt habe. Sie seien sehr eng befreundet gewesen, wobei die Basis dieser Freundschaft gewesen sei, dass die Klägerin ihr leidgetan habe, weil sie allein gewesen sei.
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Die Beklagte bestreitet, die Klägerin mit Drohungen zur Darlehensvergabe veranlasst zu haben. Das Wirken eines Gurus habe nichts mit der Lebensberatung zu tun, wie sie von der Beklagten ausgeübt werde. Sie habe auch nur einmal bei der Klägerin morgens um 05.00 Uhr angerufen, weil sie sie zuvor nicht erreicht und sich deswegen Sorgen gemacht habe.
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Die Beklagte behauptet, die Darlehensvergabe an ihren Ehemann sei erfolgt, weil die Klägerin ihn eben gemocht habe und ihm für die Eröffnung eines neuen Ladengeschäfts habe Geld geben wollen. Die Klägerin habe trotz mangelnder Sprachkenntnisse diesen Kontakt zum Ehemann der Beklagten gehabt, zumal er die deutsche Sprache auch verstehe und lediglich Hemmungen habe, selbst Deutsch zu sprechen. Die Klägerin sei auch dadurch motiviert gewesen, ihrem Sohn nichts zukommen lassen zu wollen. Die Klägerin wäre auch ohne Abschluss eines Darlehensvertrags zu diesen Zahlungen bereit gewesen, es habe aber der Ehemann der Beklagten eine Schenkung abgelehnt. Wer den Vorschlag für den Abschluss eines Darlehens gemacht habe, wisse die Beklagte nicht mehr. Der Vertragstext sei vom Steuerberater der Beklagten entworfen und unter Zuhilfenahme auch der Steuerberaterin der Klägerin ausgearbeitet worden. Zudem habe die Klägerin sich auch durch einen Rechtsanwalt, einen Sozius des Prozessbevollmächtigten der Beklagten, vertreten lassen. Darlehensnehmer sei allein der Ehemann der Beklagten gewesen und die Darlehenssumme sei allein für dessen neu zu eröffnendes Geschäft verwendet worden. Der Ehemann der Beklagten habe sich zu diesem Zeitpunkt wegen der bevorstehenden Geschäftseröffnung in der Unternehmensaufbauphase befunden, in der das Auflaufen von Anfangsverlusten normal sei, und die Klägerin sei über die Umstände der Darlehensvergabe informiert gewesen. Zudem sei zu diesem Zeitpunkt das weitere Geschäft des Ehemanns mit Erfolg geführt worden, so dass – auch wegen der Einnahmen der Beklagten – die Familie wirtschaftlich gesund gewesen sei.
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Weiter behauptet die Beklagte, nachdem ihr Ehemann der Klägerin mitgeteilt habe, dass er die monatlichen Raten nicht mehr zahlen könne, habe diese erklärt, dass sie ihm das Geld schenken und ihm die Darlehensrückzahlung erlassen wolle.
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Ihre Einsetzung als Alleinerbin der Klägerin sei erfolgt, weil die Klägerin von ihrem Sohn enttäuscht gewesen sei. Die Klägerin habe sie aus Liebe zur Alleinerbin eingesetzt. Die Erteilung der Generalvollmacht zu ihren Gunsten sei ebenfalls wegen des schlechten Verhältnisses der Klägerin zum Sohn sowie deswegen erfolgt, weil die Klägerin wechselnd ein halbes Jahr in Bremen und ein halbes Jahr in der Türkei habe leben wollen und in dieser Zeit hätte dann der Ehemann der Beklagten über das Internet das Konto der Klägerin führen sollen. Auch zeige die Erteilung einer Generalvollmacht mit Betreuungsanordnung, welches Vertrauen die Klägerin in die Beklagte gehabt habe. Die Vollmachtserteilung habe auf dem freien Willen der Klägerin beruht, ebenso sei die Klägerin auch bei der Erbeinsetzung der Beklagten geschäftsfähig gewesen und habe hier aufgrund freien Willens gehandelt. Auch die Verlobung der Klägerin in der Türkei habe auf deren eigener Entscheidung beruht und sei sogar gegen den Willen der Beklagten erfolgt. Die Beklagte bestreitet den Vortrag der Klägerin, dass bei der Klägerin eine erhöhte Suggestibilität schon im Jahr 2010 vorgelegen habe, ebenso das Vorliegen einer Demenz bereits zum damaligen Zeitpunkt. Auch in ihrer persönlichen Anhörung vom 29.08.2018 hat die Beklagte erklärt, dass sie die Klägerin für willensstark gehalten habe, aber auch ausgeführt, dass die Klägerin eine Sucht nach Kartenlegern habe und deswegen täglich bei dem Internetportal angerufen habe.
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Zum Bruch im Sommer 2012 sei es gekommen, weil die Klägerin sich von der Beklagten, die in Familienangelegenheiten in die Türkei habe reisen wollen, deswegen allein gelassen gefühlt habe, worüber es zu einem Streit der Parteien gekommen sei.
29
Die Beklagte bestreitet, dass die Klägerin ihre Wohnimmobilie habe verkaufen müssen, um das Darlehen bei der Z. zurückführen zu können. Vielmehr habe sie aus der Auflösung einer Erbengemeinschaft noch einen Anspruch auf Zahlung weiterer EUR 300.000,- gehabt und der Verkauf sei wegen des beabsichtigten Umzugs nach Bremen erfolgt.
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Die Beklagte macht geltend, dass es gegen die Glaubwürdigkeit des Vortrags der Klägerin spreche, dass diese erst am 13.08.2013 die Kündigung des Darlehensvertrags erklärt und im Verfahren vor dem Landgericht erst mit Schriftsatz vom 15.02.2016 zu geltend gemachten Drohungen vorgetragen habe, nachdem die Klagschrift selbst allein auf die Darlehensvergabe gestützt worden sei.
31
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz sowie zu ihren Angaben in ihrer jeweiligen persönlichen Anhörung und zum Ergebnis der Beweisaufnahme durch Vernehmung der Zeugen E., F. und G. wird auf die Protokolle der Berufungsverhandlungen vom 29.08.2018 sowie 24.06.2019 nebst den zur Anlage genommenen Berichterstattervermerken verwiesen, hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien ferner auch auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien in der Berufungsinstanz. Hinsichtlich der Verfahrensakten der Staatsanwaltschaft München zum Az. 251 Js 135355/13 sowie des Amtsgerichts München zum Az. 715 XVII 2635/18, deren Beiziehung von der Klägerin beantragt wurde, haben sich die aktenführenden Stellen mit der Weitergabe dieser Akten nicht einverstanden erklärt und diese Akten konnten daher im vorliegenden Verfahren nicht verwertet werden. In die Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Bremen zum Az. 211 Js 39021/12, die in Kopie von der Klägerin zur Akte gereicht wurde, hatten beide Parteien Akteneinsicht.
II.
32
Die Berufung der Klägerin ist form- und fristgerecht eingelegt. Sie ist auch begründet und führt zur Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von EUR 365.000,- nebst den geltend gemachten Zinsen sowie zur Feststellung, dass der Klaganspruch auf vorsätzlicher unerlaubter Handlung beruht.
33
1. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von EUR 365.000,- nebst den geltend gemachten Zinsen. Dabei kann dahinstehen, ob, wie von der Klägerin behauptet, die Beklagte tatsächlich neben ihrem im Darlehensvertrag allein genannten Ehemann als Darlehensnehmerin mitgemeint war, so dass der Klägerin ein vertraglicher Rückzahlungsanspruch zustehen würde. Ebenso bedarf keiner Entscheidung, ob nach dem Ergebnis der durchgeführten Parteianhörungen und weiteren Beweisaufnahme festzustellen war, dass die Klägerin von der Beklagten durch Drohung bzw. Täuschung zur Darlehensvergabe veranlasst worden sein könnte, so dass ihr Ersatzansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 253 bzw. 263 StGB zustehen könnten. Die Klägerin hat jedenfalls aufgrund einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung einen Zahlungsanspruch in der geltend gemachten Höhe nebst den beanspruchten Zinsen gegen die Beklagte aus § 826 BGB (dazu nachstehend unter a. bis g.); daneben besteht ein gleichgerichteter Schadensersatzanspruch der Klägerin wegen Treuepflichtverletzungen auf vertraglicher Grundlage bzw. aus §§ 311 Abs. 3, 241 Abs. 2 BGB (siehe unter h.).
34
a. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 826 BGB ist sittenwidrig ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt (vgl. BGH, Urteil vom 19.07.2004 – II ZR 217/03, juris Rn. 48, NJW 2004, 2668; Urteil vom 20.11.2012 – VI ZR 268/11, juris Rn. 25, WM 2012, 2377; Urteil vom 15.10.2013 – VI ZR 124/12, juris Rn. 8, WM 2013, 2322; Urteil vom 07.05.2019 – VI ZR 512/17, juris Rn. 8, WM 2019, 1262). Dafür genügt es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde vertragliche Pflichten oder das Gesetz verletzt oder bei einem anderen einen Vermögensschaden hervorruft: Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage tretenden Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann (vgl. BGH, Urteil vom 19.07.2004 – II ZR 217/03, juris Rn. 49, NJW 2004, 2668; Urteil vom 19.10.1987 – II ZR 9/87, juris Rn. 21, BGHZ 102, 68; Urteil vom 15.10.2013 – VI ZR 124/12, juris Rn. 9, WM 2013, 2322; Urteil vom 07.05.2019 – VI ZR 512/17, juris Rn. 8, WM 2019, 1262). Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben.
35
aa. Die Beklagte handelte sittenwidrig im vorstehenden Sinne, indem sie als Inhaberin einer von ihr willentlich übernommenen besonderen Vertrauensposition der hieraus erwachsenden Treuestellung zuwider und zulasten der Klägerin als treueberechtigter Person diese Position und das in sie gesetzte Vertrauen ausnutzte, um dadurch ihrem Ehemann erhebliche finanzielle Vorteile zu verschaffen.
36
(1) Es verstößt gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden, wenn das Vertrauen desjenigen, der sich in einem rechtserheblichen Umfang in eine Beratungs- und Vertrauenssituation begibt, dadurch missbraucht wird, dass die betreffende Vertrauensperson sich unter Ausnutzung ihrer willentlich übernommenen Stellungerhebliche finanzielle Vorteile für sich oder Nahestehende zuwenden lässt.
37
Diese Wertung hat in zahlreichen gesetzlich geregelten Fällen von Vertrauens- und Beratungsstellungen mit persönlichem Einschlag Niederschlag gefunden und kann daher als allgemein geltender Grundsatz angenommen werden. Es finden sich solche gesetzliche Verbote der Annahme von Zuwendungen namentlich in § 32 Abs. 1 der Berufsordnung für Ärztinnen und Ärzte im Lande Bremen vom 20.09.2004, in § 11 Abs. 2 Satz 3 und 4 der Berufsordnung der Psychologischen Psychotherapeutinnen und Psychologischen Psychotherapeuten und der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutinnen und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten im Lande Bremen vom 28.11.2006, nunmehr ersetzt durch § 6 Abs. 3 Satz 2 und 3 der Berufsordnung der Psychotherapeutenkammer Bremen vom 11.11.2014, in § 36 Abs. 1 des Gesetzes über das Dienstverhältnis der Pfarrerinnen und Pfarrer in der Bremischen Evangelischen Kirche (Pfarrergesetz) vom 24.11.1999, nunmehr ersetzt durch § 32 Abs. 1 des Kirchengesetzes zur Regelung der Dienstverhältnisse der Pfarrerinnen und Pfarrer in der Evangelischen Kirche in Deutschland (Pfarrdienstgesetz der EKD), ebenso auch in § 14 Abs. 5 Heimgesetz, nunmehr ersetzt durch landesrechtliche Regelungen wie nach § 24 Abs. 4 Bremisches Wohn- und Betreuungsgesetz vom 12.12.2017.
38
Zwar ist vorliegend keine dieser gesetzlich geregelten Fallgestaltungen gegeben. Es verbindet aber diese gesetzlichen Verbote (jedenfalls auch) die allgemeine Wertung, dass das Bestehen einer besonderen Vertrauensstellung der genannten Personengruppen stets die Gefahr einer eigennützigen Verletzung der Interessen der treueberechtigten Person besorgen lässt. Nimmt eine solche Vertrauensperson über eine etwaige offengelegte Vergütung hinausgehende Vorteile an, so besteht damit, wenn diese Vorteilsannahme in Ausnutzung der betreffenden Vertrauensstellung erfolgt, grundsätzlich ein Interessenkonflikt. Dieser Interessenkonflikt legt die Möglichkeit oder Gefahr der Schädigung der Interessen des Treueberechtigten nahe, der gerade auf die Wahrung seiner Interessen durch die Vertrauensperson vertraut. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 14 HeimG werden diese Wertungen dahingehend zusammengefasst, dass für derartige Zuwendungen deshalb bis zum Beweis des Gegenteils vermutet wird, dass sich die Zuwendungsempfänger die entsprechenden Vermögensvorteile haben versprechen oder gewähren lassen unter Ausnutzung des begründeten Vertrauensverhältnisses, das gerade den Schutz der Interessen der Zuwendenden zum Gegenstand hat. Ausgenommen sind nur Leistungen, die als Honorare offen gelegt werden oder im geringen Umfang sozial üblich sind (vgl. BGH, Urteil vom 09.02.1990 – V ZR 139/88, juris Rn. 15 f., BGHZ 110, 235).
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Gegen die Entstehung eines solchen Interessenkonflikts kann, wie in den zitierten Vorschriften zum Ausdruck kommt, nur durch ein auf der Treuestellung basierendes grundsätzliches Verbot der Annahme solcher Vorteile vorgebeugt werden, durch das eine finanzielle Ausnutzung des Treueberechtigungen ausgeschlossen wird (vgl. BGH, a.a.O.).
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(2) Die Vorteilsannahme durch Ausnutzung der Vertrauensstellung in Fallgestaltungen der vorstehend beschriebenen Art geht auch, wie dies nach den obigen allgemeinen Ausführungen für den Vorwurf der Sittenwidrigkeit nach § 826 BGB erforderlich ist, über die bloße Gesetzes- und Vertragswidrigkeit hinaus und weist mit dem Element der Treuwidrigkeit eine besondere Verwerflichkeit des Verhaltens auf: Der Verletzung von Treuestellungen kommt von jeher in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine maßgebende Rolle für die Annahme der Sittenwidrigkeit nach § 826 BGB zu (siehe BGH, Urteil vom 24.02.1954 – II ZR 3/53, juris Rn. 18, BGHZ 12, 308; Urteil vom 20.03.1995 – II ZR 205/94, juris Rn. 62, BGHZ 129, 136). Dabei wiegt die Verletzung von Treuepflichten und Treuestellungen besonders schwer, die aus einem Verhältnis der Beteiligten resultieren, das Beratung und Beistand in schwierigen Lebenssituationen zum Gegenstand hat. Das belegen auch die vorstehend genannten gesetzlichen Verbote. Ratsuchende sind in solchen Situationen häufig in ihrer Urteilsfähigkeit geschwächt und eher Einflüssen von dritter Seite zugänglich. Dies insbesondere mit Blick auf die genannten Berater, deren Rat und Zuwendung sie auch in intimen Lebensbereichen suchen. Diese lernen die Ratsuchenden im Zuge des Beratungsverhältnisses gut kennen und gewinnen dann auch Einfluss auf ihre Entscheidungen. Die Verletzung der daraus resultierenden Vertrauensstellung zu eigenen wirtschaftlichen Zwecken verbunden mit einer erheblichen Schädigung des Vermögens der Ratsuchenden begründet den Vorwurf der Sittenwidrigkeit (vgl. auch allgemein zur Sittenwidrigkeit von Lebensberatungsverträgen in Verbindung mit Kartenlegen BGH, Urteil vom 13.01.2011 – III ZR 87/10, juris Rn. 21, BGHZ 188, 71 (i.E. als naheliegend angenommen); OLG Stuttgart, Urteil vom 08.04.2010 – 7 U 191/09, juris Rn. 23 (offengelassen); AG Mannheim, Urteil vom 04.03.2011 – 3 C 32/11, juris Rn. 11; zur Ausnutzung im Rahmen esoterischer Beratung erlangter Kenntnisse siehe auch AG Kassel, Urteil vom 10.06.2015 – 270 Ls 7640 Js 48281/10, juris Rn. 160). Mit der Ausnutzung der Vertrauensstellung im vorliegenden Fall hat die Beklagte gerade das dem Wesen der von ihr angebotenen esoterischen Lebensberatung entsprechende Vertrauen der Klägerin sowie die dadurch gewonnenen Beeinflussungsmöglichkeiten missbraucht und damit statt der gesuchten Beratung im Interesse der Klägerin vielmehr deren Interessen eigennützig geschädigt, so dass damit über eine bloße in der Sache unsachgemäße bzw. schlicht pflichtvergessene Vorgehensweise hinausgehend hier eine besondere Verwerflichkeit des Verhaltens der Beklagten festzustellen ist.
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(3) Die Rechtsordnung weist dem Schutz von Vertrauenspositionen großes Gewicht zu, an ihre Verletzung knüpfen Gesetz und Rechtsprechung weitreichende Folgen. Es wird in derartigen Konstellationen vielfach auch als zum Schutz der Interessen des Berechtigten nicht genügend angesehen, ein treuwidriges Verhalten des Treueverpflichteten nur dann anzunehmen, wenn ein positiver Nachweis erbracht ist, dass nach allgemeinen Grundsätzen die von ihm gewählte Vorgehensweise tatsächlich die Interessen des Berechtigten verletzte, sondern es wird dies vielmehr bereits bei einer bloßen Möglichkeit des Interessenkonflikts vermutet. Der Umstand, dass der Treueverpflichtete in diesen Konstellationen von Interessenkonflikten einen Vorteil für sich erlangt hatte, lässt es auch unter Wertungsgesichtspunkten als weniger belastend für ihn erscheinen, ihn einer Haftung wegen eines treuwidrigen Verhaltens dem Treueberechtigten gegenüber auszusetzen, die letztlich auf die Rückgängigmachung nur ebendieser Vermögensverschiebung bzw. des so erlangten Vorteils gerichtet ist. Dem Treueverpflichteten obliegt es sodann, demgegenüber darzutun und zu beweisen, dass die Interessen des Berechtigten nicht verletzt wurden (siehe so zu gesellschaftsrechtlichen Pflichten bei Beherrschungs- und Eingliederungsverträgen BGH, Urteil vom 05.02.1979 – II ZR 210/76, juris Rn. 56, WM 1979, 937; zu § 14 HeimG siehe die schon bereits zitierte Entscheidung BGH, Urteil vom 09.02.1990 – V ZR 139/88, juris Rn. 16, BGHZ 110, 235). Grund hierfür ist, dass es dem Treueverpflichteten aufgrund seiner überlegenen Einwirkungsmöglichkeiten und Kenntnisse (Informationsasymmetrie) in vielfältiger Art und Weise möglich ist, die Gestaltung seiner Rechtsverhältnisse mit dem Berechtigten zu steuern, so dass dem Berechtigten ein etwaiger späterer positiver Nachweis einer Schädigung seiner Interessen oder des Ausmaßes dieser Schädigung erschwert sein kann (siehe BGH, Urteil vom 05.02.1979, a.a.O., juris Rn. 55 f; Urteil vom 05.02.1990, a.a.O.; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 03.07.1998 – 1 BvR 434/98, juris Rn. 10, NJW 1998, 2964).
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Der zugrunde liegenden Wertung nach entspricht dies auch der Verfügbarkeit von Beweiserleichterungen, wie sie beispielsweise hinsichtlich des Schadensnachweises verfügbar sind im Fall der Berechnung des Schadensersatzanspruchs des Arbeitgebers gegen den Schmiergelder annehmenden Arbeitnehmer. Dieser Anspruch kann nach den Grundsätzen des Beweises des ersten Anscheins anhand der Höhe der erlangten Schmiergelder bestimmt werden (siehe dazu BGH, Urteil vom 07.01.1963 – VII ZR 149/61, juris Rn. 24, BGHZ 39, 1; BAG, Urteil vom 15.11.1995 – 2 AZR 974/94, juris Rn. 47, NJW 1996, 1556; OLG Düsseldorf, Urteil vom 25.11.1999 – 6 U 146/98, juris Rn. 59, WM 2000, 1393). Noch weitergehender verzichtet das Gesetz in anderen Fällen von Treuepflichtverletzungen gänzlich auf einen Schadensnachweis als Voraussetzung eines Ausgleichsanspruchs des Treueberechtigten, namentlich bei den sogenannten handels- und gesellschaftsrechtlichen Eintrittsrechten der §§ 61, 113 HGB, 88, 284 AktG: Diese sind als Alternative zum dem Regelmodell entsprechenden nachteilsorientierten Schadensersatz auf die Herausgabe von unter Verstoß gegen Wettbewerbsverbote erlangten Vorteilen gerichtet; nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs handelt es sich hierbei um einen verallgemeinerungsfähigen Rechtsgedanken, der eine analoge Heranziehung dieser Bestimmungen bei vergleichbaren Interessenlagen gestattet (siehe BGH, Urteil vom 16.02.1981 – II ZR 168/79, juris Rn. 18, BGHZ 80, 69; Urteil vom 05.12.1983 – II ZR 242/82, juris Rn. 35, BGHZ 89, 162; Urteil vom 12.06.1989 – II ZR 334/87, juris Rn. 21, NJW-RR 1989, 1255).
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Für den vorliegenden Fall kann dies letztlich aber offenbleiben. Auf derartige Möglichkeiten insbesondere einer Beweiserleichterung, die der Beklagten als Treueverpflichteter die Nachweislast auferlegen würde, dass die Darlehensvergabe nicht in pflichtwidriger Ausnutzung ihrer Vertrauensstellung erfolgte, kommt es hier nicht an. Auf der Grundlage des festgestellten Sachverhalts ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass der Darlehensvergabe an den Ehemann der Beklagten eine solche Ausnutzung der Vertrauensstellung der Beklagten zugrunde lag und diese zu erheblichen Vermögensverlusten der Klägerin geführt hat.
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bb. Im Einzelnen war das Vorliegen der vorstehenden Voraussetzungen wie folgt festzustellen:
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(1) Dass die Beklagte in nicht unerheblichem Umfang gegenüber der Klägerin eine Vertrauensstellung als esoterische Beraterin in Lebensfragen willentlich übernommen und innegehabt hatte, ergibt sich bereits aus dem unstreitigen Sachverhalt.
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Die Beklagte ist unstreitig zunächst bis 2009 vermittelt über das Internetportal beratend für die Klägerin tätig gewesen, dies auch in einem nicht unerheblichem und in einem über bloße Gefälligkeiten hinausgehenden Umfang, wie durch die unstreitige Häufigkeit der Beratungsgespräche sowie dadurch belegt wird, dass der Klägerin hierfür von dem Portalbetreiber Beträge von insgesamt EUR 140.000,- berechnet wurden. Die Beklagte hat dabei auch in besonderem Maße persönliches Vertrauen gerade in ihre eigene Beratungsleistung in Anspruch genommen, wie sie auch in der Anhörung durch den Senat bestätigte. Dabei wurde auch bestätigt, dass die Beratung der Klägerin deren intimen Lebensbereich und ihre Verhältnisse zu nahestehenden Personen betraf, d.h. nicht im Unverbindlichen verblieb, und dass die Beklagte – mag sie auch die Klägerin als willensstark angesehen haben – jedenfalls erkannte, dass die Klägerin, wie sie sich ausdrückte, eine Sucht nach Kartenlegern entwickelt hatte. Dass die Beratung mit Tarot-Karten in objektiver Hinsicht eine völlig untaugliche Grundlage zur Lebensberatung ist, ist dabei unerheblich: Es ist hier entscheidend, dass die Beklagte aufgrund der intensiven Inanspruchnahme dieser Beratung und der bestehenden Abhängigkeit der Klägerin davon ausging, dass die Klägerin auf diese Form der esoterischen Beratung vertraute.
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Diese jedenfalls in dem Zeitraum von 2007 bis 2009, in dem über das Internetportal abgerechnete telefonische Beratungen erfolgten, begründete Vertrauensstellung wirkte auch im sich unmittelbar anschließenden streitgegenständlichen Zeitraum weiter (2010-2011): Das einmal in dieser Form und mit den hieraus entstehenden Pflichten begründete Vertrauen wie auch die durch Kenntnisse in intimen Lebensbereichen begründeten Ausnutzungs- und Beeinflussungsmöglichkeiten entfielen nicht ohne weiteres, weil die Klägerin die Beratungstätigkeit der Beklagten sodann nicht mehr über das Angebot des Internetportals nutzte. Der Schutz der Vertrauensstellung liefe leer und wäre weitgehend gefährdet, wenn es der Beklagten im Abschluss daran gestattet würde, die aus ihrer vorangegangenen Beratungsposition erlangten Ausnutzungs- und Beeinflussungsmöglichkeiten sodann zum Nachteil der Klägerin zu nutzen.
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Im Übrigen kann auf der Grundlage der durchgeführten Parteianhörungen zur Überzeugung des Senats i.S.d. § 286 ZPO festgestellt werden, dass die Klägerin auch nach 2009 weiterhin gegen Geldzahlungen durch die Beklagte beraten worden und dass das hier maßgebliche entgeltliche Beratungsverhältnis mit den daraus erwachsenden Treuepflichten mithin auch weiterhin fortgesetzt worden ist. Diese Behauptung der Klägerin ist von ihr auch in ihrer persönlichen Anhörung durch den Senat am 29.08.2018 mit der Schilderung der zugrunde liegenden Motivation (direkte Abrechnung ohne Beteiligung des Portalbetreibers) sowie den Modalitäten der Bezahlung (Barzahlungen nach entsprechender Anforderung durch die Beklagte) nachvollziehbar bestätigt worden. Das gegenteilige Vorbringen der Beklagten hierzu vermochte dagegen nicht zu überzeugen: Die Beklagte sprach allein davon, diese als solche unstreitigen Gespräche mit der fortdauernden Beratung der Klägerin lediglich aufgrund ihrer freundschaftlichen Beziehung zur Klägerin geführt zu haben, für diese etwa jeden Tag oder auch mehrmals am Tag erfolgenden privaten Gespräche aber keine Bezahlung bekommen zu haben. Die bloße Erklärung, Mitleid mit der Beklagten gehabt zu haben, weil diese allein gewesen sei, kann als Begründung, warum die Beklagte diese ansonsten von ihr beruflich geführten Gespräche in diesem Fall kostenfrei geführt haben will, schon deswegen nicht überzeugen, weil dies im Hinblick auf die Persönlichkeitsstruktur der Ratsuchenden einer Wahrsagerin im Bereich der esoterischen Lebensberatung keinesfalls ein Alleinstellungsmerkmal darstellen konnte.
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(2) Im vorliegenden Fall tritt als weitere Grundlage des Vorwurfs sittenwidrigen treuwidrigen Verhaltens der Beklagten neben dieser Bezugnahme auf allgemeine (deliktische, d.h. vom Vorliegen einer vertraglichen oder anderweitigen Sonderbeziehung unabhängige) Wertungen der Sittenwidrigkeit durch Ausnutzung von Vertrauenspositionen im Rahmen des § 826 BGB noch hinzu, dass die Beklagte durch ihre willentliche Übernahme einer Position als esoterische Beraterin der Klägerin zugleich auch besondere Treuepflichtbindungen aus Vertrag bzw. auf der Grundlage der §§ 311 Abs. 3, 241 Abs. 2 BGB eingegangen ist. Mit dem aus § 241 Abs. 2 BGB folgenden Grundsatz der Verpflichtung zur Rücksichtnahme auf die Interessen des anderen Teils ist der Beklagten auch aufgrund dieser mit der Beratungsbeziehung zur Klägerin übernommenen Treuepflichten eine Schädigung der Interessen der Klägerin durch eine eigennützige Ausnutzung ihrer Vertrauensstellung untersagt.
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(a) Mit der entgeltlichen telefonischen Beratung der Klägerin durch die Beklagte, die zunächst über das Internetportal unter Honorarbeteiligung der Beklagten erfolgte, ist – auch soweit aufgrund der Ausgestaltung der nur mittelbaren Beteiligung der Beklagten über das Internetportal in den Jahren 2007 bis 2009 die Beklagte nicht selbst Vertragspartei eines gegenüber der Klägerin bestehenden Beratungsvertrags nach Art eines Dienstvertrags (zur Rechtsnatur vgl. BGH, Urteil vom 13.01.2011 – III ZR 87/10, juris Rn. 8, BGHZ 188, 71) geworden sein sollte – zwischen der Klägerin und der Beklagten aufgrund ihrer besonderen Inanspruchnahme persönlichen Vertrauens im Rahmen ihrer esoterischen Lebensberatung (siehe § 311 Abs. 3 S. 2 BGB) jedenfalls ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 Abs. 2 BGB aufgrund der Bestimmung des § 311 Abs. 3 S. 1 BGB entstanden. Gegen das Nachwirken von Treuepflichten in Gestalt der Pflichten zum Schutz der Interessen der anderen Partei aus § 241 Abs. 2 BGB auch über die Dauer des zugrunde liegenden Vertragsverhältnisses hinaus bestehen keine Bedenken (vgl. BGH, Urteil vom 15.03.2012 – III ZR 148/11, juris Rn. 14, WM 2012, 837; Urteil vom 26.06.2018 – VI ZR 285/17, juris Rn. 16, NJW 2018, 3382), wenn dies – wie für den vorliegenden Fall vorstehend ausgeführt – erforderlich ist, um den bestimmungsgemäßen Zweck dieser Schutzpflichten zu sichern. Ein Nachwirken der Treuepflicht in Form des Verbots der Erzielung von Vorteilen durch Ausnutzung der im Rahmen der Beratung erlangten Kenntnisse beinhaltet zudem keine positive Verpflichtung, einen bestimmten Erfolg zu sichern zu helfen, sondern beschränkt sich auf die negative Untersagung eigenen schädigenden Verhaltens und wirkt sich damit als weniger weitgehende und somit vorliegend auch zumutbare Belastung der Beklagten aus.
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Mit dem Übergang auf eine allein zwischen den Parteien abgewickelte entgeltliche Beratung ab dem Jahr 2009 ist im Übrigen die Beklagte sodann selbst Vertragspartnerin des Beratungsvertrags geworden, so dass sich ihre Treueverpflichtung damit aus ihrer eigenen Parteistellung ergibt.
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(b) Dass das Beratungsverhältnis auf die Erbringung einer esoterischen Beratung in Lebensfragen unter Verwendung von Tarot-Karten gerichtet war, steht der Wirksamkeit des Vertragsschlusses dabei nicht entgegen: Auch soweit hierdurch eine anfänglich objektiv unmögliche Leistung vereinbart wurde, lässt dieser Umstand die Wirksamkeit des Vertrags unberührt (vgl. § 311a Abs. 1 BGB, siehe hierzu BGH, Urteil vom 13.01.2011 – III ZR 87/10, juris Rn. 16, BGHZ 188, 71; anders dagegen die frühere Rechtsprechung zur Nichtigkeit bei anfänglicher Unmöglichkeit nach § 306 BGB a.F., siehe LG Augsburg, Urteil vom 13.05.2003 – 4 S 5354/02, juris Ls., NJW-RR 2004, 272; LG Kassel, Urteil vom 26.05.1988 – 1 S 483/87, juris Ls., NJW-RR 1988, 1517; LG Mannheim, Urteil vom 30.04.1992 – (12) 4 Ns 80/91, juris Ls., NJW 1993, 1488).
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(c) Auch eine Sittenwidrigkeit des zugrunde liegenden Beratungsvertrags nach § 138 Abs. 1 BGB führt nicht dazu, dass sich die Klägerin der Beklagten gegenüber auf die nach den vorstehenden Ausführungen begründeten vertraglichen bzw. auf der Grundlage der §§ 311 Abs. 3, 241 Abs. 2 BGB eingegangen Treuepflichten nicht berufen könnte. Zwar ist es in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt, dass bei Verträgen über die Erbringung von Lebensberatung in Verbindung mit Kartenlegen bzw. den Einsatz von sonstigen übernatürlichen, magischen Kräfte und Fähigkeiten die Sittenwidrigkeit solcher Vereinbarungen mit der Folge der Nichtigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB allgemein als nahe liegend anzusehen ist (siehe BGH, Urteil vom 13.01.2011 – III ZR 87/10, juris Rn. 21, BGHZ 188, 71; für die Sittenwidrigkeit solcher Geschäfte auch OLG Stuttgart, Urteil vom 26.04.2018 – 1 U 75/17, juris Rn. 36 ff., NJW-RR 2018, 1257; AG Bad Segeberg, Urteil vom 05.03.2015 – 17a C 87/14, juris Rn. 91 ff.; AG Mannheim, Urteil vom 04.03.2011 – 3 C 32/11, juris Rn. 11; vgl. auch OLG Stuttgart, Urteil vom 08.04.2010 – 7 U 191/09, juris Rn. 23 (dort i.E. offengelassen); nicht generell für eine Sittenwidrigkeit dagegen noch OLG Düsseldorf, Urteil vom 09.09.2008 – 20 U 123/08, juris Rn. 19, NJW 2009, 789; LG Kassel, Urteil vom 14.03.1985 – 1 S 491/84, NJW 1985, 1642; AG München, Urteil vom 10.05.2006 – 212 C 25151/05, juris Rn. 21), da sich viele der Dienstberechtigten, die einen Vertrag mit einem solchen Inhalt abschließen, in einer schwierigen Lebenssituation befinden oder es sich bei ihnen um leichtgläubige, unerfahrene oder psychisch labile Personen handelt. Auch im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass der Glaube der Klägerin an das Kartenlegen von der Beklagten ausgenutzt wurde, um dafür Vergütungszahlungen in ganz erheblichem Umfang zu erzielen, zunächst in Form der anteiligen Beteiligung an den an das Internetportal gezahlten Beträgen, später in Form der per Post erfolgenden Barzahlungen. Auf diese Sittenwidrigkeit kann sich aber die Beklagte nicht berufen, um auf dieser Grundlage das Nichtbestehen der sie betreffenden Treuepflichten geltend zu machen: Zum einen steht dem der Grundsatz von Treu und Glauben aus § 242 BGB entgegen, wonach in besonders gelagerten Ausnahmefällen die Berufung auf die Nichtigkeit des Vertrags nach § 138 Abs. 1 BGB eine unzulässige Rechtsausübung darstellen kann (siehe BGH, Urteil vom 23.01.1981 – I ZR 40/79, juris Rn. 24 ff., NJW 1981, 1439; Urteil vom 24.04.2008 – VII ZR 42/07, juris Rn. 12 ff., BGHZ 176, 198). Insbesondere soll sich derjenige, der maßgeblich von dem den Vorwurf der Sittenwidrigkeit begründenden Verhalten profitierte, nicht einseitig zum Nachteil der anderen Partei auf die Nichtigkeit der betreffenden Vereinbarung berufen können (vgl. BGH, a.a.O.). Zum anderen ist davon auszugehen, dass sich der Sittenwidrigkeitsvorwurf gerade dagegen richtet, dass die Leichtgläubigkeit bzw. sonstige Labilität der Nutzer von esoterischer Lebensberatung dazu ausgenutzt wird, sie zu äußerst hohen Vergütungszahlungen zu bewegen. Dagegen ist die hiervon gesondert zu betrachtende Frage des Bestehens einer Treuepflicht, die den zu Beratenden davor schützt, dass der Berater die aus der Beratung erlangten Ausnutzungs- und Beeinflussungsmöglichkeiten nicht zu seinem Nachteil ausnutzt, von diesem Sittenwidrigkeitsvorwurf nicht betroffen. Vielmehr ist nach dem mutmaßlichen Parteiwillen davon auszugehen, dass die Parteien auch dann, wenn sie den spezifisch die Sittenwidrigkeit begründenden Anteil des Beratungsverhältnisses nicht vereinbart hätten (sondern beispielsweise die Beratung unentgeltlich oder gegen ein moderates Entgelt erfolgt wäre), sich redlicherweise dem Abschluss eines Beratungsvertrags unter Einschluss einer solchen Treuepflicht nicht verweigert hätten, denn das Interesse der Klägerin an einem Schutz vor der Ausnutzung ihrer im Zuge der Beratung offenbarten intimen Umstände ist offenkundig. Daher ist entgegen der Zweifelsregelung des § 139 BGB insoweit nicht von einer Gesamtnichtigkeit auszugehen, sondern es ist vielmehr die Begründung dieser Treuepflicht als Teil-Bestandteil des Beratungsverhältnisses nicht als von der Nichtigkeitsfolge des § 138 BGB miterfasst anzusehen (vgl. BGH, Urteil vom 14.11.2000 – XI ZR 248/08, juris Rn. 35, BGHZ 146, 37; Beschluss vom 17.10.2008 – V ZR 14/08, juris Rn. 12 f., WM 2009, 181). Damit ist die hier vorzunehmende Unterscheidung verschiedener getrennter Teil-Bestandteile der Vereinbarung, hinsichtlich derer eine differenzierende Anwendung des § 138 BGB erfolgen kann, abzugrenzen von einer im Rahmen des § 138 BGB nicht zulässigen geltungserhaltenden Reduktion, mit der im Interesse der begünstigten Partei das der benachteiligten Partei aufgedrängte Vertragswerk so weit wie möglich aufrechterhalten würde (dazu siehe BGH, Urteil vom 14.11.2000 – XI ZR 248/08, juris Rn. 37, BGHZ 146, 37; Beschluss vom 17.01.2018 – XII ZB 20/17, juris Rn. 23, NJW 2018, 1015).
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(3) Der Sittenwidrigkeitsvorwurf aufgrund der vorstehend unter (1) und (2) dargelegten Umstände ist nicht nur gegenüber einer Vorteilsannahme durch die Beklagte selbst als eigentlicher Vertrauensperson zu erheben, sondern erfasst auch die Vorteilsannahme durch nahestehende Personen der Beklagten wie deren Angehörige oder den Ehegatten der Beklagten, auf dessen Konto im vorliegenden Fall die streitgegenständlichen Beträge von EUR 380.000,- ausgezahlt wurden. Auch das Verbot einer solchen an Angehörige des Verpflichteten bzw. indirekt an den Verpflichteten erfolgenden Vorteilsannahme entspricht allgemeinen Grundsätzen und findet sich in den gesetzlichen Regelungen der § 32 Abs. 1 der Berufsordnung für Ärztinnen und Ärzte im Lande Bremen vom 20.09.2004, in § 11 Abs. 2 Satz 4 der Berufsordnung der Psychologischen Psychotherapeutinnen und Psychologischen Psychotherapeuten und der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutinnen und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten im Lande Bremen vom 28.11.2006, nunmehr ersetzt durch § 6 Abs. 3 Satz 3 der Berufsordnung der Psychotherapeutenkammer Bremen vom 11.11.2014 sowie § 32 Abs. 1 des Pfarrdienstgesetzes der EKD. Auch in der Rechtsprechung zu § 14 Abs. 5 Heimgesetz (Bund) bzw. den entsprechenden Landesgesetzen (in Bremen § 24 Abs. 4 Bremisches Wohn- und Betreuungsgesetz) ist anerkannt, dass auch die Vorteilsannahme durch einen Angehörigen des Verpflichteten untersagt sein muss, da anderenfalls das im Interesse der geschützten Person bestehende Verbot umgegangen werden könnte (siehe BayObLG, Beschluss vom 13.09.2000 – 1Z BR 68/00, juris Rn. 20, NJW-RR 2001, 295; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 18.07.1997 – 3 Wx 250/97, juris Rn. 53, FamRZ 1998, 192; OLG Frankfurt, Beschluss vom 29.01.2001 – 20 W 71/99, juris Rn. 11, NJW 2001, 1504). Dies stützt die hier vertretene Auffassung, dass der Sittenwidrigkeitsvorwurf bei der Vorteilsannahme in Ausnutzung einer besonderen Vertrauensstellung ebenso dann begründet ist, wenn der Verpflichtete selbst diese Vorteile annimmt, wie wenn die Vorteile unmittelbar dem Ehegatten des Verpflichteten zufließen.
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(4) Die Vorteilsannahme erfolgte mit der Gewährung von Darlehen über EUR 380.000,- auch in einem für den Vorwurf der Sittenwidrigkeit in der vorliegenden Fallgestaltung erheblichen Umfang: Dabei wird nicht verkannt, dass bereits nach den vorgenannten Normen teils Zuwendungen in einem geringen Umfang zugelassen werden. Zu berücksichtigen mag dann auch sein, dass auch im Hinblick auf die fehlende gesetzliche bzw. berufsordnungsrechtliche Regelung eines Vorteilsannahmeverbots für „esoterische Lebensberater“ hier im Hinblick auf den Vorwurf der Sittenwidrigkeit grundsätzlich ein weniger strenger Maßstab anzulegen sein dürfte als bei den von den vorgenannten Normen erfassten gesetzlich geregelten Berufszweigen. Wo genau die Grenze für eine nicht erhebliche Vorteilsannahme zu ziehen ist, kann im vorliegenden Fall im Ergebnis aber dahinstehen, da mit der Gewährung von völlig ungesicherten Darlehen über EUR 380.000,- auch unter Zugrundelegung eines ausgesprochen großzügigen Maßstabs bei weitem und um ein Vielfaches die Grenzen dessen überschritten sind, was noch als Zuwendung üblichen oder geringen bzw. geringfügigen Umfangs angesehen werden könnte. Zu dem Erhalt dieses Betrags kommt überdies, ohne dass es vorliegend noch darauf ankommen würde, noch hinzu, dass bereits unstreitig von der Klägerin ein Betrag von EUR 140.000,- für die telefonischen esoterischen Beratungsleistungen der Beklagten über das Internetportal gezahlt worden war, wovon die Beklagte jedenfalls anteilig partizipierte: Dass vor diesem Hintergrund mit der Auszahlung der streitgegenständlichen Darlehen an ihren Ehemann die Beklagte im Verhältnis zu der ihr gegenüber zu Vertrauen berechtigten Klägerin die Grenze jeglicher Geringfügigkeit oder Üblichkeit überschritt, ist offenkundig.
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(5) Die Vorteilserlangung erfolgte auch in Ausnutzung der Vertrauensstellung der Beklagten und weist damit mit dem Element der Treuewidrigkeit eine besondere Verwerflichkeit des Verhaltens auf. Die Beklagte erreichte die Gewährung der Darlehen durch Ausnutzung des besonderen Vertrauens, das die Klägerin ihr auf der Grundlage des jahrelangen Beratungsverhältnisses entgegenbrachte. Aus den manchmal mehrmals täglich durchgeführten Telefonaten wusste sie selbst um die intimsten Lebensumstände der Klägerin, ihre Wünsche, Hoffnungen und Ängste. Welchen Wert die Klägerin der Beratung durch die Beklagte zumaß, belegen schon die äußerst erheblichen Beträge, die sie hierfür viel Jahre aufwendete. Wesentliche Ursache hierfür war die breit angelegte Empfänglichkeit der Klägerin für esoterisches Gedankengut im weitesten Sinne. Um all das wusste die Beklagte und sie verstand es offenbar, diese Kenntnisse, das ihr entgegengebrachte besondere Vertrauen und den darauf fußenden Einfluss auf die Klägerin zu ihrem und dem Vorteil ihres Mannes zu nutzen.
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(a) Zur Überzeugung des Senats war zunächst festzustellen, dass die Beklagte selbst an der Abfassung des schriftlichen Darlehensvertrags aus dem Jahr 2010 gestaltend mitwirkte, wie auch durch die Vernehmung der von der Beklagten benannten Zeugen D. und E. bestätigte wurde. Diese hatten jeweils angegeben, dass die Beklagte bei der Übersetzung behilflich bzw. in die Kommunikation mit dem Steuerberater zur Erstellung des Vertragsentwurfs eingebunden war.
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(b) Die Klägerin hat zudem behauptet und in ihrer persönlichen Anhörung durch den Senat vom 29.08.2018 angegeben, dass die Darlehensgewährung auch erfolgt sei, weil die Beklagte ihr zunächst von einem Bekannten in Nepal erzählt habe, der das Geld brauche, und sodann ergänzt habe, dass sie, die Beklagte, einen Guru an der Hand habe, der die Klägerin „kaputtmachen“ werde, wenn sie nicht zahlen sollte. Zur Würdigung dieses Vorbringens der Klägerin zu diesen Drohungen ist allerdings festzustellen, dass es hier an einer hinreichend konkreten Darlegung mangelt, wann und wie genau der Klägerin diese Folgen in Aussicht gestellt wurden und wie sich diese Drohungen dazu verhalten sollen, dass die Klägerin die Zahlung der EUR 300.000,- auf einen schriftlichen Darlehensvertrag hin erbringen sollte, der wiederum auf die Geschäftsentwicklung der „Prêt à Porter“-Geschäfte Bezug nahm. Das Vorbringen der Klägerin mag vor diesem Hintergrund insoweit als ungenügend erscheinen, um zur Überzeugung des Senats die konkrete Feststellung zuzulassen, dass die Klägerin durch bestimmte Drohungen dieser Art zur Darlehensvergabe veranlasst wurde. Jedenfalls aber ist dem Vorbringen der Klägerin und namentlich dem Ergebnis ihrer Anhörung durch den Senat am 29.08.2018 zur Überzeugung des Senats die Beschreibung eines allgemeinen Geschehensablaufs zu entnehmen, in dem maßgeblich durch das Auftreten der Beklagten und unter Einbindung in eine Beziehung, die durch das Vertrauen der Klägerin auf die tatsächliche Existenz esoterischer und magischer Erscheinungen und Einflussmöglichkeiten gekennzeichnet ist, die Klägerin sich zur Vergabe der Darlehen über insgesamt EUR 380.000,- an den Ehemann der Beklagten bereitfand.
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Das Vorbringen der Beklagten steht dieser Überzeugungsbildung durch den Senat nicht entgegen. Die Beklagte hat, wie bereits ausgeführt wurde, nicht bestritten, dass die Klägerin auf die zwischen den Parteien praktizierte Form der esoterischen Beratung vertraute. Die Beklagte hat allerdings vehement in Abrede genommen, einen Bekannten in Nepal, der das Geld benötige, oder auch einen Guru, der Geld verlange, erwähnt zu haben. Dies habe nichts mit der von ihr ausgeübten Lebensberatung zu tun und sie sei keine „Hokus-Pokus-Tante“. Dies stünde aber lediglich einer bestimmten Form der Einflussnahme seitens der Beklagten in der durch das Vertrauen der Klägerin auf die besonderen Fähigkeiten der Beklagten bestimmten Beziehung entgegen, ohne auszuschließen, dass die Beklagte in sonstiger Weise, gegebenenfalls auch lediglich durch eine Ausnutzung der ihr durch ihre Beratungstätigkeit bekannten Einsamkeit der sich von ihrem Sohn im Stich gelassen fühlenden Klägerin, die eine Sucht nach esoterischer Lebensberatung entwickelt hatte, der Klägerin weisgemacht hatte, dass diese Darlehensvergabe ihren Interessen entsprechen würde. Die Beklagte setzt dann weiter dem vorstehend dargelegten Vorbringen der Klägerin selbst keine nachvollziehbare Erklärung dafür entgegen, aus welchem entgegen der obigen Würdigung nicht durch eine Ausnutzung der Vertrauensstellung der Beklagten begründetem Anlass die Klägerin dem Ehemann der Beklagten die streitgegenständlichen Darlehen gewährt haben sollte.
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(c) Auch sind die Konditionen dieser Darlehensvergabe durchweg nachteilig für die Klägerin: Sie hat nach den Bedingungen des Darlehensvertrags aus dem Jahr 2010 ein nicht kündbares ungesichertes Darlehen mit einer 20-jährigen Zinsfestschreibung zu einem Zinssatz von 3,45 % p.a. vergeben und dafür selbst ein mittels einer Belastung ihrer eigengenutzten Wohnimmobilie zu sichernde Darlehen aufgenommen, welches denselben Zinssatz bei einer Zinsfestschreibung von zehn Jahren hat. Im Ergebnis hat damit die Klägerin also allein das Ausfallrisiko des Ehemanns der Beklagten übernommen, für das sie wirtschaftlich ihre Wohnimmobilie als Sicherheit einsetzte, ohne auch nur die Aussicht auf einen Zinsgewinn zu erlangen. Für diese ganz erhebliche Übernahme eines wirtschaftlichen Risikos sind vielmehr keinerlei korrespondierende Vorteile ersichtlich, die nachvollziehbar erklären könnten, warum die Klägerin diese Darlehen vergeben haben sollte, wenn dem nicht die Ausnutzung der Vertrauensstellung der Beklagten zugrunde gelegen haben sollte. Gerade wenn der erheblichen Höhe der Vorteile, die der Treueverpflichtete erlangte, keine ersichtlichen Vorteile und Leistungen für den Treueberechtigten gegenüberstehen, kann dies als ein auf die Ausnutzung der Vertrauensposition hindeutender Umstand angesehen werden (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 26.04.2018 – 1 U 75/17, juris Rn. 41, NJW-RR 2018, 1257).
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(d) Dem vorstehend dargelegten Ergebnis der Überzeugungsbildung des Senats steht insbesondere auch nicht entgegen, dass, wie von der Beklagten geltend gemacht, die Darlehensvergabe deswegen erfolgt sei, weil die Klägerin den Ehemann der Beklagten eben gemocht habe und ihm für die Eröffnung eines neuen Ladengeschäfts habe Geld geben wollen. Die Angaben der Beklagten in ihrer persönlichen Anhörung zu dieser von ihr geltend gemachten Motivation der Klägerin sind nicht überzeugend und vermögen eine von der Ausnutzung der Vertrauensstellung der Beklagten unbeeinflusste Motivlage der Klägerin nicht zu erklären: Die Beklagte hat hier keine Einzelheiten einer besonderen Nähe der Klägerin zum Ehemann der Beklagten erläutern können, sondern lediglich pauschal darauf verwiesen, dass die Klägerin den Ehemann der Beklagten eben gemocht habe. Dies ist jedenfalls im Hinblick auf den Umfang der Vorteilsgewährung durch die (ungesicherten) Darlehen nicht als eine überzeugende Erklärung dafür anzusehen, warum sich die Klägerin bereitgefunden haben sollte, dem Ehemann der Beklagten für die Eröffnung eines neuen Ladengeschäfts Geld zu geben. Hinzu kommt, dass der Kontakt der Klägerin zum Ehemann der Beklagten schon aufgrund dessen unstreitig bestehender mangelnder Sprachkenntnisse nur begrenzt möglich sein könnte, wie letztlich auch die Beklagte damit bestätige, dass sie angab, dass ihr Ehemann die deutsche Sprache zwar verstehe, aber doch Hemmungen habe, selbst Deutsch zu sprechen.
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Dasselbe gilt für die von der Beklagten geschilderte Motivlage der Klägerin, dass sie ihrem Sohn nichts habe zukommen lassen wollen. Dies mag ein Motiv für die Erbeinsetzung der Beklagten gewesen sein, ist aber wenig überzeugend als Angabe eines Motivs für die Darlehensvergabe, wofür die Klägerin auch bereits zu Lebzeiten die ihr selbst zur Verfügung stehenden Vermögensmittel und die von ihr selbst genutzte Wohnimmobilie gefährdete.
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Überzeugend wird diese von der Beklagten geschilderte Motivlage auch nicht dadurch, dass sie geltend macht, dass auch die Erteilung der Generalvollmacht zugunsten der Beklagten wegen des schlechten Verhältnisses der Klägerin zum Sohn erfolgt sei: Dies erklärt nicht die Erteilung der Generalvollmacht und Betreuungsanordnung an die Beklagte sowie deren Ehemann. Auch im Hinblick auf den Zweck der Betreuungsvollmacht erscheint die Bevollmächtigung der in Bremen lebenden Beklagten sowie ihres Ehemanns für die in München lebende Klägerin wenig naheliegend. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf den Umstand der Bevollmächtigung auch des Ehemanns der Beklagten, der schon wegen seiner eingeschränkten Sprachkenntnisse kaum sinnvoll als geeigneter Bevollmächtigter erscheinen musste. Die weitere von der Beklagten in ihrer persönlichen Anhörung durch den Senat am 29.08.2018 vorgetragene Erklärung, die Bevollmächtigung sei deswegen erfolgt, weil die Klägerin wechselnd ein halbes Jahr in Bremen und ein halbes Jahr in der Türkei habe leben wollen und in dieser Zeit dann der Ehemann der Beklagten über das Internet das Konto der Klägerin hätte führen sollen, verfängt schon deswegen nicht, wie auch die Beklagte in ihrer Anhörung nicht aufzuklären vermochte, weil hierfür auch eine einfache Bankvollmacht genügt hätte. Vielmehr bekräftigt diese nicht mit rationalen Argumenten zu erklärende Vollmachtserteilung noch weiter die Überzeugungsbildung des Senats, dass die Klägerin umfassend unter dem Einfluss der Beklagten stand und dass diese ihre Vertrauensstellung ausnutzte, um ihren über die esoterische Beratung erlangten Einfluss auf die Klägerin im Sinne einer tatsächlichen Einfluss- und Zugriffsmöglichkeit auf das Vermögen der Klägerin auszuüben.
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(e) Auch die Angaben des Ehemanns der Beklagten sind nicht geeignet, einen von der Vertrauensstellung der Beklagten unabhängigen Anlass für die Darlehensvergabe darzutun oder zu belegen und damit der vorstehend geschilderten Überzeugungsbildung des Senats entgegenzustehen. Den Angaben des Ehemanns der Beklagten nach dem Protokoll seiner Zeugenvernehmung durch das Landgericht im Termin vom 25.04.2016 (Bd. I, Bl. 132-134) zu den Umständen der Darlehensvergabe und zu dessen Verwendung sind keinerlei Anhaltspunkte für einen unabhängigen Anlass für die Darlehensvergabe zu entnehmen. Insoweit gab er lediglich eine Vielzahl von vagen Faktoren an („um den Laden zu vergrößern“, „Wir haben von Frau A. nie Geld verlangt, sie hat darauf bestanden, es uns zu geben, weil sie unsere beste Kundin war“, „Das Geschäft lief von Anfang an schlecht“, „Ich kann heute nicht mehr genau sagen, wofür ich das Geld von Frau A. im Einzelnen verwendet habe“), die weder jeweils für sich genommen noch in Zusammenschau nachvollziehbar und überzeugend die Schilderung einer von der Vertrauensstellung der Beklagten unabhängigen Motivation der Klägern zur Darlehensvergabe erkennen ließen. Das bestätigt letztlich, dass allein der auf der Vertrauensstellung fußende Einfluss der Beklagten auf die Klägerin die bestimmende Grundlage für die Darlehensgewährung war. Es spricht überdies grundlegend gegen die Glaubwürdigkeit der Angaben des Ehemanns der Beklagten in dieser Zeugenvernehmung, dass er die Tätigkeit seiner Ehefrau in der telefonischen Beratung vollständig anders schilderte als diese selbst, wenn er angab, dass sie nichts mit Wahrsagen mache, während das Kartenlegen aber auch von der Beklagten selbst als Grundlage ihrer Tätigkeit angegeben wird. Für eine Wiederholung der Beweisaufnahme des Landgerichts zu diesem Punkt bestand für den Senat damit keine Veranlassung.
65
(f) Die Behauptung der Beklagten, die Bedingungen des Darlehensvertrags vom 27.05.2010 seien durch die Steuerberater beider Parteien ausgearbeitet worden, hat sich in der Beweisaufnahme nicht bestätigt. Sofern tatsächlich die Klägerin eine unabhängige Beratung hinsichtlich des Wie und des Ob der Zuwendung an den Ehemann der Beklagten erhalten haben sollte, dürfte dies der Annahme der Ausnutzung eines Vertrauensverhältnisses entgegenstehen. Ist Grundlage des Sittenwidrigkeitsvorwurfs, dass der Treueverpflichtete aus eigennützigen Gründen den Interessen des Treueberechtigten zuwider gehandelt hatte, der gerade darauf angewiesen war, dass der Treueverpflichtete seine Interessen wahrnahm und seine überlegenen Kenntnisse und Beeinflussungsmöglichkeiten nicht zum Schaden des Treueberechtigten nutzte, dann muss die Haftung dann entfallen, wenn der Treueberechtigte aufgrund Aufklärung und Beratung zu einer unbeeinflussten eigenen und unabhängigen Entscheidung imstande war. Es konnte sich aber bereits die Beklagte selbst in ihrer persönlichen Anhörung durch den Senat am 29.08.2018 schon nicht daran erinnern, von wem, wie und wann der Vertrag ausgehandelt worden sei. Der Zeuge E., der Steuerberater der Beklagten und ihres Ehemannes, gab in seiner Zeugenvernehmung durch den Senat am 26.06.2019 an, dass die Steuerberaterin der Klägerin, Frau F., ihn erst kontaktiert habe, nachdem er den Darlehensvertrag bereits vorbereitet hatte, wobei er den genauen zeitlichen Abstand nicht mehr angeben konnte. Die Steuerberaterin F. gab sodann in ihrer Vernehmung an, dass sie von dem Darlehensvertrag erstmals Ende 2011 erfahren habe und auch erst zu diesem Zeitpunkt Herrn E. deswegen kontaktiert habe. Diese Darstellung war für den Senat überzeugend, weil sie nachvollziehbar angab, dass sie erst zu diesem Zeitpunkt mit der Erstellung der Steuererklärung für die Klägerin für das Jahr 2010 betraut war und daher auch erst zu diesem Zeitpunkt überhaupt einen Einblick in die Finanzen der Klägerin für dieses Jahr erlangen konnte. Eine steuerliche oder anderweitige Beratung der Klägerin in Bezug auf den Darlehensvertrag vom 27.05.2010 verneinte die Zeugin F. folglich, zumal der Darlehensvertragsabschluss und die Auszahlung zu diesem Zeitpunkt bereits in der Vergangenheit lagen.
66
(g) Soweit die Beklagte behauptet hat, die Klägerin habe sich durch den Rechtsanwalt und Notar G., einen Sozius des Prozessbevollmächtigen der Beklagten, beraten lassen, hat sich aus der Vernehmung des Zeugen G. ergeben, dass er seine Beratungstätigkeit erst im Jahr 2012 in Bezug auf eine erbrechtliche Auseinandersetzung der Klägerin wegen der Auflösung einer Erbengemeinschaft erbracht habe. Damit liegt auch mit dem Tätigwerden des G. jedenfalls keine im Vorfeld der Darlehensvergaben aus den Jahren 2010 und 2011 erfolgende Beratung vor, aufgrund derer diese Darlehen als unabhängig und unbeeinflusst von der Ausnutzung eines Vertrauensverhältnisses durch die Beklagte vergeben erscheinen würden.
67
(h) Soweit die Beklagte bestreitet, dass die Klägerin ihre Wohnimmobilie habe verkaufen müssen, um das Darlehen bei der Z. zurückführen zu können, da sie vielmehr aus der Auflösung der Erbengemeinschaft noch einen Anspruch auf Zahlung weiterer EUR 300.000,- gehabt habe, steht auch dieses der vorstehend dargelegten Überzeugungsbildung des Senats nicht entgegen: Auch wenn die Klägerin noch über weitere Vermögensmittel verfügt haben sollte, handelte es sich bei der Vergabe eines ungesicherten Darlehens über EUR 380.000,-, zu dessen Refinanzierung die Klägerin ein durch Belastung ihrer selbstgenutzten Wohnimmobilie zu sicherndes eigenes Darlehen aufnahm, jedenfalls um eine sehr umfängliche Belastung der Klägerin, die nicht dadurch als relativ unerheblich anzusehen wäre, weil der Klägerin gegebenenfalls noch weitere Vermögensmittel zur Verfügung standen. Im Übrigen ist darauf zu verweisen, dass die Beratung zur Auflösung der Erbengemeinschaft im April 2012 stattgefunden haben soll, während das Darlehen an den Ehemann der Beklagten im Jahr 2010 vergeben wurde, ab dem Jahr 2011 keine Rückzahlungen mehr erfolgten und auch schon mit notariellem Vertrag vom 19.01.2012 die Wohnimmobilie der Klägerin verkauft wurde, so dass jedenfalls zu diesem Zeitpunkt Mittel aus der Auflösung der Erbengemeinschaft noch nicht zur Verfügung standen.
68
(i) Der vorstehenden Würdigung steht auch nicht entgegen, dass die Beklagte darauf verweist, dass sich eine mangelnde Glaubhaftigkeit der Klägerin auch dem Umstand entnehmen lasse, dass sie ihren Vortrag zum Grund ihres Zahlungsanspruchs im Laufe der rechtlichen Auseinandersetzungen geändert habe und insbesondere zunächst nicht auf die geltend gemachten Drohungen verwiesen habe. Dies ist aber für die Begründung der Haftung der Beklagten aus § 826 BGB deswegen unerheblich, weil diese sich nicht darauf stützt, dass die Klägerin durch bestimmte Drohungen zur Vergabe der streitgegenständlichen Darlehen veranlasst wurde, sondern vielmehr auf das unstreitige Bestehen einer Vertrauensstellung der Beklagten und der zur Überzeugung des Senats festgestellten Ausnutzung dieses Vertrauensverhältnisses im Zuge der Darlehensvergabe an den Ehemann der Beklagten, für die es an einer von dieser Ausnutzung unabhängigen Erklärung fehlt.
69
(j) Ebenso kommt es nicht auf die Behauptungen der Beklagten an, dass zwischen ihr und der Klägerin ein herzliches Verhältnis bestanden habe und dass sie die Klägerin nicht mit Drohungen unter Druck gesetzt habe. Auch eine nach außen wirkende und Dritten gegenüber erscheinende Herzlichkeit des Verhältnisses zwischen den Parteien würde keine nachvollziehbare Erklärung für die Darlehensvergabe an den Ehemann der Beklagten bieten und steht insbesondere nicht der Beurteilung entgegen, dass die Darlehensvergabe durch die Klägerin unter Ausnutzung dieses Vertrauensverhältnisses erfolgt war. Der Vernehmung der hierzu von der Beklagten angebotenen Zeugen bedurfte es daher nicht.
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(k) Dasselbe gilt für das Vorbringen der Beklagten dazu, dass die Erteilung der Vollmacht auf dem freien Willen der Klägerin beruht habe und dass ebenso die Klägerin auch bei der Erbeinsetzung der Beklagten geschäftsfähig gewesen sei und hier aufgrund freien Willens gehandelt habe, wozu sich die Beklagte auf das Zeugnis des beurkundenden Notars H. bzw. seines Vertreters I. beruft. Die Annahme der Ausnutzung des Vertrauensverhältnisses durch die Beklagte setzt nicht voraus, dass die Klägerin in einem die freie Willensbildung ausschließenden Zustand gehandelt hätte; überdies ist vorliegend nicht die Erbeinsetzung und die Bevollmächtigung streitgegenständlich, sondern lediglich die Veranlassung zur Darlehensvergabe.
71
(l) Dass die Beklagte den Vortrag der Klägerin bestreitet, dass bei der Klägerin eine erhöhte Suggestibilität vorliege und dass sie geschickten Beeinflussungen gegenüber hilflos ausgeliefert sei, wie sich auch aus dem im Betreuungsverfahren eingeholten Gutachten aus dem Jahr 2018 ergebe, steht schließlich der vorstehend dargelegten Überzeugungsbildung des Senats ebenfalls nicht entgegen: Die Beklagte selbst hat in ihrer persönlichen Anhörung durch den Senat am 29.08.2018 erklärt, dass sie die Klägerin für willensstark gehalten habe, aber auch ausgeführt, dass die Klägerin eine Sucht nach Kartenlegern habe und deswegen täglich bei dem Internetportal angerufen habe. Jedenfalls die Möglichkeit einer Ausnutzung eines aufgrund dieser esoterischen Lebensberatung begründeten Vertrauensverhältnisses ist damit auch unter Zugrundelegung des eigenen Vorbringens der Beklagten nicht ausgeschlossen, ohne dass es zu dieser Feststellung der Heranziehung des Gutachtens aus dem Betreuungsverfahren bedürfte.
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Soweit sich demgegenüber aus dem Gutachten Anhaltspunkte für die Annahme dafür ergeben, dass die Klägerin an einer Demenz und organisch bedingter Wahnhaftigkeit leidet, ist dies ein Faktor, der dann zu berücksichtigen wäre, wenn die Haftung der Beklagten auf ein streitiges Vorbringen der Klägerin zu bestimmten Drohungen im Zusammenhang mit der Darlehensvergabe zu stützen wäre, nicht aber dann wenn, wie vorstehend dargelegt, die Haftung mit dem unstreitigen Bestehen einer Vertrauensstellung der Beklagten und dem Fehlen einer von der Ausnutzung dieses Vertrauensverhältnisses unabhängigen Erklärung der Darlehensvergabe an den Ehemann der Beklagten begründet wird.
73
b. Die für die Haftung der Beklagten aus § 826 BGB erforderliche Schädigung der Klägerin liegt vor. Das Vermögen der Klägerin wurde durch die Vergabe der ungesicherten Darlehen und die Auszahlung der Darlehensbeträge zunächst – unabhängig von der Frage eines zu diesem Zeitpunkt etwaig bestehenden Rückzahlungswillens des Ehemanns der Beklagten – zumindest gefährdet und sodann durch den nahezu kompletten Ausfall der Rückzahlung tatsächlich geschädigt. Diese Schädigung stellt sich auch als zurechenbare Folge der Darlehensvergabe der Klägerin an den Ehemann der Beklagten dar, da sich darin gerade das dem unbesicherten Darlehensvertrag eigene Risiko des Ausfalls der Darlehensrückzahlung realisiert hatte. Soweit nicht durch die bis 2011 erfolgten Ratenzahlungen eine Teil-Rückzahlung der ursprünglich ausgereichten Darlehen erfolgt war, erlangte die Klägerin keinen korrespondierenden Vorteil, welcher den verbleibenden Nachteil, den sie in Höhe von EUR 365.000,- geltend macht, ausgleichen würde.
74
c. Auch der nach § 826 BGB erforderliche Vorsatz bezüglich der sittenwidrigen Schädigung liegt vor.
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Hinsichtlich der Sittenwidrigkeit bedarf es in subjektiver Hinsicht im Rahmen des § 826 BGB einer Kenntnis der diese begründenden Umstände (vgl. BGH, Urteil vom 24.11.1952 – III ZR 164/51, juris Rn. 9, BGHZ 8, 83; Urteil vom 30.01.1953 – I ZR 88/52, juris Rn. 10, BGHZ 8, 387, 393; Urteil vom 15.06.1987 – II ZR 301/86, juris Rn. 23, BGHZ 101, 153; Urteil vom 21.04.2009 – VI ZR 304/07, juris Rn. 20, WM 2009, 1073; Urteil vom 10.02.2015 – VI ZR 569/13, juris Rn. 17, WM 2015, 610). Diese ist vorliegend gegeben, denn die Beklagte wusste um ihre Vertrauensstellung und um die Darlehensvergabe, die von keinem von der Ausnutzung der Vertrauensstellung unbeeinflussten Grund getragen wurde. Der Nachweis einer darüber hinausgehenden besonderen sittenwidrigen Absicht ist im Rahmen des § 826 BGB nicht erforderlich (siehe BGH, Urteil vom 15.06.1987 – II ZR 301/86, juris Rn. 23, BGHZ 101, 153).
76
Bezüglich der Schädigung ist sodann im Rahmen des § 826 BGB wenigstens bedingter Vorsatz erforderlich, d.h. der Schädiger muss diese billigend Kauf genommen haben (siehe BGH, Urteil vom 03.12.1973 – II ZR 144/72, juris Rn. 9, WM 1974, 153; BGH, Urteil vom 20.11.1990 – VI ZR 6/90, juris Rn. 20, WM 1991, 241; Urteil vom 28.06.2016 – VI ZR 536/15, juris Rn. 25, NJW 2017, 250). Es genügt ferner, dass sich der Vorsatz auf eine schadensgleiche Vermögensgefährdung bezieht (siehe BGH, Urteil vom 22.06.2010 – VI ZR 212/09, juris Rn. 23, BGHZ 186, 58; vgl. auch BGH, Urteil vom 15.05.1979 – VI ZR 230/76, juris Rn. 24, BGHZ 74, 281), so dass im Ergebnis ein bedingter Vorsatz hinsichtlich der Möglichkeit der Schädigung im Rahmen des § 826 BGB ausreichen kann (siehe BGH, Urteil vom 03.12.1973 – II ZR 144/72, juris Rn. 9, WM 1974, 153; Urteil vom 19.07.2004 – II ZR 217/03, juris Rn. 47, NJW 2004, 2668). Zudem werden dem Geschädigten in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für den Beweis des bedingten Vorsatzes des Schädigers Beweiserleichterungen zugebilligt: Grundsätzlich trägt zwar derjenige, der einen Anspruch aus § 826 BGB geltend macht, die volle Darlegungs- und Beweislast für die anspruchsbegründenden Tatsachen, d.h. sowohl für die Umstände, die die Schädigung und deren Sittenwidrigkeit in objektiver Hinsicht begründen, als auch für den zumindest bedingten Vorsatz des Schädigers hinsichtlich des Vorliegens dieser Umstände (vgl. BGH, Urteil vom 19.07.2004 – II ZR 218/03, juris Rn. 43, BGHZ 160, 134; Urteil vom 20.12.2011 – VI ZR 309/10, juris Rn. 8, NJW-RR 2012, 404; Urteil vom 22.02.2019 – V ZR 244/17, juris Rn. 37, WM 2019, 1356). Da sich auf diesen Vorsatz als innere Tatsache aber ohnehin nur aus äußeren Umständen schließen lässt, kann sich insbesondere aus der Art und Weise des sittenwidrigen Handelns die Schlussfolgerung ergeben, dass mit Schädigungsvorsatz gehandelt worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 05.03.1975 – VIII ZR 230/73, juris Rn. 24, WM 1975, 559; Urteil vom 20.03.1995 – II ZR 205/94, juris Rn. 98, BGHZ 129, 136; Urteil vom 06.05.2008 – XI ZR 56/07, juris Rn. 46, BGHZ 176, 281;Urteil vom 20.12.2011 – VI ZR 309/10, juris Rn. 11, NJW-RR 2012, 404; Urteil vom 22.02.2019 – V ZR 244/17, juris Rn. 37, WM 2019, 1356). Namentlich kann dabei dem Grad der Leichtfertigkeit des Schädigers besondere Bedeutung zukommen (vgl. BGH, Urteil vom 09.03.2010 – XI ZR 93/09, juris Rn. 39, BGHZ 184, 365; Urteil vom 20.12.2011 – VI ZR 309/10, juris Rn. 11, NJW-RR 2012, 404). Auch kann es im Einzelfall beweisrechtlich naheliegen, dass der Schädiger einen pflichtwidrigen Erfolg gebilligt hat, wenn er sein Vorhaben trotz starker Gefährdung des betroffenen Rechtsguts durchführt, ohne auf einen glücklichen Ausgang vertrauen zu können, und es dem Zufall überlässt, ob sich die von ihm erkannte Gefahr verwirklicht oder nicht (vgl. BGH, Urteil vom 13.12.2001 – VII ZR 305/99, juris Rn. 10, NJW-RR 2002, 740; Urteil vom 11.11.2003 – VI ZR 371/02, juris Rn. 27, NJW 2004, 446; Urteil vom 20.11.2012 – VI ZR 268/11, juris Rn. 33, WM 2012, 2377). Eine bloße Hoffnung oder Erwartung, dass sich durch noch ungewisse künftige Ereignisse eine Schädigung nicht realisieren würde, steht dem Eventualvorsatz nicht entgegen (siehe auch BGH, Urteil vom 19.07.2004 – II ZR 217/03, juris Rn. 47, NJW 2004, 2668).
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Vorliegend ist die Gefährdung des Vermögens der Klägerin durch das Ausfallrisiko bei einem ungesicherten Darlehen offenkundige Folge einer Darlehensvergabe; es ist auch nichts dazu ersichtlich, dass und auf welcher Grundlage die Beklagte davon ausgehen wollte, dass dieses Risiko nicht bestand: Damit kann nicht festgestellt werden, dass die Beklagte tatsächlich darauf vertraute, dass die Schädigung der Klägerin nicht eintreten werde. Insbesondere ist auch nichts dazu vorgetragen oder ersichtlich, worauf sich eine sichere Erwartung der Rückzahlungsfähigkeit des Ehemanns der Beklagten in Bezug auf die aufgenommenen Darlehen stützen könnte: Die Beklagte macht zwar geltend, es sei zum Zeitpunkt der Darlehensaufnahme im Jahr 2010 das weitere Geschäft des Ehemanns mit Erfolg geführt worden und es sei – auch wegen der Einnahmen der Beklagten – die Familie wirtschaftlich gesund gewesen. Gleichwohl hat auch die Beklagte eingeräumt, dass der Ehemann der Beklagten sich zu diesem Zeitpunkt wegen der bevorstehenden Geschäftseröffnung in der Unternehmensaufbauphase befunden habe, in der das Auflaufen von Anfangsverlusten normal sei. Jedenfalls eine über die bloße Aussicht oder Hoffnung hinausgehende sichere Erwartung, dass das Geschäft des Beklagten erfolgreich sein würde und dass er deswegen zur vollständigen Rückzahlung des Darlehens über die vereinbarte Laufzeit von zwanzig Jahren imstande sein würde, konnte damit nicht begründet sein. Insbesondere ergibt sich ein besonderer Grad der Leichtfertigkeit, der auf einen jedenfalls bedingten Schädigungsvorsatz schließen lässt, dann auch daraus, dass keinerlei Maßnahmen zu erkennen sind, die von der Beklagten zur Abwendung dieser Gefahr ergriffen worden wären, namentlich die Stellung von Sicherheiten, sei es durch Grundpfandrechte, Sicherungsabtretungen von Einnahmen oder auch nur einer von der Beklagten selbst gestellten Bürgschaft. Es ist also weder zu erkennen, worauf ein begründetes Vertrauen zu stützen gewesen sein sollte, dass der Ehemann der Beklagten zur Rückzahlung der Darlehen in der Lage sein sollte, noch wie die Beklagte der naheliegenden Gefahr einer Schädigung der Klägerin durch eine Uneinbringlichkeit des Rückzahlungsanspruchs begegnet wäre. Ein jedenfalls bedingter Vorsatz hinsichtlich der Möglichkeit der Schädigung ist damit zu bejahen.
78
d. Dem Anspruch der Klägerin aus § 826 BGB ist auch nicht das Vorbringen der Beklagten entgegenzuhalten, dass, nachdem der Ehemann der Beklagten der Klägerin mitgeteilt habe, dass er die monatlichen Raten nicht mehr zahlen könne, die Klägerin erklärt habe, dass sie ihm das Geld schenken und ihm die Darlehensrückzahlung erlassen wolle. Dieser Vortrag ist schon hinsichtlich des Zeitpunkts und der weiteren Umstände einer angeblichen Erlassvereinbarung unsubstantiiert und lässt im Übrigen auch nicht die Vereinbarung einer Erlasswirkung auch gegenüber der Beklagten erkennen, zumal an die Feststellung des auf den Abschluss eines Erlassvertrags gerichteten Willens des Gläubigers strenge Anforderungen zu stellen sind (siehe BGH, Urteil vom 03.06.2008 – XI ZR 353/07, juris Rn. 20, NJW 2008, 2842). Das Angebot eines Zeugenbeweises durch die Beklagte ersetzt nicht den eigenen substantiierten Sachvortrag. Letztlich kommt es aber hierauf auch deswegen nicht an, weil auch die Vereinbarung eines Erlasses bestehender Verbindlichkeiten als weitere Zuwendung im Rahmen des zwischen der Klägerin und der Beklagten bestehenden besonderen Vertrauensverhältnisses anzusehen wäre, für die es auch hier an einem von der Ausnutzung der Vertrauensstellung der Beklagten unabhängigen Rechtsgrund fehlen würde, so dass auch dieser Erlass, wäre er denn wirksam vereinbart, wiederum Ansprüche nach § 826 BGB begründen würde.
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e. Der Durchsetzbarkeit des Anspruchs der Klägerin ist auch nicht die von der Beklagten erstmals in der Berufungsinstanz erhobene Einrede der Verjährung entgegenzuhalten. Dabei ist vorliegend die Verjährungseinrede nicht schon aufgrund des § 531 ZPO als neues Verteidigungsmittel ausgeschlossen, da die Erhebung der Einrede wie auch die den Verjährungseintritt betreffenden tatsächlichen Umstände zwischen den Prozessparteien unstreitig sind (siehe BGH, Beschluss vom 23.06.2008 – GSZ 1/08, juris Ls., BGHZ 177, 212). Vielmehr greift auf der Grundlage der Bewertung dieser unstreitigen Umstände die Einrede der Verjährung nicht durch.
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aa. Der Anspruch der Klägerin ist nach den vorstehenden Ausführungen in der Ausnutzung eines zwischen den Parteien bestehenden Vertrauensverhältnisses begründet und damit setzt der Beginn des Laufs der kenntnisabhängigen Verjährung nach § 199 Abs. 1 BGB voraus, dass die Klägerin tatsächlich erkannte oder grob fahrlässig nicht erkannte, im Rahmen des zur Beklagten bestehenden Vertrauensverhältnisses von der Beklagten sittenwidrig hinsichtlich der Vergabe der Darlehen ausgenutzt worden zu sein. Dies entspricht der Wertung, dass auch bei der Haftung eines Rechtsberaters für den Beginn des Laufs der Verjährung eine Kenntnis des Mandanten von den wesentlichen tatsächlichen Umständen nicht genügend ist und der Mandant vielmehr auch eine Kenntnis von solchen Tatsachen erlangen muss, aus denen sich für ihn ergibt, dass der Rechtsberater sich ihm gegenüber pflichtwidrig verhalten hat (siehe BGH, Urteil vom 25.10.2018 – IX ZR 168/17, juris Rn. 9, WM 2019, 787). Die positive Erkenntnis bzw. grob fahrlässige Nichterkenntnis der Klägerin von ihrer sittenwidrigen Ausnutzung durch die Beklagte ist erst mit dem Bruch zwischen den Parteien im Jahr 2012 gegeben gewesen; auch seitens der Beklagten ist nichts dazu vorgetragen, dass die Klägerin diese Ausnutzung zu einem früheren Zeitpunkt erkannt hat bzw. hätte erkennen müssen. Wird der Anspruch nicht auf die Geltendmachung einer Drohung als Grundlage der Darlehensvergabe gestützt, dann ist insbesondere nicht, anders als die Beklagte meint, schon eine Kenntnis von dieser Drohung für den Beginn der Verjährung ausreichend. Die bloße Kenntnis von der Darlehensvergabe wie auch vom Bestehen des Vertrauensverhältnisses wiederum, die bereits im Jahr 2010 bzw. 2011 gegeben war, genügt hingegen deswegen nicht, weil sich hieraus nicht die Kenntnis bzw. grob fahrlässige Unkenntnis der Klägerin von der Ausnutzung dieses Verhältnisses ergibt. Folglich konnte die regelmäßige Verjährung erst mit dem Ablauf des 31.12.2015 eintreten.
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Zu diesem Zeitpunkt war aber der Lauf der Verjährung bereits nach § 204 Nr. 1 BGB durch die Klagezustellung am 14.03.2015 gehemmt. Die Hemmungswirkung der Klagzustellung ist auch ungeachtet des Umstandes eingetreten, dass die Klägerin ihre Klage zunächst auf einen vertraglichen Darlehensrückzahlungsanspruch gestützt hatte und erstmals mit am 23.02.2016 dem Beklagtenvertreter zugegangenen Schriftsatz vom 15.02.2016 behauptet hatte, durch Drohungen zur Darlehensvergabe bewogen worden zu sein, da der Streitgegenstand der Klage weiterhin mit demjenigen des hier entschiedenen Anspruchs aus § 826 BGB wegen Ausnutzung eines Vertrauensverhältnisses identisch ist: Der Begriff des Streitgegenstands wird durch den Klageantrag, in dem sich die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt (Anspruchsgrund), aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet, bestimmt, wobei zum Anspruchsgrund alle Tatsachen zu rechnen sind, die bei einer natürlichen, vom Standpunkt der Parteien ausgehenden und den Sachverhalt seinem Wesen nach erfassenden Betrachtung zu dem zur Entscheidung gestellten Tatsachenkomplex gehören (siehe BGH, Urteil vom 23.06.2015 – II ZR 166/14, juris Rn. 14, ZIP 2015, 1701; Urteil vom 21.11.2017 – II ZR 180/15, juris Rn. 17, WM 2018, 367). Im vorliegenden Fall hat die Klägerin mit der Klagschrift den Umstand der Darlehensauszahlung an den Ehemann der Beklagten vorgetragen, so dass die Haftung damit – wenn auch aus anderen rechtlichen Gesichtspunkten – auf denselben Lebenssachverhalt gestützt wird und auf dieselbe Rechtsfolge gerichtet ist wie von der Klägerin in der Klage geltend gemacht wird, so dass von einer Identität des Streitgegenstands auszugehen ist, wenn auch auf den tatsächlichen Umstand der Ausnutzung des Vertrauensverhältnisses noch nicht abgestellt wurde. Mithin konnte wegen der ab dem 14.03.2015 eingetretenen Hemmung die Verjährung nicht eintreten.
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bb. Im Übrigen wäre auch dann, wenn für den Beginn der Hemmung der Verjährungsfrist auf den Zugang des Schriftsatzes der Klägerin vom 15.02.2016 beim Beklagtenvertreter am 23.02.2016 abzustellen wäre, eine Verjährung im Ergebnis nicht eingetreten. Vielmehr wäre der Einrede der Verjährung vorliegend der Grundsatz von Treu und Glauben entgegenzuhalten, soweit die Verjährung deliktsrechtlicher Ansprüche bereits vor dem Zeitpunkt des Ablaufs der Frist zur Verjährung eines darlehensvertraglichen Anspruchs eintreten würde, deren Lauf wegen der im Jahr 2013 erfolgten Kündigung erst mit dem Schluss des Jahres 2013 begonnen hatte und damit unzweifelhaft im Februar 2016 noch nicht abgelaufen war. Dem liegt zugrunde, dass die Berufung auf die Einrede der Verjährung als eine unzulässige Rechtsausübung angesehen wird, wenn der Schuldner Anlass zu der Annahme gegeben haben sollte, es gelte eine längere Frist (siehe BGH, Urteil vom 13.04.1989 – I ZR 28/87, juris Rn. 22, NJW-RR 1989, 1270) bzw. wenn der Schuldner durch das Verhalten, welches Grundlage des Anspruchs ist, den Gläubiger von einer rechtzeitigen Geltendmachung abhält (siehe BGH, Urteil vom 01.10.1987 – IX ZR 202/86, juris Rn. 16, NJW 1988, 265; Urteil vom 14.11.2013 – IX ZR 215/12, juris Rn. 15 ff., WM 2014, 854; Beschluss vom 05.11.2014 – XII ZB 186/13, juris Rn. 22, NJW-RR 2015, 193). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt: Die Beklagte hat nach den vorstehenden Ausführungen das Vertrauensverhältnis zur Klägerin dahingehend ausgenutzt, dass letztere dem Ehemann der Beklagten Darlehen gewährte. Folglich durfte die Klägerin aufgrund dieses Verhaltens, welches zugleich Grundlage ihres Anspruchs ist, grundsätzlich mit einer Rückforderbarkeit dieser Darlehen innerhalb des Zeitrahmens rechnen, der sich nach den Grundsätzen der Verjährung in Bezug auf diese Darlehensrückzahlungsansprüche ergab. Da diese Ansprüche aber nach der im Jahr 2013 erfolgten Kündigung erst nach Ablauf der mit dem Schluss des Jahres 2013 beginnenden Regelverjährung verjährt gewesen wären, so dass sie im Februar 2016 noch nicht verjährt waren, wäre es als rechtsmissbräuchlich anzusehen, wenn sich die Beklagte im Hinblick auf die Begründung der Ansprüche der Klägerin aufgrund einer Ausnutzung des zur Beklagten bestehenden Vertrauensverhältnisses auf einen früheren Ablauf der Verjährungsfrist berufen könnte.
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f. Der Zinsanspruch folgt aus Gründen des Verzugs nach den §§ 286, 288 BGB. Die Beklagte ist als Schuldnerin eines deliktischen Anspruchs wegen der rechtswidrigen Entziehung ihr nicht zustehender Geldbeträge in Form der Vorteilsverschaffung an ihren Ehemann ohne das Erfordernis einer Mahnung (siehe § 286 Abs. 2 Nr. 4 BGB) in Verzug gewesen nach dem Grundsatz des fur semper in mora (siehe BGH, Urteil vom 13.12.2007 – IX ZR 116/06, juris Rn. 13, WM 2008, 449; Palandt-Grüneberg, 78. Aufl., § 286 BGB Rn. 25). Soweit die Klägerin für den Zeitraum vom 19.06.2010 bis 20.08.2013 Zinsen in der Höhe von 3,45 % jährlich begehrt, wie dies der Darlehensvereinbarung vom 27.05.2010 entspricht, bleibt dieser Zinssatz für den gesamten genannten Zeitraum hinter dem Verzugszinssatz nach § 288 Abs. 1 BGB zurück, so dass der geltend gemachte (Vertrags-) Zins als Verzugszins zuerkannt werden kann.
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g. Die Verurteilung der Beklagten als Gesamtschuldnerin neben dem ehemaligen Beklagten D. entspricht dem Antrag der Klägerin (vgl. auch KG Berlin, Beschluss vom 16.02.2010 – 14 U 189/09, juris Rn. 2, JurBüro 2010, 376); dabei kann, soweit die Klägerin gegenüber dem ehemaligen Beklagten lediglich vertragliche Ansprüche geltend gemacht hat, eine Gesamtschuld in entsprechender Anwendung des § 840 BGB auch dann vorliegen, wenn einer der Schuldner aus Delikt haftet, der andere aus Vertrag (siehe BGH, Urteil vom 15.04.1969 – VI ZR 56/68, VersR 1969, 737; Staudinger-Vieweg, 2015, § 840 BGB Rn. 15). Über das tatsächliche Bestehen einer Haftung des ehemaligen Beklagten D. war vorliegend nicht zu entscheiden.
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h. Wie sich aus den Ausführungen vorstehend zu Ziff. 1.a.bb.(2) ergibt, hat die Beklagte, indem sie die zur Klägerin aufgrund ihrer Beratungstätigkeit bestehende Vertrauensposition ausnutzte, um die Klägerin zur Vergabe der streitgegenständlichen Darlehen an den Ehemann der Klägerin zu bewegen, auch gegen ihre besondere Treuepflichtbindungen aus Vertrag bzw. auf der Grundlage der §§ 311 Abs. 3, 241 Abs. 2 BGB verstoßen, so dass der Klägerin gegen die Beklagte auch ein gleichgerichteter Schadensersatzanspruch nebst Zinsen im tenorierten Umfang wegen dieser Pflichtverletzungen zusteht.
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2. Da nach den vorstehenden Ausführungen unter Ziff. 1.a. bis g. der Anspruch der Klägerin aus § 826 BGB zu begründen war, war nach dem Antrag der Klägerin zudem festzustellen, dass der von ihr geltend gemachte Anspruch auf einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung beruht: § 826 BGB zählt zu den Vorschriften, die eine unerlaubte Handlung zum Gegenstand haben und die vorsätzliche Handlungsweise wurde ebenfalls festgestellt. Für die Feststellung des Haftungsgrundes einer unerlaubten Handlung besteht im Hinblick auf § 302 Nr. 1 InsO grundsätzlich ein Rechtsschutzinteresse (vgl. BGH, Urteil vom 16.11.2016 – VIII ZR 297/15, juris Rn. 20, NJW-RR 2017, 380).
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 709 S. 2, 711 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern (§ 543 Abs. 2 ZPO). Die Anwendung der Grundsätze der Sittenwidrigkeit im Rahmen der §§ 138, 826 BGB, der Auslegung des Inhalts von Treuestellungen sowie der Anwendung der Einwendung des § 242 BGB erfolgte auf der Grundlage einer bereits vom Bundesgerichtshof geklärten Auslegung dieser Rechtssätze auf den vorliegenden Einzelfall.
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4. Hinsichtlich der Bestimmung des Gegenstandswerts der Berufung wirkt sich der Antrag auf Feststellung, dass der mit dem Leistungsantrag verfolgte Anspruch aus vorsätzlich unerlaubter Handlung stammt, nicht werterhöhend aus (siehe BGH, Beschluss vom 13.02.2013 – II ZR 46/13, juris Rn. 3, NJW-RR 2013, 1022).