Zum Schadensersatzanspruch eines Grundstückseigentümers wegen Infraschallimmissionen von einer Windkraftanlage

LG Paderborn, Urteil vom 11. November 2019 – 3 O 172/19

Zum Schadensersatzanspruch eines Grundstückseigentümers wegen Infraschallimmissionen von einer Windkraftanlage

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand
1
Der Kläger begehrt von der Beklagten im Wege der Teilklage eine Entschädigung wegen Einwirkungen auf sein Grundstück durch von der Beklagten betriebene Windenergieanlagen sowie Feststellung der Einstandspflicht für weitere Schäden.

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Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks X 12 in C. Er wohnt in dem darauf errichteten Gebäude und betreibt dort auch einen Pensionsbetrieb.

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Die Beklagte betreibt 7 Windenergieanlagen, die immissionsschutzrechtlich vom Kreis Q genehmigt sind (Genehmigung vom 27.12.2016, Az. …). Es handelt sich um Windenergieanlagen des Typs Enercon E-115 mit einer Gesamtanlagenhöhe von 206,94 m und einem Rotordurchmesser von 115,71 m. Die nächstgelegene Anlage des Windparks befindet sich in einer Entfernung von 2321 m zum Wohngrundstück des Klägers. Die Anlagen liegen innerhalb der im Flächennutzungsplan der Gemeinde C ausgewiesenen Windvorrangfläche (vgl. § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB). Verwaltungsgerichtliche Rechtsbehelfe des Klägers blieben im Eilverfahren wie auch im Hauptsacheverfahren ohne Erfolg. Seinen Eilantrag wies zunächst das Verwaltungsgericht Minden zurück (11 L 1196/17); die dagegen eingelegte Beschwerde das Oberverwaltungsgericht Münster mit Beschluss vom 30.01.2018 (Az. 8 B 1016/17). Den Hauptsachantrag des Klägers beschied das Verwaltungsgericht Minden mit Urteil vom 12.12.2018 (11 K 928/17) abschlägig; ein Rechtsmittel wurde nicht eingelegt

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Weitere Windenergieanlagen anderer Betreiber befinden sich ebenfalls in der Umgebung des klägerischen Grundstücks.

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Zwischen den Parteien des Rechtsstreits ist unstreitig, dass die streitgegenständlichen Windkraftanlagen ebenso wie Windkraftanlagen generell unter anderem auch Infraschall emittieren und dass keine wirksamen Schutzmaßnahmen gegen die durch Infraschall ausgelösten Immissionen bekannt sind.

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Der Kläger behauptet, dass die Nutzbarkeit seines Wohngrundstückes durch die von dem Betrieb der Windenergieanlagen der Beklagten ausgehenden Emissionen empfindlich beeinträchtigt sei. Es komme bei entsprechenden Windrichtungen und Umgebungsbedingungen, die mehrmals monatlich, bei entsprechenden Jahreszeiten bzw. bei entsprechenden Witterungsbedingungen aber auch täglich vorkämen, bei ihm und seiner Familie, aber auch weiteren Nachbarn infolge des Betriebs der Anlagen zu Störungen der Nachtruhe mit häufigen Aufwachereignissen, teilweisem Herzrasen, Druck auf den Ohren, vermehrten Kopfschmerzen, innerer Unruhe sowie Unausgeglichenheit und Müdigkeit. Es habe sich insgesamt ein Zustand ständiger Gereiztheit und Erschöpfung eingestellt. Zu befürchten seien Langzeitfolgen durch dauerhaft ungesunden Schlaf und erhöhte Stressfaktoren wie Bluthochdruck. Er habe vorher unter solchen Beschwerden nicht gelitten. Erst im Zusammenhang mit den streitgegenständlichen Windkraftanlagen seien diese Beschwerden aufgetreten. Auch sein Pensionsbetrieb sei dadurch beeinträchtigt. Gesundheitliche Einschränkungen, wie er sie erfahre, seien bei vielen Anwohnern in der Nähe von Windkraftanlagen im gesamten Bundesgebiet anzutreffen.

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Ursache dafür sei – in seinem Falle – der von den streitgegenständlichen Windkraftanlagen ausgehenden Infraschall. Dass Infraschallimmissionen in der Umgebung von Windkraftanlagen festzustellen seien, sei unter anderem durch Messungen einer Firma B aus Finnland ermittelt worden. Der von Windkraftanlagen emittierte Infraschall unterscheide sich deutlich von sonstigen Infraschallimmissionen, da er namentlich von der Bewegung der Rotorblätter verursacht werde und auf bestimmten trennscharfen Frequenzlinien auftrete. Auch wenn Infraschall für die menschlichen Sinnesorgane nicht wahrnehmbar sei, könne er aber gleichwohl auf den Körper und insbesondere die Hirnaktivität einwirkten. Die Folge seien zum Beispiel Schwindelgefühle, diffuse Krankheits- oder Befindlichkeitsstörungen, Müdigkeit, Benommenheit, Apathie, Depressionen und Konzentrationseinbußen.

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Nach allem liege damit eine wesentliche Eigentumsbeeinträchtigung gemäß § 906 BGB vor, die auch nicht ortsüblich im Sinne von § 906 Abs. 2 BGB sei. Sie störe die Nutzung seines Grundstücks als privates Wohngrundstück in ganz erheblichem Ausmaß; auch die Attraktivität der von ihm betriebenen Pension sei empfindlich gemindert.

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Da ihm nach Maßgabe des §§ 14 BImSchG der Abwehranspruch gegen diese Beeinträchtigungen entzogen sei, sei ihm die Beklagte zum Schadenersatz verpflichtet, wobei mit der erhobenen Teilklage nur ein geringer Teil des schon entstandenen Schadens geltend gemacht werde. Auch ohne detaillierte Darlegung liege auf der Hand, dass zumindest der Betrag von 20.000 EUR in Form einer entsprechenden Grundstückswertminderung entstanden sei.

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Hilfsweise, für den Fall, dass die Kammer eine Ortsüblichkeit der Emissionen und eine wirtschaftliche Unzumutbarkeit der Betriebseinstellung annehme, werde die Zahlung der 20.000 EUR auf Basis von § 906 Abs. 2 S. 2 BGB (Entschädigung) verlangt.

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Weiter mache er hilfsweise – falls die Kammer von der Möglichkeit entsprechender Schutzvorkehrungen gegen Infraschall ausgehe – mit dem Antrag zu 3) entsprechende Schutzvorkehrungen geltend.

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Der Kläger beantragt,

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1) die Beklagte zu verurteilen, einen Betrag von 20.000,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit an ihn zu zahlen,

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2) festzustellen, dass die Beklagte dem Kläger zum Ersatz jedes weiteren ihm aus der Errichtung und dem Betrieb der mit Genehmigungsbescheid des Kreises Q vom 27.12.2016, Az. … genehmigten sieben Windenergieanlagen bereits entstandenen und noch zukünftig entstehenden Schadens verpflichtet ist,

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3) hilfsweise, im Falle der Ablehnung des Antrags zu 1) die Anlagen ausschließlich so zu betreiben, dass Schallimmissionen im Infraschallbereich von nicht mehr als 40 db (ungefiltert) auf das klägerische Grundstück auftreffen.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Die Beklagte hält den Antrag zu 1) bereits für unzulässig; der Vortrag zur Grundstückswertminderung erfolge ins Blaue hinein; eine nähere Begründung finde sich nicht. Auch der Antrag zu 2) sei unzulässig; es sei nichts zum Feststellungsinteresse mitgeteilt.

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Jedenfalls in der Sache stünden aufgrund der Einheitlichkeit der Rechtsordnung die erteilten Genehmigungen etwaigen Schadenersatzansprüchen des Klägers entgegen. Im Übrigen seien die von ihm gerügten Beeinträchtigungen unwesentlich bzw. nicht vorhanden. Verlässliche wissenschaftliche Erkenntnisse darüber, dass Infraschallimmissionen gesundheitliche Schäden auslösen könnten, seien nicht vorhanden. Überdies ergebe sich aus dem klägerischen Vorbringen nicht, welche Immissionen die streitgegenständlichen Windenergieanlagen am Grundstück des Klägers verursachten. Auf dieser Grundlage erschließe sich die Klage insgesamt nicht und insbesondere nicht der Sinn und Zweck des hilfsweise gestellten Antrags zu 3).

Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist unbegründet.

I.

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Die Klage ist zulässig.

1)

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Der Antrag zu 1) ist zulässig. Inhaltlich zielt er auf Zahlung eines bestimmten Betrags als Ersatz des vom Kläger behaupteten Schadens – Minderung des Verkehrswerts seines Grundstücks infolge der streitgegenständlichen Immissionen -, wobei deutlich gemacht wird, dass es sich um eine Teilklage handelt. Dies genügt den Anforderungen an die Bestimmtheit des Streitgegenstands, § 253 Abs. 2 ZPO.

2)

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Auch der Antrag zu 2) ist zulässig. Der Kläger macht unter anderem geltend, dass neben der negativen Grundstückswertentwicklung auch sein Pensionsbetrieb geschädigt sei. Zumindest dieser behauptete Schaden lässt sich noch nicht abschließend berechnen, da die behauptete Einwirkung fortdauert. Ist die Schadensentwicklung noch nicht abgeschlossen, so ist grundsätzlich eine Feststellungsklage insgesamt zulässig.

II.

24
Die Klage ist in der Hauptsache unbegründet.

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Dem Kläger steht gegen die Beklagte wegen etwaiger Infraschallimmissionen auf dem klägerischen Grundstück kein Anspruch auf Schadensersatz zu.

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Die Voraussetzungen der einzig in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage, § 14 Satz 2 BImSchG, liegen nicht vor.

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Diese Vorschrift schafft einen Ausgleich dafür, dass nach § 14 Satz 1 BImSchG bei einer – wie vorliegend gegeben – immissionsschutzrechtlich unanfechtbar genehmigten Anlage aufgrund privatrechtlicher Ansprüche, etwa aus § 906 BGB, zur Abwehr benachteiligender Einwirkungen von einem Grundstück auf ein benachbartes Grundstück nicht die Einstellung des Betriebs der Anlage verlangt werden kann. Verlangt werden können nach § 14 Satz 1 BImSchG nur Vorkehrungen, die die benachteiligenden Wirkungen ausschließen. Ist dies nicht möglich oder wirtschaftlich vertretbar, so kann gemäß § 14 Satz 2 BImSchG Schadensersatz verlangt werden.

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Voraussetzung für einen Schadensersatzanspruch nach § 14 Satz 2 BImSchG sind – neben dem zu ersetzenden Schaden – demnach zum einen, dass an sich ein privatrechtlicher Abwehranspruch besteht. Gemeint sind damit im Kontext des § 14 BImSchG Abwehransprüche, die ihre Grundlagen im allgemeinen Nachbarrecht oder im Deliktsrecht haben, also Ansprüche aus § 858, § 862, § 869 BGB, § 1004, ggf. i. V. m. §§ 906 f BGB. Der Schadensersatzanspruch kann dementsprechend nur Einwirkungen betreffen, die über das nach allgemeinem Zivilrecht Zulässige hinausgehen. Anspruchsteller muss ein Nachbar i. S. d. Immissionsschutzrechts sein, Anspruchsgegner der Anlagenbetreiber oder ein sonst verantwortlicher Dritter. Weiter setzt der Schadensersatzanspruch voraus, dass der durch § 14 Satz 1 BImSchG gewährte Anspruch auf Schutzvorkehrungen nicht durchführbar oder wirtschaftlich nicht vertretbar ist. Auf Rechtswidrigkeit oder Verschulden kommt es dagegen nicht an (vgl. insgesamt: Jarass BImSchG, 12. Aufl. 2017, Rz. 10 und 26 zu § 14 BImSchG). Beweisbelastet für die Beeinträchtigung, den Schaden und die Kausalität der Immission ist der Anspruchsteller. Die Beweislast für die wirtschaftliche Unzumutbarkeit trägt der Anlagenbetreiber; an diesem wäre es auch, Umstände darzulegen und zu beweisen, wonach die Anlage nach § 906 Abs. 1 oder Abs. 2 BGB entschädigungslos hinzunehmen wäre (vgl. Schuschke in Handbuch der Beweislast, 2010, Rz. 16 zu § 906 BGB).

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Ausgehend von diesen Grundsätzen hat der Kläger nicht dargetan und nicht ausreichend unter Beweis gestellt, dass von den streitgegenständlichen Windkraftanlagen in nennenswerter Weise beeinträchtigende Immissionen ausgehen.

30
Hinsichtlich der vom Kläger allein angesprochenen Infraschallimmissionen, ist es unstreitig, dass solche Immissionen von Windkraftanlagen ausgehen und auch mit entsprechenden Geräten gemessen werden können. Dass der von Windenergieanlagen ausgehende Infraschall zu einer Beeinträchtigung des klägerischen Grundstücks führt, ist indes anhand des streitgegenständlichen Vorbingens und der gemachten Beweisangebote nicht feststellbar.

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In der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung, die im Zusammenhang mit der Genehmigung von Windkraftanlagen regelmäßig mit der Frage befasst ist, ob die Auswirkungen von Infraschall einer Genehmigung entgegenstehen, wird durchgängig davon ausgegangen, dass Infraschall (mit einer Frequenz unter 20 Hertz) bzw. tieffrequenter Schall (mit einer Frequenz von 20 bis 100 Hertz) durch Windenergieanlagen im Allgemeinen unterhalb der Wahrnehmungsschwelle des menschlichen Gehörs liegt und nach dem bisherigen Stand wissenschaftlicher Erkenntnisse grundsätzlich nicht zu Gesundheitsgefahren führt. Diese Rechtsprechung – vgl. insoweit mit zahlreichen Nachweisen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 20.12.2018 (Az.: 8 A 2971/17, Rn. 181, juris) – geht auf die von den Verwaltungsgerichten ausgewertete Datenlage zurück, wonach nach dem aktuellem Kenntnisstand Infraschallimmissionen selbst im Nahbereich bei Abständen zwischen 150 und 300 m deutlich unterhalb der menschlichen Wahrnehmungsschwelle liegen (vgl. Nr. 5.2.1.1 Buchstabe b) des Erlasses für die Planung und Genehmigung von Windenergieanlagen und Hinweise für die Zielsetzung und Anwendung vom 8. Mai 2018 – Windenergieerlass NRW).

32
Die von den Fachbehörden verschiedener Bundesländer durchgeführten Auswertungen des gegenwärtigen Erkenntnisstandes (etwa: Faktenpapier „Windenergieanlagen und Infraschall“ des Ministeriums für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen, Stand 14.3.2019 – https://www.lanuv.nrw.de/umwelt/laerm/geraeusche/geraeuschquellen/windenergieanlagen) laufen zusammenfassend darauf hinaus, dass aktuelle Messungen – z.B. der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg – bestätigt hätten, dass die Infraschall-Pegel in der Umgebung von Windenergieanlagen bereits im Nahbereich, d.h. bei Abständen zwischen 150 und 300 m von der Anlage, deutlich unterhalb der menschlichen Hör- bzw. Wahrnehmungsschwelle lägen und in größerer Entfernung die auftretenden Geräusche im Infraschall-Bereich maßgeblich durch den Wind verursacht werden. Auch wenn in der Wissenschaft durchaus noch hinsichtlich etwaiger negativer Auswirkungen von Infraschall auf den Menschen geforscht werde, gäbe es bislang keine gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse diesbezüglich.

33
Im Ergebnis nichts anderes ergibt sich auch aus der vom Kläger in der mündlichen Verhandlung angesprochenen Ausarbeitung des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages vom 12.08.2019 (Az.: WD 8 – 3000 – 099/19, Bl. 82 ff. d.A.). In dieser wird – vgl. dort Seite 8 – lediglich konstatiert, dass es kein einheitliches Bild gebe und noch Forschungsvorhaben laufen; dies ist auch der Tenor der vom Kläger als Anlage K4 in Auszügen vorgelegten Machbarkeitsstudie des Umweltbundesamtes aus dem Jahr 2014.

34
Bei diesem Sachstand ist zu konstatieren, dass der Kläger seinen Vortrag im Wesentlichen auf Hypothesen und Forschungsansätze aufbaut, die jedoch noch nicht zu gesicherten Erkenntnissen geführt haben. Eine Beweisaufnahme zur Gewinnung einer hinreichender Sicherheit von der Richtigkeit der klägerischen Behauptung zu den beeinträchtigenden Wirkungen von Infraschall ist dabei nicht veranlasst.

35
Dabei steht nicht in Frage, dass Infraschall existiert und auch gemessen werden kann. Daraus kann jedoch – wie oben ausgeführt – nicht gefolgert werden, dass dieser Infraschall und insbesondere der, der von Windkraftanlagen – insbesondere denen der Beklagten – ausgeht, Auswirkungen auf die gesundheitliche Verfassung hat. Die von dem Kläger eingereichten zahlreichen eidesstattlichen Versicherungen von Anliegern anderer Windkraftanlagen können auch nicht zu einer statistischen Wahrscheinlichkeit für solche Einwirkungen führen, sie sind nicht geeignet, auch nur ein Indiz für die Behauptung zu erbringen, die – möglicherweise gegebenen – medizinischen Beeinträchtigungen seien gerade auf Infraschallimmissionen zurückzuführen. Gleiches gilt für den Umstand, dass der Kläger geltend macht, dass er in der Zeit vor der Nachbarschaft zu der Windkraftanlage keine entsprechenden Beschwerden gehabt habe. Auch wenn man dies als gegeben hinnimmt, kann bei der dargestellten wissenschaftlichen Erkenntnissituation nichts in Bezug auf die Auswirkungen von Infraschall abgeleitet werden.

36
Soweit nach dem klägerischen Vorbringen einzelne Studien zu anderen Ergebnissen kommen (sollen), ist den von ihm vorgelegten Unterlagen (Anlagen K2 und K, K5 – K7) nichts zu entnehmen, was Veranlassung gibt, die dortigen Ergebnisse auch noch auf eine Entfernung von ca. 2321 m – wie hier zur nächstgelegenen Windenergieanlage – zu übertragen. Sämtliche Studien sind zudem lediglich Teil des wissenschaftlichen Diskurses, ergeben allerdings bisher keinen begründeten Ansatz für relevante tieffrequente Immissionen oder Infraschall durch Windenergieanlagen oder nachweisbare gesundheitsschädliche Auswirkungen.

37
Auch des zum Beweis angebotenen Sachverständigengutachtens bedarf es demnach nicht. Eine Beweisaufnahme darüber, ob und gegebenenfalls inwieweit Infraschallimmissionen die behaupteten gesundheitlichen Beeinträchtigungen auslösen können, könnte ein Sachverständiger bei dem gegebenen Sachstand schlicht nicht mit der gebotenen Sicherheit zugunsten des Klägers beantworten, wenn er den skizzierten Erkenntnisstand der Wissenschaft berücksichtigt. Denn ein Sachverständiger kann in zumutbarer Weise nur ermitteln, ob bestimmte Tatsachen nach dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft und Forschung im Einzelfall feststellbar sind oder nicht. Ein Sachverständigengutachten in einem Zivilrechtsstreit ist nicht mit einem – allenfalls hier dem Klägerinteresse genügenden – Forschungsauftrag gleichzusetzen, der das Spektrum der wissenschaftlichen Kenntnis erweitern soll (so auch LG Detmold, Urteil vom 24.10.2019, Az. 04 O 45/19 – vorgelegt von der Beklagten, Bl. 68 d.A.)).

III.

38
Der Hilfsantrag zu Ziffer 3) war schon allein deshalb nicht positiv zu bescheiden, weil bei verständiger Auslegung die gesetzte Bedingung – vgl. Seite 14 der Klageschrift – nicht eingetreten ist. Die Zurückweisung des Antrags zu 1) ist nicht erfolgt, weil die Kammer wirtschaftlich vertretbare Schutzvorrichtungen für möglich hält, die die vom Kläger behaupteten benachteiligenden Wirkungen der Immissionen ausschließen, sondern – s.o. – weil sie solche benachteiligenden Wirkungen der Infraschallimmissionen als nicht feststellbar erachtet.

39
Wäre als Bedingung allein die im Antrag zu 3) aufgeführte Ablehnung des Klageantrags zu 1) zu sehen, wäre diese zwar eingetreten, dass Ergebnis aber – aus den vorstehend ausgeführten Gründen – mangels feststellbarer Beeinträchtigung durch Infraschallimmissionen kein anderes.

IV.

40
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

41
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich § 709 ZPO.

V.

42
Der Streitwert wird auf bis zu 35.000,00 EUR festgesetzt.

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