AG Hamburg-Wandsbek, Urteil vom 20. Dezember 2018 – 713 C 155/18
Zum nachbarrechtlichen Anspruch auf Entfernung einer Dome-Kamera
Tenor
Unter Abweisung der Klage im Übrigen wird der Beklagte verurteilt, die am Dachüberstand seines Hauses in der in Hamburg installierte Dome-Kamera zu beseitigen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
Das Urteil ist im Hauptausspruch gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 3000 € vorläufig vollstreckbar, im Übrigen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Tatbestand
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Die Parteien sind Grundstücksnachbarn. Vorne zur Straße hin ist das Grundstück des Beklagten belegen, zum Grundstück des Klägers gelangt man seitlich am Grundstück des Beklagten vorbei über eine Durchfahrt nach hinten. Am Dachüberstand der zur Straße hingewandten Seite seines Wohnhauses brachte der Beklagte eine sog. Dome-Kamera zur Überwachung an. Der Kläger fühlt sich auf der Durchfahrt zu seinem Grundstück überwacht.
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Der Kläger beantragt,
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den Beklagten zu verurteilen,
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die am Dachüberstand des Hauses mit Sicht auf das Grundstück installierte Dome-Kamera zu entfernen,
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an die Rechtsschutzversicherung des Klägers, die, vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 323,68 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 21.4.2018 zur Leistungsnummer 005933218-001072886-03857 zu zahlen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Der Beklagte macht geltend, die Kamera sei nicht auf die Grundstücksdurchfahrt ausgerichtet. Bereits vor Klageerhebung habe er in dem Domegehäuse der Kamera grüne Folie angebracht, damit der Kläger sichergehen könne, dass keine Aufnahmen von seiner Durchfahrt getätigt würden.
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Für die Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.
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Das Gericht hat die Kamera in Augenschein genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist begründet.
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Der Kläger hat einen Anspruch auf Beseitigung der Überwachungskamera wegen Beeinträchtigung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts (§§ 1004 I 1, 823 I BGB).
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Der Kläger kann zwar nicht beweisen, dass die Durchfahrt zu seinem Grundstück von der Überwachungskamera miterfasst wird. Die Augenscheinseinnahme hat ergeben, dass die Kameralinse nicht zur Durchfahrt, sondern zur anderen Seite, auf die Grundstücksfläche des Beklagten und den dortigen Eingangsbereich ausgerichtet ist.
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Allerdings kann auch in Fällen, in denen eine Überwachung fremder Flächen tatsächlich nicht stattfindet, ein Überwachungsdruck erzeugt werden kann, der bereits für sich genommen das Persönlichkeitsrecht des Nachbarn beeinträchtigt. Das setzt zweierlei voraus, nämlich zum einen die gerechtfertigte Befürchtung, durch vorhandene Überwachungsgeräte überwacht zu werden, und zum anderen, dass eine Erfassung fremder Flächen ohne äußerlich wahrnehmbare technische Veränderung der Anlage möglich ist (vgl. BGH, Urteil vom 16.3.2010 – VI ZR 176/09, MMR 2010, 502).
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Beide Gesichtspunkte müssen nach Auffassung des Gerichts in Wechselwirkung gesehen werden. Je deutlicher Umstände den Verdacht einer Überwachung des Nachbarn erhärten, zum Beispiel ein eskalierter Nachbarschaftsstreit oder ein konkretes Beweissicherungsinteresse, desto größeren Aufwand wird der Aufsteller der Kamera oder Kameraattrappe in Kauf nehmen, um diese heimlich auf das Nachbargrundstück „scharf“ zu stellen. Je größer umgekehrt die sich aus Art und Ausstattung der Kamerainstallation ergebende Missbrauchsmöglichkeit, desto geringere Anforderungen werden an sonstige Anzeichen für eine Überwachungsintention oder einen intendierten Überwachungsdruck zu stellen sein.
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Im Streitfall gibt es keine Anzeichen für Nachbarschaftsstreit zwischen den Parteien. Die Behauptung des Klägers, die Bepflanzung auf der Grenze der Grundstücke habe wiederholt Anlass zu Streitigkeiten gegeben, ist unsubstantiiert. Wenn etwas das nachbarschaftliche Verhältnis trübt, dann diese Klage, aber darauf kann sich der Kläger nicht stützen.
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Dieses Fehlen eines erkennbaren Überwachungsmotivs seitens des Beklagten wird jedoch aufgewogen durch die nach Art der Kamera gegebene objektive Missbrauchsmöglichkeit. Wie jedenfalls nach Augenscheinseinnahme unstreitig geworden handelt es sich bei der installierten Kamera um eine sog. Dome-Kamera, bei welcher die eigentliche Kamera hinter einer halbrunden Kuppel aus Kunststoff liegt. Wenn man direkt unter der Kuppel steht, sieht man die Kameralinse und die kreisförmig herum angeordneten Infrarot-LED. Die Kamera kann selbst nachts bis zu 20-30 Meter entfernte Gegenstände aufnehmen (vgl. Anlage B4), aber schon bei Tageslicht in einer Entfernung des Betrachters von 10 Metern lässt sich nicht verlässlich sagen, in welche Richtung die Kamera ausgerichtet ist. Die Details des Inneren der Kuppel verschwimmen auf die Distanz zu einer schwarzen Masse. Die bewiesenermaßen von dem Beklagten in dem Dome-Gehäuse zur Seite der Durchfahrt des Klägers eingebrachte grüne Folie ändert an dem Befund wenig. Wenn man weiß, dass es sich um eine solche Folie handelt, erkennt man sie bei Tageslicht von der Durchfahrt aus betrachtet an der Unregelmäßigkeit der Ränder. Man muss aber schon genau hinsehen, sei es wegen einer Tönung der Kuppel, sei es wegen einer unter den Gegebenheiten wenig auffallenden Farbabweichung der Folie zu dem dunklen Kameraträger. Dem Kläger ist es jedoch nicht zumutbar, permanent zu prüfen, ob die Folie noch vorhanden ist und die Kameraausrichtung sich nicht geändert hat (vgl. LG Berlin ZD 2018, 538). Mit einem beiläufigen Blick erfassen lässt sich dies jedenfalls nicht. Die Kameraausrichtung lässt sich auch nach dem Vortrag des Beklagten jedenfalls ändern, indem man mit einer Leiter hochsteigt, die Kuppel abnimmt und die Linse bewegt. Das wäre nach Einschätzung des Gerichts eine Sache von wenigen Minuten, die einem außenstehenden Beobachter nur dann verlässlich auffiele, überwachte dieser seinerseits die Vorderfront des Hauses des Beklagten dauerhaft.
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Der Beklagte legt kein besonderes Interesse an gerade an der Verwendung einer Dome-Kamera dar. Ein nicht weniger geeignetes, aber in die Persönlichkeitsrechte des Klägers und seiner Besucher nicht eingreifendes Mittel zur Überwachung des vorderen Grundstücks des Beklagten wäre eine Kamera, bei welcher die Linse sich in einem zylinderförmigen Gehäuse befindet und die deshalb ihre Ausrichtung durch einen Betrachter von außen ohne weiteres erkennen lässt.
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Einen Erstattungsanspruch wegen vorgerichtlicher Kosten eines anwaltlichen Abmahnschreibens hat der Kläger nicht. Mit Ausgleich der Kosten durch den Rechtsschutzversicherer des Klägers ist der Ersatzanspruch gemäß § 86 I VVG auf diesen übergegangen. Damit ist der Kläger nicht mehr aktivlegitimiert und kann aus eigenem Recht auch nicht auf Leistung an den Rechtsschutzversicherer klagen.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 II Nr. 1, 709 ZPO.
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Der Streitwert beträgt 4000 €.