Zum nachbarrechtlichen Beseitigungsanspruch bei Beschädigung von Abwasserleitung durch Setzungen des benachbarten Gebäudes

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 10.02.2016 – 9 U 118/14

1. Führen Setzungen eines rechtmäßig errichteten Gebäudes dazu, dass eine unter dem Gebäude verlaufende Abwasserleitung, die der Entwässerung des Nachbargrundstücks dient, beschädigt wird, rechtfertigt dies keinen Beseitigungs- oder Unterlassungsanspruch des Nachbarn gegen den Gebäudeeigentümer.

2. Bei einer Klage des Nachbarn gegen einen Gebäudeeigentümer, Beschädigungen an einer unter dem Gebäude verlaufenden Abwasserleitung zu beseitigen, ist die Pflicht des Gebäudeeigentümers, die dem Nachbarn dienende Abwasserleitung zu dulden, eine rechtliche Vorfrage. Dies rechtfertigt jedoch keine Anwendung von § 264 Abs. 2 Ziff. 2 ZPO (Klagebeschränkung), wenn der Nachbar im Laufe des Verfahrens zu einem Antrag auf Feststellung des Duldungspflicht des Gebäudeeigentümers übergeht.

Tenor

Der Senat erwägt eine Zurückweisung der Berufung der Kläger gegen das Urteil des Landgerichts Konstanz vom 12.08.2014 – ME 4 O 215/13 – gemäß § 522 Abs. 2 ZPO. Die Parteien erhalten vor einer Entscheidung Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen.

Gründe
I.

Die Kläger sind Eigentümer des Grundstücks FlSt. A. in U.. Die Beklagten, die eine Wohnungseigentümergemeinschaft bilden, sind Eigentümer des Nachbargrundstücks FlSt. B.. Das Grundstück der Kläger wurde im Jahr 1977 mit einem Wohnhaus bebaut; die Kläger erwarben das Grundstück zu einem späteren Zeitpunkt. Das Grundstück der Beklagten ist mit zwei zur Wohnungseigentumsanlage gehörenden Wohnhäusern bebaut. Die Gebäude wurden im Jahr 1989 errichtet. Wer im Jahr 1989 Bauherr war, ist im Rechtstreit nicht vorgetragen; es ist nicht bekannt, wann die einzelnen Beklagten die jeweiligen Miteigentumsanteile an dem Grundstück erwarben.

Vor der Bebauung des klägerischen Grundstücks im Jahr 1977 fanden Verhandlungen zwischen den damaligen Eigentümern der benachbarten Grundstücke (Rechtsvorgänger der Parteien) statt über die Frage, auf welche Weise die Abwässer vom klägerischen Grundstück entsorgt werden sollten. Man dachte in den Verhandlungen an eine Abwasserleitung, die vom klägerischen Grundstück über das Grundstück der Beklagten und von dort zum Anschluss an die öffentliche Entwässerung führen sollte. (Vgl. zu den Verhandlungen die von den Klägern vorgelegten Schreiben des Rechtsvorgängers der Beklagten vom 20.08.1977 und vom 03.09.1977, Anlagenheft LG.) Bei diesen Verhandlungen spielte auch die Möglichkeit eine Rolle, dass ggfs. auch die Entwässerung von zwei weiteren Grundstücken, die von Dritten bebaut werden sollten, an die vom Rechtsvorgänger der Kläger geplante Abwasserleitung angeschlossen werden sollte. Zum Abschluss einer Vereinbarung wegen der Abwasserleitungen kam es zwischen den Rechtsvorgängern der Parteien aus unbekannten Gründen jedoch nicht. Auch die Eintragung einer – vom Rechtsvorgänger der Kläger in Aussicht genommenen – Grunddienstbarkeit zu Gunsten des klägerischen Grundstücks auf dem Nachbargrundstück unterblieb.

Die Kläger haben vorgetragen: Die Abwasserleitung von ihrem Wohnhaus sei im Jahr 1977 tatsächlich über das heute im Eigentum der Beklagten befindliche Grundstück geführt worden. Seit der Bebauung des Nachbargrundstücks im Jahr 1989 liege die Abwasserleitung dort unter den Gebäuden. Setzungen der Gebäude hätten zu Schäden der auf dem Nachbargrundstück befindlichen Leitung geführt. Die Leitung sei an vielen Stellen deformiert, weshalb der Durchfluss erheblich beeinträchtigt werde. Eine Sanierung der beschädigten Leitung auf dem Grundstück der Beklagten im sogenannten Inliningverfahren werde voraussichtlich einen Kostenaufwand von 18.656,82 EUR verursachen. Die Kläger sind der Auffassung, die Abwasserleitung auf dem Nachbargrundstück befinde sich in ihrem Eigentum, da sie der Entsorgung des klägerischen Grundstücks diene. Für Beeinträchtigungen und Beschädigungen der Leitung durch Gebäudedruck seien die Beklagten als Eigentümer des Nachbargrundstücks verantwortlich. Sie seien verpflichtet, die Deformationen der Abwasserleitung zu beseitigen. Außerdem seien die Beklagten verpflichtet, weitere geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um künftige Beeinträchtigungen der Abwasserleitung zu verhindern.

Die Beklagten haben den Sachvortrag der Kläger in verschiedenen Punkten bestritten und sind der Klage im Übrigen aus rechtlichen Erwägungen entgegengetreten.

Das Landgericht hat mit Urteil vom 12.08.2014 die auf Beseitigung und Unterlassung gerichtete Klage abgewiesen. Ob die Abwasserleitung vom klägerischen Grundstück tatsächlich unter den Gebäuden auf dem Nachbargrundstück verlaufe, könne dahinstehen. Ebenso könne offenbleiben, ob die Leitung, wie von den Klägern behauptet, beschädigt sei. Ansprüche wegen einer möglichen Beschädigung der Leitung stünden den Klägern in keinem Fall zu. Denn die Beklagten seien – auch wenn der Sachvortrag der Kläger als zutreffend unterstellt werde – nicht Störer des klägerischen Eigentums im Sinne von § 1004 Abs. 1 BGB. Eine andere Anspruchsgrundlage für das Begehren der Kläger komme nicht in Betracht. Ob die Beklagten verpflichtet seien, die möglicherweise unter ihren Gebäuden verlaufende Abwasserleitung zu dulden, könne dahinstehen. Auch im Falle einer Duldungspflicht seien allein die Kläger zur Instandhaltung der Entwässerungsleitung verpflichtet. Eine Rechtsgrundlage für eine Überwälzung der Kosten auf die Beklagten gebe es nicht. Diese seien insbesondere nicht für eventuelle Folgen natürlicher Setzungserscheinungen an den Gebäuden verantwortlich.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der Kläger. Sie halten die erstinstanzliche Entscheidung aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen für fehlerhaft. Entgegen der Auffassung des Landgerichts sei die auf dem Nachbargrundstück verlegte Abwasserleitung der Kläger durch eine Störung im Sinne von § 1004 Abs. 1 BGB beschädigt worden, welche den Beklagten als Grundstückseigentümern zuzurechnen sei. Die Beklagten seien zur Duldung der auf ihrem Grundstück befindlichen Leitung verpflichtet; die Verpflichtung ergebe sich aus dem Rechtsgrund des sogenannten nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses, da das Problem der Abwasserentsorgung – Leitungsführung vom Grundstück der Kläger über ein Nachbargrundstück – durch die Parzellierung eines ursprünglich einheitlichen Grundstücks entstanden sei. Da die Beschädigung der Abwasserleitung von den Gebäuden auf dem Nachbargrundstück herrührten, seien die Beklagten verpflichtet, die Beeinträchtigungen zu beseitigen und zukünftige Beeinträchtigungen zu verhindern. Die Beklagten könnten weiteren durch Druck bedingten Deformationen der Leitung vorbeugen durch eine entsprechende Ummantelung der Leitung oder durch eine Abstützung des darüber liegenden Erdreichs.

Die Kläger beantragen:

Das Urteil des Landgerichts Konstanz vom 12.08.2014 wird aufgehoben und die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, die Deformationen und Beschädigungen an der im östlichen Fünftel durch das Erdreich ihres Grundstücks (Flurstück B. in U. verlaufenden Abwasserleitung der Kläger (Eigentümer des Flurstücks A. in U.) auf eigene Kosten zu beseitigen und weitere geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um künftige Beeinträchtigungen der genannten Abwasserleitung durch ihr Grundstück zu verhindern sowie an die Kläger die Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 1.177,62 EUR zu bezahlen.

Außerdem beantragen die Kläger hilfsweise, für den Fall des Unterliegens mit dem Hauptantrag:

Das Urteil des Landgerichts Konstanz vom 12.08.2014 wird aufgehoben und die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, die im östlichen Fünftel durch das Erdreich ihres Grundstücks (Flurstück B. in U. verlaufende Abwasserleitung der Kläger (Eigentümer des Flurstücks A. in U.) zu dulden.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Die Beklagten verteidigen die Entscheidung des Landgerichts. Sie ergänzen und vertiefen ihren erstinstanzlichen Vortrag. Soweit in dem erstmals im Berufungsverfahren gestellten Hilfsantrag eine Klageänderung liege, stimmen die Beklagten dieser nicht zu.

Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.II.

Die zulässige Berufung der Kläger dürfte voraussichtlich keine Aussicht auf Erfolg haben. Eine Entscheidung des Senats nach mündlicher Verhandlung erscheint auch im Hinblick auf die Gesichtspunkte gemäß § 522 Abs. 2 Ziff. 2, 3 und 4 ZPO nicht erforderlich. Nach vorläufiger Auffassung des Senats hat das Landgericht die Klage zu Recht abgewiesen. Die geltend gemachten Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche stehen den Klägern unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt zu.1.

Die Kläger haben keinen Anspruch gegen die Beklagten dahingehend, dass diese auf eigene Kosten Deformationen und Beschädigungen an der (möglicherweise) unter ihren Gebäuden verlaufenden Abwasserleitung beseitigen. Eine Klärung der zwischen den Parteien streitigen tatsächlichen Fragen ist nicht erforderlich. Aus Rechtsgründen besteht ein Anspruch auch dann nicht, wenn man zu Gunsten der Kläger erstens als richtig unterstellt, dass die Abwasserleitung auf dem Grundstück der Beklagten dort verläuft, wo die Kläger dies angegeben haben, dass zweitens die Abwasserleitung in großem Umfang beschädigt und deformiert ist mit der Konsequenz einer Reduzierung der Funktionsfähigkeit, und dass drittens diese Deformationen verursacht wurden durch Setzungen der auf dem Grundstück im Jahr 1989 errichteten Gebäude.a)

Ein Beseitigungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB scheidet aus. Es kann dahinstehen, ob die auf dem Grundstück der Beklagten befindliche Abwasserleitung im Eigentum der Kläger steht oder im Eigentum der Beklagten (vgl. einerseits BGH, NJW 1968, 2331 und andererseits BGH, NJW-RR 2013, 652). Ein Anspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB kommt auch dann nicht in Betracht, wenn man zu Gunsten der Kläger davon ausgeht, dass sich die Leitung in ihrem Eigentum befindet. Denn es liegt in jedem Fall, auch auf der Grundlage des eigenen Vorbringens der Kläger, keine Störung des Eigentums an der Leitung im Sinne von § 1004 Abs. 1 BGB vor.aa)

Die Beklagten sind nicht Handlungsstörer (vgl. zum Begriff des Handlungsstörers Palandt/Bassenge, Bürgerliches Gesetzbuch, 75. Auflage 2016, § 1004 BGB, RdNr. 16 ff.). Denn die Beklagten haben die nach dem Vortrag der Kläger vorhandenen Schäden an der Leitung nicht durch eigene Handlungen verursacht. Mögliche Setzungen des Gebäudes haben nichts mit Handlungen der Beklagten zu tun.bb)

Eine Verantwortlichkeit der Beklagten als Zustandsstörer (vgl. dazu Palandt/Bassenge a.a.O., § 1004 BGB, RdNr. 19 ff.) käme in Betracht, wenn das Eigentum der Kläger durch Immissionen im Sinne von § 906 Abs. 1 BGB gestört worden wäre. Dies ist jedoch nicht der Fall. Die Abwasserleitung ist auch nicht etwa durch eingedrungene Wurzeln beschädigt worden, für welche die Beklagten unter Umständen als Grundstückseigentümer verantwortlich wären (vgl. dazu die von den Klägern zitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofs NJW 2004, 603).cc)

Im Übrigen setzt eine Haftung eines Grundstückseigentümers gemäß § 1004 Abs. 1 BGB voraus, dass die Beeinträchtigung des Eigentums wenigstens mittelbar auf den Willen des Grundstückseigentümers zurückgeht. Dafür ist entscheidend, ob es Sachgründe dafür gibt, dem Grundstückseigentümer die Verantwortung für ein bestimmtes Geschehen aufzuerlegen. Dies ist nur dann zu bejahen, wenn sich aus der Art der Nutzung des Grundstücks, von dem die Einwirkung ausgeht, eine Pflicht zur Verhinderung möglicher Beeinträchtigungen ergibt (vgl. dazu BGH, NJW-RR 2011, 739).

Diese Voraussetzungen liegen bei den von den Klägern geltend gemachten Setzungen des Gebäudes auf dem Nachbargrundstück nicht vor. Das Grundstück der Beklagten ist öffentlich-rechtlich und zivilrechtlich im Verhältnis zum Nachbargrundstück rechtmäßig bebaut worden. Sollten Setzungen des Gebäudes die unter dem Gebäude befindliche Abwasserleitung beschädigt haben, ist nicht ersichtlich, wie die Beklagten dies nach der Errichtung des Gebäudes hätten verhindern können. Es gibt – anders als bei Immissionen im Sinne von § 906 Abs. 1 BGB oder einem Überhang im Sinne von § 910 BGB – auch keinen rechtlichen Gesichtspunkt, aus dem sich eine Sicherungspflicht der Beklagten ergeben könnte, Setzungen ihres Gebäudes zu verhindern.b)

Die Kläger können einen Anspruch auf Beseitigung von Schäden an der Abwasserleitung auch nicht auf § 823 Abs. 1 BGB stützen. Auch ein solcher Anspruch scheidet aus, weil die Beklagten weder durch eine eigene Handlung noch durch pflichtwidriges Unterlassen fremdes Eigentum verletzt haben (siehe oben).c)

Die Rechtsprechung hat für bestimmte Fälle in Analogie zu § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB einen sogenannten nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch entwickelt (vgl. dazu Palandt/Bassenge, § 906 BGB, RdNr. 37, 38). Voraussetzungen eines solchen Ausgleichsanspruchs sind Einwirkungen eines Nachbarn auf das Grundstück des Berechtigten. Einwirkungen der Beklagten auf das Grundstück der Kläger haben diese nicht geltend gemacht.2.

Es kann dahinstehen, ob und inwieweit die Beklagten verpflichtet sind, die – nach dem Vortrag der Kläger – unter ihren Gebäuden verlaufende Entwässerungsleitung zu dulden. (Eine Duldungspflicht könnte eventuell in Betracht kommen nach den landesrechtlichen Vorschriften des Nachbarrechts, gemäß § 917 Abs. 1 BGB analog oder aus dem sogenannten nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis). Denn eine solche mögliche Duldungspflicht ist in keinem Fall mit der Verpflichtung verbunden, Kosten für Erhaltung, Reparatur oder Instandsetzung einer beschädigten Leitung zu tragen. Es gibt – auch wenn eine Duldungspflicht bestehen sollte – keine Rechtsgrundlage dafür, dass die Beklagten auf eigene Kosten Deformationen und Beschädigungen beseitigen müssen.3.

Schließlich rechtfertigt auch der von den Klägern angeführte rechtliche Gesichtspunkt des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses den Klageantrag nicht.a)

Ausnahmsweise können sich nach in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen aus der Rechtsfigur des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses bestimmte Rechte unter Nachbarn ergeben. Es handelt sich dabei um eine Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB). Das Zusammenleben von Grundstücksnachbarn ist von Pflichten zu gegenseitiger Rücksichtnahme getragen. Bei der Rechtsfigur des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses ist jedoch zu berücksichtigen, dass sich nur in Ausnahmefällen aus diesem Grundsatz eigenständige Ansprüche ergeben können. Im Regelfall sind die gegenseitigen Rechte und Pflichten von Nachbarn auf die gesetzlichen Bestimmungen des Nachbarrechts beschränkt (vgl. dazu Horst, Rechtshandbuch Nachbarrecht, 2. Auflage 2006, RdNr. 1394).b)

Für den vorliegenden Fall gibt es keine Gesichtspunkte, die den geltend gemachten Anspruch – Instandsetzung der deformierten Entwässerungsleitung auf Kosten der Beklagten – rechtfertigen könnten. Es gibt in der obergerichtlichen Rechtsprechung keinen Fall, in welchem ein Gericht einen solchen Anspruch angenommen hätte. Der Bundesgerichtshof hat – in einem Ausnahmefall – aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis lediglich bei einem ähnlichen Entwässerungsproblem eine Duldungspflicht hinsichtlich der einem anderen Grundstück dienenden Entwässerungsleitung angenommen (vgl. BGH, NJW 2003, 1392). Weitergehende Ansprüche gegen den Duldungspflichtigen (Erhaltung und Erneuerung der Leitung, Reparatur von Beschädigungen) hat der Bundesgerichtshof jedoch nicht angenommen. Vielmehr bleibt es auch nach der zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs dabei, dass die Kosten für Erhaltung und Reparaturen an der Entwässerungsleitung von demjenigen zu tragen sind, der Eigentümer des begünstigten Grundstücks ist.

Entgegen der Auffassung der Kläger gibt es keine „Sicherungspflichten“ der Beklagten, die im Rahmen einer Abwägung gemäß § 242 BGB eventuell zu einem anderen Ergebnis führen könnten. Das Grundstück der Beklagten wurde im Jahr 1989 rechtmäßig bebaut. Wenn die Schäden an der Entwässerungsleitung – wie die Kläger vortragen – durch Setzungen der Gebäude entstanden sind, hatten und haben die Beklagten keine Möglichkeit, diese Folgen zu verhindern.4.

Die Beklagten sind auch nicht verpflichtet, Maßnahmen zu ergreifen, um künftige Beeinträchtigungen der Abwasserleitung zu verhindern. Auch für diesen Anspruch ist eine rechtliche Anspruchsgrundlage nicht ersichtlich. Es gelten dieselben rechtlichen Erwägungen wie oben (1., 2. und 3.).5.

Die Kläger können von den Beklagten keine Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten verlangen. Da den Beklagten eine Pflichtverletzung gegenüber den Klägern nicht zur Last fällt (siehe oben), gibt es auch keinen Rechtsgrund für eine Erstattung von Anwaltsgebühren.6.

Der auf die Feststellung einer Duldungspflicht der Beklagten gerichtete Hilfsantrag ist unzulässig. Die Voraussetzungen für eine Klageänderung im Berufungsverfahren liegen nicht vor.a)

Der Hilfsantrag enthält keine privilegierte Änderung gemäß § 264 Ziff. 2 ZPO. Die Feststellung, dass die Beklagten zur Duldung der Abwasserleitung auf ihrem Grundstück verpflichtet sind, ist keine Beschränkung des Klageantrags im Sinne dieser Vorschrift. Eine Beschränkung des Antrags im Sinne von § 264 Ziff. 2 ZPO würde nur dann vorliegen, wenn der Gegenstand des Hilfsantrags schon Gegenstand eines – weiter gefassten – Hauptantrags gewesen wäre (vgl. dazu die Rechtsprechungsbeispiele bei Zöller/Greger, ZPO, 31. Auflage 2016, § 264 ZPO, RdNr. 3 b). Die Feststellung einer Duldungspflicht der Beklagten war und ist jedoch nicht – gleichzeitig – Gegenstand des Hauptantrags. Dass eine Duldungspflicht im Falle einer für die Kläger günstigen Entscheidung über den Hauptantrag eine rechtliche Vorfrage gewesen wäre, ändert nichts. Denn die Kläger haben diese Vorfrage vor der Klageänderung mit Schriftsatz vom 23.11.2015 weder im erstinstanzlichen Verfahren noch im Berufungsverfahren zum Gegenstand des Hauptantrags gemacht. Für eine Anwendung von § 264 Ziff. 2 ZPO kommt es darauf an, für welchen Streitgegenstand ursprünglich eine der Rechtskraft fähige Entscheidung beantragt wurde und nicht darauf, welche Vorfragen bei einer Entscheidung über den Hauptantrag vom Gericht – ohne der Rechtskraft fähige Entscheidung – unter Umständen zu prüfen gewesen wären.b)

Die Voraussetzungen für eine Klageänderung gemäß § 533 Ziff. 1 ZPO im Berufungsverfahren liegen nicht vor. Die Beklagten haben eine Einwilligung versagt. Die Klageänderung ist nicht sachdienlich, da eine Entscheidung über den Hilfsantrag in erheblichem Umfang eine weitergehende Aufklärung erfordern würde. Dies erscheint dem Senat in dem ansonsten entscheidungsreifen Rechtstreit nicht zweckmäßig; es handelt sich bei den maßgeblichen Details des Sachverhalts um Umstände, auf die es aus den oben angeführten Gründen für die Entscheidung über den Hauptantrag nicht ankommt.

Der voraussichtliche Aufklärungsbedarf für eine Entscheidung über den Hilfsantrag ergibt sich aus dem erforderlichen Prüfprogramm, das nach vorläufiger Beurteilung des Senats wie folgt aussehen dürfte:aa)

Im Jahr 1977 dürften die Voraussetzungen für ein Notleitungsrecht über das (damals unbebaute) Grundstück der Beklagten – auf der Basis des unstreitigen Sachverhalts – wohl grundsätzlich gegeben gewesen sein (§ 7 e Abs. 1 NRG BW a.F.). Maßgeblich für das Notleitungsrecht dürften wohl grundsätzlich die Verhältnisse im Jahr 1977 gewesen sein (vgl. OLG Karlsruhe – 6. Zivilsenat -, Justiz 2010, 264).bb)

Zu prüfen wäre, welche Teile des Nachbargrundstücks gemäß § 7 e Abs. 1 NRG BW a.F. damals in Anspruch genommen werden durften.cc)

Zu prüfen wäre weiter, ob die Unterhaltung und Nutzung der Leitung auf dem Grundstück der Beklagten (einschließlich der mit der Leitung verbundenen Instandhaltungs- und Reparaturaufwendungen) heute noch sinnvoll ist, oder ob eine rechtlich relevante Änderung der Verhältnisse eingetreten ist (vgl. dazu ausführlich OLG Karlsruhe a.a.O.).dd)

Bei einer rechtlich relevanten nachträglichen Veränderung der Verhältnisse wären die Voraussetzungen für ein Notleitungsrecht zu Gunsten der Kläger möglicherweise neu zu prüfen (vgl. auch dazu OLG Karlsruhe a.a.O.). Dann könnte es darauf ankommen, welche Alternativen den Klägern heute zur Verfügung stehen (eine andere für die Beklagten eventuell günstigere Leitungsführung auf dem Grundstück der Beklagten; Hebeanlage und Entwässerung zum öffentlichen Grundstück FlSt. C; Entwässerung über das einem Dritten gehörende Grundstück FlSt. D).ee)

Schließlich wäre nach der Bebauung des Grundstücks der Beklagten § 7 f Abs. 2 NRG BW (identisch mit § 7 e Abs. 2 NRG BW a.F.) zu prüfen (nachträgliche unzumutbare Beeinträchtigungen).

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