„OK“-Vermerk begründet Anscheinsbeweis für Zugang einer Willenserklärung

OLG München, Beschluss vom 08.10.1998 – 15 W 2631/98

„OK“-Vermerk begründet Anscheinsbeweis für Zugang einer Willenserklärung

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluß des Landgerichts München I vom 05.08.1998 aufgehoben.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten dieses Beschwerdeverfahrens.

3. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf bis zu DM 12.000,00 festgesetzt.

Gründe
1
I. Die Klägerin begehrte mit ihrer am 15.04.1998 eingereichten, am 25.04.1998 der Beklagten zugestellten Klage Räumung und Herausgabe eines Ladengeschäftes. Das diesbezügliche Mietverhältnis war wegen Mietrückständen mit Telefax der Klägerin vom 19.03.1998 an die Beklagte gekündigt und diese zur Räumung unter Fristsetzung aufgefordert worden.

2
Mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 08.05.1998 anerkannte die Beklagte den Klageanspruch unter Verwahrung gegen die Kosten. Dabei bestritt sie den Zugang der Kündigung vom „19.04.1998“, gemeint wohl: 19.03.1998.

3
Die Klägerin trug unter Vorlage des Sendeberichtes ihres Faxgerätes vor, der Inhaber der Klägerin, … habe das Kündigungsschreiben vom 19.03.1998 an diesem Tage an die Fax-Nummer … der Klägerin versandt; das Sendeprotokoll weise aus, daß die Daten ordnungsgemäß weitergeleitet wurden („OK“-Vermerk).

4
Die Beklagte wies mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 09.06.1998 darauf hin, daß die angewählte Fax-Nummer „nicht mehr“ stimme, weil es wiederholt Probleme mit dem Faxgerät gegeben habe. Der Zugang der Kündigung werde weiterhin bestritten.

5
In der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht erklärten die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt.

6
Mit Beschluß vom 05.08.1998 überbürdete das Landgericht die Kosten des Rechtsstreits der Klägerin. In den Gründen der Entscheidung heißt es, die Beklagte habe keine Veranlassung zur Klage gegeben und sie habe den Räumungsanspruch sofort anerkannt. Mit dem Fax-Protokoll habe die Klägerin den Nachweis für den Zugang der Kündigung nicht erbracht, zumal nicht auszuschließen sei, daß das Fax aufgrund technischer Störungen nicht angekommen sei.

7
Gegen diese ihr am 20.08.1998 zugestellte Entscheidung legte die Klägerin mit Schriftsatz vom 03.09.1998, am selben Tage bei Gericht eingegangen, sofortige Beschwerde ein mit dem Antrag, die Kosten des Rechtsstreits der Beklagten aufzuerlegen. Zur Begründung ließ die Klägerin ausführen, die Beklagte habe auf ihrer Geschäftspost die angewählte Fax-Nummer angegeben und von dort auch an sie per Telefax korrespondiert; die Fax-Nummer sei erst am 10.05.1998 aufgelöst worden. Es sei unsubstantiiert, wenn die Beklagte behauptet, das Fax sei nicht bei ihr angekommen, was sie auch nicht durch Vorlage eines Empfangsjournals nachgewiesen habe.

8
Die Beklagte widersetzte sich der sofortigen Beschwerde und führte aus, sie sei nicht verpflichtet, Empfangsprotokolle auszudrucken und aufzubewahren. Die Klägerin hätte sich wenigstens durch nachfolgenden Telefonanruf vergewissern müssen, ob das Fax die Beklagte erreicht habe.

II.

9
Die zulässige sofortige Beschwerde der Klägerin (§§ 91 a Abs. 2, 577 Abs. 2, 569 ZPO) ist begründet und führt zur Abänderung der angefochtenen Entscheidung.

10
Anders als das Landgericht ist der Senat der Ansicht, daß die Klägerin durch den Sendebericht (Anlage K 4) in Verbindung mit der — unbestrittenen — eidesstattlichen Versicherung vom 01.09.1998 (Anlage K 6) den Beweis des ersten Anscheins dafür erbracht hat, daß die Daten des per Telefax versandten Kündigungsschreibens vom 19.03.1998 (Anlage K 3) an die Beklagte übermittelt wurden und dieser damit zugegangen sind (§ 130 Abs. 1 Satz 1 BGB).

11
Damit folgt der Senat der Ansicht des 23. Zivilsenats des OLG München vom 26.06.1992 (NJW 1994, 527) ungeachtet späterer widersprechender OLG-Entscheidungen (OLG München — 7. Zivilsenat –, NJW 1993, 2447; OLG Köln NJW 1995, 1228; Kammergericht KG NJW 1994, 3172) und entgegen der BGH-Entscheidung vom 07.12.1994 (BB 1995, 221 = NJW 1995, 665).

12
Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung darauf abgehoben, daß der Sendebericht trotz „OK“-Vermerks allenfalls ein Indiz für den Zugang der Daten beim Empfänger liefert, aber keinen Anscheinsbeweis rechtfertigen könne, weil dieser nur bei typischen Geschehensabläufen gegeben sei, bei denen nach der Lebenserfahrung regelmäßig von einem bestimmten Ereignis (hier: Datenabsendung) auf einen bestimmten Erfolg (hier: Dateneingang beim Empfänger) geschlossen werden könne. Die im Schrifttum gelegentlich geäußerte Vermutung einer hohen Verbindungs- und Übertragungssicherheit der Telefaxtechnik rechtfertige einen solchen gesicherten Schluß nicht, weil die Möglichkeit bestehe, daß die Datenübertragung trotz „OK“-Vermerks im Sendebericht infolge von Leitungsstörungen mißglückt sei. Diese Einschätzung aus dem Jahre 1994 vermag der Senat in Anbetracht der rasanten Entwicklung der Telekommunikation und ihrer Technik jetzt nicht mehr zu teilen. Vielmehr sieht der Senat es als typischen Geschehensablauf an, daß die Daten eines Telefax, dessen Absendung feststeht und dessen Übertragung im Sendeprotokoll mit dem „OK“-Vermerk bestätigt ist, beim Empfänger auch angekommen sind, weil die Übertragungssicherheit sehr hoch ist. Dabei stützt sich der Senat für die Beurteilung der Übertragungssicherheit auf die Erkenntnisse von Burgard (AcP Nr. 195, S. 74 ff., 129), der in Zusammenarbeit mit einem Mitglied des Forschungs- und Technologiezentrums … der … eine eingehende Prüfung und überzeugende Würdigung der Übertragungssicherheit vorgenommen und auch eine Zusammenfassung seiner Erkenntnisse als Anmerkung zur genannten BGH-Entscheidung veröffentlicht hat (BB 1995, 222/224). Außer dem Bestehen des Erfahrungssatzes liegt für die Annahme eines Anscheinsbeweises auch die zweite Voraussetzung vor, nämlich die Möglichkeit des Prozeßgegners und die Zumutbarkeit für diesen, einen abweichenden Geschehensablauf als ernsthaft möglich darzulegen und zu beweisen, in dem er die eigenen Empfangsaufzeichnungen vorlegt (Burgard a.a.O., S. 131 bzw. S. 224), aus denen sich Übertragungsfehler ersehen lassen.

13
Soweit die Beklagte darauf abhebt, sie könne nicht verpflichtet gewesen sein, Empfangsprotokolle ihres Faxgerätes auszudrucken und aufzubewahren, bewegt sie sich im Bereich abstrakter Überlegungen, ohne zum konkreten Sachverhalt vorzutragen.

14
Von all dem abgesehen, sieht der Senat im Schreiben der Beklagten vom 20.04.1998 an die Klägerin — per Fax an diese übersandt –, in dem sie sich auf die fristlose Kündigung ausdrücklich bezieht, durchaus ein weiteres Indiz für den Zugang der Kündigung, zumal die Klage erst nach diesem Schreiben am 25.04.1998 der Beklagten zugestellt worden ist.

15
Für eine Privilegierung der Beklagten durch die Anwendung der Bestimmung des § 93 ZPO im Rahmen der nach § 91 a Abs. 1 ZPO zu treffenden Kostenentscheidung fehlt es demnach an der Voraussetzung des fehlenden Klageanlasses, weil die Beklagte mit der Räumung und Herausgabe des Ladengeschäfts in Verzug war; es entspricht vielmehr billigem Ermessen, die Kosten der Beklagten aufzulegen.

16
Für das Beschwerdeverfahren folgt die Kostenentscheidung aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Festsetzung des Beschwerdewerts beruht auf § 3 ZPO.

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