Zur Duldungspflicht einer Bienenhaltung wegen Ortsüblichkeit

LG Bonn, Urteil vom 16.01.2013 – 7 O 181/12

Zur Duldungspflicht einer Bienenhaltung wegen Ortsüblichkeit

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist gegen eine Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand
1
Die Parteien sind Bewohner des kleinen Ortes O in der Gemeinde M. Dieser besteht aus 3 Häusern. Außerdem befindet sich dort noch ein Wohnwagen. Der Ort liegt im Natur- und Landschaftsschutzgebiet M2.

2
Die Parteien sind Nachbarn. Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks O …. Die Beklagten sind Mieter des Grundstücks O …. Die Beklagten betreiben auf dem Grundstück schräg gegenüber ihrem Haus Bienenstöcke, die so aufgestellt sind, wie es sich aus Anlage B… zur Klageerwiderung (Bl. … d. A.) ergibt.

3
Der Kläger fühlt sich durch das Halten der Bienen in unmittelbarer Nachbarschaft zu seinem Grundstück wesentlich beeinträchtigt. Er behauptet, dass auf seinem Grundstück ständiger Bienenflug über dem Haus, der Terrasse, dem Garten und den Kraftfahrzeugstellplätzen vor dem Haus herrsche. Die Bienen verlören ständig Bienenkot, Lehmkrümel und sonstige Ausscheidungen über dem Grundstück. Hierdurch werde das Haus und die auf dem Grundstück stehenden Fahrzeuge beschädigt. Der Aufenthalt auf der Terrasse und im Garten seien unzumutbar. Die Verschmutzungen und Verunreinigungen durch den Bienenflug sei erheblich. Die Pkws auf seinem Grundstück seien ständig verdreckt und müssten fast täglich gewaschen werden. Trotz des Waschens der Fahrzeuge sei der Lack durch den Bienenkot verätzt worden. Die Fahrzeuge müssten neu lackiert werden, wodurch Kosten in Höhe von 13.431,00 EUR verursacht würden. Er hätten sich veranlasst gesehen, im Jahre 2012 einen Carport zu bauen. Seitdem seien die darunter abgestellten Fahrzeuge geschützt.

4
Der Kläger beantragt,

5
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen,

6
1. die auf dem Plan gemäß Anlage B… zur Klageerwiderung östlich des Grundstücks in … M, O … auf dem Grundstück Gemarkung X, Flur …, Flurstück … in Bienenstöcken gehaltenen Bienenvölker zu entfernen und es zukünftig zu unterlassen, auf dem Grundstück in M, O … und Umgebung Bienenvölker zu halten;

7
2. an den Kläger 13.431,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

8
Die Beklagten beantragen,

9
die Klage abzuweisen.

10
Die Beklagten tragen vor, dass sie im Jahre 2011 60 bis 80 Bienenstöcke auf dem Grundstück gegenüber dem Haus O … unterhalten hätten. Davon seien aber nur 5 mit Bienenvölkern, nämlich Zuchtvölkern, bestehend aus jeweils ca. 60.000 Bienen, belegt gewesen. Die anderen Stöcke seien nur mit Pflegevölkern belegt gewesen, die etwa nur 1/7 des Bestandes eines üblichen Bienenvolkes aufwiesen. Denn sie, die Beklagten, betrieben eine Bienenzucht und keinen Honigbetrieb. Die Königinnenzucht erfordere einen hohen Arbeitsaufwand, weshalb die Zucht in der Nähe des Wohnhauses betrieben werden müsse.

11
Die Beklagten behaupten, die Beeinträchtigungen des Klägers und des Eigentums des Klägers durch die Bienen sei unwesentlich. Sie bestreiten, dass es sich bei dem über dem Grundstück des Klägers wahrgenommenen Insektenflug um ihre Bienen handele. Die Verschmutzungen würden durch andere Insekten der Region verursacht. Die Kotblasen von Honigbienen würden ausschließlich beim ersten und zweiten Flug der Bienen bei dem Verlassen der Bienenstöcke nach der Winterpause, in der Regel im März/April stattfinden. Es sei deshalb ausgeschlossen, dass eine Verkotung im Bereich des Grundstückes des Klägers durch ihre Bienen in erheblichem Ausmaße stattfinde.

12
Es sei auch unzutreffend, dass der Kot ihrer Bienen den Lack der klägerischen Fahrzeuge beschädigt habe. Denn Bienenkot verursache keine Verätzungen, da er nur einen PH-Wert von 7 bis 8 habe und damit säureneutral sei.

13
Im Übrigen sei die Imkerei im Bereich der Gemeinde M ortsüblich. Der örtliche Imkerverein M-X habe 23 Mitglieder. Es gebe viele Bienenstände in der Umgebung.

14
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe
15
Die Klage ist unbegründet.

16
Dem Kläger steht gegen die Beklagten weder ein Anspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB auf Entfernung der von den Beklagten gehaltenen Bienenvölker und auf zukünftige Unterlassung der Bienenhaltung noch ein Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB oder § 833 BGB auf Schadensersatz wegen der Verätzung des Lacks von zwei Pkws durch Bienenkot zu. Denn der Kläger ist gemäß § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB zur Duldung der Bienenhaltung durch die Beklagten verpflichtet. Deshalb entfällt ein Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch gemäß § 1004 Abs. 2 BGB. Die Voraussetzungen von Ansprüchen aus unerlaubter Handlung sind nicht gegeben, weil es aufgrund der Duldungspflicht an der Rechtswidrigkeit eventueller unerlaubter Handlungen der Beklagten fehlt.

17
Gemäß § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB kann der Eigentümer eines Grundstücks die von einem anderen Grundstück ausgehenden wesentlichen Beeinträchtigungen nicht verbieten, wenn sie durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks herbeigeführt werden und nicht durch Maßnahmen verhindert werden können, die Benutzern dieser Art wirtschaftlich zumutbar sind. Diese Voraussetzungen einer Duldungspflicht des Klägers sind erfüllt.

18
Unterstellt, die vom Kläger vorgetragenen Beeinträchtigungen der Nutzung seines Grundstücks durch Bienenflug liegen vor und gehen auf die von den Beklagten gehaltenen Bienen zurück, ist dies zwar als wesentliche Beeinträchtigung anzusehen. Jedoch ist die Ortsüblichkeit der Bienenhaltung auf dem von den Beklagten genutzten Grundstück anzunehmen.

19
Ortsüblichkeit ist dann zu bejahen, wenn im maßgeblichen Vergleichsbezirk eine Mehrheit von Grundstücken mit nach Art und Umfang annähernd gleich beeinträchtigender Wirkung auf andere Grundstücke benutzt werden (Palandt-Bassenge Rn. 21 zu § 906 BGB m.w.N.).

20
Dabei ist unerheblich, dass die Beklagten in O die einzigen sind, die Bienen halten. Denn als Vergleichsbezirk ist in der Regel vom ganzen Gemeindegebiet auszugehen, bei gebietsprägender Benutzung sogar von weiteren Räumen (Palandt a.a.O.).

21
Der Kläger hat nicht in Abrede gestellt, dass der örtliche Imkerverein M-X 23 Mitglieder hat. Allein aus dieser Tatsache kann auf eine umfangreiche Imkertätigkeit im Gemeindegebiet M ausgegangen werden.

22
Die Beklagten haben auch allein 7 Imker namentlich und mit Adresse in einem Umkreis von 3 km zum Örtchen O benannt. Diese Angaben sind von dem Kläger lediglich hinsichtlich der Entfernungsangaben bestritten worden. Das Bestreiten ist aber unbeachtlich. Denn die vom Kläger mit dem Routenplaner ermittelten Entfernungen sind unerheblich, weil Bienen nicht nach Routenplaner, sondern in Luftlinie fliegen.

23
Die Beeinträchtigungen sind auch nicht im Sinne von § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB verhinderbar. Es sind keine wirtschaftlich zumutbaren oder technischen oder organisatorischen Maßnahmen erkennbar, die die durch das Überfliegen des Grundstücks des Klägers durch die Bienen der Beklagten hervorgerufenen Beeinträchtigungen verhindern könnten. Eine Verminderung des Bestandes an Bienenvölkern würde die Bienenzucht wirtschaftlich unzumutbar machen.

24
Eine Duldungspflicht des Klägers entfällt auch nicht aufgrund von § 34 Abs. 1 LandschaftsG NRW. Es ist bereits zweifelhaft, ob sich aus dem Wortlaut dieser Vorschrift überhaupt ein Verbot der Bienenzucht herleiten lässt. Dies kann aber dahin stehen, weil es sich bei dem Landschaftsgesetz nicht um ein Schutzgesetz handelt, also ein Gesetz, das dazu bestimmt ist, die privaten Interessen des Klägers als Grundstückseigentümer zu schützen.

25
Zudem ist von Seiten des Klägers selbst in der mündlichen Verhandlung mitgeteilt worden, dass eine Überprüfung der Bienenhaltung der Beklagten durch den S-Kreis erfolgt ist und offensichtlich nicht zu einem öffentlich rechtlichen Verbot geführt hat.

26
Im Übrigen ist im Rahmen der Beurteilung der Duldungspflicht auch zu berücksichtigen, dass eine Verneinung der Ortsüblichkeit der Bienenzucht in einem lediglich aus 3 Häusern bestehenden Örtchen wie O in der Konsequenz zu einem generellen Bienenzuchtverbot führen müsste. Denn dann dürfte Bienenzucht erst recht nicht in größeren Ortschaften betrieben werden, in denen die Gefahr der Beeinträchtigung von noch viel mehr Grundstückseigentümern und Grundstücksnutzern bestehen würde.

27
Ist nach alledem der Kläger gemäß § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB zur Duldung der Bienenhaltung durch die Beklagten verpflichtet, unterliegen – wie bereits eingangs aufgezeigt – die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche der Abweisung.

28
Es wird noch darauf hingewiesen, dass der Zahlungsanspruch des Klägers auch aus anderen Aspekten unbegründet sein dürfte. Die Verursachung von Lackschäden durch die Bienen der Beklagten ist nämlich nicht schlüssig vorgetragen.

29
Die vom Kläger vorgelegten Kostenvoranschläge machen nur eine Aussage über die Höhe der Kosten einer Neulackierung seiner Fahrzeuge. Sie enthalten keine Aussage darüber, aus welchem Grund eine Neulackierung erforderlich sein sollte und welche Ursache ein eventueller Lackschaden hat.

30
Zudem ist zweifelhaft, ob Lackverätzungen durch Bienenkot überhaupt entstehen können. Das aktenkundige wissenschaftliche Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. E vom Institut für Bienenkunde der Universität C (Anlage B… zur Klageerwiderung) steht einer solchen Annahme entgegen. Dem hat der Kläger nichts entgegengesetzt. Seine Aussagen zur Lackkonsistenz von Kraftfahrzeugen sind nur allgemeiner Natur und sind unerheblich für die Frage, welche Lackkonsistenz die angeblich beschädigten Fahrzeuge tatsächlich haben.

31
Nach alledem ist die Klage mit der Kostenfolge des § 91 Abs. 1 ZPO abzuweisen.

32
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.

33
Streitwert: 17.431,00 EUR

Dieser Beitrag wurde unter Zivilrecht abgelegt und mit verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.