AG Hamburg-Harburg, Urteil vom 07.03.2014 – 641 C 377/13
1. Die Bienenhaltung auf dem Balkon einer Mietwohnung überschreitet den vertragsgemäßen Gebrauch.(Rn.16)
2. Der Mieter hat die Bienenhaltung auch bei unwirksamer Tierhalteklausel im Mietvertrag zu unterlassen.(Rn.17)
(Leitsatz des Gerichts)
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, die von ihr auf dem Balkon ihrer Wohnung im 1. OG rechts des Hauses … gehaltene Bienenvolk zu entfernen.
Die Beklagte wird verurteilt, bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 2.000,– EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, jede weitere Bienenhaltung und Bienenzucht sowohl auf dem Balkon als auch in der Wohnung im … des Hauses … zu unterlassen.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 195,16 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.08.2013 zu zahlen.
Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
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Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Entfernung eines auf dem Balkon eines Mehrfamilienhauses aufgestellten Bienenhauses (Beute) und Unterlassen weiterer Bienenhaltung auf dem Balkon.
2
Die Klägerin als Vermieter und die Beklagte als Mieterin verbindet ein Wohnungsmietvertrag vom 12.08.2010 (Anlage K1) über eine Wohnung im Hause … .
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Mit Schreiben vom 26.06.2013 (Anlage K2) forderte die Klägerin die Beklagte auf, eine auf dem Balkon der angemieteten Wohnung befindliche Kiste, welche offensichtlich als Bienenstock diene, zu entfernen und die von ihr betriebene Bienenhaltung auf dem Balkon zu unterlassen. Die Beklagte trat dem mit Schreiben vom 02.07.2013 (Anlage K3) entgegen unter Hinweis darauf, dass es sich um eine vorübergehende Notlösung handle und es sich um ein sanftmütiges Jungvolk einer einheimischen Honigbienenart handle, von dem eine Belästigung von Nachbarn nicht ausgehe. Die Beklagte entfernte die Bienen auch auf weiteres Schreiben der Klägerin vom 05.07.2013 (Anlage K4) und auch auf anwaltliche Aufforderung vom 08.08.2013 (Anlage K5) nicht.
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Die Klägerin trägt vor:
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Nachbarn der Beklagten hätten sich im Juni 2013 über ständiges Ein- und Ausfliegen von Bienen beschwert. Nachbarn der Beklagten fühlten sich gestört und in der Nutzung ihrer Balkone / Terrassen eingeschränkt. Die Haltung von Bienen, mithin wilder Tiere, sei schon grundsätzlich keine Haustierhaltung und in der Folge nicht vom Mietgebrauch umfasst.
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Die Klägerin beantragt,
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wie erkannt.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte trägt vor:
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Sie halte auf dem Balkon kein Bienenvolk mit 20.000 bis 60.000 Bienen, sondern lediglich einen Ableger, welcher regelmäßig aus einigen Hundert bis mehreren Tausend Bienen bestehe. Eine Belästigung von Nachbarn gebe es nicht. Die Bienen würden aus der Beute zunächst aufsteigen und einen größeren Raum vom Haus weg auf der Futtersuche überwinden. Dabei seien sie – außer bei Gewalteinwirkung – nicht aggressiv, die gehaltene Rasse Buckfast sogar friedlich. Soweit sich die Bienen doch in näherer Umgebung ihrer Beute aufhielten, ergäben sich daraus keine Beeinträchtigungen der Nachbarn, da die Bienen, anders als etwa Wespen, menschliche Nahrung nicht als Futterquelle nutzten.
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Das Gericht hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugen …, …, …, … und …. Zudem ist die Beklagte persönlich nach § 141 ZPO angehört worden. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme und der Anhörung wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.
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Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage hat auch in der Sache Erfolg.
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1. Die Klägerin kann von der Beklagten die Entfernung des auf dem Balkon der angemieteten Wohnung im Hause … befindlichen Bienenvolkes und Unterlassen weiterer Bienenhaltung auf dem Balkon (oder in der Wohnung) verlangen.
16
Das Halten eines Bienenvolkes ist nicht grundsätzlich vom vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache umfasst. Vom allgemeinen vertragsgemäßen Gebrauch gedeckt ist Tierhaltung grundsätzlich nur bei kleinen Haustieren, die in geschlossenen Behältnissen gehalten werden können und bei denen eine Beeinträchtigung der Vermieterbelange oder eine Störung anderer Hausbewohner grundsätzlich ausgeschlossen werden kann (vgl. Palandt-Weidenkaff, BGB, 73. Aufl., § 535 Rn. 26 m. w. N; Eisenschmid in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 11. Aufl., § 535 Rn. 553 m. w. N.). Dies ist bei einem Bienenvolk, das für die Futtersuche in blühende Landschaften ausschwärmen und dazu nicht nur seine Beute, sondern in jedem Fall auch die vom Bienenhalter angemietete Wohnung verlassen muss, erkennbar nicht der Fall.
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Es kann im Weiteren dahinstehen, ob die zwischen den Parteien in Nr. 6 AVB in Verbindung mit § 6 (2) c) Mietvertrag vereinbarte Klausel zum Tierhaltungsverbot wirksam ist und die Haltung von Bienen verbietet. Auch bei Unwirksamkeit der Klausel ist die Bienenhaltung auf dem Balkon der Wohnung der Beklagten vertragswidrig.
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Beim Fehlen einer mietvertraglichen Regelung hängt die Zulässigkeit einer Tierhaltung gemäß § 535 Abs. 1 BGB von dem Ergebnis einer umfassenden Abwägung der jeweiligen Einzelfallumstände, der Interessen des Vermieters und des Mieters sowie der weiteren Beteiligten ab (BGH Urt. v. 14.11.2007, Az. VIII ZR 340/06; Palandt-Weidenkaff, BGB, 73. Aufl., § 535 Rn. 26 m. w. N.). Zu berücksichtigen sind insbesondere Art, Größe, Verhalten und Anzahl der Tiere, Art, Größe, Zustand und Lage der Wohnung und des Hauses, in dem sich die Wohnung befindet, Anzahl, persönliche Verhältnisse, namentlich Alter, und berechtigte Interessen der Mitbewohner und Nachbarn, Anzahl und Art anderer Tiere im Haus, bisherige Handhabung durch den Vermieter sowie besondere Bedürfnisse des Mieters (BGH Urt. v. 20.03.2013 Az.: VIII ZR 168/12 Tz. 19).
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Eine solche Abwägung führt vorliegend zu einem überwiegenden Interesse des Vermieters an der Entfernung des Bienenvolkes und Unterlassen weiterer Bienenhaltung.
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Das Interesse des Vermieters am Unterlassen einer Tierhaltung überwiegt das Interesse des Mieters an der beanstandeten Tierhaltung jedenfalls dann, wenn Mitmieter in einem Mehrfamilienhaus durch die Tierhaltung in ihrem Mietgebrauch beeinträchtigt werden. So hier.
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Durch die Bienenhaltung auf der Loggia der von der Beklagten angemieteten Wohnung werden die Mieter … und … im Hause … erheblich und unzumutbar in der Nutzung ihrer Wohnungen gestört. Dies steht zur Überzeugung des Gerichts fest als Ergebnis der mündlichen Verhandlung, insbesondere der Beweisaufnahme, § 286 ZPO.
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Die Mieter …, … und … haben in ihren Aussagen glaubhaft und überzeugend bestätigt, dass sie durch die von der Beklagten auf ihrem Balkon im 1. OG gehaltenen Bienen bei der Nutzung ihrer Wohnungen erheblich und unzumutbar gestört werden. Die Zeugen … und …, welche die Wohnung direkt über der Wohnung der Beklagten bewohnen, haben plastisch und nachvollziehbar geschildert, dass sie seit dem letzten Wochenende im Juni 2013 bei der Nutzung ihres Balkons durch eine erhebliche Anzahl von umherfliegenden Bienen gestört worden sind. Ein unmittelbarer Zusammenhang dieser Störungen mit den von der Beklagten gehaltenen Bienen ergibt sich zur Überzeugung des Gerichts zum einen daraus, dass die Beklagte in ihrer persönlichen Anhörung erklärt hat, sie habe die streitbefangene Bienenbeute etwa seit Juni 2013 auf ihrem Balkon stehen, zum anderen aus der Schilderung der Zeugen …, dass sie beobachten konnten, dass die Bienen zu ihrem Balkon und von ihrem Balkon in die auf dem Balkon der Beklagten stehende Bienenbeute geflogen sind. Der als Hausverwalter für die Klägerin tätige Zeuge … hat bestätigt, dass sich die Mieter … erstmals am 24.06.2013 und in Folgezeit wiederholt bei ihm darüber beschwert haben, dass sie durch Bienen, welche vom Balkon der Beklagten kämen, in der Nutzung ihres Balkons gestört werden. Die Zeugen … haben weiter bekundet, dass vor Juni 2013 nur ganz vereinzelt einmal eine Biene oder Wespe auf ihrem Balkon aufgetaucht ist, im Zeitraum nach Juni 2013 jedoch – jedenfalls bei schönem Wetter – regelmäßig eine erheblich größere Anzahl. Die Zeugen … haben weiter glaubhaft geschildert, dass sie durch die Vielzahl von Bienen in der Nutzung ihres Balkons erheblich beeinträchtigt worden sind. So hätte sich auf dem Balkon anders als vor Juni 2013 keine Getränke oder Kuchen mehr zu sich genommen, aus Angst etwa aus Versehen eine Biene zu verschlucken. Zudem seien die Bienen bei abnehmenden Temperaturen träge geworden und nur noch schwer zu verscheuchen gewesen. Auch die im Erdgeschoss, in der Wohnung unter der Wohnung der Beklagten lebende Mitmieterin … hat glaubhaft geschildert, dass sie durch eine Vielzahl von Bienen in der Nutzung ihrer Terrasse eingeschränkt worden ist. Sie habe diese aus Angst vor den umherfliegenden Bienen nur selten genutzt. Zudem habe sie sich nicht getraut, ihre oft zu Besuch kommende kleine Nichte mit Essbarem, insbesondere Süßigkeiten auf die Terrasse zu lassen.
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Es ist unerheblich, dass sich – nach Aussage des Zeugen … – nicht sämtliche oder auch nur einige Mitmieter im Hause … durch die von der Beklagten gehaltenen Bienen gestört fühlen. Ein überwiegendes Interesse des Vermieters an einem Unterlassen der Tierhaltung ist aufgrund des von ihm zu schützenden Hausfriedens bereits dann zu bejahen, wenn auch nur ein einziger weiterer Hausbewohner aus nachvollziehbaren Gründen durch Tierhaltung im Hause in der Nutzung seiner Wohnung gestört wird.
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Es kann im Weiteren dahinstehen, ob es sich bei den von der Beklagten gehaltenen Bienen um eine Rasse handelt, welche nicht oder nur wenig oder nur dann sticht, wenn sie unmittelbarer Gewalt ausgesetzt wird. Es ist für die regelmäßig nicht bienenkundigen Nachbarn der Beklagten schon nicht hinreichend zu erkennen, ob es sich um eine Biene aus dem von der Beklagten gehaltenen Volk oder eine andere Biene oder gar eine Wespe handelt. Das Gefühl einer Belästigung oder gar von Angst, die der auf dem Balkon oder der Terrasse sitzende Nachbar bei der Wahrnehmung eines summenden, schwarz-gelb gestreiften Tieres empfindet ist in der Folge gleichermaßen hoch, unabhängig von der tatsächlichen Gefahr, welche von dem Tier ausgeht (vergleichbar mit dem Jogger oder Spaziergänger im Park, der auch nicht weiß, ob der auf ihn zustürmende Hund tatsächlich „nur spielen“ will oder ob tatsächlich die Gefahr einer Verletzung besteht).
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Es handelt es sich bei der Bienenhaltung der Beklagten auf ihrem Balkon schließlich auch ersichtlich nicht um eine vorübergehende „Notlösung“. Wäre das Aufstellen einer Bienenbeute mit generell friedlichen Tieren für wenige Tage von der Hausgemeinschaft und der Vermieterin möglicherweise noch hinzunehmen, ist dies bei einer Dauer der Bienenhaltung über Wochen oder – wie vorliegend – viele Monate (von Juni 2013 bis heute) nicht der Fall.
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2. Die prozessualen Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 91, 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.