552,75 EUR für gut einstündige Türöffnung ist sittenwidrig

AG Essen, Urteil vom 18.08.2017 – 29 C 11/17

552,75 EUR für gut einstündige Türöffnung ist sittenwidrig

Tenor

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 552,75 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 02.02.2017 zu zahlen.

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 147,56 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.02.2017 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand
1
Von der Wiedergabe des Tatbestandes wird gemäß § 313a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist begründet.

I.

3
Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Rückzahlung des geltend gemachten Betrages in Höhe von 552,75 EUR aus den §§ 812 Abs.1 S. 1, 1. Alt, 818 Abs.1, 2 BGB zu.

4
Der streitgegenständliche Werkvertrag im Sinne des § 631 BGB ist als ein wucherähnliches Rechtsgeschäft gemäß § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig und damit nichtig.

5
Ein wucherähnliches Geschäft liegt vor, wenn zwischen Leistung und Gegenleistung ein besonders grobes Missverhältnis besteht und die hierdurch begründete tatsächliche Vermutung einer verwerflichen Gesinnung des Vertragspartners von diesem nicht widerlegt wird. Für die Annahme eines besonders groben Missverhältnisses genügt bereits, dass der Wert der Leistung knapp doppelt so hoch ist, wie der der Gegenleistung (Ellenberger, in Palandt, 75. Auflage 2016, § 138, Rn. 34a m.w.N.).

6
Ein besonders grobes Missverhältnis im vorgenannten Sinn liegt hier vor.

7
Der objektive Wert der Türöffnung beträgt hier selbst nach dem Beklagtenvortrag maximal 279,34 EUR, sodass die Leistung der Klägerin – gezahlt wurden ursprünglich 552,75 EUR – knapp doppelt so hoch ausfiel, als die empfangene Gegenleistung. Hierbei kommt es nicht darauf an, dass der gezahlte Betrag den Wert der empfangenen Gegenleistung nicht exakt um 100% übersteigt. Ein besonders grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung mit der Folge, dass eine verwerfliche Gesinnung vermutet wird, liegt auch dann noch vor, wenn die Leistung – wie hier – 98% über dem Wert der empfangenen Gegenleistung liegt. Da vor diesem Hintergrund eine verwerfliche Gesinnung des Beklagten vermutet wird, kann offen bleiben, ob darüber hinaus weitere Umstände vorlagen, die die Annahme einer solchen Gesinnung stützen.

8
Bei der Berechnung des objektiven Werts der hier streitgegenständlichen Türöffnung hat das Gericht den Beklagtenvortrag zu den üblichen Türöffnungspauschalen als wahr unterstellt und die von Beklagtenseite vorgelegte, vermeintliche Preisempfehlung des Bundesverbandes Metall (BMV) (Stand 2014) zugrunde gelegt und nicht – wie sonst in regelmäßiger Rechtsprechung üblich – die gerichtsbekannte Preisempfehlung des Bundesverbandes Metall (BMV) (Stand 2011). Nach der von der Beklagtenseite vorgelegten Liste ist für die streitgegenständliche Türöffnung ein Werklohn in Höhe von maximal 277,01 EUR angemessen.

9
Dies ergibt sich daraus, dass hier eine Türöffnung im ländlichen Raum (Ilsede) an einem Donnerstag zwischen 12:00 Uhr und 13:15 Uhr vorgenommen wurde und die Türöffnung demnach 1 Std. 15 min. dauerte. Hieraus ergibt sich nach der vorgenannten Preisempfehlung des Bundesverbandes Metall eine Türöffnungspauschale von 87,64 EUR (für 15 Minuten Arbeitszeit) zuzüglich weiterer 87,64 EUR (für weitere 60 Minuten Arbeitszeit). Dieser Türöffnungspauschale ist ausweislich der Preisempfehlung eine Fahrtkostenpauschale in Höhe von 41,73 EUR aufzuschlagen. Hinzu kommen Kosten für das eingesetzte Rohrrahmenschloss, dessen Wert das Gericht entsprechend der Preisempfehlung des Bundesverbandes Metall (BMV) (Stand 2011) – mangels entgegenstehender Angaben in der vom Beklagten herangezogenen Liste – auf 60,00 EUR schätzt, § 287 ZPO, so dass sich hieraus insgesamt ein Betrag von 277,01 EUR ergibt.

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Diese Kosten beziehen sich auf September 2014 (Datum der Preisempfehlung). Der Verbraucherindex lag im September 2014 bei 107,0 Punkten. Im Oktober 2016 (Zeitpunkt der Türöffnung) lag der Verbraucherindex bei 107,9 Punkten. Daraus folgt, dass die Türöffnung im Oktober 2016 insgesamt 279,34 EUR kosten durfte (277,01 EUR ÷ 107,0 x 107,9).

11
Da sich der Vertrag demnach als sittenwidrig erweist, ist der Beklagte zur Rückzahlung des von der Klägerseite geltend gemachten Betrages verpflichtet.

II.

12
Darüber hinaus steht der Klägerin ein Anspruch auf Zahlung von vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 147,56 EUR gemäß den §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286, 288 BGB zu. Die Höhe der Rechtsanwaltskosten berechnet sich nach einem Gegenstandwert von 552,75 EUR, einer 1,3 Geschäftsgebühr und Nebenkosten in Höhe von 20,00 EUR.

III.

13
Der Zinsanspruch folgt aus § 291 BGB.

IV.

14
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1 S. 1, 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.

V.

15
Der Streitwert wird auf 552,75 EUR festgesetzt.

VI.

16
Da mit dieser Entscheidung für keine Partei die zur Eröffnung der Berufung führende Beschwer von über 600,00 EUR erreicht ist, hat das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen die Zulassung der Berufung zu prüfen, § 511 Abs. 4 ZPO. Die Berufung ist danach nicht zuzulassen gewesen, weil die Rechtssache ihre Entscheidung allein aus den Umständen des vorliegenden Falles gefunden hat und somit weder grundsätzliche Bedeutung besitzt oder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordern, § 511 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. Abs. 4 Nr. 1 ZPO.

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