Zur Zuständigkeit des Mobilfunkanbieters für Beanstandungen gegen sog. Drittanbieterforderungen

LG Potsdam, Urteil vom 26. November 2015 – 2 O 340/14

Zur Zuständigkeit des Mobilfunkanbieters für Beanstandungen gegen sog. Drittanbieterforderungen

Tenor

Die Beklagte wird verurteilt,

1.) es bei Meldung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, wahlweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen,

im Rahmen der Abwicklung von Mobilfunkverträgen mit Verbrauchern

auf deren gegen die Abrechnung von Leistungen Dritter gerichteten Einwand

– wie in dem als Anlage K5 mit dem Tenor verbundenen Schreiben vom 30.01.2014 zur Kundennummer xxx –

zu behaupten, sie müssten sich für eine Gutschrift an den entsprechenden Drittanbieter wenden.

2.) an den Kläger 428,00 € Abmahnkosten nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 24.10.2014 zu zahlen,

3. ) den Kläger von vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 1.752,90 € freizustellen.

Der Beklagten werden die Kosten des Rechtsstreits auferlegt.

Das Urteil ist hinsichtlich der Ziff. 2.) und 3.) des Hauptsachetenors gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zur Vollstreckung gelangenden Betrages vorläufig vollstreckbar. Hinsichtlich des Hauptsachetenors zu Ziff. 1.) ist es gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 80.000,00 € vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Beklagte ist Mobilfunkanbieterin und versorgt in Deutschland unter anderem unter der Marke „B…“ rund 25 Millionen Kunden mit einem Zugang zu dem von ihrer Komplementärin betriebenen Mobilfunknetz. Der Kläger ist eine in die Liste nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Unterlassungsklagegesetz (UKlaG) eingetragene qualifizierte Einrichtung. Der Kläger nimmt im Kollektivinteresse die Beklagte auf Unterlassung von verbraucherschutzwidrigem und irreführendem Verhalten in Anspruch.

Die Zeugin … (im Folgenden Kundin) war Kundin der Beklagten. Sie reklamierte bei der Beklagten mehrfach die Abrechnung von Leistungen sogenannter Drittanbieter. Dabei handelt es sich um Dritte, deren Leistungen über die Beklagten mit deren Mobilfunkrechnung abgerechnet werden. In der Abrechnung der Beklagten vom 18.11.2013 und deren Folgerechnung stellte die Beklagte eine Forderung in Höhe von 97,80 € unter der Bezeichnung „F…“ ein. Dies reklamierte die Kunden innerhalb weniger Tage nach Rechnungserhalt sowohl telefonisch als auch schriftlich mit dem Einwand, sie habe keine Leistungen von „F…“ bestellt (für Einzelheiten wird auf Bl. 36 GA Bezug genommen). Die Kundin zahlte nur die unstrittigen Beträge, die Forderungen der Beklagten selbst darstellten, an die Beklagte. Mit Schreiben vom 06.01.2014 mahnte die Beklagte einen noch offenen Betrag von 69,43 € an und drohte für den Fall der Nichtzahlung die Sperrung der Mobilfunkanschlusses der Kundin an (für Einzelheiten wird auf Seite 4 der Klageschrift, Bl. 37 GA, Bezug genommen). Das entsprechende Unterlassungsbegehren des Klägers zum Klageantrag zu 1. a) hat die Beklagte anerkannt. Unter dem 30.01.2014 teilte die Beklagte ihrer Kundin mit, dass ihr der Einwand gegen die Drittanbieterabrechnung nicht entgegengehalten werden könne. Im Einzelnen heißt es dort:

„Aus unseren Unterlagen geht hervor, dass wir Sie bereits am 14. Dezember darüber informiert haben, dass Sie sich bitte an den entsprechenden Drittanbieter wenden möchten, um eine eventuelle Gutschrift zu erhalten, die vollständigen Kontaktdaten finden sie auf Ihren Monatsabrechnungen.

Wir bitten Sie daher, den bei uns offenstehenden Betrag von 206,10 € auszugleichen.“

(Für weitere Einzelheiten wird auf Seite 5 der Klageschrift, Bl. 38 GA, sowie auf Anlage K5, Bl. 52 GA, Bezug genommen). Der in dem Schieiben erwähnte Betrag von 206,10 € setzte sich ausschließlich aus Forderungen des Drittanbieters „F…“ zusammen. Mit Schreiben vom 06.03.2014 mahnte der Kläger die Beklagte erneut ab und erweiterte sein Unterlassungsbegehren unter anderem auf das Verhalten aus dem vorzitiertem Schreiben, Verbraucher wegen Einwendungen gegen Forderungen von Drittanbietern an diese zu verweisen. Die Beklagte gab die geforderte Unterlassungserklärung auch hinsichtlich des vorstehend geschilderten und hier noch im Streit stehenden Verhaltens nicht ab und lehnte die Anerkennung, dem Kläger Abmahnkosten zu schulden ab (Für Einzelheiten wird auf Seite 7f der Klageschrift, Bl. 40f GA, Bezug genommen).

Der Kläger behauptet, der streitgegenständliche Fall sei exemplarisch für eine Vielzahl ihm vorgetragener Beschwerden in gleichgelagerten Fällen. Die jeweiligen Netzbetreiber behandelten Forderungen von Drittanbietern zwar wie eigene Forderungen und trieben diese mit Nachdruck ein; ihren Kunden suggerierten sie jedoch, sie seien für Einwendungen gegen Forderungen von Drittanbietern nicht zuständig (für weitere Einzelheiten wird auf Seite 8 der Klageschrift, Bl. 41 GA, Bezug genommen. Die Mitteilung aus dem Schreiben vom 30.01.2014 (Anlage K5) sei eine unzulässige unlautere geschäftliche Handlung, denn sie sei irreführend. Sie täusche die Verbraucher über ihr Recht, Einwendungen gegen Forderungen von Drittanbietern gegenüber der Beklagten geltend zu machen. Die Beklagte suggeriere durch diesen Verweis fälschlicherweise, die Verbraucher müssten sich an die Drittanbieter wenden, weil sie nur inkassierender Dienstleister sei und für Inhalt und Ausgestaltung des Angebotes der Drittanbieter nicht verantwortlich sei. Dies sei jedoch falsch, wie sich im Allgemeinen aus § 404 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) und aus § 45h Abs. 3 Telekommunikationsgesetz (TKG) ergebe (für weitere Einzelheiten wird auf Bl. 42ff GA Bezug genommen). Der Unterlassungsanspruch bestehe auch gem. § 44 Abs. 2 TKG und §§ 2, 3 UKlaG. Die Verweisung an den Drittanbieter verstoße gegen die Verbraucher schützende Vorschrift des § 45h TKG (für weitere Einzelheiten wird auf Bl. 45 GA Bezug genommen. Nach alledem sei die Abmahnung berechtigt und er könne den Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangen. Erforderlich seien – unstreitig – jeweils 200,00 € zuzüglich 7 % Mehrwertsteuer, was insgesamt 428,00 EUR ergebe.

Der Kläger beantragt,

wie erkannt.

Die Beklagte beantragt,

die Klage insoweit abzuweisen.

Die Beklagte meint, der Klageantrag zu 1.) b) sei zu weit gefasst und bereits deshalb unbegründet, er gehe über die konkrete Verletzungsform hinaus. In dem Schreiben werde an keiner Stelle die Behauptung aufgestellt, die Kundin müsse sich an den Drittanbieter wenden. Es lasse auch einen solchen Eindruck nicht aufkommen (für weitere Einzelheiten wird auf Bl. 94 GA Bezug genommen). Sie rechne die auf die Inanspruchnahme von Drittleistungen entfallenden Kosten mit dem Drittanbieter ab. Sie habe keinerlei Informationen und Kenntnis über die im unmittelbaren Verhältnis zwischen dem Mobilfunkkunden und dem jeweiligen Drittanbieter geregelten vertraglichen Fakten. Unklarheiten oder Einwendungen bezüglich dieses Vertragsverhältnisses könne sie weder rechtliche noch sachlich klären. So verhalte es sich auch in dem streitgegenständlichen Vorgang der Kundin Herrmann-Bennewitz. § 45h TKG sei auf das Schreiben vom 30.01.2014 nicht anwendbar, diese Norm betreffe ausschließlich die Gestaltung der Rechnung. Dies ergebe sich auch nicht daraus, dass die Korrespondenz im Rahmen der Reklamationsbearbeitung erfolgte. Es greife vielmehr § 45p TKG. Darüber hinaus lasse § 45h TKG offen, wem gegenüber die Einwendungen erhoben werden müssten. Es liege auch keine unlautere geschäftliche Handlung vor. Eine Irreführung über Rechte der Verbraucher habe sie nicht begangen.

Für Einzelheiten des weiteren Vortrages der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze sowie der überreichten Unterlagen, im Übrigen auf den Akteninhalt Bezug genommen.

Die Kammer hat am 10.03.2015 ein Teilanerkenntnisurteil über den anerkannten Teil der Klage erlassen. Für Einzelheiten wird auf das Teilanerkenntnisurteil, Bl. 144ff GA Bezug genommen.

Gründe

I. Die Klage ist – soweit über sie noch zu entscheiden war – begründet.

1.) Der Kläger ist klagebefugt. Er ist eine qualifizierte Einrichtung gem. § 4 Abs. 1 Satz 1 UKlaG.

2.) Die Klage ist nicht deswegen unbegründet, weil der Klageantrag 1. b) zu weit gefasst wäre. Der Klageantrag zu 1.) b) erfasst vielmehr den Kernbereich der geltend gemachten konkreten Verletzungsform, nämlich der Behauptung, die Verbraucher sie müssten sich für eine Gutschrift an den entsprechenden Drittanbieter wenden. Dem steht nicht entgegen, dass in dem Schreiben vom 30.01.2014 (K5) die Formulierung, die Verbraucher „möchten“ sich bitte an den Drittanbieter wenden, gewählt wurde. Denn damit wird sinngemäß mitgeteilt, dass die Verbraucher sich nicht an die Beklagte wenden können sondern sich an den Drittanbieter wenden müssen, wenn sie Eiwendungen geltend machen wollen. Die in dem Schreiben verwendete Formulierung stellt die übliche sprachliche Gestaltung in schriftlicher Kommunikation mit Kunden oder Geschäftspartnern dar, die auch Höflichkeitsregeln zu beachten hat. Die Verwendung des Wortes möchten hat hier die Bedeutung eines „Müssen“, da die Beklagte selbst eine Bearbeitung der Einwendungen ablehnt.

3.) Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Unterlassung wie tenoriert gem. §§ 2 Abs. 1 UKlaG, 45h Abs. 3 TKG.

Die Beklagte handelt mit ihrem Schreiben vom 30.01.2014 in anderer Weise als durch die Verwendung oder Empfehlung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen Verbraucherschutzgesetzen zuwider (§ 2 Abs. 1 UKlaG). § 45 Abs. 3 TKG, der festlegt, dass das rechnungsstellende Unternehmen den Rechnungsempfänger in der Rechnung darauf hinweisen muss, dass dieser berechtigt ist, begründete Einwendungen gegen einzelne in der Rechnung gestellte Forderungen zu erheben, ist eine Verbraucherschutzvorschrift i.S.v. § 2 Abs. 1 UKlaG. Zwar ist hier nicht eine unterlassene obligatorische Mitteilung gem. § 45h Abs. 3 TKG betroffen, denn das Schreiben der Beklagten vom 30.01.2014 ist keine Rechnung. Entgegen der Ansicht der Beklagten kommt es jedoch hierauf nicht an. Entscheidend ist vielmehr, dass die Beklagte den ihren Verbraucher-Kunden suggeriert, sie könnten sich mit ihren Einwendungen gegen die Forderungen von Drittanbietern nicht an die Beklagte wenden. Dies ist jedoch unzutreffend. Die Möglichkeit sich wegen Einwendungen gegen Forderungen von Drittanbietern an das abrechnende Telekommunikationsunternehmen zu wenden, ergibt sich materiell rechtlich zum einen bereits aus § 404 BGB, der bestimmt, dass der Schuldner dem neuen Gläubiger die Einwendungen entgegensetzen kann, die zur Zeit der Abtretung der Forderung gegen den bisherigen Gläubiger begründet waren. Hierzu gehört auch der Einwand, dass die Forderung nicht entstanden ist. Zum anderen hat dieses Recht aber ihren Ausdruck gefunden in § 45h Abs. 3 TKG. Es ist zwar richtig, dass dort nach dem Wortlaut nur die Mitteilungspflicht als solche und nicht erwähnt ist, wem gegenüber die Einwendungen geltend gemacht werden können. Der Sinn und Zweck dieser Vorschrift ist aber, den Verbrauchern ein direktes Zugriffsrecht auf den Telekommunikationsanbieter zu ermöglichen (vgl. Ditscheid/Rudloff in Beck’scher TKG-Kommentar, 4. Aufl. 2013, § 45h Rdnr. 57). Dass die Beklagte möglicherweise nicht in der Lage wäre, die Einwendungen aufzuklären und sich deshalb selbst an den Drittanbieter wenden müsste, steht dem nicht entgegen (vgl. auch die Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 16.11.2006, III ZR 58/06, zitiert nach juris.de, zu § 15 Abs. 3 TKV a.F. wonach AGB, die das Einwendungsrecht ausschließen sollen einen Verstoß gegen § 15 Abs. 3 TKV darstellen). In dem die Beklagte in ihrem Schreiben vom 30.01.2014 den Verbrauchern suggeriert, sie müssten sich mit Einwendungen gegen die Forderungen von Drittanbietern direkt an diese wenden, um eine Gutschrift wegen einer Forderung, die nicht entstanden sein soll, zu erhalten, schneidet sie den Verbrauchern ihr direktes Zugriffsrecht aus § 45h Abs. 3 TKG und § 404 BGB ab.

4.) Der Kläger hat gegen die Beklagte weiter einen Anspruch auf Unterlassung wie tenoriert gem. §§ 3 Abs. 1, 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7, 8 Abs. 1 UWG.

Die Äußerungen der Beklagten in ihrem Schreiben vom 30.01.2014, Anlage K5, sind geeignet, den Verbraucher über das Bestehen seiner Rechte, Einwendungen gegen die Forderungen von Drittanbietern, wie das Nichtbestehen der Forderung, direkt gegen die Beklagte geltend zu machen, zu täuschen (§ 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 UWG). Der Kläger kann die Beklagte gem. § 8 Abs. 1 UWG auf Unterlassung in Anspruch nehmen. Auf die obigen Ausführungen wird zur näheren Begründung Bezug genommen.

5.) Der Kläger hat gegen die Beklagte weiter Anspruch auf Ersatz seiner Abmahnkosten in Höhe von 428,00 € und Freistellung von den vorgerichtlichen entstandenen Rechtsanwaltskosten gem. § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG. Die Abmahnungen waren berechtigt; die Höhe der Abmahn- und Rechtsanwaltskosten ist nicht angegriffen. Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.

II. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 93, 709 ZPO, die Entscheidung zu den angedrohten Ordnungsmitteln beruht auf § 888 ZPO.

Dieser Beitrag wurde unter Telefonrecht abgelegt und mit , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.