Zur Zulässigkeit einer Klausel über Bearbeitungsentgelt für die Gewährung eines Verbraucherkredits

LG Dortmund, Urteil vom 21.02.2014 – 3 S 7/13

Wird dem Kreditnehmer vom Kreditinstitut der vollständige Vertragstext lediglich zur Unterschrift übersandt, macht es keinen Unterschied, ob das Bearbeitungsentgelt abstrakt in einem Preis- oder Leistungsverzeichnis benannt oder im Vertrag selbst konkret berechnet wird – es handelt sich um eine vorformulierte Klausel.

Tenor

Auf die Berufung der Kläger wird das am 16.10.2013 verkündete Urteil des Amtsgerichts Dortmund – 419 C 1346/13 – abgeändert.

Das am 05.06.2013 verkündete Versäumnisurteil des Amtsgerichts Dortmund – 419 C 1346/13 – wird aufgehoben.

Das am 08.04.2013 erlassene Versäumnisurteil des Amtsgerichts Dortmund – 419 C 1346/13 – wird aufrechterhalten, soweit die Beklagte verurteilt worden ist, an die Kläger 750,00 EUR nebst gezogener Nutzungen in Höhe von 94,57 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 30.10.2012 zu zahlen.

Im Übrigen werden das vorgenannte Versäumnisurteil vom 08.04.2013 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 1.000,00 EUR festgesetzt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
1

Von der Darstellung eines Tatbestandes wird gemäß den §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO, 26 Nr. 8 S. 1 EGZPO abgesehen.

II.
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Die fristgerecht erhobene und auch im Übrigen zulässige Berufung der Kläger ist in dem sich aus dem Tenor ergebenden Umfang – d.h. zum ganz überwiegenden Teil – begründet. Dies führt dazu, dass das (erste) Versäumnisurteil des Amtsgerichts vom 08.04.2013 mit Ausnahme der dort zugesprochenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 147,56 EUR aufrechtzuerhalten und das klageabweisende (zweite) Versäumnisurteil des Amtsgerichts vom 05.06.2013 aufzuheben ist.
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1. Der Anspruch der Kläger auf Zahlung des sog. Bearbeitungsentgelts ergibt sich aus § 488 Abs. 1 S. 1 BGB. Zwischen den Parteien ist unstreitig am 16.03.2010 ein schriftlicher Darlehensvertrag (Kreditkontonummer 0000000000000) mit einem Bruttokreditbetrag von 25.750,00 EUR, von dem 25.000,00 EUR auf den Nettokreditbetrag (Auszahlungsbetrag) und 750,00 EUR auf das Bearbeitungsentgelt entfielen (Einzelheiten: Anlage K10 = Bl. 221-224 d.A.), zustande gekommen. Ausgezahlt an die Kläger hat die Beklagte lediglich 25.000,00 EUR, mithin 750,00 EUR zu wenig.
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Der entsprechende Darlehensauszahlungsanspruch der Kläger ist nicht erloschen. Eine aufrechenbare Gegenforderung in Höhe des Bearbeitungsentgelts steht der Beklagten nicht zu. Denn die Erhebung eines Bearbeitungsentgeltes für die Gewährung des Verbraucherkredits ist gemäß § 307 Abs. 1 S. 1 u. Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam.
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a) Bearbeitungsentgelt als Allgemeine Geschäftsbedingung
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Es handelt sich bei der im Verbraucherkreditvertrag enthaltenen Vereinbarung über das Bearbeitungsentgelt um eine Allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne des § 305 BGB.
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Nach § 305 Abs. 1 BGB sind Allgemeine Geschäftsbedingungen alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrages stellt und die nicht im Einzelnen ausgehandelt wurden. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.
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Vorliegend enthält der von der Beklagten gestellte Kreditvertrag unter der Überschrift “Kreditberechnung” eine Auflistung zur Berechnung des Gesamtbetrages, welche das Bearbeitungsentgelt benennt und im vorliegenden Fall konkret mit 750,00 EUR ausweist. Insoweit ist die Bearbeitungsgebühr – anders als in den zu dieser Thematik veröffentlichten oberlandesgerichtlichen Entscheidungen (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 11.04.2011 – 31 U 192/10BeckRS 2011, 08607; Urt. v. 17.09.2012 – 31 U 60/12 – zit. nach www.nrwe.de; OLG Düsseldorf, Urt. v. 24.02.2011 – 6 U 162/10 – zit. nach www.nrwe.de; Urt. v. 26.09.2013 – 6 U 32/13BeckRS 2014, 02178; OLG Karlsruhe, Urt. v. 03.05.2011 – 17 U 192/10BeckRS 2011, 10434; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 27.07. 2011 – 17 U 59/11BeckRS 2012, 09048; OLG Dresden, Urt. v. 02.12.2010 – 8 U 1461/10BeckRS 2011, 13603; Urt. v. 29.09.2011 – 8 U 562/11BeckRS 2011, 28304; OLG Celle, Beschl. v. 13.10.2011 – 3 W 86/11BeckRS 2012, 09580; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 21.02.2011 – 4 U 174/10BeckRS 2011, 20832; OLG Bamberg, Urt. v. 04.08.2010 – 3 U 78/10BKR 2010, 436) – nicht abstrakt in einem Preis- oder Leistungsverzeichnis benannt, sondern konkret berechnet. Die Höhe der ausgewiesenen Bearbeitungsgebühr entspricht 3 % des Nettokreditbetrages.
9

Allein der Umstand aber, dass die Beklagte die Berechnung des Bearbeitungsentgeltes nicht offenlegt, sondern diese lediglich im Kopf des Verwenders gespeichert ist, führt nicht dazu, dass es sich nicht um eine vorformulierte Klausel handelt (vgl. BGH, Urt. v. 30.09.1987 – IVa ZR 6/86NJW 1988, 410; Urt. v. 10.03.1999 – VIII ZR 204/98NJW 1999, 2180, 2181; Urt. v. 19.05.2005 – III ZR 437/04NJW 2005, 2543, 2544; OLG Hamm, Urt. v. 09.06.1986 – 18 U 239/85NJW-RR 1987, 243, 244; Palandt-Grüneberg, BGB, 72. Auflage 2013, § 305 Rn. 8). Soweit die Beklagte behauptet, dass die Bearbeitungsgebühr zwischen den Vertragsparteien ausgehandelt wurde, vermag dies nicht zu überzeugen. Es fehlt insoweit bereits an einem konkreten Vortrag bezüglich dieses Vorbringens. Zudem steht dem entgegen, dass der von der Beklagten vorgegebene vollständige Vertragstext den Klägern lediglich zur Unterschrift übersandt wurde. Im Ergebnis macht es daher keinen Unterschied, ob das Bearbeitungsentgelt abstrakt in einem Preis- oder Leistungsverzeichnis benannt oder im Vertrag selbst konkret berechnet wird (vgl. LG Bonn, Urt. v. 16.04.2013 – 8 S 293/12BeckRS 2013, 07335; LG Stuttgart, Urt. v. 20.09.2013 – 4 S 67/13BeckRS 2013, 18805; Urt. v. 23.10.2013 – 13 S 65/13BeckRS 2013, 18225; Urt. v. 05.02.2014 – 13 S 126/13BeckRS 2014, 02973; LG Berlin, Urt. v. 04.06.2013 – 10 S 2/13BKR 2013, 383, 383 f.).
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b) unangemessene Benachteiligung
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Die Erhebung des Bearbeitungsentgeltes für die Gewährung des Verbraucherkredits durch die Beklagte stellt für die Kläger eine unangemessene Benachteiligung gemäß § 307 Abs. 1 S. 1 u. Abs. 2 Nr. 1 BGB dar.
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Dies entspricht der Auffassung von mittlerweile acht Oberlandesgerichten (Einzelnachweise s.o.). Mittlerweile hat auch das Bundesverfassungsgericht (Beschl. v. 19.12.2013 – 1 BvR 859/13BeckRS 2014, 46308) in einem Urteilsverfassungsbeschwerdeverfahren die vorgenannte OLG-Rechtsprechung zu Bearbeitungsentgelten in Verbraucherkreditverträgen als “einhellig” bezeichnet. Die Kammer vertritt diese Auffassung ebenfalls (vgl. Beschl. v. 27.09.2013 – 3 S 6/13BeckRS 2013, 19712); auf diese Entscheidung sind die Parteien in der Terminsverfügung vom 07.01.2014 hingewiesen worden (Bl. 232 d.A.).
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c) Novenausschluss nach § 531 Abs. 2 ZPO?
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Entgegen der Ansicht der Beklagten sind die Kläger mit der erstmaligen Vorlage der Urkunde über den Darlehensvertrag im Berufungsrechtszug (Anlage K10 = Bl. 221-224 d.A.) nicht als verspätet anzusehen. Ein Novenausschluss nach § 531 Abs. 2 ZPO kommt nicht in Betracht, da neues unstreitiges Vorbringen in der Berufungsinstanz immer zu berücksichtigen ist (vgl. Zöller-Heßler, ZPO, 29. Auflage 2012, § 531 Rn. 20). So verhält es sich hier: Der hier maßgebliche Inhalt der Vertragsurkunde (Bl. 221 d.A., linke Spalte unter der Überschrift “Kreditberechnung”: “( … ) – Bearbeitungsentgelt 750,00 EUR ( … )”) steht zwischen den Parteien nicht im Streit.
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Im Übrigen haben die Kläger vorgetragen, dass sich der Kläger noch erstinstanzlich – nämlich nach Erhalt der Umladungsverfügung vom 17.07.2013 mit dem entsprechenden Hinweis des Amtsgerichts (Bl. 146R d.A.) – um Übersendung des Vertrages von der Beklagten bemüht hätten (Bl. 205 d.A.). Dem ist die Beklagte nicht entgegengetreten, so dass selbst dann, wenn der Inhalt der Vertragsurkunde zwischen den Parteien streitig wäre, die – insoweit darlegungsbelasteten (vgl. hierzu: Zöller-Heßler, a.a.O., § 531 Rn. 33) – Kläger dargelegt hätten, dass sie in der ersten Instanz nicht nachlässig im Sinne von § 531 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 ZPO waren. Anders als bei der Anlage K11 (“Beratungsprotokoll Ratenschutz der Q-bank”, Bl. 225 d.A.) ergibt sich aus der Anlage K10 auch nicht, dass die Kläger ein Vertragsdoppel erhalten hätten.
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2. Ferner sind die gezogenen Nutzungen an die Kläger herauszugeben. Gegen die Berechnung des Nutzungsausfalls in Höhe von 94,57 EUR auf S. 10 f. der Klageschrift (Bl. 10 f. d.A.) hat die Beklagte nichts Erhebliches vorgetragen.
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3. Außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren können die Kläger dagegen nicht ersetzt verlangen. Ein vorprozessuales Tätigwerden der Klägervertreter ist nicht dargetan. Im Gegenteil: Die Kläger haben in erster Instanz – hierauf nehmen sie in zweiter Instanz Bezug (Bl. 220 d.A.) – vorgetragen, dass es die Kläger selbst waren, die die Beklagte vorprozessual mit Schreiben vom 08.10.2012 (Anlage K2 = Bl. 18 d.A.) vergeblich zur Zahlung aufgefordert haben.

III.
18

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10 S. 1, 713 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgericht nicht erfordert, § 543 Abs. 2 ZPO.

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