Zur Verkehrssicherungspflicht des Betreibers einer Snowtubing-Anlage

OLG München, Urteil vom 15.10.2009 – 1 U 4353/08

Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt ist genügt, wenn im Ergebnis derjenige Sicherheitsgrad erreicht ist, den die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich hält. Daher reicht es anerkanntermaßen aus, diejenigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betroffenen Verkehrskreise für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren, und die ihm den Umständen nach zuzumuten sind. Der Betreiber einer Sport- und Spielanlage braucht demnach zwar nicht allen denkbaren Gefahren vorzubeugen. Die Verkehrssicherungspflicht erfordert jedoch regelmäßig den Schutz vor Gefahren, die über das übliche Risiko bei der Anlagenbenutzung hinausgehen, vom Benutzer nicht vorhersehbar und für ihn nicht ohne Weiteres erkennbar sind. Der Umfang der erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen richtet sich insbesondere danach, welcher Grad an Sicherheit bei der Art des Spiel- bzw. Sportgeräts und dem Kreis der dafür zugelassenen Benutzer typischerweise erwartet werden kann (Rn. 38).

Aus den genannten Grundsätzen folgt, dass eine Snowtubing-Anlage sich in einem technisch einwandfreien Zustand befinden muss. Der Betreiber einer Snowtubing-Anlage ist verpflichtet, bei Planung, Konstruktion, Bau und Betrieb alle technisch und wirtschaftlich zumutbaren Maßnahmen auszuschöpfen, um den Benutzer den höchst möglichen Sicherheitsstandard zu bieten (Rn. 39).

Es kann jedoch nicht verlangt werden, dass dem Benutzer eine gefahrenfreie Benutzung garantiert wird. Das ist bei Anlagen, bei der der Benutzer sich nicht vollständig der technischen Funktion einer Anlage anvertraut wie beispielsweise bei einer Achterbahn, auch nicht denkbar. Weder auf eine Skipiste noch auf einer Rodelbahn noch auf einer Snowtubing-Bahn kann durch technische oder sonstige Maßnahmen verhindert werden, dass ein Benutzer zu Sturz kommt und sich gegebenenfalls dabei Verletzungen zuzieht. Diese Gefahr ist dem Freizeitspaß immanent und für jeden Benutzer erkennbar. Wenn eine Betätigung objektiv gefährlich ist, kann durch technische Maßnahmen und Verhaltensregeln, die objektive Gefahr allenfalls minimiert, aber nicht ausgeschlossen werden (Rn. 40).

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts München II vom 19.6.2008 wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung des Urteils durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, sofern nicht die Beklagte vor Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.


Tatbestand

1

Der Kläger macht gegenüber der Beklagten Schadenersatzansprüche aufgrund eines Sturzes auf einer Snowtubing -Anlage geltend.

2

Die Beklagte betreibt eine gemeindeeigene Snowtubing -Anlage. Die Bahn ist ca. 300 m lang und weist einen Höhenunterschied von etwa 30 Metern auf. Vor dem streitgegenständlichen Vorfall wurde die Bahn zuletzt am 27.01.2007 mit dem Pistenbully aufgefräst und präpariert, wobei die Bahn so angelegt wurde, dass ein weitläufiger Auslauf im unteren Bereich der Bahn bestand. Die Multi Snowtubes (Reifen) und der Schlepplift entsprachen den einschlägigen Sicherheitsvorschriften und DIN-Normen. Der Schlepplift wurde zuletzt am 10.02.2006 vom TÜV Süddeutschland abgenommen.

3

Am 30.01.2007 besuchte der Kläger als Aufsichtsperson im Rahmen eines Schulausfluges mit Schülern die Snowtubing -Anlage, die an diesem Tag weitestgehend mit Kunstschnee präpariert worden war.

4

Der Kläger wurde nach seiner Darstellung bei seiner ersten Fahrt gegen 11.10 Uhr gleich in der ersten Rechtskurve der Snowtubing -Bahn auf den linksseitigen Schneewall gedrückt, in die Höhe gehoben und stürzte anschließend mit den Füßen voraus mit einiger Geschwindigkeit wieder auf die Bahn.

5

Der Kläger zog sich bei dem Unfall Verletzungen zu.

6

Am 7.02.2007 wurde nach einer MRT im Klinikum rechts der Isar in München ein Sehnenabriss (Bizepssehnenruptur) im rechten Knie festgestellt. Der Kläger wurde anschließend operiert und am 15.02.2007 aus der Klinik entlassen.

7

Nach einer sechswöchigen Ruhepause zu Hause in Verbindung mit krankengymnastischen Übungen und ambulanten Untersuchungen folgte vom 27.03.-26.04.2007 eine Anschlussheilbehandlung in der Reha-Klinik B. W.. Dort erlitt der Kläger bei einer Übung am 24.04.2007 eine Kreuzbandteilruptur des linken Kniegelenks mit Ruptur der Gelenkkapsel, die am 27.04.2007 eine Operation am linken Knie erforderlich machte.

8

Der Kläger hat vor dem Landgericht vorgetragen:

9

Der verwendete Kunstschnee sei besonders schnell, gefährlich und hart, während normaler Schnee im Gegensatz zu Kunstschnee viel weicher und ungefährlicher sei. Der begrenzende Schneewall sei an der Stelle, an der er gestürzt sei, viel zu steil und zu hart und wegen des natürlichen Schattens dort vereist gewesen. Auch einige seiner Schüler seien an derselben Stelle gestürzt, hätten sich allerdings bis auf eine Schülerin, die Prellungen und Hämatome am Gesicht erlitten habe, nicht nennenswert verletzt. Die Schüler hätten sich dabei nicht bestimmungswidrig verhalten. Der Fahrgast sei beim Snowtubing völlig hilflos und habe keinerlei Kontrolle über das Sportgerät; zudem sei ein Höhenunterschied von ca. 30 m kein geringes Gefälle mehr. Die Beklagte als Betreiberin der Anlage müsse für einen gefahrlosen Betrieb sorgen und die Anlage so gestalten, dass sie hundertprozentig sicher sei und Verletzungen überhaupt ausgeschlossen seien. Die Bahn selbst sei auch nicht vom TÜV abgenommen worden und entspreche nicht den einschlägigen Normen. Weder das Personal der Beklagten habe auf die etwaige Gefährlichkeit der Benutzung der Anlage hingewiesen noch habe es schriftliche Warnhinweise u.a. bezüglich einer Altersbeschränkung, etwa in der Art, dass Snowtuben nur bis zu einer bestimmten Körpergröße oder Alter erlaubt sei, gegeben. Die Beklagte habe ferner die Snowtubing -Bahn als vollkommen ungefährlich und als „Mordsgaudi“ im Internet beworben. Ein Mitverschulden des Klägers sei mangels Kenntnis von der Gefährlichkeit und aufgrund der fehlenden Hinweise durch die Beklagte nicht gegeben. Die Verletzungen seien unfallbedingt.

10

Der Kläger hat im ersten Rechtszug beantragt:

11

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld sowie darüber hinaus 4.570,65 Euro jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15.05.2007 und vorgerichtliche Kosten in Höhe von 1.880,20 Euro zu zahlen.

12

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger jeden weiteren Schaden aus dem Unfallereignis vom 30.01.2007 und der Reha-Behandlung vom 24.04.2007 zu erstatten.

13

Die Beklagte hat beantragt,

14

die Klage abzuweisen.

15

Die Beklagte hat vorgetragen,

16

Der geschilderte Unfallablauf werde bestritten. Die Bahn sei durch die Kunstschneeauflage am 30.01.2007 griffig und gut befahrbar sowie weder besonders hart noch vereist gewesen. Die Bahn werde vor jeder Inbetriebnahme durch Mitarbeiter der Beklagten befahren und entsprechend geprüft und sei sowohl bei Kunstschnee als auch bei Naturschnee gleichermaßen gefahrlos zu befahren. Vorschriften für die Errichtung der Bahn existierten nicht, die Errichtung hänge vielmehr von den natürlichen örtlichen Gegebenheiten, wie Hanglage, Gefälle etc. ab. Ein Höhenunterschied von 30 m sei dabei ein geringes Gefälle. Die Benutzer der Snowtubing -Anlage seien dieser auch nicht vollkommen hilflos ausgeliefert, erwachsenen Besuchern sei es aufgrund ihrer Körpergröße ohne weiteres möglich, die Reifen mit den Füßen oder Beinen zu steuern, was allerdings aufgrund der Art der Einrichtung der Bahn überhaupt nicht nötig sei. Der Kläger sei auf die am Lifthäuschen angeschlagenen „Beförderungsbedingungen Snowtubing “ und auf die ebenfalls dort ausgehängte Benutzungsordnung hingewiesen worden. Eine Altersbeschränkung finde statt, Kleinkindern sei die Befahrung der Anlage untersagt. Zudem habe man den Kläger als eine die Schüler begleitende Lehrkraft insbesondere im Hinblick auf die Einhaltung der Benutzungsordnung um Mithilfe gebeten und die Kinder bzw. Jugendlichen eingewiesen. Seit dem Jahre 2000 hätten sich bei den Benutzern der Bahn lediglich leichte Verletzungen, wie blaue Flecken oder Abschürfungen ereignet. Im Übrigen sei jedenfalls ein ganz überwiegendes Mitverschulden des Klägers im Hinblick auf das den Benutzern gefährlicher Geräte aufzuerlegende Eigenrisiko anzunehmen. Art, Umfang und Ausmaß der vom Kläger vorgetragenen unfallbedingten Verletzungen und Folgebeschwerden sowie die im Rahmen der Reha-Behandlung erlittene Schädigung des linken Knies würden bestritten. Jedenfalls handele es sich bei letzterer aber um einen groben Behandlungsfehler, der der Beklagten in keinem Falle zuzurechnen sei. Die einzelnen Schadenspositionen und die Höhe des Schmerzensgeldes würden ebenfalls in Abrede gestellt bzw. als weit übersetzt beurteilt.

17

Das Landgericht wies mit Endurteil vom 19.6.2008 die Klage ab und führte zur Begründung aus, dass die Klage abzuweisen sei, da eine Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht durch die Beklagte nicht festzustellen sei. Die Anlage der Beklagten sei dem Bereich der Spiele- und Sportanlagen zuzuordnen, insbesondere könnten Parallelen zu Wasserrutschen und Rodelbahnen beziehungsweise Skipisten gezogen werden. In der Rechtsprechung sei dabei anerkannt, dass die Verkehrssicherungspflicht bei Spiel- und Sportanlagen dahin gehe, die Benutzer vor solchen Gefahren zu schützen, die über das übliche Risiko bei der Anlagenbenutzung hinausgingen und vom Besucher nicht vorhersehbar und ohne Weiteres erkennbar seien. Das Gericht könne sich der Auffassung des Klägers, wonach die Beklagte die Bahn so gestalten hätte müssen, dass Verletzungen überhaupt ausgeschlossen seien, nicht anschließen. Für einen umsichtigen und verständigen Benutzer sei ohne Weiteres erkennbar, dass ein Steuern von kunststoffbeschichteten Reifen auf Schnee nur schwer möglich sei und auch mit diesen Reifen höhere Geschwindigkeiten erreicht werden könnten. Auf Grundlage der Schilderung des Klägers habe zur Unfallzeit keine Gefahr bestanden, die über das übliche Risiko bei der Benutzung der Snowtubing -Anlage hinausgegangen sei. Der vom Kläger als unfallursächlich behauptete Geschehensablauf verhalte sich im Rahmen der für die Benutzer leicht erkennbaren Risiken. Bei Benutzung einer Snowtubing -Anlage müsse mit möglichen Stürzen gerechnet werden, wobei der vom Kläger geschilderte Sturz insbesondere nicht als atypisch anzusehen sei, weil ein Hinaustragen aus der Bahn durch den Schneewall verhindert worden sei und der Kläger wieder zurück in die Bahn gefallen sei. Auch der Umstand, dass die Bahn zum Unfallzeitpunkt mit Kunstschnee errichtet worden sei, könne jedenfalls nicht als atypische Gefahr eingestuft werden. Darüber hinaus vermöge das Gericht auch keine Verletzung von Hinweispflichten durch die Beklagte zu erkennen. Auf eine völlige Gefahrenlosigkeit und einen generellen Ausschluss von Verletzung bei der Benutzung einer Snowtubing -Anlage dürfe ein verständiger umsichtiger Benutzer zudem nicht vertrauen. Eine ausdrückliche Hinweispflicht auf typische, überschaubare Gefahren sowie die generelle Möglichkeit von Verletzungen sei abzulehnen und würde eine Überspannung der Anforderungen an Anlagenbetreiber bedeuten.

18

Der Kläger legte mit Schriftsatz vom 25.8.2008 gegen das ihm am 14.8.2008 zugestellte Urteil Berufung ein und begründete diese mit Schriftsatz vom 16.9.2008.

19

Der Kläger trägt vor:

20

Das Landgericht habe zu Unrecht eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch die Beklagte verneint. Das Landgericht habe den Vorfall als Sportunfall behandelt und habe dabei übersehen, dass es sich bei Snowtubing auf jeden Fall nicht um Sport im allgemein angenommenen Sinne handele. Bei Snowtubing setzte man sich in einen Gummischlauch und müsse sich den physikalischen Kräften anvertrauen, ohne irgendwelchen Einfluss darauf nehmen zu können. Man tue dies nur deshalb, weil man darauf vertraue und vertrauen dürfe, dass dieser Spaß in jeglicher Hinsicht völlig ungefährlich sei und dies trotz der offenbar für jeden offensichtlich erkennbaren Gefahren. Darin liege der besondere Reiz, nämlich etwas offensichtlich Gefährliches ausnahmsweise völlig gefahrlos tun zu dürfen. Insoweit sei das Snowtubing vergleichbar mit Jahrmarktvergnügungen wie eine Achterbahnfahrt. Bei solchen Anlagen erwarte der Verkehr hundertprozentige Sicherheit. Wer Achterbahn oder Snowtubing fahre, gehe davon aus, dass alles so sicher konstruiert sei, dass garantiert niemand aus der Bahn falle. Geschehe dies dennoch, weil die Bahn falsch angelegt sei, sei die Verkehrssicherungspflicht verletzt. Auf jeden Fall würde dies zu einer Beweislastumkehr führen. Dies alles verkenne das angefochtene Urteil. Die Bahn sei im übrigen falsch angelegt worden. Der Radius der ersten Kurve sei in Anbetracht der zu erwartenden Geschwindigkeit der Reifen zu eng. Die die Bahn seitlich begrenzenden Schneewälle seien zu steil und hart aufgeschüttet worden. Das Gefälle der Bahn sei mit 10% auf 300 Meter nicht gering. Die Bahn hätte eine Wölbung aufweisen müssen, um die Reifen in der Spur zu halten. Durch die Verwendung von Kunstschnee sei die Bahn gefährlicher als bei Normalschnee gewesen.

21

Der Kläger beantragt:

22

1. Das Urteil des Landgerichts München II wird aufgehoben.

23

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld sowie darüber hinaus 4.570,65 Euro jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15.05.2007 und vorgerichtliche Kosten in Höhe von 1.880,20 Euro zu zahlen.

24

3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger jeden weiteren Schaden aus dem Unfallereignis vom 30.01.2007 und der Reha-Behandlung vom 24.04.2007 zu erstatten.

25

Die Beklagte beantragt,

26

Die Berufung gegen das Endurteil des Landgericht München II wird zurückgewiesen.

27

Die Beklagte trägt vor:

28

Das ausführlich und überzeugend begründete Urteil des Landgerichts München II sei in sachlicher wie rechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden. Das Erstgericht habe den vorliegenden Sachverhalt nicht wie jeden anderen Sportunfall behandelt, sondern stütze sein Urteil vollkommen zu Recht auf die höchstrichterliche Rechtsprechung zu Spiel- und Sportanlagen, unter die die Snowtubing -Anlage ohne weiteres falle. Durch die Hinweistafeln ergebe sich hinreichend, dass das allgemeine Lebensrisiko sowie die mit der Benutzung einer Freizeitanlage stets verbundene Gefahr nicht ausgeschlossen werden könne. Die Bahn sei nicht falsch angelegt worden und habe den Sicherheitsanforderungen entsprochen.

29

Der Senat hat Beweis erhoben der Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens (Bl 120/128 d.A.) und der mündlichen Anhörung des Sachverständigen Dipl.-Ing. N. (Bl. 139/141 d.A.).

30

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien nimmt der Senat Bezug auf die zwischen den Parteien im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze.


Entscheidungsgründe

31

Die zulässige Berufung erwies sich als unbegründet.

32

A. Dem Kläger steht weder unter dem Gesichtspunkt einer Vertragsverletzung noch dem einer unerlaubten Handlung ein Schadensersatzanspruch zu, da die Beklagte keine Garantie einer unfallfreien Benutzung gegeben hat und der Beklagten die Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht nicht nachgewiesen werden konnte.

33

I. Die Haftung der Beklagten unter dem Gesichtspunkt der Verletzung einer vertraglichen Zusicherung oder einer Gefährdungshaftung scheidet aus.

34

1. Eine spezialgesetzlich geregelte Gefährdungshaftung für Sportanlagen bzw. Skipisten, Rodelbahnen oder Snowtubing-Bahnen besteht nicht. Eine analoge Anwendung einer spezialgesetzlichen Norm scheidet schon deshalb aus, da die Gefährdungshaftung als Ausnahme zu begreifen ist, die grundsätzlich nicht im Wege der Analogie ausgedehnt werden kann (vgl Spindler in Beck’scher Online-Kommentar BGB § 823 Rn.02-04).

35

2. Die Beklagte haftet auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer vertraglichen Garantieerklärung. Die Beklagte hat weder ausdrücklich noch konkludent den Benutzern der Bahn vertraglich zugesichert, dass die Bahn ohne jegliche Unfallgefahr benutzt werden kann und dass sie unabhängig von einer Pflichtverletzung und eines Verschuldens für Schäden eintritt.

36

II. Der Kläger vermochte den Nachweis einer Verkehrssicherungspflichtverletzung nicht zu führen.

37

1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist derjenige, der eine Gefahrenlage – gleich welcher Art – schafft, grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern. Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass nicht jeder abstrakten Gefahr vorbeugend begegnet werden kann. Ein allgemeines Verbot, andere nicht zu gefährden, wäre utopisch. Eine Verkehrssicherung, die jede Schädigung ausschließt, ist im praktischen Leben nicht erreichbar. Haftungsbegründend wird eine Gefahr erst dann, wenn sich für ein sachkundiges Urteil die naheliegende Möglichkeit ergibt, dass Rechtsgüter anderer verletzt werden Deshalb muss nicht für alle denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge getroffen werden. Es sind vielmehr nur die Vorkehrungen zu treffen, die geeignet sind, die Schädigung anderer tunlichst abzuwenden (vgl. BGH NJW 2007,1683 m.w.N.).

38

Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt ist genügt, wenn im Ergebnis derjenige Sicherheitsgrad erreicht ist, den die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich hält. Daher reicht es anerkanntermaßen aus, diejenigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betroffenen Verkehrskreise für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren, und die ihm den Umständen nach zuzumuten sind. Der Betreiber einer Sport- und Spielanlage braucht demnach zwar nicht allen denkbaren Gefahren vorzubeugen. Die Verkehrssicherungspflicht erfordert jedoch regelmäßig den Schutz vor Gefahren, die über das übliche Risiko bei der Anlagenbenutzung hinausgehen, vom Benutzer nicht vorhersehbar und für ihn nicht ohne Weiteres erkennbar sind. Der Umfang der erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen richtet sich insbesondere danach, welcher Grad an Sicherheit bei der Art des Spiel- bzw. Sportgeräts und dem Kreis der dafür zugelassenen Benutzer typischerweise erwartet werden kann (vgl. BGH a.a.O.).

39

Aus den genannten Grundsätzen folgt, dass eine Snowtubing-Anlage sich in einem technisch einwandfreien Zustand befinden muss. Der Betreiber einer Snowtubing-Anlage ist verpflichtet, bei Planung, Konstruktion, Bau und Betrieb alle technisch und wirtschaftlich zumutbaren Maßnahmen auszuschöpfen, um den Benutzer den höchst möglichen Sicherheitsstandard zu bieten.

40

Entgegen der Auffassung des Klägers kann jedoch nicht verlangt werden, dass dem Benutzer eine gefahrenfreie Benutzung garantiert wird. Das ist bei Anlagen, bei der der Benutzer sich nicht vollständig der technischen Funktion einer Anlage anvertraut wie beispielsweise bei einer Achterbahn, auch nicht denkbar. Weder auf eine Skipiste noch auf einer Rodelbahn noch auf einer Snowtubing-Bahn kann durch technische oder sonstige Maßnahmen verhindert werden, dass ein Benutzer zu Sturz kommt und sich gegebenenfalls dabei Verletzungen zuzieht. Diese Gefahr ist dem Freizeitspaß immanent und für jeden Benutzer erkennbar. Der Senat vermag der Vorstellung des Klägers nicht zu folgen, dass es möglich ist, „etwas offensichtlich Gefährliches ausnahmsweise völlig gefahrenlos tun zu dürfen“. Wenn eine Betätigung objektiv gefährlich ist, kann durch technische Maßnahmen und Verhaltensregeln, die objektive Gefahr allenfalls minimiert, aber nicht ausgeschlossen werden. Insoweit der Kläger sich auf Beispiele aus der Welt der Zauberkünstler (zersägte Jungfrau) bezieht, ist nur anzumerken, dass der Zauberer gegenüber dem Publikum durch seine Tricks nur die Illusion einer in Wirklichkeit gar nicht bestehenden Gefahr hervorruft.

41

2. Der Kläger trägt unabhängig davon, ob der Anspruch auf Vertrag oder unerlaubte Handlung gestützt wird, die Darlegungs- und Beweislast für die behaupteten Pflichtverletzungen der Beklagten. Eine Umkehr der Beweislast kommt nicht in Betracht. Beweiserleichterungen greifen bei der Verletzung der Verkehrssicherungspflicht zugunsten des Geschädigten erst dann ein, wenn feststeht, dass eine Verkehrssicherungspflicht verletzt wurde. Vorliegend ist zwischen den Parteien die Pflichtverletzung strittig, die nach den allgemeinen Grundsätzen der Kläger zu belegen hat. Alleine der Umstand, dass auf der Bahn ein Benutzer sich eine Verletzung zugezogen hat, vermag kein hinreichendes Indiz für die Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht zu begründen. Auch die Tatsache, dass die Bahnverhältnisse am Unfalltag sich nicht rekonstruieren lassen, und für ein Sachverständigengutachten als Anknüpfungsdaten nur die vorgelegten Lichtbilder und die Daten der Bahn hinsichtlich Länge, Verlauf und Gefälle, nicht aber die Schneebeschaffenheit (die einen Rückschluss auf die an diesem Tag mögliche Geschwindigkeit erlaubt hätte) und aussagekräftigere Lichtbilder der Wälle zur Verfügung standen, rechtfertigt keine Abweichung von den allgemeinen Beweislastregeln. Die Schwierigkeiten des Nachweises eines Präparationsfehlers der Bahn beruhen darauf, dass es sich um eine Naturbahn handelt, die täglich neu hergerichtet wird. Da der Beklagten nicht zugemutet werden kann, sämtliche Parameter wie Temperatur Schneebeschaffenheit, Zustand der Bahnoberfläche, Höhe und Neigung der Wälle etc zu dokumentieren, sind die Beweisschwierigkeiten des Klägers nicht der Beklagten zurechenbar.

42

3. Das auf Antrag des Klägers eingeholte Sachverständigengutachten konnte keine Versäumnisse bei der Konstruktion und Präparierung der Bahn belegen.

43

a) Der Sachverständige N. kam in seinem schriftlichen Gutachten zu dem Ergebnis, dass die Bahn hinsichtlich der Kurvenradien, des Gefälles und der Geometrie keine Mängel aufweist. Der Radius der ersten Rechtskurve kann nicht beanstandet werden. Die Kurvenfliehkräfte sind nach den Darlegungen des Sachverständigen geringer, als sie z.B. Wasserrutschen aufweisen und können bei einwandfreier Ausführung der seitlichen Begrenzungswälle auch ohne weiteres beherrscht werden.

44

Auch das Gefälle der Bahn mit 10% auf 300 Meter bewegt sich nach der Bewertung des Sachverständigen im mittleren Bereich der üblichen Neigung vergleichbarer Anlagen.

45

Die von dem Kläger geforderte Wölbung der Bahn nach innen, lässt sich nach der Auffassung des Sachverständigen anhand der heranzuziehenden Regeln der Technik nicht ableiten und ist im Hinblick auf mögliche Kollisionen von Bahnbenutzern physikalisch eher von Nachteil.

46

b) Die Frage, ob die seitlichen Schneewälle der Snowtubing-Anlage fachgerecht aufgeschüttet worden waren, konnten der Sachverständige nur an hand der vorgelegten Fotos beurteilen, da eine Rekonstruktion des genauen Zustandes der Bahn am Unfalltag nicht möglich ist.

47

In seinem schriftlichen Gutachten beanstandete der Sachverständige, dass die auf den Fotos 1.1 – 1.4 erkennbaren seitlichen Wälle weder glattflächig noch ausgerundet sind, sowie an ihrem oberen Rand unregelmäßig und zerklüftet gewesen sind. Detaillierte Angaben zur Höhe und zur Seitenneigung konnte er auf Grundlage des vorliegenden Bildmaterials nicht machen.

48

In der mündlichen Anhörung vor dem Senat erläuterte der Sachverständige vertiefend, dass auf den Fotos, der Übergang zwischen der ebenen Bahn und dem Schneewall nicht 100%ig zu beurteilen ist, weil der Wall im Schatten liegt und der Aufnahmewinkel eine Beurteilung nicht zulässt. Zur Funktion der Wälle erklärte er, dass eine Abrundung zwischen Bahn und Schneewall erforderlich ist, damit der Fahrer einen Stoß vermeidet und weich auf den Wall auffahren kann. Bei einem kontinuierlich ausgebildeten Wall, fährt der Reifen den Wall hoch, es ist dann sehr unwahrscheinlich, dass der Pilot vom Reifen fällt. Eine endgültige Beurteilung ist nach Aussage des Sachverständigen aufgrund fehlender Anknüpfungstatsachen nicht möglich, da sowohl die am Unfalltag tatsächlich gefahrene Geschwindigkeit und die am Unfalltag tatsächlich bestehende Ausbildung der Schneewälle nicht bekannt ist.

49

Der Sachverständige konnte aus der Unfallschilderung des Klägers keine Anhaltspunkte für eine Fehlpräparation der Bahn gewinnen. Er wies vielmehr daraufhin, dass die Angaben des Klägers eher dafür sprechen, dass eine Ausrundung vorgelegen hat, weil er mit dem Reifen auf den Wall fahren konnte.

50

Diese Ausführungen des Sachverständigen vermögen eine fehlerhafte Anlage der seitlichen Wälle, insbesondere an der Unfallstelle, nicht zu belegen.

51

c) Die Präparation der Bahn mit Kunstschnee begründete nach der Bewertung des Sachverständigen keine erhöhte Gefährlichkeit der Bahn, da der Kunstschnee in seinen Eigenschaften innerhalb der Bandbreite liegt, die auch Naturschnee aufweist.

52

4. Insoweit der Sachverständige mehrfach darauf hinweist, dass für die Sicherheit der Bahn die laufende Instandhaltung und laufende Pflege entscheidend sind, ist zu bemerken, dass keinerlei Anhaltspunkte vorliegen, dass die Beklagte diesen Pflichten nicht nachgekommen ist oder an dem Tag Bedingungen geherrscht haben, die einer Freigabe des Betriebes entgegengestanden haben.

53

III. Dem Antrag des Klägers, den Sachverständigen in der kommenden Wintersaison nochmals mit einer Begutachtung der Bahn zu beauftragen, war nicht nachzukommen, da, wie der Sachverständige nachvollziehbar erklärt hat, auch bei einer Besichtigung der Bahn keine konkrete Aussage über die beim Unfall gefahrene Geschwindigkeit bzw. an dem Unfalltag mögliche Geschwindigkeit getroffen werden kann.

54

B. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

55

C. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO sind nicht gegeben. Dem Rechtsstreit kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu.

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