LG Münster, Urteil vom 24.04.2017 – 11 O 381/14
Zur Verjährung von Ansprüchen aus Amtshaftung wegen fehlerhaftem Verwaltungshandeln des Finanzamtes
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger als Gesamtschuldner.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages zuzüglich 25 % vorläufig vollstreckbar.
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Die Kläger begehren im Wege einer Amtshaftungsklage von dem beklagten Land Nordrhein-Westfalen in erster Linie die Zahlung von Schadensersatz, Schmerzensgeld und Zinsen in einer Gesamthöhe von über sieben Millionen Euro, darüber hinaus die Feststellung der weiteren Ersatzpflicht bezüglich materieller und immaterieller Schäden. Daneben verfolgen die Kläger grundbuchrechtliche Ansprüche.
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Grundlage der Klage sind Steuerverfahren, die ab dem Jahr 1993 von den Finanzämtern Wuppertal-Elberfeld, Wuppertal und Hilden betrieben worden waren.
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Im Einzelnen:
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Der Kläger war Gesellschafter und Geschäftsführer mehrerer Unternehmen nämlich der O1, ehemals N1 (nachfolgend: O2), der N2 (nachfolgend N5), der N3 (nachfolgend: I1) und der N4 (nachfolgend: I2). Mit Vertrag vom 07.12.1989 übertrug der Kläger die Gesellschaftsanteile an der I1 auf die Klägerin. Außerdem wurde an diesem Tag ein Treuhandvertrag zwischen T1 und der I1 vereinbart, in dem Herr T1 bestätigte, dass er den gesamten Anteil an der T2 im Auftrag und mit Mitteln der I1 erworben habe und dementsprechend diesen Geschäftsanteil als Treuhänder der I1 auf deren Gefahr und deren Rechnung halte.
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Die Klägerin betrieb die Einzelfirma N6 (N6 Einzelfirma). Sie war zudem Inhaberin weiterer Unternehmungen nämlich der O3, der X1 und der T3.
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Mit Prüfungsverfügungen vom 05.01. und 11.01.1993 ordnete das Finanzamt Hilden für die Unternehmungen des Klägers, die T2 und die N6 Betriebsprüfungen an. Die Außenprüfungen wurden durch das Finanzamt Hilden begonnen, durch das Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung Wuppertal fortgesetzt und endeten am 17.06.1997 mit sieben Berichten über steuerliche Feststellungen. Zum Zeitpunkt des Beginns der Betriebsprüfungen waren die T2 und die I1 bereits handelsrechtlich gelöscht, die I2, die O2 und die N5 befanden sich in Liquidation.
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Unabhängig von hier streitgegenständlichen Maßnahmen waren gegen die Kläger wegen Steuerrückständen im sechsstelligen DM-Bereich bereits seit Beginn des Jahres 1995, insbesondere von Juli bis Oktober 1997, zahlreiche erfolglose Vollstreckungsmaßnahmen in Form von Kontopfändungen und Pfändungen in Gesellschaftsanteile erfolgt. In diesem Zusammenhang war der Kläger schon am 04.11.1997 – vergeblich – zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung aufgefordert worden. Wegen der weiteren Einzelheiten der vorgenannten Vollstreckungsmaßnahmen wird auf den Schriftsatz der Kläger vom 25.01.2017 (dort ab Seite 6 oben ff. = Bl. 540 ff. d.A.) verwiesen.
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Am 18.08.1997 wurde der Kläger in Weimar aufgrund eines Haftbefehls des Amtsgerichts Wuppertal wegen vermeintlicher Steuerhinterziehungen vorläufig festgenommen. Es erfolgte ein Verschub in die Justizvollzugsanstalt Wuppertal. Nach zwischenzeitlicher Haftverschonung gegen Stellung einer Kaution erfolgte am 25.09.1998 eine weitere Festnahme des Klägers. Dabei erlitt der Kläger einen Herzanfall. Die Untersuchungshaft dauerte bis zum 27.11.1998.
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Bereits am 29.10.1996 waren aufgrund entsprechender Beschlüsse des Amtsgerichts Wuppertal die Durchsuchung von Wohnungen und Geschäftsräumen sowie die Vernehmung von Mitarbeitern und die Beschlagnahme von 1.300 Akten an diversen Stellen im gesamten Bundesgebiet erfolgt.
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Auf Grundlage der o.g. Prüfungsfeststellungen erließ das Finanzamt Hilden schließlich die folgenden fünf Haftungsbescheide: (siehe dazu auch Bl. 293 ff. d.A.)
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1. Bescheid vom 01.12.1997 über 826.493,45 DM für die O2
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2. Bescheid vom 29.09.1997 über 896.881,56 DM für die T2
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3. Bescheid vom 01.12.1997 über 2.021.189,37 DM für die I2
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4. Bescheid vom 01.12.1997 über 956.358,70 DM für die N2
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5. Bescheid vom 29.09.1997 über 903.933,72 DM für die I1
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Die vorgenannten Bescheide richteten sich gegen den Kläger. Gegen den Bescheid zu Ziff. 2. legte der Kläger am 27.10.1997 Einspruch ein, gegen die Bescheide zu Ziff. 1 und 3. am 28.12.1997. Zugleich beantragte er die Aussetzung der Vollziehung. Mit Bescheiden vom 06.11.1997, 19.01.1998 und 26.08.1998 lehnte das Finanzamt die Anträge auf Aussetzung der Vollziehung weitestgehend ab. Mit Beschluss vom 23.07.1998 setzte das Finanzgericht Düsseldorf die Vollziehung des Bescheids zu Ziff. 3. nur teilweise aus (Az.: 6 V 2046/98 A (K)). Zur Begründung führte der 6. Senat u.a. aus, dass dem Grunde nach die Voraussetzungen für eine Hinzuschätzung der Besteuerungsgrundlagen auf der Grundlage des § 162 Abs. 2 S. 2 AO und einer Erfassung des Bruttobetrages als verdeckte Gewinnausschüttung und als „andere Ausschüttung“ erfüllt seien. In einem weiteren Beschluss vom 26.11.1998 betreffend die Vollziehung des Haftungsbescheids gegen die I1 führte das Finanzgericht Düsseldorf unter Bezugnahme auf die vorgenannte Entscheidung aus, dass das Land zu Recht einen Betrag von hinzuzuschätzenden Einnahmen aus Kapitalvermögen gewürdigt habe. als Mit Beschluss vom 12.10.2000 (Az. 6 V 1218/00 A (H)) setzte das Finanzgericht Düsseldorf auch die Vollziehung des Bescheides zu Ziff. 2 nur in Punkten aus. Der Kläger habe eine Nichterfassung von betrieblichen Einnahmen in die Buchführung der T2 veranlasst und bewusst unrichtige Körperschaftssteuererklärungen für 1990 und 1991 abgegeben.
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Auf der Grundlage der Bescheide zu Ziffer 1. bis 5. betrieb das Finanzamt Hilden seit Anfang 1998 die Zwangsvollstreckung in das Vermögen des Klägers in Form von Pfändungs- und Einziehungsverfügungen sowie durch Eintragung von Zwangshypotheken und die Beantragung von Zwangsversteigerungen. Weiter erfolgte mehrfach die Aufforderung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung. Wegen der Vollstreckungsmaßnahmen im Einzelnen wird auf die Darlegungen der Kläger im Schriftsatz vom 16.10.2016 (schwarzer Ordner, dort Seite 4 f.) verwiesen.
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Mit Bescheiden vom 28.02.2007 (T2), 12.03.2007 (O2) und 15.03.2007 (I2) entschied das Finanzamt Hilden über die Einsprüche. Die Haftungssummen wurden erheblich reduziert (siehe dazu auch die Tatbestände der zu den folgenden Az. ergangenen Entscheidungen). Gegen die Einspruchsentscheidungen reichte der Kläger beim Finanzgericht Düsseldorf Klage ein (Az. 12 K 1272/07 H, 12 K 1275/07 H und 12 K 1208/07 H).
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Den Haftungsbescheid bezüglich der I1 hob das Finanzamt Hilden von sich aus mit Schreiben vom 14.03.2007 auf, denjenigen bezüglich der N2 mit Schreiben vom 12.07.2007.
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Die übrigen drei Haftungsbescheide (Ziffern 1. bis 3.) hob das Finanzgericht Düsseldorf mit drei Urteilen vom 21.03.2011 auf (siehe Anlagen 21, 148 und 149).
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Zur Begründung führte das Finanzgericht zusammengefasst in allen drei Entscheidungen praktisch wortgleich aus:
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Die Bescheide in der Fassung der Einspruchsentscheidungen seien rechtswidrig und verletzten den Kläger in seinen Rechten. Es könne nicht mit der dafür hinreichenden Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass für die von den Bescheiden zu Ziff. 1 bis 3. erfassten Gesellschaften Betriebseinnahmen nicht erklärt worden seien. Ein entsprechender Rückschluss ergebe sich nicht daraus, dass unstreitig zeitweise eine oder zwei zusätzliche Kassen aufgestellt gewesen seien. Es sei auf der Grundlage von Zeugenaussagen und den Angaben des Klägers selbst nicht festzustellen, dass die Einnahmen aus diesen zusätzlichen Kassen nicht in die Buchführung eingeflossen seien. Bezüglich der vom Finanzamt Hilden vorgenommenen Zuschätzungen seien diese nur ganz grob und wohl überhöht erfolgt.
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Gegenüber der Klägerin erließ das Finanzamt Hilden auf der Grundlage der Prüfungsfeststellungen in den Berichten vom 17.06.1997 am 18.07.1997 geänderte Gewinnfeststellungs- und Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 1987, 1988, 1991 und 1992 betreffend die Einzelfirma N6. Hiergegen legte die Klägerin unter dem 15.08.1997 Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung. Dem Antrag wurde letztlich in Teilen stattgegeben. Gleichwohl erfolgten auch gegenüber der Klägerin ab dem Jahr 1997 zahlreiche Vollstreckungsmaßnahmen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz der Kläger vom 16.10.2016 verwiesen (schwarzer Ordner, dort Seite 7 f.). Unter anderem betrieb am 14.07.1998 das Finanzamt Wuppertal-Elberfeld wegen vermeintlicher Steuerschulden aus Einkommensteuer für die Jahre 1987 bis 1992 in Höhe von über vier Millionen DM die Vollstreckung in ein Geschäftskonto der Klägerin. Insoweit wurde auf Antrag der Klägerin nach dem Recht der ehemaligen DDR ein Gesamtvollstreckungsverfahren bewilligt, weshalb die Klägerin nicht mehr über das Konto verfügen konnte. Mit Beschluss vom 21.01.2010 wurde das Gesamtvollstreckungsverfahren eingestellt. Am 24.05.2011 erließ das Finanzamt Hilden auf die im Jahr 1997 eingelegten Einsprüche teilweise geänderte Gewinnfeststellungsbescheide. Hiergegen legte die Klägerin wiederum Einsprüche ein, die teilweise zur Abänderung der Bescheide führten, teilweise wurden die Einsprüche zurückgewiesen. Die Klägerin reichte für die Jahre 1988, 1991 und 1992 Klage beim Finanzgericht Düsseldorf ein. Im Wege einer einvernehmlichen Einigung (für 1988) bzw. durch Urteil vom 20.08.2013 (Jahre 1991 und 1992) erfolgte einerseits eine Reduzierung der Gewinnfeststellungen (1988 und 1992), andererseits eine Erhöhung (1991).
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Die Haftungsbescheide und die geänderten Gewinnfeststellungsbescheide wirkten sich auf die Zusammenveranlagung der Kläger zur Einkommensteuer der Jahre 1987-1992 aus. Auch hierauf gestützt erfolgten Vollstreckungsmaßnahmen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz der Kläger vom 16.10.2016 verwiesen (schwarzer Ordner, dort Seite 9 f.). Die Kläger legten gegen die Bescheide Einsprüche ein und beantragten – teilweise erfolgreich – die Aussetzung der Vollziehung. Es ergingen insgesamt fünf Einspruchsentscheidungen. Die Kläger reichten für die Jahre 1987 bis 1991 beim Finanzgericht vier Klagen ein. Für das Jahr 1992 hatte das Finanzamt Wuppertal-Elberfeld von sich aus eine Festsetzung auf Null vollzogen. Die vier Klagen (Az. 12 K 4256/07 E, 12 K 4257/07, E12 K 4258/07 E12 und K 4260/07 E) wurden mit vier Urteilen vom 21.03.2011 beschieden. Daraufhin ergingen für die Jahr 1987 bis 1998 neue Einkommensteuerbescheide. Auch hiergegen reichten die Kläger nach erfolglosen Einsprüchen beim Finanzgericht Düsseldorf unter dem 30.07.2014 Klage ein.
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Mit Schriftsatz vom 17.10.2008 hatte der Kläger eine Amtshaftungsklage beim Landgericht Wuppertal Klage gegen das beklagte Land eingereicht (Anlage B 1 und 2, Bl. 190 ff. d.A.). Diese zielte vor allem auf die Feststellung der Ersatzpflicht des beklagten Landes wegen des Erlasses der o.g. fünf Haftungsbescheide, daneben auch wegen der Vollstreckung von fehlerhaften Steuerbescheiden. Das Verfahren wurde an das Landgericht Köln verwiesen. Ein Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wurde mit Beschluss vom 04.02.2010 rechtskräftig zurückgewiesen (Az.: 5 O 442/09, Anlage B 4, Bl. 216 d.A.).
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Die Kläger behaupten:
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Eine Amtspflichtverletzung bezüglich der drei Haftungsbescheide für die O2, die T2 und die I2 ergebe sich daraus, dass fehlerhaft verdeckte Gewinnausschüttungen angenommen worden seien. Außerdem habe das Finanzamt Hilden nur ganz grobe und wohl überhöhte Zuschätzungen vorgenommen. Gerügt wird also vor allem die rechtliche Auswertung der Prüfberichte vom 17.06.1997. Ursache für diese Zuschätzungen sei nicht eine mangelhafte Buchführung, insbesondere nicht das Vorhandensein sog. „schwarzer Kassen“ gewesen, sondern ein grob rechtswidriges Schätzungsverfahren. Sie sind der Auffassung, eine solche Pflichtverletzung stehe aufgrund der Urteile des Finanzgerichts Düsseldorf vom 21.03.2011 auch für das erkennende Gericht rechtsverbindlich fest. Weiter seien auch die den Haftungsbescheiden zu Grunde liegenden Prüfungsfeststellungen amtsmissbräuchlich und rechtswidrig, die wiederum von den Finanzämtern zur Begründung der Haftungsbescheide ungeprüft amtspflichtwidrig übernommen worden seien. Die beteiligten Finanzämter hätten mit der Vollstreckung aus den fünf Haftungsbescheiden über insgesamt 5.633.366,80 DM die Existenz der Kläger vernichtet. Auch die vielen Vollstreckungsmaßnahmen stellten jede für sich Amtspflichtverletzungen dar. Weiter sei eine Amtspflichtverletzung darin zu sehen, dass den Pfändungs- und Einziehungsverfügungen gerade und vor allem gegenüber Banken als Drittschuldner die Haftungsbescheide des Klägers zu 1) bzw. die Steuerbescheide als Anlagen beigelegen hätten. Darin sei ein Verstoß gegen das Steuergeheimnis des § 30 AO zu sehen. Der Erlass der geänderten Gewinnfeststellungsbescheide sei ebenfalls amtspflichtwidrig erfolgt. Insoweit seien lediglich die in den Prüfberichten enthaltenen Feststellungen vom Finanzamt ungeprüft übernommen worden. Die gelte auch für geänderte Umsatzsteuerbescheide. Auch insoweit seien Räumungsverkäufe und die Nichterfassung von Umsätzen rechtswidrig unterstellt worden.
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Die Amtspflichtverletzungen seien grob fahrlässig begangen worden. Allein der Umstand der Aufstellung zusätzlicher Kasse habe ganz offenbar die Annahme verdeckter Gewinnausschüttungen und die vorgenommenen Zuschätzungen nicht gerechtfertigt.
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Die Amtspflichtverletzungen seien auch schadensursächlich geworden. So habe der letztlich durch die Vollstreckung in das Geschäftskonto der Klägerin verursachte Antrag auf Gesamtvollstreckung zu einem Darlehensverlust beim Kläger in Höhe 162.070,21 EUR und einem Zinsschaden in Höhe von 55.265,29 EUR geführt. Aus abgesicherten Mietforderungen sei ihm ein erheblicher Mietausfallschaden entstanden. Betroffen seien Forderungen gegenüber dem O3. Hiermit im Zusammenhang stehe auch eine nicht beglichene Forderung aus Warenlieferung, die an den Kläger von Dritten abgetreten worden sei.
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Es seien Steuer- und Anwaltsberatungskosten in Höhe von 261.973,- EUR für den Kläger und in Höhe von 64.094,10 EUR für die Klägerin entstanden, die nebst Zinsen in vollem Umfang zu ersetzen seien.
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Aus erfolgreichen Pfändungsmaßnahmen des Finanzamtes Wuppertal ergäben sich Erlöse in Höhe von 37.046,84 EUR, die zu ersetzen seien.
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Weitere Schäden seien dadurch entstanden, dass Steuererstattungsansprüche des Klägers in Höhe von 256.191,66 EUR nicht fristgerecht ausgezahlt worden seien und deshalb der Betrag nicht zu einem Zinssatz von mindestens 8 % hätte angelegt werden können (Schaden: 368.915,99 EUR).
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Er, der Kläger, habe erhebliche Gehaltseinbußen erlitten, weil er Stundungsvereinbarungen getroffen habe, um unberechtigte Pfändungen zu vermeiden, über das Vermögen der Schuldner dann aber das Insolvenzverfahren eröffnet worden sei, weshalb er seine Forderungen nicht mehr habe realisieren können. Immobilien seien unter Wert zwangsversteigert worden. Alte Kredite hätten nicht mehr bedient, neue aufgenommen werden müssen. Hieraus sei ebenfalls ein erheblicher Schaden (842.880,99 EUR) entstanden. Im Zusammenhang mit Grundbuchgebühren und Löschungskosten wird ein unbezifferter Freistellungsanspruch als Schadensersatz geltend gemacht.
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Weitere Schäden werden im Zusammenhang mit den Unternehmungen X1 und T3 geltend gemacht. Die Kläger behaupten, dass wegen der Steuerfahndungsmaßnahmen der X1 gewährte Kreditzusagen nicht umgesetzt und hieraus ebenfalls erhebliche Schäden resultiert seien. Über das Vermögen der KG habe aus diesem Grund das Insolvenzverfahren eröffnet werden müssen. Aufgrund der Insolvenzen über die Vermögen der X1 und der Klägerin als Inhaberin der O2 sei die T3 zahlungsunfähig geworden. Der Kauf eines Grundstücks habe in diesem Zusammenhang nicht umgesetzt werden; zudem seien ein Teil des Kaufpreises und Investitionen nutzlos aufgewandt worden.
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Außerdem lägen in den Pfändungs- und Einziehungsverfügungen, den Verlangen nach eidesstattlichen Versicherungen und Belastungen in Grundbüchern, welche das Eigentum der Kläger belegten, schwerwiegenden Beeinträchtigungen des Persönlichkeitsrechts. Sie, die Kläger, seien durch die zahllosen Vollstreckungsmaßnahmen in das gesamte Vermögen nicht nur in ihrer Existenz, sondern auch in ihrem „guten Ruf“ vernichtet worden. Die Kreditwürdigkeit der Kläger sei nicht mehr gegeben. Insoweit meint der Kläger, ein an ihn zu zahlendes Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 100.000,- EUR sei angemessen.
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Ein effektiver Rechtsschutz gegen sämtliche Vollstreckungsmaßnahmen sei schon deshalb nicht möglich gewesen, weil der Kläger sich in Untersuchungshaft befunden habe und die Klägerin durch eine beginnende Erkrankung geschwächt gewesen sei. Jedenfalls sei eine unterlassene Einlegung von Rechtsmitteln nicht schuldhaft erfolgt. Die körperlichen Beeinträchtigungen bei der Klägerin seien durch die Amtspflichtverletzungen verursacht worden. Insoweit sei unter Berücksichtigung vielfältiger Verletzungen der Persönlichkeitsrechte der Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 200.000,- EUR gerechtfertigt.
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Wegen weiterer Einzelheiten der Schadensaufstellung und -berechnung und der von den Klägern behaupteten Kausalität wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Klageschrift vom 25.05.2015 (dort Seiten 17 bis 52) und den Schriftsatz der Kläger vom 16.10.2016 (schwarzer Ordner, dort Seite 11 ff.) verwiesen.
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Weitere Schäden seien zu besorgen.
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Die Ansprüche seien auch durchsetzbar, insbesondere nicht verjährt. Durch die Verfolgung von Primärrechtsschutz, also die Klagen gegen die Haftungsbescheide vor dem FG Düsseldorf, sei die Verjährung von Amtshaftungsansprüchen analog § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB gehemmt worden.
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Die Kläger beantragen,
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1. das beklagte Land zu verurteilen, an die Kläger 3.704.295,71 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
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2. das beklagte Land zu verurteilen, an die Kläger Zinsen in Höhe von 3.413.378,52 EUR zu zahlen,
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3. das beklagte Land zu verurteilen, an den Kläger zu 1) ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, einen Betrag von 100.000,- EUR jedoch nicht unterschreiten sollte, nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
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4. das beklagte Land zu verurteilen, an die Klägerin zu 2) ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, einen Betrag von 200.000,- EUR jedoch nicht unterschreiten sollte, nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
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5. das beklagte Land zu verurteilen, an den Kläger zu 1) ab dem 01.01.2015 27,50 EUR jährlich zu zahlen,
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6. das beklagte Land zu verurteilen, an die Klägerin zu 2) ab dem 01.01.2015 jährlich 13,75 EUR zu zahlen,
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7. festzustellen, dass das beklagte Land verpflichtet ist, den Klägern sämtliche materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die aus den Amtspflichtverletzungen, welche durch die rechtswidrigen Haftungsbescheide vom 29.09.1997 und 01.12.1997 sowie den rechtswidrigen Gewinnfeststellungsbescheiden vom 18.07.1998 und Einkommensteuerbescheiden vom 16.09.1997, 22.09.1997, 01.10.1997, 07.10.1997 und 15.07.1998 und den darauf basierenden Vollstreckungsmaßnahmen künftig entstehen, mit Ausnahme der Ansprüche, die auf Dritte, insbesondere Versicherungen oder Sozialversicherungsträger übergehen,
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8. das beklagte Land zu verurteilen, den Kläger zu 1) von der Zahlung der Forderung i.H.v. 968.268,02 EUR nebst 8 % Zinsen aus der persönlichen Haftungsübernahme des Klägers zu 1) vom 26.02.1997 gegenüber der Dresdner Bank, welche diese an die I3 abgetreten hat, zu befreien, sowie den Kläger zu 1) von den Löschungs- und Grundbuchbereinigungskosten zu befreien, welche durch die Löschung der Sicherungshypotheken zugunsten der Dresdner Bank auf den Grundstücken des Klägers zu 1) L-Straße ###, 42111 Wuppertal und C-Straße, 40721 Hilden, eingetragen sind,
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9. das beklagte Land zu verurteilen, die Klägerin zu 2) von der Zahlung der Forderung i.H.v. 266.480,50 EUR nebst 8 % Zinsen aus dem Darlehensvertrag der Klägerin zu 2) mit der Dresdner Bank, welche diese an die I3 Duisburg abgetreten hat, zu befreien,
10.
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a) das beklagte Land zu verurteilen,
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aa) in grundbuchmäßiger Form die Löschungsbewilligungen für die in Abteilung III des Grundbuchs von I4 des Amtsgerichts M, verzeichnete Grundstück unter den laufenden Nummern 3 u. 4 eingetragenen Zwangssicherungshypotheken über 6.643,00 DM und 8.615,00 DM, Eigentümer der Kläger zu 1., zu beschaffen,
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bb) die Löschungen der zuvor unter 10 a) aa) aufgeführten Zwangssicherungshypotheken auf eigene Kosten gegenüber den Grundbuchämtern beim Amtsgericht Langenfeld zu beantragen,
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b) das beklagte Land zu verurteilen, die Löschungen aufgrund der Löschungsbewilligungen vom 05.04.2006 bzw. der löschungsfähigen Quittung vom 24.05.2006 (Anlagen K 5 und K 6 des Schriftsatzes vom 03.12.2015) in der Abteilung III des Grundstücks von F des Amtsgerichts X2l, verzeichnete Grundstück L-Straße ###, auf den ½ Anteil des Klägers zu 1. eingetragenen Sicherungshypotheken mit den lfd. Nr. 16 über 35.596,10 EUR, Nr. 17 über 173,84 EUR, Nr. 18 über 2.100.631,95 EUR u. Nr. 19 über 2.259,91 EUR, auf eigene Kosten gegenüber dem Grundbuchamt beim Amtsgericht X2 zu beantragen,
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c) das beklagte Land zu verurteilen, nach der erfolgten Löschung sämtlicher der vorstehend aufgeführten Sicherungshypotheken bei den Grundbuchämtern der Amtsgerichte in I5, M und X2 zu beantragen, dass folgenden Grundbuchblätter:
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aa) Grundbuch von F, verzeichnete Grundstück L-Straße ###, Eigentümer die Kläger zu 1. und 2. zu je ½ Anteil,
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bb) Grundbuch von F, verzeichnete Grundstück L-Straße, Eigentümer die Kläger zu 1. und 2. zu je 1/82 Anteil,
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cc) Grundbuch von I4, verzeichnete Grundstück, Eigentümer der Kläger zu 1.,
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dd) Grundbuch von I6, Bl. 627, verzeichnete Grundstück, Eigentümerin die Klägerin zu 2. und
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ee) Grundbuch von I6Heßberg, verzeichnete Grundstück, Eigentümer die Klägerin zu 2.
60
in der Weise auf neue Grundbuchblätter übertragen werden, dass aus den neuen Grundbuchblättern die ehemals auf den vorgenannten Grundbuchblättern auf Veranlassung bzw. auf Grund der Vollstreckungsanträge des beklagten Landes NRW eingetragenen Zwangssicherungshypotheken, Anordnungen der Zwangsversteigerungen, Eröffnungsvermerke der Gesamtvollstreckung sowie die entsprechenden Löschungsvermerke nicht mehr ersichtlich sind.
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11. festzustellen, dass das beklagte Land verpflichtet ist, den Klägern denjenigen künftigen materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, der ihnen aufgrund des Verlustes der von der Straf- und Bußgeldstelle des Finanzamtes für Steuerstrafsachen, Unterdörnen 96, 42205 Wuppertal der Beklagten sichergestellten Akten am 29.10.1996 entstehen.
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Das beklagte Land beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Das beklagte Land ist der Auffassung, die Kläger hätten eine Amtspflichtverletzung schon nicht schlüssig dargetan. Die Kläger bezögen sich weitestgehend auf ein vermeintlich amtspflichtwidriges Gesamtgeschehen der Finanzverwaltung. Erforderlich sei aber die Darlegung einer konkreten Amtspflichtverletzung und eines hieraus jeweils resultierenden Schadens. Das Land behauptet, eine Amtspflichtverletzung der Steuerfahndung im Zusammenhang mit der Ermittlung des Sachverhalts liege nicht vor. Ein amtspflichtwidriges Verhalten folge auch nicht aus den Feststellungen des Finanzgerichts Düsseldorf in den Urteilen vom 21.03.2011. Die Rechtmäßigkeit der Haftungsbescheide sei vom Finanzgericht nur in Bezug auf Umsatzsteuern für die Jahre 1990 und 1991 angezweifelt worden. Hieraus ergebe sich keine Haftung des Landes für ein wirtschaftliches Gesamtgeschehen in den letzten 27 Jahren.
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Außerdem mangele es an einem Verschulden der handelnden Mitarbeiter der Finanzverwaltung. Es können nicht rückschauend als schuldhaft bewertet werden, wenn eine nach sorgfältiger Prüfung erlangte und vertretbare Auffassung später revidiert oder von Gerichten anders gesehen werde. Gegen ein schuldhaftes Verhalten spreche auch, dass das Finanzgericht Düsseldorf als Kollegialgericht in seiner Entscheidung vom 26.11.1998 über die vom Kläger beantragte Aussetzung der Vollziehung das Vorgehen der Finanzverwaltung als rechtmäßig bewertet habe. Objektive Willkür habe auch im Hinblick auf die Zuschätzungen jedenfalls nicht vorgelegen. Die Schätzungen seien aufgrund nicht ordnungsgemäßer Buchführung zumindest in vertretbarer Weise erfolgt, insbesondere unter Berücksichtigung der Verletzung von Mitwirkungspflichten seitens der Kläger. Der Kläger habe die nicht ordnungsgemäße Buchführung auch selbst eingestanden, indem er eingeräumt habe, dass eine zusätzliche Kasse aufgestellt worden sei, hierauf entfallende Einnahmen aber nicht verbucht worden seien.
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Auch seien die behaupteten Amtspflichtverletzungen nicht kausal für die geltend gemachten Schäden. Es ergebe sich aus dem Vorbringen der Kläger schon nicht, dass die Einbußen bei pflichtgemäßem Handeln ausgeblieben wären.
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Ferner hätten die durchgängig von Rechtsanwälten und Steuerberatern vertretenen Kläger nicht substantiiert dargelegt, dass und in welcher Weise sie gemäß § 839 Abs. 3 BGB gegen die Bescheide und Vollstreckungsmaßnahmen Rechtmittel ergriffen hätten. Auch mangele es an Darlegungen zum Fehlen einer anderweitigen Ersatzmöglichkeit.
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Schließlich erhebt das Land die Einrede der Verjährung. Kenntnis von Schaden und Ersatzpflichtigem hätten die Kläger bereits lange vor den Entscheidungen des FG Düsseldorf vom 21.03.2011 gehabt. Dass eine entsprechende Kenntnis schon ab dem Jahr 2008 bestanden habe, ergebe sich unzweifelhaft aus dem vor dem Landgericht Wuppertal bzw. Landgericht Köln geführten Verfahren. Eine Hemmung der Verjährung der mit der Amtshaftungsklage verfolgten Ansprüche durch die beim FG Düsseldorf anhängigen Verfahren sei nicht eingetreten, weil diese Verfolgung von Primärrechtsschutz nicht geeignet gewesen sei, die von den Klägern dargelegten Schäden noch zu beseitigen und sie auch nicht der abschließenden Klärung der Rechtsfrage gedient hätten, ob das von dem Kläger bezeichnete schadensstiftende Verwaltungshandeln rechtswidrig gewesen sei.
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Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die wechselseitigen Schriftsätze Bezug genommen.
70
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe der Kläger ist am 30.12.2014 beim Landgericht Münster eingereicht worden.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist unbegründet.
I.
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Die Kläger haben keine (durchsetzbaren) Ansprüche gegen das beklagte Land gemäß § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG., §§ 249 ff., 253 BGB.
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Das Vorliegen von Amtspflichtverletzungen ist nur zum Teil substantiiert dargetan. Aufgrund der vom beklagten Land erhobenen Einrede der Verjährung sind die Ansprüche teilweise nicht durchsetzbar. Bezüglich der ausreichend dargelegten Amtspflichtverletzungen ist ein Verschuldensvorwurf nicht gerechtfertigt. Auch lässt sich den klägerischen Angaben nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit entnehmen, dass die behaupteten Schäden durch die substantiiert dargelegten und nicht verjährten Ansprüche (mit-)verursacht worden sind.
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1. Voraussetzung eines Anspruchs nach den vorgenannten Vorschriften ist zunächst, dass der insoweit darlegungs- und beweisbelastete Anspruchsteller (vgl. dazu nur: Palandt/Sprau, BGB, 76. Aufl. 2017, § 839, Rn. 84) die vermeintliche Amtspflichtverletzung substantiiert darstellt. Die jeweils in Rede stehende Amtspflichtverletzung und ein hierdurch kausal verursachter Schaden bilden jeweils einen eigenen Streitgegenstand. Dem Anspruchsteller obliegt es deshalb zunächst einmal, den von ihm zur Entscheidung gestellten Streitgegenstand nach Art und Anzahl der geltend gemachten Amtspflichtverletzungen klar und unmissverständlich darzustellen (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 04. April 2007 – I-18 U 70/06 -, Rn. 75, juris).
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Dieser Obliegenheit sind die Kläger insoweit nachgekommen, als sie vor allem aus den vom Finanzgericht Düsseldorf unter dem 21.03.2011 aufgehobenen Haftungsbescheiden Amtspflichtverletzungen herleiten. Insofern wird konkret anhand einer Bezugnahme auf die genannten Entscheidungen vorgetragen, das Finanzamt habe fehlerhaft verdeckte Gewinnausschüttungen an- und nur ganz grobe und wohl überhöhte Zuschätzungen vorgenommen. Weiter sollen sich diese behaupteten Amtspflichtverletzungen auf diejenigen Handlungen des Finanzamtes übertragen lassen, welche den Haftungsbescheiden bezüglich der N2 und der I1 zu Grunde lagen. Zudem sollen die den Haftungsbescheiden zu Grunde liegenden Prüfberichte amtspflichtwidrig zu Stande gekommen sein.
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Im Übrigen vermag das Gericht dem Vorbringen der Kläger jedoch keine konkreten Amtspflichtverletzungen zu entnehmen, jedenfalls nicht in der nach den obigen Maßstäben erforderlichen substantiierten Form. Insbesondere wird nicht spezifisch dargelegt, welche Amtspflichtverletzungen dem beklagten Land bezüglich der geänderten Gewinnfeststellungs-/Umsatzsteuer- und der Einkommenssteuerbescheide vorgeworfen werden. Insofern genügt es nicht, wenn die Kläger vortragen, dass „auch hier“ die Prüfungsfeststellungen in den Berichten des Finanzamtes vom 17.06.1997 und die (geänderten) Gewinnfeststellungsbescheide wegen der Verletzung von Sorgfaltsverpflichtungen des Beklagten grob amtspflichtwidrig gewesen und ungeprüft übernommen worden seien. Statt eines schlichten Verweises auf die Darlegungen zu den Haftungsbescheiden hätte es den Klägern oblegen, im Einzelnen vorzutragen, welche Berechnungen/Schätzungen hier von dem Finanzamt vorgenommen worden sind und inwiefern diese unrechtmäßig waren und welche zu Grunde liegenden Tatsachenfeststellungen fehlerhaft im Sinne von Amtspflichtverletzungen ermittelt worden sein sollen, zumal gerade bei den Gewinnfeststellungsbescheiden auch im Nachhinein gerade keine Festsetzung auf Null erfolgt ist.
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Dies gilt auch für die von den Klägern bemängelten Einkommensteuerbescheide. Insoweit erschöpft sich das Vorbringen praktisch darin, dass sich die fehlerhaften Haftungs- und Gewinnfeststellungs-/Umsatzsteuerbe-scheide auf die Einkommensteuerbescheide ausgewirkt hätten. Dies ist indes ein Kausalitätsgesichtspunkt, der die Darlegung einer Amtspflichtverletzung nicht ersetzt. Dass das beklagte Land nachträglich sowohl Gewinnfeststellungs- als auch Einkommensteuerbescheide geändert hat, macht eine solche Darlegung ebenfalls nicht entbehrlich. Soweit die Kläger schließlich pauschal vortragen, sämtliche Vollstreckungsmaßnahmen seien ebenfalls amtspflichtwidrig erfolgt, bestehen verminderte Anforderungen an die Substantiierung allenfalls im Hinblick auf diejenigen Vollstreckungsmaßnahmen, die auf Grundlage der Haftungsbescheide erfolgt sind, da insoweit konkret dargelegte Amtspflichtverletzungen fortgewirkt haben könnten.
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2. Es kann dahingestellt bleiben, ob sich aus den Feststellungen des Finanzgerichts Düsseldorf vom 21.03.2011 zumindest bezüglich der Haftungsbescheide in objektiver Hinsicht Amtspflichtverletzungen entnehmen lassen, die aufgrund einer Bindungswirkung für das hiesige Verfahren ohne nähere Prüfung zu Grunde zu legen sind, und ob die zu Grunde liegenden Prüfberichte amtspflichtwidrig erstellt worden sind. Ebenso kommt es nicht darauf an, ob eine solche Wertung auch für die Haftungsbescheide gilt, welche das Land von sich aus aufgehoben hat. Bezüglich der erst genannten Bescheide ist ein Verschuldensvorwurf nicht begründet, Ansprüchen gestützt auf die zweit genannten Bescheiden und die Prüfberichte steht die Einrede der Verjährung entgegen.
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a. Unabhängig von der Frage, ob sich auf der Grundlage von Art. 229 § 6 EGBGB die Verjährung nach § 852 Abs. 1 BGB aF oder nach § 195 BGB richtet, beträgt die Verjährungsfrist für die geltend gemachten Ansprüche drei Jahre.
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Nach § 852 Abs. 1 BGB ist für den Verjährungsbeginn der Zeitpunkt maßgeblich, in welchem der Verletzte von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt. Gemäß § 199 Abs. 1 beginnt die regelmäßige Verjährungsfrist, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.
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Kenntnis im vorgenannten Sinne liegt vor, sobald der Verletzte die tatsächlichen Umstände kennt, die eine schuldhafte Amtspflichtverletzung als naheliegend, eine Amtshaftungsklage – sei es auch nur als Feststellungsklage – mithin als so aussichtsreich erscheinen lassen, so dass dem Verletzten die Erhebung der Klage zugemutet werden kann (T. Mayen in: Erman, BGB, 14. Aufl. 2014, § 839 BGB, Rn. 95). Nicht erforderlich ist, dass der Geschädigte aus den ihm bekannten Tatsachen auch die zutreffenden rechtlichen Schlüsse zieht, wobei eine unsichere und zweifelhafte Rechtslage nach der Rechtsprechung des BGH den Verjährungsbeginn hinausschieben kann, wenn dem Geschädigten eine Rechtsverfolgung noch nicht zumutbar erscheint (Zimmerling in: Herberger/Martinek/Rüß-mann u.a., jurisPK-BGB, 8. Aufl. 2017, § 839 BGB, Rn. 178). Grundsätzlich hängt der Beginn der Verjährung aber nicht von der Beurteilung der Rechtslage durch den Geschädigten, sondern allein von der Kenntnis der den Anspruch begründenden Tatsachen ab. Ebenso wie es grundsätzlich unerheblich ist, wenn der Verletzte aus diesen nicht die zutreffenden rechtlichen Schlüsse zieht und es unterlässt, den Amtshaftungsanspruch zu verfolgen, gilt umgekehrt das Gleiche für den Fall, dass der Geschädigte eine Schadensersatzforderung voreilig erhebt, ohne die sie rechtlich tragenden Tatsachen zu kennen. Spiegelbildlich zu dem oben Grundsatz, dass es für den Amtshaftungsanspruch ausreicht, wenn feststeht, dass irgendein Amtsträger in seiner Person den gesamten Haftungstatbestand verwirklicht hat, und es nicht erforderlich ist, den konkreten Bediensteten namhaft zu machen, erfordert auch die Kenntnis nicht, dass der Verletzte den konkreten Amtsträger benennen kann (Staudinger/Heinz Wöstmann (2013) BGB § 839, Rn. 374).
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Weitere Voraussetzung für den Beginn nach § 199 BGB ist, dass ein Schaden mindestens objektiv vorliegt. Dabei findet der Grundsatz der Schadenseinheit bei der Bestimmung des Verjährungsbeginns Anwendung. Danach ist eine Schadensersatzanspruch einheitlich auch im Hinblick auf noch nicht entstandene Schadensersatzposten mit der Entstehung der ersten Schadenposition entstanden, soweit die späteren Schadenselemente vorhersehbar waren (Papier, in MünchKomm, BGB, 6. Aufl. 2013, § 839, Rn. 354).
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Hieran gemessen lag bei den Klägern eine positive Kenntnis von Schaden, bzw. den die Ansprüche begründenden Umständen und dem Ersatzpflichtigem aber schon in rechtsverjährter Zeit vor. Dies ergibt sich aus dem eigenen Vorbringen im Schriftsatz vom 16.10.2016 (schwarzer Ordner, Seite 31) und vor allem auch unweigerlich aus der Einreichung des anwaltlichen Schriftsatzes vom 17.10.2008 wegen der auch hier geltend gemachten Amtshaftungsansprüche beim Landgericht Wuppertal. Das Verfahren endete nach Verweisung an das örtlich zuständige Gericht rechtkräftig mit Beschluss des LG Köln vom 04.02.2010. Selbst wenn der Beginn der Verjährung nach § 199 Abs. 1 BGB bestimmt wird, weiter eine Hemmung der Verjährung vom 17.10.2008 bis zum 04.08.2010 nach den §§ 204 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Nr. 14 BGB, die Sechs-Monatsfrist nach § 204 Abs. 2 S. 1 BGB berücksichtigt oder gar angenommen wird, die Verjährung beginne erst mit Schluss des Jahres 2010, so wäre mit Ablauf des Jahres 2013, also vor dem 30.12.2014 die Verjährungsfrist für die hier geltend gemachten Ansprüche jedenfalls abgelaufen.
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Der Verjährungseintritt ist nur teilweise durch eine weitere Hemmung nach § 209 Abs. 1 BGB aF analog bzw. § 204 Abs. 1 BGB analog wegen der Verfolgung von Primärrechtsschutz gehindert worden.
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Berücksichtigungsfähig sind insoweit lediglich die Verfahren gegen die drei vom Finanzgericht Düsseldorf aufgehobenen Haftungsbescheide. Die Kläger mögen auch gegen sonstige Bescheide Rechtsschutz verfolgt haben. Hierauf kommt es aber schon deshalb nicht an, weil die zu Grunde liegenden Amtspflichtverletzungen nicht substantiiert dargetan worden sind (s.o.).
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Bezüglich der vom Finanzgericht Düsseldorf am 21.03.2011 aufgehobenen Haftungsbescheide ist für die geltend gemachten Amtspflichtverletzungen zu differenzieren.
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Es ist in Übereinstimmung mit der klägerischen Auffassung sicher zutreffend, dass die Verfolgung von fachgerichtlichem Primärrechtsschutz verjährungsunterbrechende bzw. verjährungshemmende Wirkung zukommt (siehe dazu grundlegend: (BGHZ 95, 238-246, Rn. 19; Staudinger/Heinz Wöstmann, a.a.O. Rn. 381 m.z.w.Nachw.). Insoweit ist die Rechtsprechung zu § 209 Abs. 1 BGB a.F. analog auf eine Hemmung der Verjährung nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB analog zu übertragen (Zimmerling in: Herberger/Martinek/Rüßmann u.a., jurisPK-BGB, 8. Aufl. 2017, § 839 BGB, Rn. 178).
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Diese Rechtsprechung gilt jedoch nicht einschränkungslos und schlechthin für jedwede Art von Primärrechtsschutz gegen vermeintlich amtspflichtwidriges Verwaltungshandeln. Vielmehr ist ein eingelegter Rechtsbehelf gegen eine Verwaltungsmaßnahme, die nicht unmittelbar den Vermögensschaden herbeigeführt hat, nur dann geeignet, den Lauf der Verjährungsfrist des Amtshaftungsanspruchs wegen dieses Vermögensschadens zu unterbrechen, wenn der Rechtsbehelf entweder geeignet ist, das Entstehen eines Vermögensschadens noch zu verhindern, beziehungsweise den eingetretenen Vermögensschaden wieder zu beseitigen, oder wenn der Rechtsbehelf geeignet ist, die Frage, ob das schadenstiftende Verwaltungshandeln rechtswidrig oder rechtmäßig war, faktisch endgültig zu klären (so wohl auch die Kläger selbst, siehe Schriftsatz vom 14.12.2016, Seite 7f. = Bl. 496 f. d.A.). Eine dieser beiden Möglichkeiten muss gegeben sein, um eine verjährungsunterbrechende Wirkung hinsichtlich eines Amtshaftungsanspruchs durch einen in einem verwaltungsrechtlichen Verfahren eingelegten Rechtsbehelf entsprechend § 209 BGB bejahen zu können. Wenn der Geschädigte durch den Rechtsbehelf den Schadenseintritt noch abwenden kann, greift der Grundsatz des Vorranges des Primärrechtsschutzes zur Rechtfertigung der analogen Anwendung ein; wenn in dem durch den Rechtsbehelf eingeleiteten Verfahren die Frage, ob das schadenstiftende Verwaltungshandeln rechtswidrig oder rechtmäßig war, faktisch geklärt wird, greift zur Rechtfertigung der Analogie der Gesichtspunkt der Prozessökonomie ein, wonach es dem Geschädigten nicht zuzumuten ist, in zwei parallel geführten Prozessen die Rechtswidrigkeit der schadenstiftenden Verwaltungsmaßnahme geltend machen zu müssen (OLG Düsseldorf, Urteil vom 04. April 2007 – I-18 U 70/06 -, Rn. 254 ff., juris; bestätigt von BGH, Beschluss vom 17. September 2008 – III ZR 129/07 -, Rn. 2ff., juris).
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Diese Voraussetzungen sind hier nur teilweise erfüllt. Der für den Kläger positive Ausgang der gegen die Haftungsbescheide geführten Verfahren vor dem Finanzgericht Düsseldorf vermochte den Eintritt der hier in Rede stehenden Schäden jedenfalls nach Durchführung der Vollstreckungsmaßnahmen im Jahr 1998, auf welche die Kläger die Schäden unmittelbar und mittelbar zurückführen, nicht mehr zu verhindern. Deshalb mögen die im Jahr 1997 eingelegten Einsprüche insoweit noch verjährungshemmende/-unterbrechende Wirkung gehabt haben. Für die im Jahr 2007 eingereichten Klagen gegen die Haftungsbescheide gilt dies jedoch nicht mehr.
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Unter dem Gesichtspunkt der Prozessökonomie ist hier eine analoge Anwendung von § 204 BGB, § 209 BGB aF BGB wiederum lediglich im Hinblick auf die beanstandete rechtliche Würdigung der festgestellten Tatsachen und nicht bezüglich der Erstellung der sieben Prüfberichte selbst geboten. Allein insoweit dienten die finanzgerichtlichen Verfahren nämlich einer abschließenden Klärung der Rechtmäßigkeit der Bescheide. Durch die Verfahren war nicht zu klären, dass die seinerzeit vom Steuerfahnder getroffenen Feststellungen rechtswidrig gewesen sind. Denn für das Finanzgericht reichte insoweit aus, dass die Tatsachengrundlage aus seiner Sicht nicht genügt, um die Haftungsbescheide zu begründen. Im vorliegenden Verfahren geht der Vorwurf der Kläger jedoch (auch) dahin, dass der Steuerfahnder gemessen an seinen zum Zeitpunkt der Betriebsprüfung bestehenden Erkenntnis- und Ermittlungsmöglichkeiten schuldhaft falsche Tatsachen festgestellt hat (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 04. April 2007 – I-18 U 70/06 -, Rn. 288, juris). Diese Frage war und ist nunmehr aufgrund des Verjährungseintritts nicht mehr zu prüfen.
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3. Soweit danach allein die vom Finanzgericht Düsseldorf als fehlerhaft bewertete Rechtsanwendung in Gestalt der Subsumtion der Prüfberichte unter die maßgeblichen steuerrechtlichen Vorschriften als Amtspflichtverletzung in Betracht kommt, steht einer hierauf gestützten Inanspruchnahme zunächst ein mangelndes Verschulden entgegen.
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Eine infolge unrichtiger Gesetzesauslegung und Rechtsanwendung fehlerhafte Amtsausübung ist dann eine schuldhafte Amtspflichtverletzung, wenn die Auslegung gegen den klaren, bestimmten und völlig eindeutigen Wortlaut des Gesetzes verstößt. Eine schuldhafte Amtspflichtverletzung liegt auch vor bei offenbar unrichtiger (= nicht vertretbarer) Gesetzesauslegung, die mit Rechtsprechung und Schrifttum – bei fehlender Rechtsprechung mit der eindeutigen Auslegung im Schrifttum – in Widerspruch steht. Dagegen fehlt es am Verschulden bei einer zwar unrichtigen, aber nach gewissenhafter Prüfung der zu Gebote stehenden Hilfsmittel auf vernünftige Überlegungen gestützten Auslegung bei solchen Gesetzesbestimmungen, die für die Auslegung Zweifel in sich tragen. Dass seine nach sorgfältiger Prüfung erlangte und vertretbare Rechtsauffassung später von den Gerichten missbilligt wird, kann dem Beamten (selbstverständlich) nicht später rückschauend als Verschulden angelastet werden. Eine Behörde, die ihre vertretbare, wenn auch in einem späteren Rechtsstreit missbilligte Rechtsmeinung aufgrund sorgfältiger rechtlicher und tatsächlicher Prüfung gewonnen hat, trifft auch dann nicht ohne weiteres der Vorwurf der Fahrlässigkeit, wenn sie sich in der Folgezeit einer gegen sie ergangenen nicht rechtskräftigen Entscheidung nicht beugt. Allerdings reicht die bloße „Vertretbarkeit“ des – später als objektiv unzutreffend erkannten – Ergebnisses für sich allein genommen noch nicht aus, um einen Schuldvorwurf von vornherein entfallen zu lassen. Hinzu kommen muss, dass die betreffende Rechtsmeinung aufgrund sorgfältiger rechtlicher und tatsächlicher Prüfung gewonnen worden war (Staudinger/Heinz Wöstmann (2013) BGB § 839, Rn. 204).
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Hier ist zur Überzeugung des Gerichts ein solcher Verschuldensvorwurf nicht gerechtfertigt. Mag auch das Finanzgericht Düsseldorf in seinen Entscheidungen vom 21.03.2011 zu einer anderen Auffassung gelangt sein, so war die vom Finanzamt Hilden vertretene Rechtsauffassung zumindest vertretbar.
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Insofern ist voranzustellen, dass schon die Formulierungen des Finanzgerichts selbst die Annahme erlauben, auch eine andere Bewertung sei durchaus möglich. So führt das Gericht aus, seiner Überzeugung nach könne nicht mit der dafür hinreichenden Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass Betriebseinnahmen nicht erklärt worden seien. Bezüglich der vom Finanzamt Hilden vorgenommenen Zuschätzungen seien diese nur ganz grob und wohl überhöht erfolgt. Dass die Zuschätzungen tatsächlich überhöht erfolgt sind, steht damit nicht einmal nach den eigenen Ausführungen des Finanzgerichts Düsseldorf fest. Bezüglich des genannten Überzeugungsgrades bleibt unklar, welcher Maßstab konkret angelegt worden ist. Im Übrigen werden Wahrscheinlichkeiten naturgemäß unterschiedlich eingeschätzt.
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Das Finanzamt ist zu seiner Einschätzung aufgrund umfangreich erhobener Prüffeststellungen gelangt. Insoweit wird auf die von den Klägern zur Akte gereichten Prüfberichte verwiesen. Eine mangelnde Sorgfalt bei der Auswertung dieser Prüfberichte lässt sich nicht feststellen. Dass das Finanzamt die für seine Wertung maßgeblichen Passagen wortgleich übernommen hat, reicht insoweit nicht aus. Auch sind die getroffenen Schlussfolgerungen zumindest gut vertretbar. Wenn auch hierdurch ein Verschulden nicht schlechthin ausgeschlossen ist, weil es sich um eine im summarischen Verfahren getroffene Entscheidung handelt, ergibt sich ein gewichtiges Indiz für die Vertretbarkeit vor allem auch aus dem Beschluss des Finanzgerichts vom 26.11.1998. Darin hatte der Senat das Vorgehen des Finanzamtes Hilden insbesondere unter Berücksichtigung der Aussagen einzelner Angestellter noch als rechtmäßig bewertet. Der Senat hatte dabei also genau denjenigen Sachverhalt zu Grunde gelegt, welcher dem Senat in seinen Entscheidungen vom 21.03.2011 keine tragfähige Grundlage für die Haftungsbescheide mehr bildete. Auch in seiner Entscheidung vom 23.07.1998 (ebenfalls summarisches Verfahren) hatte der 6. Senat noch ausgeführt, dass dem Grunde nach die Voraussetzungen für eine Hinzuschätzung der Besteuerungsgrundlagen auf der Grundlage des § 162 Abs. 2 S. 2 AO und einer Erfassung des Bruttobetrages als verdeckte Gewinnausschüttung und als „andere Ausschüttung“ erfüllt seien. Mit Beschluss vom 12.10.2000 (Az. 6 V 1218/00 A (H)) hatte der Senat noch ausgeführt, der Kläger habe eine Nichterfassung von betrieblichen Einnahmen in die Buchführung der T2 veranlasst und bewusst unrichtige Körperschaftssteuererklärungen für 1990 und 1991 abgegeben.
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Ein weiteres Indiz gegen ein Verschulden der handelnden Amtsträger folgt schließlich auch daraus, dass die Staatsanwaltschaft Wuppertal gestützt auf den identischen Sachverhalt Anklage gegen den Kläger erhoben hat. Ein weiterer Volljurist ist demnach zu dem Ergebnis gekommen, dass hinreichende Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit der getroffenen Feststellungen gegeben ist.
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4. Schließlich steht einer Inanspruchnahme des beklagten Landes gestützt auf die drei vom Finanzgericht aufgehobenen Haftungsbescheide, unabhängig von der Frage des Verschuldens, entgegen, dass sich eine Schadenskausalität nicht feststellen lässt.
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Im Amtshaftungsrecht gilt – wie im übrigen Schadensersatzrecht – das Erfordernis des adäquaten Kausalzusammenhangs zwischen Amtspflichtverletzung und Schaden. Zur Beantwortung der Frage, ob die Amtspflichtverletzung den behaupteten Schaden verursacht hat, ist zu prüfen, welchen Verlauf die Dinge bei pflichtgemäßem Verhalten des Amtsträgers genommen hätten und wie sich in diesem Falle die Vermögenslage des Verletzten darstellen würde (BGHZ 129, 226, 232 f). Nur soweit die Vermögenslage des Verletzten bei pflichtgemäßem Verhalten des Beamten günstiger als die tatsächliche sein würde, hat die Amtspflichtverletzung den Schaden verursacht (Staudinger/Heinz Wöstmann (2013) BGB § 839, Rn. 223).
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Es lässt sich nicht mit dem nach § 286 Abs. 1 ZPO geforderten Wahrscheinlichkeitsgrad feststellen, dass sich die Vermögenslage der Kläger bei pflichtgemäßem Handeln positiver dargestellt hätte.
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Die Kläger tragen schon nicht ausdrücklich vor, worin das pflichtgemäße Handeln bestanden hätte. Mutmaßlich soll behauptet werden, dass das Finanzamt zu dem Ergebnis hätte gelangen müssen, wie das Finanzgericht Düsseldorf in seinen Entscheidungen vom 21.03.2011. Dies muss indes nicht so sein. Wie bereits ausgeführt, waren auch alternative Wertungen, insbesondere Zuschätzungen durchaus möglich.
101
Im Übrigen lässt sich nicht feststellen, dass gerade die drei später vom Finanzgericht ausgehobenen Haftungsbescheide eine Verschlechterung der Vermögenslage der Kläger (mit-)herbeigeführt haben. Eine solche Feststellung lässt sich deshalb nicht treffen, weil erstens schon zum Zeitpunkt des Beginns der Betriebsprüfungen die betroffenen Gesellschaften praktisch vermögenslos waren, zweitens beide Kläger unstreitig schon vor den hier streitgegenständlichen Bescheiden und Vollstreckungen von umfangreichen Vollstreckungsmaßnahmen wegen steuerlicher Forderungen betroffen waren und drittens die drei Haftungsbescheide nur einen Teil einer Vielzahl von Vollstreckungstiteln bilden. Da die Vollstreckungsmaßnahmen des beklagten Landes praktisch nahezu erfolglos waren, ist das Gericht davon überzeugt, dass sich an dem von den Klägern behaupteten Verlauf nichts geändert hätte, wenn die drei Haftungsbescheide gar nicht oder aber mit reduzierten Haftungssummen erlassen worden wären, die übrigen Titel und Vollstreckungen dagegen Bestand gehabt hätten. Diese Überzeugung wird auch nicht etwa durch die Überlegung in Frage gestellt, dass die übrigen Vollstreckungsmaßnahmen und Vollstreckungstitel ebenfalls rechts- und amtspflichtwidrig zu Stande gekommen sind. Diesbezüglich mangelt es, wie oben ausgeführt, schon an substantiiertem Vorbringen zur Amtspflichtwidrigkeit des Vorgehens.
102
Nach alledem lässt sich insbesondere nicht feststellen, dass sich die Geschäfte der von der Klägerin betriebenen Unternehmungen positiver entwickelt hätten und Forderungen (Darlehen/Miete/Kauf) gegenüber dem Kläger hätten bedient werden können, wenn die Haftungsbescheide nicht oder mit anderem Inhalt erlassen worden wären. Auch lässt sich nicht konkret feststellen, dass (und in welcher) Höhe verminderte Beraterkosten angefallen, Kreditzusagen eingehalten und Grundstücksgeschäfte erfolgreich umgesetzt worden wären. Dass ein Grundstücksverkauf unter Wert gerade auf den drei später aufgehobenen Haftungsbescheiden beruht, ist ebenfalls nicht belegt. Dass Erlöse aus Pfändungen gerade auf den drei Haftungsbescheiden zumindest auch beruhen, kann das Gericht nicht feststellen. Vielmehr ist das Gericht davon überzeugt, dass es zu den gleichen Maßnahmen auch allein gestützt auf die zwei weiteren Haftungsbescheide, Gewinnfeststellungsbescheide und Einkommensteuerbescheide als Vollstreckungstitel gekommen wäre. Auch ist nicht festzustellen, dass Einkommensteuererstattungsansprüche früher hätten ausgezahlt werden müssen.
103
Die Beschlagnahme von Akten steht schon nicht im Zusammenhang mit der rechtlichen Würdigung der Prüfberichte als etwaige (objektive) Amtspflichtverletzung des Finanzamtes Hilden. Inwiefern die Beschlagnahme und mangelnde Herausgabe (welcher konkreter Akten?) amtspflichtwidrig sein soll, wird schon nicht näher dargetan.
104
Weiter steht nicht zur Überzeugung fest, dass die Grundstücksbelastungen gerade auf die drei später aufgehobenen Haftungsbescheide und hierauf gestützte Vollstreckungsmaßnahmen beruhen. Vielmehr ist das Gericht davon überzeugt, dass es zu dem gleichen Vollstreckungsverlauf gekommen wäre, wenn allein die weiteren Vollstreckungstitel zu Grunde gelegt werden. Gleichermaßen ist für die Fall von einer Zahlungsunfähigkeit der Kläger und den Ausschlüssen aus der Genossenschaft auszugehen.
105
Schließlich stünden den Klägern die verlangten Schmerzensgelder selbst dann nicht zu, wenn die drei aufgehobenen Haftungsbescheide und die hierauf gestützten Vollstreckungsmaßnahmen rechtswidrig gewesen sein sollten. Ein schwerwiegender Eingriff in Persönlichkeitsrechte der Kläger, der ein Schmerzensgeld rechtfertigen könnte, läge insoweit nicht vor. Im Übrigen fallen die drei Haftungsbescheide im Vergleich zu den sonstigen Vollstreckungstiteln, deren Rechtswidrigkeit nicht festzustellen ist (s.o.) nicht entscheidungserheblich ins Gewicht.
II.
106
Die von den Klägern beantragte Wiedereröffnung der Verhandlung nach § 156 Abs. 2 Nr. 1 ZPO war hier nicht veranlasst. Insbesondere liegt keine Verletzung einer Hinweispflicht nach § 139 ZPO vor. Das Gericht hat im Anschluss an den ersten Verhandlungstermin einen umfassenden Hinweisbeschluss erlassen und dort vor allem auf die Problematik der mangelnden Substantiierung von Amtspflichtverletzungen, verjährungsrechtliche Fragen und auf Kausalitätsgesichtspunkte hingewiesen, also genau diejenigen Komplexe angesprochen, die nunmehr für die Klageabweisung herangezogen worden sind.
III.
107
Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. 1, 709 ZPO.