Anwaltsgerichtshof Rostock, Beschluss vom 28.03.2006 – AGH 10/03 (II/5)
Zur Vergütung des Abwicklers
(Leitsatz des Gerichts)
Tenor
1. Die Hauptsache ist erledigt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Gegenstandswert des Verfahrens wird auf 20.000,00 € festgesetzt.
Gründe
I.
1
Der Antragsteller wurde von der Antragsgegnerin gem. § 53 Abs. 5 S. 1 BRAO – zunächst befristet bis zum Ablauf des 23.11.2002 – als Notvertreter des Rechtsanwaltes B. in W. bestellt und als solcher tätig.
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Nach dem Widerruf der Zulassung von Rechtsanwalt B. bestellte ihn die Antragsgegnerin mit Bestellungsurkunde vom 07.11.2002 gem. § 55 BRAO – befristet bis zum 07.05.2003 – als Abwickler der Kanzlei des Rechtsanwalts B. .
3
Der Antragsteller beantragte mit Schreiben vom 25.11.2002 bei der Antragsgegnerin, die Festsetzung einer angemessenen Vergütung für die Zeit seiner Tätigkeit als Vertreter. Unter dem 20.05.2003 beantragte der Antragsteller zudem die Festsetzung einer angemessenen Vergütung für seine Abwicklertätigkeit (Zeitraum 07.11.2002 – 07.05.2003).
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Die Antragsgegnerin setzte mit Schreiben vom 15.08.2003 die angemessene Vergütung für die Abwicklertätigkeit auf 4.800,00 € fest.
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Gegen diese Vergütungsfestsetzung wendet sich der Antragsteller.
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Er meint, die festgesetzte „angemessene Vergütung“ sei viel zu gering bemessen. Die Kriterien für die Festsetzung einer angemessenen Vergütung seien in erster Linie im Zeitaufwand, der beruflichen Erfahrung und Stellung des Vertreters und schließlich in der Schwierigkeit sowie der Dauer der Abwicklung zu finden.
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Er trägt vor, er habe in der Zeit vom 26.08.2002 – 07.05.2003 ca. 800 Stunden mit der Abwicklung der Kanzlei zu tun gehabt habe. Er verfüge über große berufliche Erfahrung, denn er sei seit dem 04.10.1984 als Rechtsanwalt tätig. Im Übrigen sei auch eine besondere Schwierigkeit bei der Abwicklung zu konstatieren. Bei seiner Bestellung – zunächst als Vertreter – hätten diverse Anfragen von Mandanten des damaligen Rechtsanwaltes vorgelegen, die sich bei der Anwaltskammer darüber beschwert hätten, ihren Anwalt nicht erreichen zu können.
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Dementsprechend seien bei Übernahme der Vertretertätigkeit eine Vielzahl von Akten zu sichten gewesen. Außerdem hätten laufende Gerichtsverfahren bearbeitet werden müssen, die bereits terminiert waren und in denen zum Teil auch Fristen zu beachten gewesen seien. Der ehemalige Rechtsanwalt B. habe sich bereits geraume Zeit nicht mehr um seine Fälle und Mandanten gekümmert gehabt.
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Zu Beginn seiner Vertretung sei das Insolvenzantragsverfahren über das Vermögen des ehemaligen Rechtsanwaltes B. anhängig geworden. Es sei mit Beschluss des Amtsgerichts Schwerin vom 04.10.2002 ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt worden. Mit diesem habe ebenfalls eine Abstimmung getroffen werden müssen.
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Das Objekt, in dem die Kanzlei betrieben wurde, habe unter Zwangsverwaltung gestanden. Ab der 41. Kalenderwoche des Jahres 2002 habe er die Abwicklertätigkeit in seinen eigenen Kanzleiräumen durchführen müssen.
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Es sei ferner bei der Bestimmung der Höhe der festzusetzenden Vergütung zu berücksichtigen, dass der Rechtsanwalt aus den von ihn vereinnahmten Beträgen auch die laufenden Kosten wie Personalkosten, Miete etc. zu tragen habe.
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Diesen gesamten Umständen werde das von der Antragsgegnerin entwickelte Versuchsmodell, 15,00 € pro Akte als Vergütung zu zahlen, nicht gerecht. Das gelte zumal die Antragsgegnerin ihn in keiner Weise vor seiner Bestellung auf diese Vergütungsmodalitäten hingewiesen oder diese auch nur angesprochen habe.
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Der Antragsteller bringt vor, die von der Antragsgegnerin festgesetzte Vergütung habe zur Folge, dass lediglich ein Stundensatz von ca. 6,00 € brutto gezahlt werde. Diese Festsetzung werde seiner Tätigkeit nicht gerecht. Für angemessen zu erachten sei ein Stundensatz in Höhe von mindestens 30,00 €, so dass sich insgesamt eine Vergütung von 800 Stunden x 30,00 € = 24.000,00 € errechne, zuzüglich der gesetzlichen Mehrwertsteuer.
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Der Antragsteller hat beantragt,
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1. Die Festsetzung der angemessenen Vergütung des Antragsgegners auf der Vorstandsitzung vom 09.07.2003 für die Tätigkeit des Antragstellers als Vertreter des ehemaligen Rechtsanwaltes B. auch für den Zeitraum vom 26.08.2002 bis zum 11.11.2002 und für die Tätigkeit des Antragstellers als Abwickler der Kanzlei des ehemaligen Rechtsanwaltes B. für den Zeitraum vom 11.11.2002 bis zum Ablauf des 07.05.2003 wird insofern aufgehoben, als sie lediglich 4.800,00 € beträgt.
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2a. Über die Festsetzung der Antragsgegnerin hinaus wird für die Tätigkeit des Antragstellers als Vertreter und Abwickler in dieser Angelegenheit eine angemessene Vergütung festgesetzt, die in das pflichtgemäße Ermessen des erkennenden Gerichtes gestellt wird, mindestens jedoch in Höhe von weiteren 19.200,00 € sowie Mehrwertsteuer in Höhe des gültigen Mehrwertsteuersatzes auf den Betrag in Höhe von 24.000,00 € = 3.840,00 €.
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Hilfsweise:
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Es wird eine angemessene Vergütung des Antragstellers für seine Tätigkeit als Vertreter und Abwickler der Kanzlei des ehemaligen Rechtsanwaltes B. in Höhe von 24.000,00€ zuzüglich 16 % Mehrwertsteuer in Höhe von 3.840,00 €, das heißt von 27.840,00 € festgesetzt.
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Äußerst hilfsweise:
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Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts eine angemessene Vergütung für die Tätigkeit des Antragstellers als Vertreter und Abwickler der Kanzlei des ehemaligen Rechtsanwaltes B., festzusetzen.
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2b. Es wird festgestellt, dass die Antragsgegnerin insofern wie ein Bürge entsprechend § 53 Abs. 10 Satz 6 BRAO haftet.
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Die Antragsgegnerin hat beantragt,
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die Anträge des Antragstellers als unbegründet zurückzuweisen.
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Sie hat den Standpunkt vertreten, die Grundlage für den Vergütungsanspruch würden die §§ 53 Abs. 10 Satz 4 bis 7 bzw. § 55 Abs. 3 Satz 1 BRAO bilden. Der Terminus der „angemessenen Vergütung“ sei ein unbestimmter Rechtsbegriff. Bei der Ausfüllung dieses Begriffs sei die Antragsgegnerin davon ausgegangen, dass zu entscheiden war zwischen der Festsetzung einer Stundenpauschale oder einer monatlichen Pauschale. Der Bundesgerichtshof (BGH) habe sich bei einer längeren Abwicklungstätigkeit für eine monatliche Pauschale ausgesprochen. Eine Abrechnung nach Stunden falle demgegenüber schwer, weil es in den meisten Fällen – so auch vorliegend – nicht gelinge, die angegebene Stundenzahl nachzuvollziehen. Ferner hätten die Abwicklungen in den letzten Jahren sprunghaft zugenommen und würden in erheblichem Umfange den Haushalt der Antragsgegnerin belasten. Letztendlich würde die Allgemeinheit ihrer Mitglieder die ständig steigenden Kosten für die Abwicklung von Rechtsanwaltskanzleien tragen. Insoweit stelle sich die Tätigkeit des Abwicklers als ein Beitrag für die Solidargemeinschaft der Rechtsanwälte Mecklenburg-Vorpommerns dar.
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Die Antragsgegnerin habe sich daher zu einem Modell mit Versuchscharakter entschieden, wonach die Abwicklung nicht nach Zeitaufwand, sondern nach der Anzahl der zu bearbeitenden Akten abgerechnet werde. Dabei werde durch die Antragsgegnerin eine Pauschale von 15,00 € pro Akte angesetzt. Hierbei werde eine Mischkalkulation zugrundegelegt, die den Aufwand für eine Akte, der mal geringer und mal größer ausfallen könne, mit einem Pauschalbetrag auszugleichen suche. Die Antragsgegnerin verfolge mit dieser Verfahrensweise das Ziel, den eingesetzten Abwickler zu einer kostenbewussten, schnellen, rationellen und effektiven Arbeit anzuhalten. Sie gehe ferner davon aus, dass die Auflösung einer Anwaltspraxis innerhalb von sechs Monaten möglich sei.
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Die Antragsgegnerin meint weiter, die Angabe des Antragstellers, für die Bearbeitung von 400 Akten in der Zeit seiner Tätigkeit 800 Stunden benötigt zu haben, sei stark überhöht.
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Gegenstand des angefochtenen Beschlusses der Antragsgegnerin vom 15.08.2003 sei überdies ausschließlich die Vergütung der Abwicklung; über die Vertretervergütung habe der Vorstand der Antragsgegnerin bisher nicht entschieden.
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Mit Schreiben vom 02. Januar 2006 hat der Antragsteller mitgeteilt, dass zwischenzeitlich eine einvernehmliche Festsetzung seiner Vergütung erfolgt sei. Er hat daraufhin die Erledigung des anwaltgerichtlichen Verfahrens erklärt. Dieser Erledigungserklärung hat sich die Antragsgegnerin unter Verwahrung gegen die Kostenlast angeschlossen.
II.
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Nachdem beide Parteien übereinstimmend die Hauptsache für erledigt erklärt haben, war über die Kosten des Verfahrens in analoger Anwendung der §§ 91a ZPO, 13a FGG, 201 Abs. 1 BRAO zu entscheiden.
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Dies führt zur Auferlegung der Kosten auf Seiten des Antragsstellers. Denn er wäre nach dem Sach- und Rechtsstand im Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses mit hoher Wahrscheinlichkeit im anwaltsgerichtlichem Rechtsstreit unterlegen.
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Der Antrag des Antragstellers auf gerichtliche Entscheidung war nach § 223 Abs. 1 BRAO statthaft soweit er sich gegen die Festsetzung der Vergütung für die Zeit seiner Tätigkeit als Abwickler des früheren Rechtsanwalts B. richtet; im übrigen – nämlich soweit der Antragsteller die Festsetzung der Vergütung für eine Tätigkeit als Vertreter angefochten hat und die Festsetzung einer angemessenen Vergütung begehrte – fehlte ihm das Rechtsschutzbedürfnis und der Antrag war mithin unzulässig (1). Auch in der Sache hätte dem Antrag kein Erfolg beschieden sein können (2.).
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1. Nach § 223 Abs. 1 BRAO können Verwaltungsakte, die nach der Bundesrechtsanwaltsordnung ergehen, durch einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung auch dann angefochten werden, wenn es im Gesetz nicht ausdrücklich bestimmt ist.
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a) Die Festsetzung der Vergütung für einen amtlich bestellten Vertreter oder Abwickler durch den Vorstand der Rechtsanwaltskammer gem. § 53 Abs. 10 Satz 5 BRAO ist ein Verwaltungsakt im Sinne des § 223 BRAO (vgl. BGH Senat für Anwaltssachen, Beschluss vom 30.11.1992, Az.: AnwZ (B) 37/92, NJW-RR 1993, 1335-1336 m.w.N.) und mithin anfechtbar. Vorausgesetzt ist daneben aber in jedem Fall, dass sich der Antragsteller für sein Begehren auf ein individuelles Rechtsschutzbedürfnis berufen kann. Daran fehlt es, wenn er durch die angefochtene Entscheidung nicht beschwert wird.
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b) Daran gemessen, kann eine Zulässigkeit des Antrags auf gerichtliche Entscheidung nur erkannt werden, soweit sich der Antragsteller gegen die Festsetzung der Vergütung für die Zeit seiner Tätigkeit als Abwickler in dem Zeitraum vom 07.11.2002 – 07.05.2003 wendet. Nur diese Tätigkeit war – wie die Antragsgegnerin unwidersprochen vorgetragen hat – Gegenstand ihrer Beschlussfassung vom 15.08.2003. Hingegen ist über die Vertretervergütung durch die Antragsgegnerin bisher nicht entschieden worden, so dass der Antragsteller insofern auch nicht beschwert sein kann, weshalb seinem Begehren teilweise schon das vorausgesetzte allgemeine Rechtsschutzbedürfnis fehlt.
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2. Auch soweit der Antrag zulässig ist, kann ihm in der Sache kein Erfolg beschieden sein.
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a) Nach § 55 Abs. 3 Satz 1, § 53 Abs. 10 Satz 4 BRAO hat der Abwickler Anspruch auf eine angemessene Vergütung. Können sich die Beteiligten über die Höhe der Vergütung nicht einigen, setzt der Vorstand der Rechtsanwaltskammer die Vergütung fest (§ 53 Abs. 10 Satz 5 BRAO). Die Bestimmung der Vergütung steht dabei nicht im Ermessen der Kammer. Der Begriff der „angemessenen Vergütung“ ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der der gerichtlichen Überprüfung unterliegt. Für die festgesetzte Vergütung haftet die Rechtsanwaltskammer wie ein Bürge (§ 53 Abs. 10 Satz 7 BRAO) (vgl. BGH, a.a.O.).
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aa) Der Antragsteller weist im Ausgangspunkt zutreffend darauf hin, dass für die Festsetzung der angemessenen Vergütung des Abwicklers im wesentlichen die folgenden Kriterien maßgebend sind: der Zeitaufwand, den der Abwickler für die Bewältigung seiner Aufgabe benötigt, die berufliche Erfahrung des Abwicklers sowie die Schwierigkeit und Dauer der jeweiligen Abwicklung. Dies hat der Senat für Anwaltssachen beim Bundesgerichtshof in der bereits genannten Grundsatzentscheidung (NJW-RR 1993, 1335-1336), die – soweit zu übersehen – bisher keine Fortentwicklung erfahren hat (Anschluss durch Anwaltsgerichtshof München, Beschluss vom 16.05.2002, Az.: BayAGH I – 24/01, BRAK-Mitt 2004, 134), erkannt. Darin allerdings erschöpft sich diese Entscheidung nicht.
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bb) Dem Begehren des Antragstellers, für seine Tätigkeit als Abwickler als angemessene Vergütung eine solche von mindestens 30,00 € pro Stunde festzusetzen, steht der Beschluss des Bundesgerichtshofs diametral entgegen. Denn der Anwaltssenat hat in dieser Entscheidung gerade ausgesprochen, dass die Zugrundelegung eines Stundensatzes regelmäßig kein geeigneter Ansatzpunkt für die Bemessung der angemessenen Vergütung des Abwicklers einer Anwaltspraxis ist (vgl. BGH, a.a.O.).
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Der Senat für Anwaltssachen hat im damaligen Zeitpunkt Anlass gesehen – wie in den Entscheidungsgründen dargelegt – eine Auskunft der Bundesrechtsanwaltskammer darüber einzuholen, nach welchen Kriterien und in welcher Höhe die einzelnen Rechtsanwaltskammern die Vergütung eines anwaltlichen Vertreters festsetzen. Die Bundesrechtsanwaltskammer hat in der ersten Hälfte des Jahres 1991 zur Frage der Festsetzung der angemessenen Vergütung in Abwicklerfällen eine Umfrage bei allen Kammern durchgeführt, die von der Hälfte der in Betracht kommenden Kammern beantwortet worden ist. Sie hat – wie der Senat für Anwaltssachen darstellt – im Wesentlichen folgendes Ergebnis erbracht: Die Kammern legen für die Festsetzung der angemessenen Vergütung in erster Linie den Zeitaufwand, sodann die berufliche Erfahrung und die Stellung des Vertreters und schließlich die Dauer der Abwicklung zugrunde. Am häufigsten wird eine pauschale Festsetzung dergestalt vorgenommen, dass entweder ein bestimmter Pauschalbetrag je Monat oder ein bestimmter Pauschalbetrag je aufgewandte Arbeitsstunde festgelegt wird. Bei der Festlegung eines monatlichen Pauschalbetrages wird entweder als Bemessungsgrundlage die angemessene Vergütung eines Angestellten oder sogenannten freien Mitarbeiters in einer Anwaltspraxis gewählt, wobei die Höhe sich hier nach den üblichen Vergütungssätzen im jeweiligen Kammerbezirk richtet, oder es wird, namentlich dann, wenn es sich um einen jungen Rechtsanwalt handelt, die Vergütung für einen Angestellten gemäß BAT IIa zugrunde gelegt. Die monatliche Vergütung schwankt dabei zwischen 3.000,00 DM und 6.000,00 DM zuzüglich MWSt., wobei von einem 8-Stunden-Arbeitstag ausgegangen wird (vgl. BGH, a.a.O.).
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cc) Ausgehend von diesem empirischen Material und dasselbe verwertend hat es der Senat für Anwaltssachen beim BGH für angebracht erachtet, statt eines Stundensatzes eine Gesamtvergütung für einen längeren Zeitraum, etwa einen oder mehrere Monate, festzusetzen. Für die Festsetzung der Gesamtvergütung hat er die von der Bundesrechtsanwaltkammer aus ihrer Erhebung ermittelten Kriterien – Zeitaufwand, berufliche Erfahrung des Abwicklers, Dauer und Schwierigkeit der jeweiligen Abwicklung – für sachlich gerechtfertigt gehalten und für den Fall einer monatlichen Pauschalvergütung eine Bemessung nach dem Gehalt, dass für einen Angestellten oder sogenannten freien Mitarbeiter in einer Anwaltspraxis gezahlt wird, für angemessen und vertretbar bewertet, wobei die regionalen Unterschiede in den Bezirken zu berücksichtigen seien. Schließlich, so hat der Anwaltssenat weiter erkannt, sei für die Vergütung einer Abwicklung auch in Rechnung zu stellen, dass die Tätigkeit des Abwicklers eine Berufspflicht sei, die im Interesse des Berufsstandes und im Interesse der Rechtspflege geleistet und von der Gemeinschaft der Rechtsanwälte des jeweiligen Bezirks auch bezahlt werden müsse (vgl. zu allem BGH, a.a.O.).
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b) Bei Beachtung dieser Grundsätze ist die von der Antragsgegnerin festgesetzte pauschale Vergütung von 4.800,00 € für die Abwicklertätigkeit in der Zeit vom 07.11.2002 bis 07.05.2003 als angemessen zu bezeichnen, da gegen die im Rahmen eines Pilotprojekts gewählte Vergütung nach der Anzahl der zu bearbeitenden Akten und der Ansetzung einer Pauschale von 15,00 € pro Aktenfall nichts zu erinnern ist (aa). Auch ergibt sich aus dem Tatsachenvortrag des Antragstellers nicht, dass diese Vergütung ihn – gemessen an den vom Senat für Anwaltssachen beim Bundesgerichtshof entwickelten Kriterien – unangemessen wirtschaftlich benachteiligt (bb).
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aa) Aus der wiederholt genannten Grundsatzentscheidung des Senats für Anwaltssachen ergibt sich nach Auffassung des vorliegend zur Entscheidung berufenen Anwaltsgerichtshof, dass die Festsetzung der angemessenen Vergütung und der dazu Anwendung findenden Kriterien keiner starren Bewertung unterliegt. Maßgeblich ist eine Gesamtbewertung, in die Faktoren wie die aufzuwendende Arbeitszeit, die Stellung des Abwicklers im Rahmen seiner beruflichen Entwicklung, die jeweiligen Besonderheiten der abzuwickelnden Anwaltspraxis, Einfluss finden können und sollen. Abzuwägen bleibt dieser dem Abwickler in seiner Tätigkeit entstehende Aufwand mit dem von der Rechtsanwaltskammer im Interesse der Gesamtheit ihrer Mitglieder zu beachtenden Ziel, zu einer möglichst reibungslosen und zügigen Abwicklung im Interessen der vertretenen Mandanten zu gelangen und hierbei die Kosten angesichts der aus der Mitte der Mitglieder aufzubringenden Mittel in einem vertretbaren Rahmen zu halten. Insgesamt muss dem Abwickler eine Vergütung zuteil werden, die einerseits den regionalen Besonderheiten entspricht und andererseits dem Abwickler selbst einen wirtschaftlichen Ausgleich zuerkennt, die jedenfalls der eines Berufsanfängers im jeweiligen Bezirk Rechnung trägt.
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Ausgehend hiervon konnte die Antragsgegnerin nicht gehindert sein, den unbestimmten Rechtsbegriff in der Weise auszufüllen, dass sie die Vergütung nach der Anzahl der vom Abwickler zu bearbeitenden Akten bemessen hat. Wie die Antragsgegnerin – den Überlegungen des Senats für Anwaltssachen folgend – überzeugend darlegt, ist die Festsetzung nach der Zahl der geleisteten Arbeitsstunden nur schwierig vorzunehmen und vor allem zu überprüfen. Das verhält sich bei einer Festlegung nach der Zahl des Aktenmaterials anders. Auch ist es nicht zu beanstanden, das Aktenmaterial als Ausgangspunkt der Bemessung zu wählen, da hierin die einzelnen genannten Beurteilungskriterien wie der Zeitaufwand, die Art und Schwierigkeit der Bearbeitung Eingang zu finden vermögen. Diese Form der Festlegung steht insoweit der Festsetzung einer Monatspauschale gleich. Solches ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn sich aus der Zahl der Akten und der pauschalen Abgeltung zu ihrer Bearbeitung eine Vergütung ergibt, die mit einer monatlichen Pauschalvergütung für einen Angestellten oder freien Mitarbeiter in einer Anwaltspraxis in etwa in Übereinstimmung zu bringen ist. Solches ist hier – wie noch auszuführen sein wird – anzunehmen. Schließlich ist auch nicht von der Hand zu weisen, dass die Antragsgegnerin – ausgehend von der Rechtsprechung des Senats in Anwaltssachen – als befugt angesehen werden muss, bei ihrer Vergütungsfestsetzung die schwierige Haushaltslage, die angespannte wirtschaftliche Situation der Rechtsanwälte in den neuen Bundesländern und speziell in ihrem Bezirk, sowie die vorhandenen knappen Mittel, aus denen die Kosten der Abwicklerbestellung angesichts einer zunehmenden Zahl solcher Verfahren auszubringen sind, zu berücksichtigen. Alle diese Umstände lassen nach Auffassung des Anwaltsgerichtshofs die von der Antragsgegnerin gewählte Form der Vergütungsfestsetzung aus Rechtsgründen vertretbar erscheinen.
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bb) Die im konkreten Fall zugunsten des Antragstellers bemessene Vergütung schafft diesem auch einen angemessenen Ausgleich für die von ihm im Interesse der Solidargemeinschaft der Rechtsanwälte erbrachte Tätigkeit.
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Die Vergütung von pauschal 4.800,00 € entspricht bei einem Pauschalhonorar von 15,00 € pro Aktenfall der Bearbeitung von 320 Akten. Auf die Monate der Abwicklertätigkeit (07.11.2002 bis 07.05.2003) umgerechnet ergibt sich ein Betrag von 800,00 € (etwa 1.600,00 DM in früherer Währung) p.m.. Ausgehend von einem nach den Erfahrungen des Anwaltsgerichtshofs zu unterstellenden monatlichen Durchschnittseinkommen eines noch relativ jungen und unerfahrenen Berufsanfängers in einer Anwaltskanzlei, dass bei etwa 2.000,00 bis 3.000,00 € liegen dürfte, hätte der Antragsteller danach zwischen 1/4 bis 4/15 seines Monatseinkommens aus seiner Abwicklertätigkeit bezogen. Da regelmäßig anzunehmen ist, dass die Tätigkeit des Abwicklers nicht seine einzige Berufsausübung darstellt – in der zitierten Entscheidung des Anwaltssenats machte sie 1/10 der üblichen Wochenarbeitszeit aus -, rechtfertigt sich der Schluss, dass die Tätigkeit des Antragstellers zu einem im Bezirk üblichen Entgelt für einen in einer vergleichbaren Stellung als Abwickler tätigen Rechtsanwalt vergütet worden ist.
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Anderes und Gegenteiliges ist jedenfalls auch dem Vorbringen des Antragstellers nicht zu entnehmen. Dieser trägt vor, in der Zeit vom 26.08.2002 bis 07.05.2003 ca. 800 Std. aufgewendet zu haben. Eine solche Stundenzahl kann aber schon deshalb nicht zugrunde gelegt werden, weil hier zur Beurteilung nur die Tätigkeit als Abwickler der Rechtsanwaltskanzlei B. steht, nicht aber die Zeit der Vertretung (26.08.2002 bis 06.11.2002). Wird dieser Zeitraum von etwa 2 1/2 Monaten von der Gesamtzeit der Tätigkeit des Antragstellers, die ca. 8 1/2 Monate ausmacht, subtrahiert und von den 800 Std., die einen monatlichen Stundensatz von etwa 95 Std. erbringen, in Abzug gebracht, so ergibt sich das Ergebnis, dass der Antragsteller in den 6 1/2 Monaten seiner Tätigkeit als Abwickler ca. 600 Std. tätig war bwz. tätig gewesen sein will. Dies wiederum rechnet sich zu einer monatlichen Stundenzahl von ca. 100 Std. bzw. einer wöchentlichen von 25 Std.. Damit wäre der Antragsteller mit mehr als der regelmäßigen wöchentlichen bzw. monatlichen Arbeitszeit als Abwickler tätig gewesen. Das erscheint dem Anwaltsgerichtshof wenig glaubhaft, da eine solche zeitliche Einbindung zu einer Gefährdung seiner sonstigen beruflichen Tätigkeit als Rechtsanwalt hätte führen müssen, außer es würde angenommen, es hätte eine Nachfrage nach einer solchen von ihm ausgeübten Arbeit gar nicht gegeben. Dies wirkt indes wenig wahrscheinlich, da der Antragsteller selbst anführt, seit 1984 als Anwalt tätig zu sein, so dass er sich „am Markt“ durchgesetzt haben dürfte und sollte.
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Für die fehlende Richtigkeit seines Vortrages spricht in diesem Zusammenhang auch, dass der Antragsteller mit der von ihm erwünschten Festsetzung der Vergütung (800 Std. x 30,00 €) zugleich die laufenden Kosten für Personal, Miete u.a.m. abgesetzt sehen will. Hierbei unterliegt er jedoch einem Rechtsirrtum. Die in § 53 Abs. 10 Satz 5 BRAO genannte Vergütung umfasst nicht die Aufwendungen des Antragstellers für das Personal im Büro des Vertretenen. Die von der Antragsgegnerin vorzunehmende Festsetzung bezieht sich nur auf diese Vergütung. Die verauslagten Personalkosten – oder auch die Miete – sind Aufwendungen des Antragstellers, zu deren Ersatz der vertretene Rechtsanwalt nach § 53 Abs. 9 Satz 2 BRAO i.V.m. § 670 BGB verpflichtet ist. Sie sind nicht Teil der Vergütung für die Tätigkeit des Vertreters, welche die Rechtsanwaltskammer nach § 53 Abs. 10 Satz 5 BRAO festsetzen muss. Nur hierfür haftet sie nach § 53 Ab.s 10 Satz 7 BRAO wie ein Bürge. Für den Aufwendungsersatzanspruch nach § 53 Abs. 9 Satz 2 BRAO mit § 670 BGB haftet die Antragsgegnerin dagegen nicht (vgl. BGH Senat für Anwaltssachen, Beschluss vom 30.11.1992, Az.: AnwZ (B) 27/92, NJW 1993, 1334-1335).
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Diese Umstände eingestellt, vermag der Anwaltsgerichtshof nicht zu der Überzeugung gelangen, der Antragsteller habe in der Zeit seiner Tätigkeit als Abwickler tatsächlich 600 Arbeitsstunden erbracht. Realistisch erscheint demgegenüber allenfalls die Hälfte dieser Zeit (300 Std.), welche zu einer durchschnittlichen monatlichen Arbeitsleistung von etwa 50 Std. führt. Diese Stundenzahl ist mit einem monatlichen Betrag von 16,00 € (800,00 € : 50 Std.) aber angemessen abgegolten. Denn hochgerechnet hätte sich daraus bei einer vollwertigen Tätigkeit als Abwickler – also einer Wochenarbeitszeit von 40 Std. und einer monatlichen von 180 Std. – ein Monatsgehalt von 2.880,00 € (180 : 50 = 3,6 [Multiplikator] x 800,00 €) ergeben.
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Da die Vergütungsfestsetzung der Antragsgegnerin nach allem keinen Beanstandungen unterliegt, vermag der Antragsteller weder mit seinen Haupt- noch Hilfsanträgen Erfolg zu haben.
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Einer Entscheidung über den Antrag zu Ziff. 2.b) bedarf es hierbei nicht, da sich die Haftung der Antragstellerin als Bürgin aus dem Gesetz ergibt (§ 53 Abs. 10 Satz 7 BRAO).
III.
51
Die Festsetzung des Geschäftswertes hat seine Rechtsgrundlage in § 202 Abs. 2 i.V.m. § 30 Abs. 2 KostO (vgl. hierzu Feuerich/Weyland, 6. Aufl., § 202 BRAO Rn. 5ff.).