Zur Unwirksamkeit von Klauseln über Schönheitsreparaturen und Endrenovierungspflicht infolge Summierungseffekt

AG Mannheim, Urteil vom 20.05.2011 – 10 C 14/11

1. Ein zur Unwirksamkeit einer Formularklausel führender so genannte Summierungseffekt aufgrund des Zusammentreffens zweier – jeweils für sich genommen – unbedenklicher Klauseln kann auch dann vorliegen, wenn nur eine der beiden Klauseln formularmäßig, die andere dagegen individuell vereinbart worden ist (Anschluss an BGH NJW 2006, 2116).

2. Ist in einer derartigen Konstellation die Pflicht zur Übernahme von Schönheitsreparaturen formularvertraglich vereinbart und eine zusätzliche Endrenovierungspflicht individualvertraglich, führt dies gem. § 139 BGB zur Unwirksamkeit der gesamten Regelung.

(Leitsatz des Gerichts)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leisten.

Tatbestand

1

Die Kläger verlangen von den Beklagten Schadensersatz aus einem Mietvertrag.

2

Die Beklagte 1 war auf Grund eines Mietvertrags vom 1.7.1970 (AS 11-13) Mieterin einer Wohnung im Anwesen K. in M. Am 06.03.1991 trat der Beklagte 2 dem Mietvertrag bei. Das Mietverhältnis endete zum 31.07.2010. H. K., welcher den Mietvertrag namens der Eheleute als Vermieter unterzeichnete, verstarb am 08.03.2006. Die Klägerin 1 wurde bereits am 28.01.1994 zusammen mit ihrer Schwester F. als jeweils hälftige Miteigentümerin des Anwesens eingetragen (Grundbuchauszug AS 50-55). Mit Vereinbarungen vom 1.12.2010 (AS 56,57) traten letztere sowie die Ehefrau des verstorbenen K., J. K., sämtliche Ansprüche aus dem Mietverhältnis an die Kläger ab. In dem Mietvertrag war formularmäßig unter § 5 Abs. 1 die Pflicht zur Übernahme der Schönheitsreparaturen während der Dauer des Mietverhältnisses durch den Mieter vereinbart, unter § 5 Abs. 4 ein diesbezüglicher Fristenplan aufgeführt sowie eine Regelung zur quotalen Abgeltung unterlassener Schönheitsreparaturen. Unter § 19 hatten die Beteiligten individualvertraglich unter anderem vereinbart: “ § 5 Abs. 4 wird gestrichen. Bei Beendigung des Mietverhältnisses ist die Wohnung renoviert und in ursprünglichem, bezugsfertigen Zustand zu übergeben“. Mit Schreiben vom 29.04.2010 (AS 15, 16) und 30.06.2010 (AS 19, 20) teilten die Beklagten mit, dass sie bei Rückgabe der Wohnung keine Schönheitsreparaturen durchführen würden, trotz einer mit Schreiben der Kläger vom 14.5.2010 hierzu gesetzten Frist (AS 17, 18).

3

Die Kläger sind der Ansicht, sie seien aktivlegitimiert. Die Beklagten seien wegen der seit mehr als 10 Jahren unterlassenen Schönheitsreparaturen und für den Aufwand. welcher nötig gewesen sei, um mit Silikon ausgefüllte Dübel- und Nagellöcher zu verfüllen sowie den von ihnen eingebrachten Bodenbelag zu entfernen, zur Erstattung von 1.957,91 € verpflichtet (AS 3, 4, 23, 48). Weiter hätten zwei Toiletten und ein Waschtischschrank erneuert werden müssen, da diese völlig verschmutzt gewesen seien (AS 24). Für das Überprüfen der Fenster und Erneuerung eines Rolladengurtes seien weiter Kosten in Höhe von 208,97 Euro entstanden. Weiter sei eine Nachvermietung im August 2010 nicht möglich gewesen, da die Wohnung nicht in einem vertragsgemäßen Zustand verlassen worden sei, weshalb die Beklagten Nutzungsausfall in Höhe der zuletzt mit ihnen vereinbarten Miete für diesen Monat in Höhe von 397 € schuldeten. Insgesamt stünde den Klägern ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 3.003,88 € zu, womit unter Verrechnung der geleisteten Kaution samt eines Guthabens aus einer Betriebskostenabrechnung zu Gunsten der Kläger noch 2.323,08 € offen stünden. Außerdem hätten die Beklagten einen ihnen gestellten Spiegelschrank im Bad beim Auszug mitgenommen (AS 5, 47).

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Die Kläger beantragen:

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Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 2.323,08 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 04.11.2010 zu bezahlen.

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Die Beklagten beantragen:

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Die Klage wird abgewiesen.

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Die Beklagten sind der Ansicht, die Kläger seien schon nicht aktivlegitimiert, da Mietvertragspartei die Eheleute gewesen seien (AS 35). Die Renovierungsarbeiten seien wegen Unwirksamkeit der diesbezüglichen Vereinbarungen nicht geschuldet (AS 36). Außerdem hätten sie den von ihnen eingebrachten Teppichboden selbst entfernt und die Löcher in den Wänden fachgerecht mit Moltofill verschlossen. Die Schönheitsreparaturen seien – so weit erforderlich – regelmäßig durchgeführt wurden. Toiletten und Waschbecken seien normal abgenutzt und zu säubern gewesen. Außerdem sei zu bestreiten, dass die behaupteten Arbeiten überhaupt durchgeführt worden seien (AS 37). Die Wohnung hätte ohne den Urlaub der Vermieter ohne weiteres bereits im August 2010 wieder vermietet werden können. Ein Spiegelschrank sei ihnen nicht zur Verfügung gestellt worden, sie hätten vielmehr selbst einen angeschafft und diesen bei Auszug mitgenommen.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze samt Anlagen Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Kläger können von den Beklagten nicht gem. §§ 280, 281, 249 BGB Schadensersatz verlangen.

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Die Kläger sind zwar aktiv legitimiert. Die Klägerin 1 ist gem. § 566 BGB in den Mietvertrag eingetreten, die Aktivlegitimation des Klägers 2 ergibt sich aus vorgelegten Abtretungserklärungen.

12

Ein Anspruch auf Schadensersatz wegen nicht durchgeführter Schönheitsreparaturen steht den Klägern aber schon auf Grund der Unwirksamkeit der diesbezüglichen vertraglichen Vereinbarungen nicht zu. Maßgeblich kommt es dabei auf das Zusammenspiel der Formularklausel unter § 5 und der Individualvereinbarung unter § 19 an. Mit letzterer wurde nicht die gesamte unter § 5 des Vertrages enthaltene Verpflichtung zur Durchführung von Schönheitsreparaturen gestrichen, sondern lediglich der Fristenplan gemäß § 5 Abs. 4 sowie die dort weiter enthaltene Regelung zur Abgeltung im Falle nicht durchgeführter Schönheitsreparaturen zum Zeitpunkt des Auszug des Mieters. Die grundsätzliche Pflicht zur Durchführung der Schönheitsreparaturen gem. § 5 Abs. 1 des Vertrages blieb damit unverändert in Kraft. Dabei begegnet sowohl die Klausel unter § 5 Abs. 1 wie auch die individualvertraglich vereinbarte Pflicht zur Renovierung bei Auszug, unabhängig von dem Zustand der Wohnung bzw. des Zeitpunktes der letztmals durchgeführter Renovierungsarbeiten, für sich betrachtet keinen Bedenken.

13

Allerdings führen diese Klauseln in ihrer Gesamtwirkung zu einem so genannten Summierungseffekt und sind deshalb in ihrer Gesamtheit unwirksam. Auch wenn beide Regelungen in zwei getrennten Paragrafen mit unterschiedlichen Überschriften enthalten sind, müssen sie ihrer Bestimmung wegen als zusammengehörig gewertet werden und zwar auch dann, wenn – wie hier – es sich bei der einen um eine Formularklausel handelt und die andere auf individueller Vereinbarung beruht (vgl. hierzu BGH NJW 1993, 532). Derartige, jeweils für sich unbedenkliche Klauseln haben wegen ihres inhaltlichen Zusammenhangs einen Summierungseffekt und führen in ihrer Gesamtwirkung zu einer unangemessenen Benachteiligung des Mieters und zwar gerade auch in dem Fall, dass die formularvertragliche Verpflichtung zur Durchführung von Schönheitsreparaturen mit einer Individualvereinbarung zusammentrifft, wonach bei Auszug auf alle Fälle eine Endrenovierung durchzuführen ist (vgl. hierzu BGH NJW 2006, 2116). Dies hat zunächst gem. § 307 Abs. 1 BGB zur Folge, dass die Formularklausel unwirksam ist (vgl. hierzu BGH a.a.O.).

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Da beide Klauseln wegen ihres sachlichen Zusammenhangs ein einheitliches Rechtsgeschäft darstellen, hat dies weiter gemäß Regelfall des § 139 BGB zur Folge, dass die Nichtigkeit dieses Teils des Vertrages dazu führt, dass auch die inhaltlich und wirtschaftlich nicht zu trennende Individualabrede – der Vermieter will, dass die Renovierungslast insgesamt auf den Mieter übertragen wird – über die Endrenovierung nichtig ist, somit beide Regelungen insgesamt unwirksam sind (vgl. hierzu LG Freiburg WuM 2005, 383; LG Hamburg ZMR 2008, 454; Langenberg, Schönheitsreparaturen 4. Aufl. Teil I, Rdnr. 248; Blank/Börstinghaus Miete 3. Aufl. § 535 BGB Rdnr. 399; Staudinger BGB 2010 § 139 Rdnr. 40; Derleder, Individuelle Abreden bei Vertragsdurchführung zur Rettung unwirksamer Schönheitsreparaturenklauseln, NZM 2009, 227). Insbesondere liegt auch entgegen der Regelvermutung des § 139 BGB nicht die als Sonderfall zu wertende Konstellation vor, dass die Individualvereinbarung über die Endrenovierungsverpflichtung erst zeitlich nach Abschluss des Mietvertrags und hiervon gesondert erfolgte (vgl. hierzu BGH NJW 2009, 1075).

15

Auch über die Schönheitsreparaturen hinaus können die Kläger von den Beklagen keinen weiteren Schadensersatz verlangen. Die Beklagten hatten den Vortrag der Kläger hierzu bestritten, ohne dass die Kläger hierfür Beweis angetreten hätten.

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Die Klage ist daher insgesamt als unbegründet abzuweisen mit der Folge der §§ 91, 708, Nr. 11, 708 ZPO.

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