Zur Tierhalterhaftung wegen Bissverletzung eines Jagdpächters durch den bei der Nachsuche eingesetzten Hund eines Jagdgastes nach Beendigung der Jagd

OLG Zweibrücken, Urteil vom 29.01.2016 – 2 U 82/12

Setzt ein Jagdgast in Absprache mit dem Jagdpächter seinen Hund zur Nachsuche eines angeschossenen Wildes ein und verletzt der Hund den Jagdpächter durch einen Biss, so haftet der Jagdgast dafür jedenfalls dann unter dem Gesichtspunkt der Tierhalterhaftung, wenn im Zeitpunkt des Hundebisses die Nachsuche bereits beendet war. Das für betriebliche Tätigkeiten im Rahmen der gesetzlichen Unfallversicherung bestehende Haftungsprivileg kommt ihm in diesem Fall nicht zugute.(Rn.23)

(Leitsatz des Gerichts)

Tenor

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des Landgerichts Kaiserslautern vom 7. September 2012 teilweise geändert und insgesamt neu gefasst:

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 8.432,65 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25. März 2011 zu zahlen.

2. Der Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin weitere 399,71 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10. Juni 2011 zu zahlen.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Die Widerklage wird abgewiesen.

2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

3. Der Kläger hat für das Verfahren des ersten Rechtszugs 8/100 der Gerichtskosten und der außergerichtlichen Kosten des Beklagten, für das Berufungsverfahren 3/100 der Gerichtskosten und der außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu tragen.

Der Beklagte hat die übrigen Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Drittwiderbeklagten beider Instanzen sowie für das Verfahren des ersten Rechtszugs 83/100, für das Berufungsverfahren 93/100 der außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen.

Im Übrigen werden außergerichtliche Kosten der Parteien nicht erstattet.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Den Parteien des Rechtsstreits bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Gegner vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe
I.

1
Die Klägerin nimmt den Beklagten wegen von ihr an den Drittwiderbeklagten geleisteter Entgeltfortzahlung auf Schadensersatz in Anspruch.

2
Der Drittwiderbeklagte ist Jagdpächter und bei der Klägerin, die ein Dachdeckergeschäft betreibt, beschäftigt. Am Abend des 16. April 2010 gestattete er dem Beklagten das Jagen als Jagdgast in seinem Revier. Der Beklagte beschoss ein Stück Schwarzwild, welches verletzt flüchtete. Der Beklagte erklärte sich gegenüber dem zwischenzeitlich hinzugerufenen Drittwiderbeklagten bereit, seinen mitgeführten Hund zur Suche einzusetzen. Die von dem Beklagten durchgeführte Nachsuche blieb ergebnislos und wurde schließlich beendet. Der Beklagte legte seinen Hund ab. Während der sich anschließenden Unterhaltung des Beklagten mit dem Drittwiderbeklagten biss der Hund des Beklagten den Drittwiderbeklagten in die Ferse.

3
Die Klägerin hat erstinstanzlich vorgetragen, dem in Folge der Bissverletzung arbeitsunfähig erkrankten Drittwiderbeklagten für den Zeitraum vom 17. April 2010 bis zum 28. Mai 2010 geschuldetes Arbeitsentgelt fortgezahlt zu haben. Einschließlich der Arbeitgeberbeiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung sowie weiterer Beiträge und Umlagen sei ihr unter Anrechnung der von der IKK Südwest-Direkt erhaltenen Erstattung ein Schaden von 10.155,81 € entstanden. Diesen Betrag zuzüglich Zinsen und außergerichtlich entstandener Rechtsverfolgungskosten hat sie erstinstanzlich mit der Klage geltend gemacht.

4
Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt und drittwiderklagend die Feststellung begehrt, dass dem Drittwiderbeklagten gegen ihn kein Schmerzensgeldanspruch und keine weiteren Ansprüche wegen Körperfolgeschäden zustehen.

5
Nach Beweisaufnahme durch Vernehmung der Zeugin H., welche für die Klägerin die Buchhaltung erledigte, hat das Landgericht mit Urteil vom 7. September 2012, auf das zur weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes erster Instanz und wegen der Gründe ergänzend Bezug genommen wird, den Beklagten unter Klageabweisung im Übrigen verurteilt, an die Klägerin 9.079,29 € nebst Zinsen seit dem 25. März 2011 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 399,71 € nebst Zinsen seit dem 17. Juni 2011 zu zahlen. Die Widerklage hat es abgewiesen.

6
Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dass der Klägerin gegen den Beklagten ein Anspruch auf Ersatz der von ihr geleisteten Entgeltfortzahlung in titulierter Höhe aus § 6 Abs. 1 EntgFG zustehe.

7
Es sei nicht ersichtlich, dass die jedenfalls ab 17. April 2010 bestehende Arbeitsunfähigkeit des Drittwiderbeklagten andere Gründe als den erlittenen Hundebiss habe.

8
Die Beweisaufnahme habe ergeben, dass die Klägerin an den Drittwiderbeklagten Entgelt in behaupteter Höhe von 7.900,00 € gemäß der mit Änderung des Arbeitsvertrags vom 20. März 2010 vereinbarten Erhöhung gezahlt habe. Weil ihr Ersatzanspruch darüber hinaus jedoch nur darauf entfallende Arbeitgeberbeiträge zur Bundesagentur für Arbeit, zur Sozial- und Pflegeversicherung sowie zu Einrichtungen der zusätzlichen Alters- und Hinterbliebenenversorgung umfasse, könne sie unter Anrechnung des Erstattungsbetrags der Krankenversicherung lediglich 9.079,29 € gegenüber dem Beklagten geltend machen. Eine höhere Erstattung habe die Klägerin von der IKK Südwest-Direkt nicht erhalten.

9
Der Einstandspflicht des Beklagten stehe kein Haftungsausschluss gem. §§ 104, 105 SGB VII entgegen, weil die Verletzung im Rahmen einer Jagd erfolgt sei. Der Beklagte sei als Jagdgast gem. § 4 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII versicherungsfrei gewesen. Er sei aufgrund der Durchführung der Nachsuche auch nicht als „So-wie-Beschäftigter“ des Drittwiderbeklagten im Sinne des § 2 Abs. 2 S. 1, Abs. 1 Nr. 1 SGB VII zu behandeln. Die Nachsuche durch den Beklagten sei eigeninitiativ erfolgt, der Drittwiderbeklagte habe ihn lediglich gewähren lassen. Auch aus der stattgehabten Erbringung von Leistungen durch die Land- und forstwirtschaftliche Berufsgenossenschaft an den Drittwiderbeklagten folge nichts anderes, über die rechtliche Beziehung zu dem Beklagten sage diese nichts aus.

10
Die Klägerin habe zudem Anspruch auf Erstattung der außergerichtlich angefallenen Rechtsanwaltskosten.

11
Die zulässige Drittwiderklage sei unbegründet, der Beklagte hafte dem Drittwiderbeklagten infolge des Hundebisses jedenfalls aus §§ 833 S. 1, 253 Abs. 2, 249 ff. BGB.

12
Mit der Berufung verfolgt der Beklagte den erstinstanzlichen Abweisungsantrag sowie den mit der Widerklage geltend gemachten Feststellungsantrag in vollem Umfang weiter.

13
Zur Begründung trägt er in Fortführung seines erstinstanzlichen Vorbringens vor:

14
Es greife der Haftungsausschluss des § 105 SGV VII, weil der Beklagte bei der Durchführung der Nachsuche als „Wie-Beschäftigter“ im Sinne des § 2 Abs. 2 SGB VII tätig gewesen sei. Er sei ausschließlich in Erfüllung der sich aus dem Jagdrecht ergebenden Verpflichtung des Drittwiderbeklagten, das mutmaßlich verletzte Tier aufzuspüren, tätig geworden. Die Nachsuche sei zum Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses noch nicht abgeschlossen gewesen, man habe sich noch über diese unterhalten.

15
An einer Entscheidung sei der Senat gem. § 108 Abs. 2 SGB VII gehindert.

16
Die Erwerbsunfähigkeit des Drittwiderbeklagten sei nicht unfallbedingt. Für eine von dem Drittwiderbeklagten in der Folge erlittene Analfissur sei der Hundebiss nicht ursächlich.

17
Aus dem von der Gegenseite vorgelegten Antrag auf Erstattung nach dem Gesetz über den Ausgleich der Arbeitgeberaufwendungen für Entgeltfortzahlung (AAG) an die IKK Südwest-Direkt vom 21. Juni 2010 ergebe sich, dass der von der Klägerin behauptete Bruttolohn des Drittwiderbeklagten unzutreffend sei. Das Landgericht habe sich nicht mit der Vernehmung der Zeugin H. begnügen dürfen, sondern sei, wie von dem Beklagten beantragt, gehalten gewesen, der Klägerin die Vorlage des vollständigen Arbeitsvertrags aufzugeben. Die behauptete Lohnerhöhung vom 20. März 2010 sei nachgeschoben und tatsächlich nicht erfolgt.

18
Die Klägerin und der Drittwiderbeklagte verteidigen die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.

19
Der Senat hat nach zwischenzeitlicher Aussetzung des Verfahrens gemäß § 108 Abs. 2 Satz 1 SGB VII weiteren Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens des Prof. Dr. med. P. Sch.. Wegen des Beweisergebnisses wird auf das schriftliche rechtsmedizinische Gutachten vom 21. August 2014 nebst Ergänzungsgutachten vom 14. Januar 2015 und vom 22. Oktober 2015 Bezug genommen.

20
Der von dem Drittwiderbeklagten zwischenzeitlich bei dem Landgericht Kaiserslautern (Az.: 3 O 16/14) gegen den Beklagten erhobenen Klage auf Zahlung von Schmerzensgeld und Schadensersatz hat das Landgericht mit noch nicht rechtskräftigem Urteil vom 23. Oktober 2015 in Höhe eines Betrages von 2.650,00 € nebst Zinsen und außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten stattgegeben. Die weitergehende Klage wurde abgewiesen.

21
Zur Ergänzung der tatsächlichen Feststellungen wird Bezug genommen auf das angefochtene Urteil sowie die gewechselten Schriftsätze, insbesondere die jeweiligen Berufungsbegründungen und -erwiderungen nebst zu den Akten gereichten Anlagen.

II.

22
Die zulässige Berufung ist überwiegend unbegründet.

23
1. Dem Drittwiderbeklagten steht gegen den Beklagten ein seinen rechtlichen Voraussetzungen nach mit der Berufung nicht angegriffener Anspruch aus Tierhalterhaftung (§ 833 BGB) zu, der kraft Gesetzes in dem durch §§ 6 EFZG, 412, 399 ff. BGB bestimmten Umfang auf die Klägerin als Arbeitgeberin des Drittwiderbeklagten übergegangen ist.

24
a. Das Haftungsprivileg des § 105 Abs. 1 SGB VII, das abgesehen von Wegeunfällen (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII) die Haftung eines Unfallverursachers auf Vorsatz beschränkt und damit grundsätzlich auch den Gefährdungshaftungstatbestand des § 833 BGB umfasst, kommt dem Beklagten nicht zugute.

25
Zwar hat der Beklagte einen Versicherungsfall einer ihrerseits gesetzlich unfallversicherten Person – des Drittwiderbeklagten – herbeigeführt (§§ 2 Abs. 1 Nr. 5, 123 Abs. 1 Nr. 5 SGB VII). Seine Haftung ist jedoch nicht durch eine betriebliche Tätigkeit innerhalb desselben Betriebs verursacht.

26
Betriebliche Tätigkeit im Sinne des Gesetzes ist eine Tätigkeit, die dem Verursacher von dem Betrieb, in dem sich der Unfall ereignet hat, übertragen war oder von ihm im Betriebsinteresse erbracht wurde. Dient die Tätigkeit auch eigenen Interessen des Schädigers, kommt es für die unfallversicherungsrechtliche Zuordnung darauf an, ob die Tätigkeit durch die Wahrnehmung eigener oder fremder Aufgaben geprägt war. Im Zweifel gilt, dass die Wahrnehmung eigener Aufgaben oder Interessen im Vordergrund steht (vergl. OLG Stuttgart, Urteil vom 13. November 2013 – 3U 110/13 -, juris). Ausgehend von der die Haftungsprivilegierung rechtfertigenden Funktions- und Gefahrengemeinschaft und dem Grundsatz der innerbetrieblichen Schadensteilung (vergl. dazu Hollo in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 2. Aufl. 2014, § 105 SGB VII, Rn. 3) ist ein betriebliches Tätigwerden eines Jagdgastes entsprechend der Regelung des § 4 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII nur in eng umgrenzten Ausnahmefällen anzunehmen.

27
Der Beklagte geht nach erfolgter formloser Parteianhörung selbst davon aus, im Grundsatz Jagdgast gewesen zu sein, also in einem fremden Revier aufgrund einer von dem Jagdausübungsberechtigten erteilten Erlaubnis aus persönlichen Beweggründen die Jagd ausgeübt zu haben.

28
Eine das Haftungsprivileg rechtfertigende Ausnahme mag dann gegeben sein, wenn das konkrete Unfallereignis nicht im Rahmen der eigennützigen Jagdausübung, sondern bei einer nur anlässlich der Jagdausübung ausschließlich im Interesse des Jagdausübungsberechtigten ausgeübten Tätigkeit eintritt, die dessen mutmaßlichem Willen entspricht (vergl. Angermaier in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 2. Aufl. 2014, § 4 SGB VII, Rn. 102). Jedenfalls eine Nachsuche im Sinne des § 21 LJG (Rlp.) in der zum Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses geltenden Fassung vom 05. Februar 1979 wäre eine alleine den Jagdausübungsberechtigten treffende gesetzliche Verpflichtung. Ob es sich bei der von dem Beklagten entfalteten Tätigkeit um eine fachgerechte Nachsuche – nur diese hätte im mutmaßlichen Interesse des Drittwiderbeklagten gelegen – im Sinne des Gesetzes handelt, kann im Ergebnis aber dahinstehen. Maßgeblich ist nämlich stets die Verrichtung ausschließlich zum Zeitpunkt des Unfallereignisses (Angermaier a.a.O. Rn. 101). Von einem Jagdgast entfaltete betriebliche Tätigkeiten heben seine Stellung als Jagdgast nicht gänzlich auf. Zum Zeitpunkt des Hundebisses war die Nachsuche des Beklagten beendet. Er hatte seinen Hund abgelegt und befand sich mit dem Drittwiderbeklagten in einem Gespräch. Damit war eine Nachsuche jedenfalls beendet. Für die Annahme eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen der bereits beendeten Nachsuche und dem Verhalten des Hundes ist weder etwas vorgetragen noch sonst ersichtlich. Das Haftungsprivileg greift mithin nicht ein. Davon geht jedenfalls im Ergebnis auch die gesetzliche Unfallversicherung des Drittwiderbeklagten aus (Schreiben vom 9. Oktober 2013, Bl. 313 d.A.).

29
b. Über die vorgenannten Haftungsfragen kann der Senat ohne nochmalige Aussetzung des Verfahrens entscheiden. Eine bestandskräftige Entscheidung des Sozialversicherungsträgers liegt mit Bescheid der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau vom 9. Oktober 2013 (Bl. 314 d.A.) zwischenzeitlich vor. Die von den Zivilgerichten gem. § 108 Abs. 1 SGB VII zu beachtende Bindung an eine solche Entscheidung erfasst lediglich die Fragen, ob ein Versicherungsfall vorliegt, in welchem Umfang Leistungen zu erbringen sind und ob der Unfallversicherungsträger zuständig ist. Ob der Beklagte zum Kreis der privilegierten Verursacher gehört, betrifft aber ausschließlich dessen zivilrechtliche Haftung (vergl. Ricke in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, 87. EL September 2015, § 108 SGB VII Rn. 8 m.w.N.). Im Übrigen ergibt sich aus dem Begleitschreiben des Sozialversicherungsträgers zu dem vorgenannten Bescheid vom 9. Oktober 2013 (Bl. 313 d.A.), dass dieser selbst davon ausgeht, nicht zur Feststellung der Voraussetzungen der Haftungsprivilegierung zuständig zu sein. Anderenfalls hätte er nicht lediglich eine Auffassung kundgetan, sondern die Feststellung zum Gegenstand des Bescheids vom 9. Oktober 2013 gemacht.

30
c. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme durch den Senat ist erwiesen, dass der Entgeltfortzahlungsschaden der Klägerin im Zeitraum vom 17. April 2010 bis 28. Mai 2010 alleine auf der primären Bissverletzung und der damit einhergehenden verzögerten Wundheilung beruht. Auf die Frage, ob eine später aufgetretene Durchfallerkrankung und eine Analfissur dem Beklagten zurechenbare, auf dem Hundebiss beruhende Folgen der medizinischen Behandlung sind, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an.

31
Nach den Feststellungen des Sachverständigen besteht an der unmittelbaren Kausalität der Bissverletzung für die Erwerbsunfähigkeit im streitgegenständlichen Zeitraum kein vernünftiger Zweifel. Hundebissverletzungen seien aufgrund der Keimbesiedelung der tierischen Mundhöhle häufig bakteriell infiziert und heilten daher häufig verzögert aus. Aus der Behandlungsdokumentation des in der Nacht des Unfallereignisses erstversorgenden und dann weiterbehandelnden Chirurgen Dr. Sch. ergebe sich, dass die Wunde an der Achillessehne bis Mitte Mai 2010 noch nicht vollständig zugeheilt gewesen und durch Spülung mit Desinfektionslösung und Einlage von Laschen behandelt worden sei. Unter der Annahme, dass für die Wahrnehmung des Berufs eines Dachdeckers eine besonders sichere Koordinationsfähigkeit und Trittfestigkeit bei Gang und Bewegung erforderlich seien, werde aus rechtsmedizinischer Sicht dessen Einschätzung einer Erwerbsunfähigkeit von 100 % aufgrund der Verletzung des linken Fußes geteilt.

32
Die Feststellungen des Sachverständigen sind nicht zu beanstandenden. Sie beruhen auf einer vollständigen und widerspruchsfreien Würdigung der ihm zur Verfügung stehenden Ambulanzberichte und der übrigen Behandlungsunterlagen. Ein von dem Beklagten behaupteter Widerspruch zu dem ärztlichen Bericht des Dr. Sch. vom 20. Oktober 2010 (Bl. 385 d.A.) besteht nicht. Die dortige Feststellung, dass die Behandlung abgeschlossen und der Patient beschwerdefrei sei, bezieht sich ersichtlich auf den Zeitpunkt des Behandlungsabschlusses am 29. Mai 2010 und ausschließlich auf die von dem behandelnden Arzt alleine betrachteten chirurgisch relevanten Verletzungen. Soweit der Beklagte vorbringt, der die Haftpflichtversicherung des Beklagten beratende Arzt habe „jeglichen Zusammenhang als abwegig betrachtet“, ist nicht ersichtlich, welche Zusammenhänge der von der Haftpflichtversicherung konsultierte Arzt untersucht haben will. Die in Bezug genommene Stellungnahme ist nicht aktenkundig. Substantielle Einwendungen gegen die Richtigkeit oder Vollständigkeit des Gutachtens erhebt der Beklagte im Übrigen nicht.

33
Der Drittwiderbeklagten ist Dachdecker und war in diesem Zeitraum unwidersprochen technischer Leiter im Betrieb der Klägerin. Jedenfalls im streitgegenständlichen Zeitraum stand alleine die behandlungsbedürftige Verletzung am Fuß seiner konkreten Berufsausübung entgegen, ohne dass es auf weitere Verletzungsfolgen ankommt.

34
d. Gemäß § 6 Abs. 1 EntgFG kann die Klägerin jedoch nur insoweit Ersatz verlangen, als sie selbst dem Drittwiderbeklagten Arbeitsentgelt fortgezahlt und darauf entfallende vom Arbeitgeber zu tragende Beiträge zur Bundesagentur für Arbeit, Arbeitgeberanteile an Beiträgen zur Sozialversicherung und zur Pflegeversicherung sowie zu Einrichtungen der zusätzlichen Alters- und Hinterbliebenenversorgung abgeführt hat.

35
Dem Grunde nach nicht erstattungsfähig ist der Arbeitgeberbeitrag zur gesetzlichen Unfallversicherung (vergl. Schmitt, Entgeltfortzahlungsgesetz, 7. Auflage 2012, § 6 EntgFG Rn. 48). Der vom Landgericht mit einem Betrag von 9.079,29 € zugesprochene Anspruch ist daher um darin enthaltene 216,85 € und weitere 429,79 € auf 8.432,65 € zu kürzen.

36
Im Übrigen sind die Feststellungen des Landgerichts zur Schadenshöhe nicht zu beanstanden.

37
Maßgeblich für den als Arbeitsentgelt berücksichtigten Bruttolohn von 10.997,47 € ist das nach dem Änderungsvertrag vom 20. März 2010 zum Arbeitsvertrag vom 30. September 2005 ab 1. April 2010 vereinbarte zeitanteilige Bruttogehalt von monatlich 7.902,88 €.

38
Gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ist der Senat an die Tatsachenfeststellung des Landgerichts gebunden, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Das ist der Fall, wenn die Beweiswürdigung des erstinstanzlichen Urteils den von der Rechtsprechung zu § 286 Abs. 1 ZPO entwickelten Anforderungen nicht genügt, insbesondere wenn die Beweiswürdigung unvollständig oder in sich widersprüchlich ist oder wenn sie gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (BGH, Urteil vom 12. März 2004 – V ZR 257/03 – juris).

39
Die Klägerin hat auch für den Senat nachvollziehbar dargelegt, dass es der Üblichkeit im Baunebengewerbe entspricht, Arbeitsverträge je nach Auftragslage saisonal anzupassen und dies auch im Verhältnis zu dem Drittwiderbeklagten so gehandhabt wurde. Die erstinstanzlich vernommene Zeugin H. hat das bestätigt. An der Glaubwürdigkeit der Zeugin hat der Senat keinen Zweifel. Entgegen dem Behaupten des Beklagten unterhält sie ein Buchhaltungsbüro, ist also lediglich im Auftrag der Klägerin selbstständig mit deren Lohnbuchhaltung befasst. Woraus sich ein von dem Beklagten behauptetes, im Rahmen der Beweiswürdigung zu berücksichtigendes Abhängigkeitsverhältnis konkret ergeben soll, erschließt sich nicht.

40
Auch der gemäß § 1 AAG mit Erstattungsantrag vom 21. Juni 2010 gegenüber der IKK Südwest-Direkt (Bl. 132 d. A.) geltend gemachte Erstattungsbetrag von lediglich 3.920,00 € (70 % aus 5.600,00 €) erschüttert die Glaubhaftigkeit des Vorbringens der Klägerin sowie der Einlassung der Zeugin nicht. Zwar deckt sich der geltend gemachte Erstattungsanspruch nicht mit dem von der Klägerin behaupteten Bruttoentgelt, auch nicht unter zu Grunde legen der für das Jahr 2010 maßgeblichen Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung. Es lässt sich daraus aber lediglich auf eine unrichtige Antragstellung, nicht jedoch auf Unglaubhaftigkeit des Vorbringens schließen.

41
Das Beweisergebnis steht schließlich mit der erfolgten informatorischen Befragung der Klägerin ebenso im Einklang wie mit dem von ihr vorgelegten Änderungsvertrag vom 20. März 2010 zum Arbeitsvertrag des Drittwiderbeklagten und den automatisiert mit DATEV erstellten Lohnjournalen der Monate April und Mai 2010. Das Landgericht war auch nicht gehalten, gegenbeweislich der Klägerin die Vorlage des Arbeitsvertrags des Drittwiderbeklagten vom 30. September 2005 aufzugeben. Denn aus diesem ergibt sich naturgemäß das für den streitgegenständlichen Zeitraum maßgeblich vereinbarte Bruttoeinkommen nicht. Dass der Beklagte bis einschließlich März 2010 ein deutlich geringeres Bruttoeinkommen von nur monatlich 1.825,00 € erhalten hat, ist zugestanden und bedarf keines Beweises.

42
Von dem Landgericht mit insgesamt 1.355,18 € festgestellte, von der Klägerin zeitanteilig entrichtete Arbeitgeberbeiträge zur gesetzlichen Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung sind nicht zu beanstanden.

43
Die Klägerin hat sich hierauf selbst dann nur den tatsächlich erhaltenen Erstattungsbetrag der IKK Südwest-direkt von 3.920,00 € anrechnen zu lassen, wenn nach Maßgabe des § 1 AAG ein höherer Erstattungsanspruch bestanden hätte. Gemäß § 5 AAG sind die Krankenkassen nämlich zur Erstattung nur gegen Abtretung des gemäß § 6 EFZG auf den Arbeitgeber übergegangenen Schadensersatzanspruchs verpflichtet. Eine Mindererstattung wäre damit nicht zum Nachteil des Beklagten.

44
2. Erstattung ihrer außergerichtlich angefallenen Rechtsanwaltskosten hat die Klägerin aus §§ 280 Abs. 1, 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3, 288 Abs. 1 BGB zu fordern. Die mit dem 1,3 -fachen Satz zu bemessende Geschäftsgebühr des beauftragten Rechtsanwalts (Nr. 2300 VV-RVG) zuzüglich Auslagenpauschale und Umsatzsteuer errechnet sich wegen der reduzierten Hauptforderung jedoch nur aus einem Gegenstandswert bis 9.000,00 € mit insgesamt 718,40 €. Entgegen der Auffassung des Landgerichts hindert die Anrechnungsvorschriften des § 15a RVG die selbstständige Geltendmachung in voller Höhe zunächst nicht. Die Klägerin hat daher jedenfalls die ihr von dem Landgericht zugesprochenen 399,71 € nebst Zinsen zu verlangen.

45
3. Die Hauptforderung ist gem. §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB spätestens ab Ablauf der gewährten Frist zur Erfüllung, die Nebenforderung gemäß §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB ab Rechtshängigkeit zu verzinsen.

46
4. Im Übrigen ist die Klage abzuweisen.

47
5. Die Drittwiderklage ist als unzulässig abzuweisen, weil ein rechtliches Interesse des Beklagten an der begehrten Feststellung jedenfalls nicht mehr besteht.

48
Wird wegen derselben Ansprüche Leistungsklage erhoben, so besteht ein ursprünglich vorliegendes Feststellungsinteresse nur solange fort, bis die anderweit erhobene Leistungsklage gem. § 229 Abs. 1 ZPO nicht mehr einseitig zurückgenommen werden kann (BGHZ 99, 340). Ob die Feststellungsklage bereits vor der später erhobenen Leistungsklage entscheidungsreif war, ist jedenfalls dann unerheblich, wenn über das Leistungsbegehren bereits durch Sachurteil entschieden ist (BGH, Urteil vom 21. Dezember 2005 – X ZR 17/03 -, juris; Greger in: Zöller, Zivilprozessordnung, 31. Aufl. 2016, § 256 ZPO, Rn. 7d). Das gilt auch dann, wenn über den Leistungsantrag in der ersten Tatsacheninstanz entschieden, der Feststellungsantrag aber in der Berufungsinstanz anhängig ist (vergl. BGH a.a.O.).

49
Über sämtliche Ansprüche des Drittwiderbeklagten, welche Gegenstand des negativen Feststellungsbegehrens des Beklagten sind, hat das Landgericht Kaiserslautern mit Urteil vom 23. Oktober 2015 entschieden.

50
Im Übrigen hat der Beklagte die tatbestandlichen Voraussetzungen seiner Haftung auf Ersatz des Personenschadens und auf Schmerzensgeld aus §§ 833, 249 ff. BGB selbst nicht ernsthaft in Abrede gestellt. Sein Feststellungsbegehren gründete letztlich nur auf der von Anfang an unzutreffenden Rechtsauffassung, dass das Haftungsprivileg des § 105 SGB VII eingreife.

III.

51
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.

52
Die Entscheidung zur vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

53
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern (§ 543 Abs. 2 ZPO).

54
Beschluss

55
Der Streitwert wird für das Verfahren des ersten Rechtszugs auf bis zu 25.000,00 € und für das Berufungsverfahren auf bis zu 22.000,00 € festgesetzt.

Dieser Beitrag wurde unter Zivilrecht veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.