BGH, Urteil vom 23. 7. 2015 – III ZR 86/15
Der Grundsatz, dass Fußgängerüberwege innerhalb geschlossener Ortschaften nur zu streuen sind, soweit sie belebt und unentbehrlich sind, ist auch bei der Auslegung des § 45 Abs. 2 Satz 1 StrWG SH heranzuziehen.
(Leitsatz des Gerichts)
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 11. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 12. März 2015 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist. In diesem Umfang wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszugs, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Die Anschlussrevision der Klägerin wird zurückgewiesen.
Von Rechts wegen.
Tatbestand
Die Klägerin, eine gesetzliche Krankenkasse, verlangt aus übergegangenem Recht (§ 116 SGB X) von der Beklagten, einer Gemeinde in Schleswig-Holstein, Schadensersatz und Feststellung der Ersatzpflicht für künftige übergangsfähige Aufwendungen wegen eines behaupteten Glatteisunfalls.
Am 26. Dezember 2009 gegen 9.45 Uhr stürzte der bei der Klägerin versicherte M. H. bei dem Versuch, die B. straße in B. auf einem Fußgängerüberweg (Zebrastreifen) in der Nähe der T. -K. – Straße zu überqueren. Die Klägerin hat der Beklagten eine Verletzung ihrer Verkehrssicherungspflicht vorgeworfen, da es glatt gewesen und die Beklagte ihrer Streupflicht nicht nachgekommen sei.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten hat nur insoweit Erfolg gehabt, als das Oberlandesgericht von einem Mitverschulden des Gestürzten ausgegangen ist und dieses mit 25 % bewertet hat. Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf vollständige Abweisung der Klage weiter; die Klägerin wendet sich mit ihrer Anschlussrevision gegen die teilweise Abweisung der Klage.
Gründe
Die zulässige Revision führt, soweit zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist, zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Die Anschlussrevision hat keinen Erfolg.
I.
Nach Auffassung des Berufungsgerichts haftet die Beklagte für die Folgen des Sturzes gemäß § 839 Abs. 1 BGB, Art. 34 Satz 1 GG.
Die Beklagte hätte den Zebrastreifen abstreuen müssen. Soweit nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Streupflicht nur für belebte und unentbehrliche Fußgängerüberwege bestehe, gelte dies nicht in Schleswig-Holstein. Dies ergebe sich aus § 45 des Straßen- und Wegegesetzes. Danach seien die Gemeinden grundsätzlich ohne Einschränkungen verpflichtet, die innerhalb der geschlossenen Ortslage befindlichen Fußgängerüberwege bei Glatteis zu bestreuen. Diese Überwege könnten wegen der Schutzbedürftigkeit der Fußgänger auch nicht Fahrbahnen gleichgestellt werden, bei denen eine Streupflicht nur an verkehrswichtigen und gefährlichen Stellen bestehe. Vielmehr sei es gerechtfertigt, Zebrastreifen wie Gehwege zu behandeln. Diese müssten aber grundsätzlich gestreut werden, wenn ihnen ein Verkehrsbedürfnis nicht abgesprochen werden könne, mithin ihnen nicht nur eine Freizeit-, sondern eine Erschließungsfunktion zukomme. Für diese Gleichstellung spreche auch der Wortlaut des Landesgesetzes. Von der Streupflicht auszunehmen seien daher nur tatsächlich entbehrliche Wege, für die ein jederzeit zu befriedigendes Verkehrsbedürfnis nicht bestehe. Eine solche Ausnahme liege hier aber nicht vor. Auch wenn es sich bei der B. straße in B. nur um eine Sackgasse handele, die – anders als die Bezeichnung vermuten lasse – tatsächlich nicht zum Haupteingang des Bahnhofs führe, könne dieser Straße und dem darüber führenden Fußgängerüberweg ein echtes, auch am Vormittag des zweiten Weihnachtstags zu befriedigendes Verkehrsbedürfnis nicht abgesprochen werden. Dies ergebe sich – unabhängig davon, ob der Zebrastreifen tatsächlich damals belebt war oder nicht – allein schon daraus, dass die Bahnhofstraße und die dazugehörigen Gehwege im Zentrum der Gemeinde B. lägen sowie zahlreiche Wohngebäude und Gewerbebetriebe auch über Nebenstraßen erschließen würden. Die Straße führe zudem zu einem Parkand-Ride-Parkplatz sowie zum Hintereingang des Bahnhofs, der überregionale Bedeutung habe. Insgesamt sei auch an einem Feiertag mit einem nicht unerheblichen Fußgängerverkehr zu rechnen.
Bei der Unfallstelle habe es sich nicht um eine vereinzelte und insoweit nicht der Streupflicht unterliegende Glättestelle gehandelt. Vielmehr stehe aufgrund der Aussage des Zeugen H. und unter Berücksichtigung des von der Klägerin eingeholten amtlichen Gutachtens des Deutschen Wetterdienstes fest, dass es nicht nur auf dem Zebrastreifen und auf einzelnen Gehwegabschnitten im Bereich der Bahnhofstraße glatt gewesen sei; es habe aufgrund der herrschenden Witterungsbedingungen eine allgemeine Glätte an allen noch gefrorenen Bodenstellen vorgelegen.
Allerdings treffe den Geschädigten ein Mitverschulden. Dieser habe ausgesagt, es sei bereits auf dem Gehweg teilweise glatt gewesen. Diese Wahrnehmung hätte ihn veranlassen müssen, die weitere Wegstrecke im Interesse seiner eigenen Sicherheit aufmerksam auf eventuelle Eisglätte zu untersuchen und besonders vorsichtig zu gehen. Denn aus dem Vorliegen solcher Stellen hätte er den Schluss ziehen müssen, dass der Boden teilweise noch gefroren war und der zuvor gefallene (Niesel-)Regen auch an anderen Stellen – zum Beispiel auf dem Überweg – zur Bildung von Glatteis geführt haben könnte. Gegen diese Obliegenheit zur gesteigerten Aufmerksamkeit und Vorsicht habe er verstoßen. Anderenfalls wäre er nicht ausgerutscht. Ein in seinen eigenen Angelegenheiten sorgfältiger Fußgänger hätte zur Vermeidung des Sturzes zunächst einmal durch kleine tastende Schritte geprüft, ob auf dem Überweg Eisglätte vorhanden sei. Dadurch hätte der Sturz vermieden werden können. Dieses Fehlverhalten führe im Rahmen der Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge allerdings nur zu einem Haftungsanteil von 25 %. Denn die Beklagte habe mit der Verletzung der ihr obliegenden Streupflicht die maßgebliche Ursache für den Sturz gesetzt.
II.
Das Berufungsurteil hält einer rechtlichen Nachprüfung, soweit zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist, nicht stand.
Revision der Beklagten 1. Inhalt und Umfang der winterlichen Streupflicht auf öffentlichen Wegen und Straßen unter dem Gesichtspunkt der Verkehrssicherung richten sich nach den Umständen des Einzelfalls. Art und Wichtigkeit des Verkehrswegs sind dabei ebenso zu berücksichtigen wie seine Gefährlichkeit und die Stärke des zu erwartenden Verkehrs. Die Streupflicht besteht also nicht uneingeschränkt. Sie steht vielmehr unter dem Vorbehalt des Zumutbaren, wobei es auf die Leistungsfähigkeit des Sicherungspflichtigen ankommt. Dieser hat im Rahmen und nach Maßgabe der vorgenannten Grundsätze durch Bestreuen mit abstumpfenden Mitteln die Gefahren zu beseitigen, die infolge winterlicher Glätte für den Verkehrsteilnehmer bei zweckgerechter Wegebenutzung und trotz Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt bestehen (ständige Senatsrechtsprechung, vgl. nur Urteile vom 5. Juli 1990 – III ZR 217/89, BGHZ 112, 74, 75 f; vom 1. Juli 1993 – III ZR 88/92, NJW 1993, 2802 f; vom 15. Januar 1998 – III ZR 124/97, VersR 1998, 1373 und vom 9. Oktober 2003 – III ZR 8/03, NJW 2003, 3622, 3623; jeweils mwN).
Fußgängerüberwege innerhalb geschlossener Ortschaften sind danach nicht grundsätzlich, sondern nur zu streuen, soweit sie belebt und unentbehrlich sind (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. nur Urteile vom 22. November 1965 – III ZR 32/65, NJW 1966, 202; vom 13. Juli 1967 – III ZR 165/66, VersR 1967, 981, 982; vom 13. März 1969 – III ZR 101/68, VersR 1969, 667 und vom 15. November 1984 – III ZR 97/83, VersR 1985, 568, 569; Beschlüsse vom 27. April 1987 – III ZR 123/86, VersR 1987, 989 und vom 8. März 1990 – III ZR 27/89, BGHR BGB § 839 Abs. 1 Satz 1 Streupflicht 3; Urteile vom 20. Dezember 1990 – III ZR 21/90, VersR 1991, 665 f und vom 1. Juli 1993 aaO S. 2803; Beschluss vom 20. Oktober 1994 – III ZR 60/94, VersR 1995, 721, 722; Urteil vom 9. Oktober 2003 aaO).
2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts gelten diese Grundsätze auch in Schleswig-Holstein.
a) § 45 des Straßen- und Wegegesetzes des Landes Schleswig-Holstein in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. November 2003 (GVOBl. Schl.-H. S. 631, 2004 S. 140) – im Folgenden StrWG – lautet:
(1) Alle innerhalb von Ortsdurchfahrten gelegenen Landes- und Kreisstraßen sind zu reinigen. Entsprechendes gilt für Gemeindestraßen und die sonstigen öffentlichen Straßen innerhalb der geschlossenen Ortslage sowie für die nach Absatz 3 besonders bestimmten Straßen. Art und Umfang der Reinigung richten sich nach den örtlichen Erfordernissen der öffentlichen Sicherheit.
(2) Zur Reinigung gehört auch … bei Glatteis das Bestreuen der Gehwege, Radwege, gemeinsamen (kombinierten) Geh- und Radwege, Fußgängerüberwege und der besonders gefährlichen Fahrbahnstellen, bei denen die Gefahr auch bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt nicht oder nicht rechtzeitig erkennbar ist.
(3) …
Der Wortlaut des § 45 Abs. 2 StrWG könnte die Annahme nahelegen, dass für die dort besonders aufgeführten Geh- beziehungsweise Radwege und Fußgängerüberwege die Streupflicht keinerlei Einschränkungen unterliegt. Andererseits bestimmt § 45 Abs. 1 Satz 3 StrWG, dass sich Art und Umfang der polizeilichen Reinigung, zu der auch das Streuen gehört, nach den örtlichen Erfordernissen der öffentlichen Sicherheit richtet.
b) Betrachtet man die Entstehungsgeschichte der Norm, wird deutlich, dass eine unbeschränkte Streupflicht nicht dem Willen des Landesgesetzgebers entspricht.
aa) Seit jeher ist die Verkehrssicherungspflicht für Straßen und Wege von den Umständen des Einzelfalls abhängig gemacht und insoweit eine allgemeine Verpflichtung zum Streuen bei Glatteis abgelehnt beziehungsweise das Bestehen einer Streupflicht unter Berücksichtigung der Verkehrsbedeutung und des verkehrsrechtlichen Bedürfnisses eingeschränkt worden (vgl. bereits RG, JW 1900, 164 f Nr. 38; RGZ 54, 53, 59; JW 1904, 470 Nr. 8; WarnRspr 1907/1908 Nr. 47; JW 1933, 836 f; siehe auch Planck, BGB, 3. Aufl. 1907, § 823 Anm. II 2 c S. 976 zu c sowie – zur polizeimäßigen Straßenreinigung – PrOVGE 47, 409, 411; 68, 318, 322 ff, wobei die aus der polizeimäßigen Reinigung fließende Räum- und Streupflicht, soweit sie auch der Verkehrssicherung dient, ihrem rechtlichen Gehalt und Umfang nach von der aus der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht abgeleiteten Pflicht zur Sorge für die Sicherheit im Straßenverkehr nicht verschieden ist; vgl. nur Senat, Urteil vom 5. Juli 1990 – III ZR 217/89, BGHZ 112, 74, 79 mwN). Hiervon ausgehend hat das Reichsgericht (JW 1913, 859, 860 f Nr. 5; siehe auch JW 1913, 91 Nr. 6) ausgeführt, dass nur dort, wo ein besonderes Bedürfnis es gebiete, unter Umständen von einer Gemeinde verlangt werden könne, dass auch der Fahrdamm (Straße)
strecken- und stellenweise, zum Beispiel an belebten und unerlässlichen Übergängen, bestreut werde.
bb) Auch nach dem Preußischen Gesetz über die Reinigung öffentlicher Wege vom 1. Juli 1912 (GS S. 187), dessen Gültigkeit in Schleswig-Holstein erst durch § 66 Nr. 10 des Straßen- und Wegegesetzes des Landes Schleswig-Holstein vom 22. Juni 1962 (GVOBl. Schl-H S. 237) aufgehoben worden ist, bestand keine uneingeschränkte Streupflicht. Vielmehr richteten sich nach § 2 die Anforderungen „hinsichtlich der Art, des Maßes und der räumlichen Ausdehnung der polizeilichen Reinigung“ nach dem „unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse Notwendigen“. Insoweit sollte die Frage des verkehrsrechtlichen Bedürfnisses unter Berücksichtigung der tatsächlichen Verhältnisse geprüft werden. Eine Erweiterung der Streupflicht gegenüber der bisherigen Rechtslage war ausdrücklich nicht beabsichtigt (vgl. Entwurf eines Gesetzes über die Reinigung öffentlicher Wege, Sammlung der Drucksachen des Preußischen Hauses der Abgeordneten, 21. Legislaturperiode, V. Session 1912/1913, Drucks. Nr. 51, S. 1403 f, 1406, 1407, 1408). Den Verkehrsverhältnissen kam insoweit für die Feststellung einer Streupflicht weiterhin eine wesentliche Bedeutung zu (vgl. auch Hecht/Hellich, Gesetz über die Reinigung öffentlicher Wege, 3. Aufl. 1954, S. 47 f).
cc) Auch der Senat hat in seiner (frühen) Rechtsprechung zum Preußischen Gesetz über die Reinigung öffentlicher Wege die winterliche Streupflicht für öffentliche Straßen und Wege nicht uneingeschränkt bejaht, sondern unter anderem die Verkehrsbedeutung einschränkend berücksichtigt (vgl. nur Urteile vom 5. Dezember 1955 – III ZR 83/54, VkBl 1956, 249 ff; vom 30. September 1957 – III ZR 207/56, VersR 1957, 785 und vom 1. Oktober 1959 – III ZR 59/58, NJW 1960, 41 f).
dd) Dass der Landesgesetzgeber in Schleswig-Holstein den Inhalt der Streupflicht ihrem sachlichen Gehalt und Umfang nach in Abweichung von dieser jahrzehntelangen Rechtslage regeln wollte, ist nicht ersichtlich. Bereits § 45 StrWG 1962 enthielt eine dem § 45 StrWG 2003 im Wesentlichen entsprechende Regelung. In der Begründung zum Gesetzentwurf vom 5. September 1961 (LT-Drucks. Nr. 466, S. 65 f), in der ausdrücklich auf das Senatsurteil vom 5. Dezember 1955 (aaO) Bezug genommen worden ist, wurde darauf hingewiesen, dass die Reinigungspflicht ihrem Umfang nach je nach Lage und Benutzungsart der Straße verschieden sei. In der ersten Lesung des Gesetzentwurfs im Landtag am 26. September 1961 stellte der zuständige Ressortminister fest:
„Im Siebenten Teil wird den bisher geltenden Bestimmungen des Preußischen Wegereinigungsgesetzes eine neuzeitliche Gestalt gegeben. In den praktischen Auswirkungen soll auf diesem Gebiete für die Gemeinden und für den Bürger alles beim alten bleiben“ (Stenographischer Bericht der 66. Sitzung, S. 2288).
Soweit durch § 45 StrWG 2003 die Verkehrssicherungspflicht auch auf Rad- beziehungsweise kombinierte Geh- und Radwege erweitert worden ist, war hiermit keine darüber hinausgehende Änderung der bisherigen Rechtslage beabsichtigt (vgl. LT-Drucks. 15/1906 S. 16). Insgesamt lässt sich den Gesetzesmaterialien nicht ansatzweise entnehmen, dass der Landesgesetzgeber die hergebrachten Grundsätze zur Streupflicht ändern wollte. Der Winterdienst ist somit auch in Schleswig-Holstein von der Verkehrsbedeutung des jeweiligen Straßen- oder Wegebereichs abhängig (vgl. auch Hoefer in Wilke/Gröller/ Behnsen/Hoefer/Steinweg, StrWG, Loseblattsammlung, § 45 (Stand: 3.2011) Rn. 16).
3. Fußgängerüberwege sind damit bei Glatteis nur unter der einschränkenden Voraussetzung zu streuen, dass sie belebt und unentbehrlich sind (vgl. auch Staudinger/Hager, BGB, Neubearbeitung 2009, § 823 Rn. E 137; MüKoBGB/Papier, 6. Aufl., § 839 Rn. 201; Wellner in Geigel, Der Haftpflichtprozess, 27. Aufl., Kap. 14 Rn. 147, 159; OLG Hamm VersR 1978, 950, 951; OLG Brandenburg OLGR 2002, 335, 336 und Urteil vom 30. September 2014 – 2 U 7/14, juris Rn. 39; OLG München, Urteil vom 26. April 2007 – 1 U 5742/06, juris Rn. 31 ff; OLG Koblenz MDR 2012, 1226). Der Senat folgt nicht der Auffassung des Berufungsgerichts, für Überwege müssten die gleichen Grundsätze wie für Gehwege gelten. Eine solche Annahme würde bewirken, dass auf zahlreichen nicht oder nachrangig zu bestreuenden Straßen vorrangig Überwege für Fußgänger abgestreut werden müssten. Dies hätte zur Folge, dass die Gemeinden bei der Durchführung ihrer Streupläne, ohne die ein geordneter Winterdienst unmöglich ist, unzumutbar behindert würden (vgl. nur Senat, Urteil vom 20. Dezember 1990 – III ZR 21/90, VersR 1991, 665, 666). Was die Frage der Zumutbarkeit für die Kommunen anbetrifft, unterscheidet sich die Situation auf Gehwegen und Fußgängerüberwegen im Übrigen dadurch, dass durch Satzung (hier: aufgrund § 45 Abs. 3 Nr. 2 StrWG) die Streupflicht für Gehwege innerhalb geschlossener Ortschaften üblicherweise auf die Anlieger übertragen wird.
Feststellungen dazu, ob der streitgegenständliche Überweg belebt und unentbehrlich gewesen ist, hat das Berufungsgericht nicht getroffen. Dies ist nachzuholen. Hierbei wird das Berufungsgericht insbesondere zu berücksichtigen haben, dass der Sturz am Morgen des zweiten Weihnachtstages 2009 erfolgt ist. Insoweit ist die Verkehrsbedeutung der Straße beziehungsweise des Überwegs an normalen Werktagen nicht ausschlaggebend (vgl. Senatsbeschluss vom 26. März 1992 – III ZR 71/91, BGHR BGB § 839 Abs. 1 Satz 1 – Streupflicht 8).
4. Zu Unrecht rügt die Beklagte, für sie habe zur Unfallzeit kein Anlass für die Annahme bestanden, der Zebrastreifen könne vereist sein. Der im Berufungsurteil erwähnte Regen könne angesichts der damals herrschenden positiven Lufttemperaturen nicht zu Glatteis geführt haben. Mangels gegenteiliger tatrichterlicher Feststellungen sei im Übrigen zu unterstellen, dass der Regen erst nach 9.45 Uhr eingesetzt habe.
Das Berufungsgericht ist unter Heranziehung des amtlichen Gutachtens des Deutschen Wetterdienstes rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass am Morgen des 26. Dezember 2009 Glatteisbildungen – trotz der positiven Lufttemperaturen – aufgrund der Niederschläge und der vorangegangenen Dauerfrostperiode eine ernsthaft drohende Gefahr darstellten und sich diese Gefahr auch realisiert hat. Entgegen der Meinung der Beklagten beziehen sich diese Feststellungen auf den Unfallzeitpunkt. Im Berufungsurteil ist insoweit ausgeführt, dass ausweislich des Gutachtens zum Zeitpunkt des streitgegenständlichen Sturzes in B. Wetterverhältnisse geherrscht hätten, die das Auftreten von Eisglätte sehr wahrscheinlich gemacht hätten. In dem insoweit in Bezug genommenen Gutachten heißt es ausdrücklich, dass am Unfalltag Niederschläge gefallen seien, die vorerst etwa zum Unfallzeitpunkt geendet hätten. Für die Annahme der Beklagten, es habe erst nach dem Sturz geregnet, so dass – wenn überhaupt – erst danach Glatteis hätte auftreten können, bestehen daher keine Anhaltspunkte.
5. Soweit das Bestehen einer Streupflicht eine allgemeine Glättebildung und nicht nur das Vorhandensein ganz vereinzelter Glättestellen voraussetzt (vgl. nur Senat, Beschlüsse vom 21. Januar 1982 – III ZR 80/81, VersR 1982, 299 f und vom 26. Februar 2009 – III ZR 225/08, NJW 2009, 3302 Rn. 4 f; BGH, Urteil vom 12. Juni 2012 – VI ZR 138/11, NJW 2012, 2727 Rn. 10), hat das Berufungsgericht in tatrichterlicher Würdigung – unter Berücksichtigung der Aussage des Zeugen H. und des Gutachtens des Deutschen Wetterdienstes – rechtsfehlerfrei festgestellt, dass der Geschädigte bei allgemeiner Glätte gestürzt ist. Letzteres setzt nicht voraus, dass es im ganzen Gemeindegebiet glatt ist.
Anschlussrevision der Klägerin Die Anschlussrevision der Klägerin ist zulässig, hat in der Sache jedoch – auch bei unterstellter Streupflichtverletzung der Beklagten – keinen Erfolg.
1. Die Klägerin hält die tatrichterlichen Feststellungen für widersprüchlich und denkgesetzwidrig. Im angefochtenen Urteil werde zunächst ausgeführt, dass der Zeuge H. das Glatteis auf dem Zebrastreifen nicht habe erkennen können und müssen. Wenn das Berufungsgericht trotzdem ein Mitverschulden annehme, da die auf dem Gehweg vorhandenen Glättestellen Anlass zu gesteigerter Aufmerksamkeit geboten hätten, sei dies nicht nachvollziehbar. Auch sei in diesem Zusammenhang die Aussage des Zeugen unberücksichtigt geblieben, wonach er zwar auf dem Gehweg die Glätte erkannt habe, dagegen das Glatteis auf dem Überweg für ihn nicht zu erkennen gewesen sei.
Diese Rügen sind unbegründet. Zwar ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass der Geschädigte die Glätte auf dem Überweg nicht hätte erkennen können und müssen. Denn eine allgemeine Glätte sei nur schwer von einer lediglich feuchten Fahrbahnoberfläche zu unterscheiden. Bei Glatteis sei zudem nicht ohne weiteres zu erkennen, ob der erforderliche Winterdienst durchgeführt worden sei, da oft nur kaum sichtbare Salzlösung versprüht werde. Nach der Aussage des Zeugen, auf die das Berufungsgericht bei seiner weiteren Würdigung maßgeblich abgestellt hat, war es auf dem Gehweg an den Stellen, an denen die Anwohner gestreut hatten, nicht mehr glatt; anders war die Situation dagegen dort, wo dies nicht geschehen war. Wenn das Berufungsgericht hieraus abgeleitet hat, der Zeuge habe sich besonders vorsichtig verhalten müssen, ist diese tatrichterliche Wertung, zumal der Zeuge dem Zustand des Überwegs gerade nicht hat entnehmen können, ob auch dort nicht gestreut worden ist, nicht denkgesetzwidrig und revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Das Berufungsgericht hat insoweit auch nicht die Sorgfaltsanforderungen für Fußgänger überspannt. Angesichts der Wetterlage und der vorhandenen Glätte musste der Zeuge beim Betreten des Überwegs besonders vorsichtig sein. Entgegen der Auffassung der Anschlussrevision durfte er nicht blindlings darauf vertrauen, dass die Beklagte den Zebrastreifen bereits abgestreut hatte, zumal ihm bereits auf dem Gehweg deutlich geworden war, dass dort nur teilweise gestreut worden war. Er durfte deshalb nicht ohne besondere Vorsicht den Überweg betreten.
2. Zu Unrecht rügt die Klägerin die Feststellungen zur Kausalität des Mitverschuldens als rechtsfehlerhaft. Auch insoweit unterliegt die tatrichterliche Würdigung nur der eingeschränkten revisionsrechtlichen Überprüfung. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass der Zeuge, wenn er zur Vermeidung eines Sturzes zunächst durch kleine tastende Schritte geprüft hätte, ob auf dem Überweg Eisglätte vorhanden war, den Sturz, der sich nach seinen Angaben „gleich beim ersten oder zweiten Schritt“ auf dem Zebrastreifen ereignet hat, hätte vermeiden können. Eine solche Wertung ist möglich und wird nicht dadurch in revisionsrechtlich erheblicher Weise in Frage gestellt, dass sie auch anders hätte vorgenommen werden können.
3. Soweit das Berufungsgericht den Mithaftungsanteil des Geschädigten mit 25 % bewertet hat, ist dies nicht zu beanstanden. Die Abwägung der Verantwortlichkeiten zwischen den Parteien eines Schadensersatzanspruchs im Rahmen der Prüfung des Mitverschuldens unterliegt gemäß § 287 ZPO einem weiten tatrichterlichen Entscheidungsspielraum. Die Prüfung des Revisionsgerichts ist darauf beschränkt, ob alle in Betracht kommenden Umstände richtig und vollständig berücksichtigt und der Abwägung rechtlich zulässige Erwägungen zugrunde gelegt worden sind, hierbei insbesondere nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen wurde (vgl. nur Senat, Urteil vom 20. Juni 2013 – III ZR 326/12, VersR 2013, 1322, 1323 mwN). Rechtsfehler des Tatrichters liegen insoweit nicht vor. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Geschädigte für seinen Schaden auch nicht allein verantwortlich. Eine vollständige Überbürdung des Schadens kommt im Rahmen von § 254 BGB nur ausnahmsweise in Betracht (vgl. nur Senat, aaO Rn. 19 mwN). Insoweit hat das Berufungsgericht zutreffend berücksichtigt, dass – bei unterstellter Streupflichtverletzung – die Beklagte die maßgebliche Erstursache für das Schadensereignis gesetzt hat und es deshalb gerechtfertigt ist, ihr auch den wesentlichen Verantwortungsanteil zuzuweisen (siehe auch Senat aaO Rn. 22 ff).
III.
Das angefochtene Urteil ist, soweit zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist, aufzuheben und das Verfahren, da die Sache noch nicht zur Entscheidung reif ist (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 ZPO), in diesem Umfang an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.