LG Köln, Urteil vom 16. August 2019 – 25 O 117/16
Zur Schmerzensgeldbemessung wegen Verbrennungen im Gesicht infolge einer fehlerhaften IPL-Haarentfernung
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 500,00 EUR zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Tatbestand
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Die Beklagte ist die Inhaberin eines Kosmetikstudios in B. Die Klägerin befand sich dort ab dem 17.10.2012 in Behandlung. Es wurde einmal monatlich eine IPL-Behandlung zum Zwecke der Entfernung von Gesichtshaaren durchgeführt. Zwischen den Parteien ist streitig, ob es im August 2014 infolge einer IPL-Behandlung zu Verbrennungen im Gesicht der Klägerin kam. Unstreitig bot die Beklagte der Klägerin eine Nachbehandlung durch den aus der Schweiz hinzugezogenen Herrn …, welche dann ab dem 14.11.2014 erfolgte.
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Die Klägerin behauptet, die IPL-Haarentfernung sei fehlerhaft durchgeführt worden. Das Gerät sei zu hoch eingestellt worden. Außerdem hätten vorher Hauttests zur Verträglichkeit stattfinden müssen. Die Behandlung sei auch stark schmerzhaft gewesen. Hierdurch sei es im August 2014 unmittelbar nach der Behandlung zu Verbrennungen sowohl auf beiden Wangen als auch im Kinnbereich gekommen. Die Verbrennungen seien durch die nachfolgende Behandlung durch den Zeugen … verstärkt worden. Die Flecken seien noch immer vorhanden und würden vermutlich dauerhaft verbleiben. Die Klägerin rügt zudem, dass sie von der Beklagten vor der Durchführung von IPL-Anwendungen nicht über das Risiko einer Verbrennung informiert worden sei. In Anbetracht der behaupteten Beschwerden hält die Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 5.000,00 EUR für angemessen.
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Die Klägerin beantragt,
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1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin aufgrund kosmetischer Fehlbehandlung im Jahre 2014 in ihrem Kosmetikstudio ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen.
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2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche materiellen Schäden zu erstatten, die ihr aufgrund der kosmetischen Fehlbehandlung in ihrem Kosmetikstudio im Jahre 2014 in der Vergangenheit bereits entstanden sind oder zukünftig noch entstehen werden, soweit diese nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen werden.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte behauptet, die Klägerin habe die noch sichtbaren Pigmentflecken selbst verursacht, weil sie die ihr mitgeteilten Verhaltensmaßregeln, insbesondere die Kühlung und den Verzicht auf einen Aufenthalt in der Sonne wiederholt missachtet habe. Sie behauptet, sie habe die Klägerin vor der Anwendung des IPL-Geräts über etwaige Risiken informiert.
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Die Kammer hat gemäß Beweisbeschluss vom 03.04.2017 (Bl. 120 ff. der Akte) i.V.m. dem Beschluss vom 21.11.2017 (Bl. 198 der Akte) Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen PD Dr. … vom 08.12.2018 (Bl. 249 ff. der Akte) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
A.
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Die Klage ist teilweise begründet.
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Die Klägerin hat gegen die Beklagte gemäß § 611, 280 Abs. 1, 253 Abs. 2 249 ff. BGB bzw. § 823Abs. 1, 253 Abs. 2, 249 ff. BGB einen Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 500,00 EUR.
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Es steht nach dem gesamten Inhalt der mündlichen Verhandlung und dem Ergebnis der Beweisaufnahme zur Überzeugung der Kammer (§ 286 ZPO) fest, dass die Beklagte die kosmetische Haarentfernung per IPL fehlerhaft durchführte und der Klägerin hierdurch ein gesundheitlicher Schaden entstand. Ihre Überzeugung stützt die Kammer dabei auf die Angaben der Parteien im Rahmen der mündlichen Verhandlung sowie auf die Feststellungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen.
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So hat die Klägerin bei ihrer informatorischen Anhörung erklärt, dass sie während der streitgegenständlichen Behandlungseinheit ein Brennen verspürt habe. Nach der Beendigung der Behandlung sei ihr Gesicht gerötet gewesen, es hätten sich in der Folgezeit eitrige Bläschen in ihrem Gesicht gebildet. Die Beklagte hat bei ihrer informatorischen Anhörung wiederum regelmäßig vom „Tag der Verbrennung“ gesprochen, um den Tag der streitgegenständlichen Behandlung zu beschreiben. Erst auf gezielte Nachfrage hat sie dies dahingehend präzisiert, dass sie selbst keine Verbrennungen gesehen habe, die Klägerin nach der Behandlung aber über ein Wärmegefühl im Gesicht berichtet habe. Vor dem Hintergrund dieser Angaben hat der Sachverständige PD Dr. … sodann bei der mündlichen Erläuterung seines Gutachtens ausgeführt, dass er es nach den Schilderungen für höchstwahrscheinlich halte, dass es bei der IPL-Behandlung zu Verbrennungen gekommen sei. Dies ergebe sich aus dem Umstand, dass die von der Klägerin beschriebene Bläschenbildung eher nicht aus einer reinen Sonnenexposition oder Nichteinhaltung der Vorsichtsmaßnahmen nach der Behandlung entstünden. Soweit bei der IPL-Behandlung Verbrennungen wie bei der Klägerin entstünden, ließe dies gleichzeitig den Schluss zu, dass die IPL-Behandlung fehlerhaft erfolgt sei. In Anbetracht der vorbestehenden Hyperpigmentierung der Klägerin sei eine solche IPL-Behandlung im Sommer ohnehin nicht durchzuführen. Die Feststellungen des Sachverständigen PD Dr. … sind durchweg plausibel und nachvollziehbar. Die Fachkunde des Sachverständigen steht außer Zweifel. Die Kammer schließt sich seinen Feststellungen an.
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Die Kammer ist weiter davon überzeugt, dass die Klägerin durch die fehlerhafte Behandlung Verbrennungen im Gesicht erlitt. Insoweit hält die Kammer die Angaben der Klägerin in ihrer persönlichen Anhörung zu einer Bläschenbildung für nachvollziehbar und glaubhaft. Dies gilt in Anbetracht des Umstandes, dass sich in einem zeitlich noch unmittelbaren Zusammenhang mit der streitgegenständlichen Behauptung in der ärztlichen Dokumentation der Hautärztin für den 22.09.2014 Einträge befinden, die eine postinflammatorische Hyperpigmentierung beschreiben. Im Übrigen erscheint es lebensfremd anzunehmen, dass die Beklagte – nach ihren eigenen Angaben – eine kostenlose Nachbehandlung bei einem „Spezialisten“ aus der Schweiz angeboten hätte, wenn sich zu diesem Zeitpunkt keine Hautveränderungen gezeigt hätten. Der Sachverständige hat in seinem schriftlichen Gutachten ausgeführt, dass aufgrund der anamnestischen Angaben der Klägerin davon auszugehen sei, dass die Klägerin eine Verbrennung des Grades IIa/IIb erlitten habe. Dies sei mit der ärztlich dokumentierten und fotodokumentierten postinflammatorischen Hyperpigmentierung vereinbar. Bei der mündlichen Erläuterung seines Gutachtens hat der Sachverständige die Verbrennungen als höchstwahrscheinlich durch die IPL-Behandlung hervorgerufen eingestuft. Die Angaben der Parteien sowie der Feststellungen des Sachverständigen führen in der Gesamtbetrachtung zur Überzeugung der Kammer, dass die Verbrennungen auf die fehlerhafte IPL-Behandlung zurückgehen
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In Bezug auf die Kausalität des Fehlers für weitere gesundheitliche Schäden, insbesondere eine Narbenbildung, ist die Klägerin indes beweisfällig geblieben. Es handelt sich insoweit um Sekundärschaden, für den das Beweismaß des § 287 ZPO gilt, wonach auch eine überwiegende Wahrscheinlichkeit ausreichen kann. Allerdings kann die Kammer eine solche überwiegende Wahrscheinlichkeit nicht feststellen. Insoweit hat der Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten zwar noch ausgeführt, dass sich zum Zeitpunkt der gutachterlichen körperlichen Untersuchung der Klägerin im Bereich des rechten Kieferwinkels eine diskrete ca. 0,5 x 0,7 cm durchmessende hypopigmentierte atrophe Narbe gezeigt habe. Im Bereich des linken Mandibularbogens hätten etwa vier diskrete ca. 0,5 x 0,5 cm durchmessende, einzelnstehende, atrophe Narben mit postinflammatorischer Hyperpigmentierung vorgelegen. Insgesamt sei es möglich, dass die IPL-Behandlungen für die sehr diskreten Narben ursächlich sei. Die Wahrscheinlich dürfe bei 70 % liegen. In der mündlichen Verhandlung hat der Sachverständige sodann aber ausgeführt, dass der derzeitige Befund ebenso gut Folge eines Chloasmas sein könne (an dem die Klägerin laut Behandlungsdokumentation vorerkrankt war) oder das grundsätzliche Hautbild der Klägerin darstelle. Er könne auch Folge einer Haarwurzelentzündung oder einer Akne sein. Es handele sich um ganz diskrete Narben und es falle ihm, dem Sachverständigen, sehr schwer, festzustellen, dass es sich um Folgen der fehlerhaften Behandlung handele. Es seien auch nicht klassische Narben, die ganz sicher auf eine fehlerhafte Behandlung zurückgeführt werden könnten. In Anbetracht dieser Ausführungen ist eine Kausalität aus der Sicht der Kammer nur möglich, nicht jedoch überwiegend oder hochwahrscheinlich.
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Der Klägerin kommt insoweit auch keine Beweiserleichterung zugute. Es handelt sich nach den überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen, denen sich die Kammer anschließt, nicht um einen groben Fehler. Hierzu hat der Sachverständige nachvollziehbar ausgeführt, dass die Klägerin sich zum streitgegenständlichen Zeitpunkt bereits länger in Behandlung befunden habe, so dass es noch nachvollziehbar sei, wenn die Beklagte davon ausgegangen sei, sie könne einfach so weiterbehandeln.
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Die von der Klägerin erhobene Aufklärungsrüge verhilft der Klage insoweit auch nicht zu weitergehendem Erfolg. Auch bei einem unterstellt rechtswidrigen Eingriff ist die Kausalität von der Klägerin zu beweisen. Es kann daher dahinstehen, ob die Klägerin ordnungsgemäß aufgeklärt wurde.
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In Anbetracht der erlittenen Gesundheitsschädigungen hält die Kammer ein Schmerzensgeld in Höhe von insgesamt 500,00 EUR für angemessen, aber auch ausreichend. Der Anspruch auf Schmerzensgeld soll den vom Verletzten erlittenen immateriellen Schaden angemessen ausgleichen. Er tritt als selbstständiger Anspruch neben den Anspruch auf Ersatz des Vermögensschadens und soll dem Verletzten einen Ausgleich für erlittene Schmerzen und Leiden geben und ihn gleichzeitig in die Lage versetzen, sich Erleichterungen und Annehmlichkeiten zu verschaffen, welche die erlittenen Beeinträchtigungen jedenfalls teilweise ausgleichen. Die Schmerzensgeldhöhe ist unter umfassender Berücksichtigung aller für die Bemessung maßgebender Umstände zu ermitteln und muss in einem angemessenen Verhältnis zu Art und Dauer der Verletzung stehen. Zu berücksichtigen sind zum einen Ausmaß und Schwere der Verletzung und der erlittenen Schmerzen, darüber hinaus die Dauer und der Umfang der erfolgten Behandlungen und der Belastungen durch die Gesamtbehandlung sowie einzelne Behandlungsmaßnahmen. Insoweit hat die Kammer berücksichtigt, dass die Verbrennungen der Klägerin zweiten Grades waren und sich im Gesicht – und damit in einem für jedermann sichtbaren Bereich – befanden. Die vom Klägervertreter zitierten Entscheidungen sind aus der Sicht der Kammer nicht mit dem hiesigen Fall vergleichbar. Dort betrafen die Verbrennungen größere Hautareale oder gingen einher mit stationären Aufenthalten. Zudem waren sie mit einer dauerhaften Narbenbildung verbunden.
B.
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Der Feststellungsantrag ist unbegründet. Die Klägerin ist nach dem oben Gesagten für dauerhafte Schadensfolgen beweisfällig geblieben. Die Schadensentwicklung ist damit abgeschlossen, so dass nicht ersichtlich ist, welche weiteren Schäden der Klägerin entstehen könnten. Für eine Narbenkorrekturbehandlung hat die Beklagte nach den obigen Feststellungen nicht einzustehen.
C.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92Abs. 2 Nr. 1, 708 Nr. 11,711 ZPO.
D.
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Der Streitwert wird auf 8.000,00 EUR festgesetzt.