BGH, Urteil vom 27.06.1985 – I ZR 40/83
1. Die Bediensteten des Frachtführers oder sonstige Personen, derer er sich bei der Ausführung der Beförderung bedient, handeln grundsätzlich noch in Ausübung ihrer Verrichtung (CMR Art 29 Abs 2 und CMR Art 3), wenn sie während des eigentlichen Beförderungsvorgangs und unter Verwendung desselben auch zum Transport benutzten Fahrzeugs einen Alkoholschmuggelversuch begehen.
2. Die qualifizierte Verschuldensform des CMR Art 29 (Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit) braucht sich nur auf den die Haftung begründenden Tatbestand und nicht auch auf den konkret eingetretenen Schaden zu erstrecken.
3. Die unbeschränkte Haftung des Frachtführers nach CMR Art 29 erfaßt nicht auch den Teil einer aus mehreren Einzelteilen bestehenden Ladung, dessen Beschädigung ausschließlich durch Umstände verursacht worden ist, die ihm nicht zuzurechnen sind.
(Leitsatz des Gerichts)
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe — 4. Zivilsenat in Freiburg — vom 20. Januar 1983 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung — auch über die Kosten der Revision — an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
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Die Klägerin ist ein Speditionsunternehmen mit Sitz in der Schweiz und Niederlassungen in der Bundesrepublik Deutschland. Sie macht gegen die Beklagte, einen holzverarbeitenden Betrieb, eine unstreitige Restforderung aus früheren Transportaufträgen geltend. Die Beklagte rechnet demgegenüber mit Schadensersatzansprüchen aus einem Transport nach Doha/Katar (am persischen Golf) auf und hat außerdem Widerklage erhoben.
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Die Beklagte war als Subunternehmerin der Firma T in Doha/Katar mit Innenausbauarbeiten bei der Errichtung einer Schule beauftragt. Am 11. September 1978 erteilte sie der M Niederlassung BRD der Klägerin den Auftrag, Baumaterialien nach Doha zu transportieren; die Transportkosten sollten 19.500,- DM und die Transportdauer 12 — 14 Tage betragen. Die Klägerin beauftragte mit dem Transport eine Firma in Österreich, die ihn ihrerseits durch eine andere österreichische Firma ausführen ließ. Der für die Beförderung vorgesehene Lkw wurde am 12. September 1978 teils von Leuten der Beklagten in W, teils von Leuten einer Firma, die als Subunternehmerin der Beklagten Malerarbeiten an dem Bauvorhaben in Doha durchzuführen hatte, in Ni beladen.
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Bei einer in Österreich durchgeführten Verwiegung wurde festgestellt, daß das angegebene Ladegewicht um mehr als 14 t überschritten war und daß der Warenwert um 50.000,- DM über dem ursprünglich mit 350.000,- DM angegebenen Wert lag. Die Parteien vereinbarten daraufhin eine Erhöhung des Frachtpreises um 14.000,- DM auf insgesamt 33.500,- DM; dabei sicherte die Klägerin der Beklagten zu, daß der Transport spätestens am 26. September 1978 in Doha eintreffen werde. Das Frachtgut wurde ohne Wissen der Beklagten — möglicherweise auch ohne Wissen der Klägerin — noch in Österreich auf einen Jumbo-Lkw umgeladen.
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Vor der Abfahrt hatte die Beklagte — durch einen früheren Vorfall gewarnt — die beiden Fahrer aufgefordert, jeglichen Alkoholschmuggel zu unterlassen; sie waren zuvor auch schon von der Klägerin auf die strengen Zollvorschriften in den arabischen Ländern hingewiesen worden. Sie hatten ein Revers zu unterschreiben, wonach sie sich verpflichteten, jede Art von Schmuggel zu unterlassen. Gleichwohl wurde an der jordanisch-saudischen Grenze entdeckt, daß beide Fahrer Alkohol zu schmuggeln versuchten; sie wurden festgenommen und ihr Fahrzeug beschlagnahmt. Nach Verhandlungen mit den Grenzbehörden gelang es, wenigstens das Frachtgut freizubekommen; es mußte auf ein anderes Fahrzeug umgeladen werden. Die Ladung traf erst am 24. Oktober 1978 in Doha ein. Dort wurden erhebliche Schäden am Transportgut festgestellt. Infolge der verspäteten Ankunft der Materialien konnte die Beklagte die Frist für die Fertigstellung der Bauarbeiten nicht einhalten; sie wurde deshalb vom Generalunternehmer auf Zahlung einer Vertragsstrafe in Anspruch genommen.
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Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, sie habe für die Transportschäden nicht einzustehen, da sie auf mangelhafte Verpackung und unsachgemäße Beladung durch Leute der Beklagten zurückzuführen seien; für die Lieferfristüberschreitung hafte sie nur in Höhe des vereinbarten Frachtlohns. Sie hat daher von ihren unstreitigen Forderungen aus anderen Transportaufträgen von 40.648,45 DM den Betrag von 33.500,- DM abgezogen. Mit der Klage macht sie nunmehr einen Restbetrag von 7.148,45 DM geltend.
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Die Beklagte ist dem entgegengetreten. Sie hat behauptet, ihr stehe eine Schadensersatzforderung von insgesamt 340.008,24 DM gegen die Klägerin zu. In Höhe von 7.148,- DM hat sie gegenüber der Klageforderung aufgerechnet und den — nach Abzug des Frachtpreises von 33.500,- DM — verbleibenden Restbetrag von 299.360,- DM im Wege der Widerklage geltend gemacht; darüber hinaus hat sie Freistellung von allen weiteren Ansprüchen der Firma T in Doha begehrt. Zur Begründung ihrer Schadensersatzansprüche hat sie vorgetragen:
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Die Beschädigung des Frachtgutes sei durch die grob fahrlässig durchgeführte Umladung an der jordanisch-saudischen Grenze verursacht worden. Der Sachschaden belaufe sich auf 54.096,60 DM. Um den Schaden festzustellen, seien ihr Kosten in Höhe von 17.160,- DM entstanden.
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Infolge der verspäteten Anlieferung der Baumaterialien habe sie die mit der Firma T vereinbarte Fertigstellungsfrist um 30 Tage überschritten und dadurch eine Vertragsstrafe von umgerechnet 405.000,– DM verwirkt (13.500,- DM x 30). Die Firma T habe deshalb die Zahlung des restlichen Werklohns von 201.548,- DM verweigert und Zahlung der noch offenen Vertragsstrafe von 203.452,- DM verlangt. Außerdem sei ihr ein weiterer Verzugsschaden von 67.203,64 DM entstanden (Ferngespräche, Fernschreiben u.ä. sowie zusätzliche Lohnkosten und entgangener Gewinn).
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Das Landgericht hat die Klage nach Beweisaufnahme abgewiesen; auf die Widerklage hat es die Klägerin — unter Kürzung der Kosten für die Schadensfeststellung um 5.480,- DM und des Verzugsschadens um 16.108,92 DM sowie eines rechnerisch unberücksichtigt gelassenen Betrages von 375,- DM — zur Zahlung von 277.395,87 DM sowie zur beantragten Freistellung verurteilt.
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Die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben.
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Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren Antrag auf Zahlung und auf Abweisung der Widerklage weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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I. Das Berufungsgericht hat Schadensersatzansprüche der Beklagten gemäß Art. 17 Abs. 1 CMR wegen Beschädigung des Gutes und Überschreitens der Lieferfrist in dem vom Landgericht zugesprochenen Umfang bejaht. Es hat dabei die Auffassung vertreten, daß sich die Klägerin nach Art. 29 CMR nicht auf einen Haftungsausschluß oder auf Haftungsbegrenzungen berufen könne. Art. 29 CMR sei auch bei grober Fahrlässigkeit anzuwenden. Diese sei den beiden Fahrern vorzuwerfen, da sie sich der mit dem Alkoholschmuggel verbundenen Gefahren bewußt gewesen seien. Die Klägerin habe für das Verhalten der Fahrer auch einzustehen, da deren Schmuggelversuch noch „in Ausübung ihrer Verrichtungen“ erfolgt sei. Art. 29 CMR sei auch hinsichtlich des Sachschadens ohne Einschränkungen anzuwenden.
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Dazu reiche es aus, daß zumindest der größte Teil der später festgestellten Beschädigungen durch die an der jordanisch-saudischen Grenze erfolgte Umladung verursacht worden sei; auf den Einwand der Klägerin, es sei jedenfalls ein Teil des Schadens schon vorher vorhanden gewesen, komme es nicht an. Zur Höhe des Sach- und Verzögerungsschadens hat das Berufungsgericht auf die Ausführungen des Landgerichts Bezug genommen.
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II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben Erfolg. Sie führen zur Aufhebung und Zurückverweisung.
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1. Das Berufungsgericht ist zutreffend und von den Parteien unbeanstandet davon ausgegangen, daß im Streitfall die CMR anzuwenden ist und daß die Klägerin als Frachtführerin grundsätzlich der Gefährdungshaftung nach Art. 17 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 CMR unterliegt.
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Die Revision wendet sich dagegen, daß das Berufungsgericht der Klägerin nach Art. 29 CMR die Berufung auf Haftungsausschlüsse und -begrenzungen nach der CMR versagt hat. Sie meint, Art. 29 CMR sei nicht anzuwenden, weil die beiden Fahrer bei dem Schmuggelversuch nicht mehr „in Ausübung ihrer Verrichtungen“ gehandelt hätten und weil sich die Bestimmung ohnehin nur auf vorsätzliches und nicht auch auf grob fahrlässiges Verhalten beziehe; im übrigen habe das Berufungsgericht ein grob fahrlässiges Handeln auch nicht ausreichend festgestellt.
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2. Das Berufungsgericht hat die Voraussetzungen der verschärften Haftung nach Art. 29 CMR ohne Rechtsverstoß bejaht, soweit der Sach- und Verzögerungsschaden auf den Schmuggelversuch der beiden Fahrer zurückzuführen ist; hinsichtlich schon vorher eingetretener Sachschäden trifft dies dagegen nicht zu.
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a) Zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, daß die Folgen des Alkoholschmuggels der beiden Fahrer der Klägerin zuzurechnen sind.
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Nach Art. 29 Abs. 2 CMR (vgl. auch Art. 3 CMR) greift die verschärfte Haftung — das gebotene Verschulden vorausgesetzt (vgl. dazu nachfolgend unter b)) — auch dann ein, wenn Bedienstete des Frachtführers oder sonstige Personen, deren er sich bei der Ausführung der Beförderung bedient, in Ausübung ihrer Verrichtung handeln.
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Dies setzt voraus, daß ein innerer sachlicher Zusammenhang zwischen der übertragenen Verrichtung nach ihrer Art und ihrem Zweck und der schädigenden Handlung besteht; die Handlung muß noch zum allgemeinen Umkreis des zugewiesenen Aufgabenbereichs gehören und darf nicht nur bei Gelegenheit begangen worden sein (vgl. zum nationalen Recht BGHZ 31, 358, 366 zu § 278 BGB; BGHZ 49, 19, 23 zu § 831 BGB; BGH, Urt. v. 6.4.1978 — III ZR 43/76, VersR 1978, 822, 823 zu § 278 BGB).
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Im Streitfall hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei angenommen, daß der versuchte Alkoholschmuggel nicht nur bei Gelegenheit des Transports erfolgte. Der notwendige innere sachliche Zusammenhang zeigt sich vielmehr darin, daß der Schmuggelversuch während des eigentlichen Beförderungsvorgangs und unter Verwendung desselben auch zum Transport verwendeten Fahrzeugs vorgenommen wurde. Das Verhalten der Fahrer gefährdete damit den unbehinderten Lauf des Frachtgutes unmittelbar und stellt sich als eine Verletzung der vertraglichen Obhutspflicht über das Frachtgut dar. Diese neben der Transportpflicht bestehende Obhutspflicht, alles zu unterlassen, was zu einer Gefährdung des Frachtgutes führen kann, gehört mit zum eigentlichen Aufgabenbereich der Fahrer; durch den Schmuggelversuch haben sich die Fahrer gerade in diesem Bereich betätigt.
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Der von der Revision dagegen angeführte Fall einer Verzögerung des Transportes aufgrund eines privaten Verhaltens des Fahrers während einer Fahrpause ist mit dem vorliegenden Fall einer ausdrücklich untersagten eigenmächtigen Güterzuladung nicht vergleichbar. Die von der Revision angeführte Entscheidung des OLG Wien (Verkehr 1976, 2028), in der es um die Beschlagnahme des Transportgutes aufgrund einer versuchten Fluchthilfe aus der DDR ging, besagt für den Streitfall nichts; zumal der Österreichische OGH (Transportrecht 1980, 31) den Sachverhalt inzwischen gegenteilig, und zwar in dem hier entschiedenen Sinne, beurteilt hat.
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b) Soweit es um den versuchten Alkoholschmuggel geht, hat das Berufungsgericht auch das weitere Erfordernis des Art. 29 CMR, daß der Schaden durch Vorsatz oder ein dem Vorsatz gleichstehendes Verschulden der Hilfspersonen verursacht worden sein muß, ohne Rechtsverstoß bejaht.
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Die Revision wendet sich ohne Erfolg dagegen, daß das Berufungsgericht die grobe Fahrlässigkeit als ein dem Vorsatz gleichstehendes Verschulden im Sinne dieser Bestimmung angesehen hat. Für eine Gleichstellung beider Verschuldensarten hat sich inzwischen auch der erkennende Senat in seinem Urteil vom 14. Juli 1983 — I ZR 128/81 — (BGHZ 88, 157 ff.), auf dessen Begründung Bezug genommen wird, ausgesprochen. Die Ausführungen der noch vor Erlaß dieses Urteils begründeten Revision geben zu einer abweichenden Beurteilung keine Veranlassung.
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Es ist aus Rechtsgründen auch nicht zu beanstanden, daß das Berufungsgericht den versuchten Alkoholschmuggel der beiden Fahrer angesichts der eindringlichen Ermahnungen sowohl der Klägerin als auch der Beklagten und des ausdrücklichen Hinweises auf die strengen arabischen Zollvorschriften als zumindest grob fahrlässiges Verhalten gewertet hat. Die Frage, ob ein Verhalten als grob fahrlässig zu beurteilen ist, ist im wesentlichen dem Tatrichter vorbehalten. Seine Wertung ist der Nachprüfung durch das Revisionsgericht entzogen, sofern er nicht den Rechtsbegriff der groben Fahrlässigkeit verkannt oder ihr fehlerhaft gewonnene Feststellungen zugrundegelegt hat. Das Berufungsgericht ist ersichtlich davon ausgegangen, daß unter grober Fahrlässigkeit ein Handeln zu verstehen ist, bei dem die erforderliche Sorgfalt nach den gesamten Umständen in ungewöhnlich großem Maße verletzt worden ist und bei dem dasjenige unbeachtet geblieben ist, was im gegebenen Falle jedem hätte einleuchten müssen (vgl. BGHZ 89, 153, 161). Es hat auch entgegen der von der Revision vertretenen Ansicht nicht verkannt, daß grobe Fahrlässigkeit in der Regel das Bewußtsein der Gefährlichkeit voraussetzt (vgl. Palandt-Heinrichs, Kommentar zum BGB, 44. Aufl. 1985, § 277 Anm. 2 a m.w.N.). Dazu hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei festgestellt, es habe auf der Hand gelegen, daß im Falle einer Aufdeckung des Alkoholschmuggels mit einer Beschlagnahme des Lkws sowie einer unsachgemäßen Durchsuchung und Umladung des Transportgutes durch die Zollbehörden und darüber hinaus auch mit einer Verzögerung des Transportes zu rechnen gewesen sei.
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Der Auffassung der Revision, die qualifizierte Verschuldensform des Art. 29 CMR müsse sich darüber hinaus auch auf den konkret eingetretenen Sach- und Verzögerungsschaden erstrecken, kann nicht beigetreten werden. Der Wortlaut des Art. 29 CMR zwingt nicht zu einer derartigen Auslegung. Es ist vielmehr auf die im Haftungsrecht allgemein geltende Regel zurückzugreifen, daß sich Vorsatz und (grobe) Fahrlässigkeit grundsätzlich nur auf den die Haftung begründenden Tatbestand zu beziehen brauchen, um die Ersatzpflicht für alle daraus folgenden (adäquaten) Schäden auszulösen (vgl. BGHZ 75, 328, 329). Bei der Fahrlässigkeit genügt die allgemeine Vorhersehbarkeit eines schädigenden Erfolges, der konkrete Ablauf braucht in seinen Einzelheiten nicht vorhersehbar gewesen zu sein (vgl. RGZ 136, 4, 10; 148, 154, 165). Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, daß diese die Haftung allgemein begründenden Verschuldensanforderungen bei Art. 29 CMR nicht zu gelten haben. Die Billigkeitserwägungen, auf denen diese Regelung beruht, rechtfertigen es, das qualifizierte Verschulden hier nur auf den Haftungstatbestand und nicht auch auf die weitere Schadensentwicklung zu beziehen. Denn diese ist häufig nicht konkret vorhersehbar, so daß die praktische Bedeutung des Art. 29 CMR über seinen Zweck hinaus, die Haftungsmilderungen in den Fällen eines schweren Verschuldens nicht eingreifen zu lassen, erheblich eingeschränkt wäre. Mit der von der Revision angeführten sittenwidrigen Schädigung nach § 826 BGB, bei der sich der Vorsatz auch auf die eingetretenen Schadensfolgen erstrecken muß (vgl. BGH, Urt. v. 5.11.1962 — II ZR 161/61, NJW 1963, 148, 150), ist Art. 29 CMR nach Zweck und Funktion nicht vergleichbar. Auch auf die Regelung des Art. 25 WA kann sich die Revision nicht mit Erfolg berufen. Die Bestimmung besagt, daß die Haftungsbeschränkungen nach dem Warschauer Abkommen dann nicht gelten, wenn der Schädiger entweder in Schadensabsicht oder leichtfertig und in dem Bewußtsein gehandelt hat, „daß ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde“. Auch bei dieser Regelung kann nach ihrem Wortlaut und Zweck nicht davon ausgegangen werden, daß sich das Bewußtsein auf den konkret eingetretenen Schaden beziehen muß. Etwas Gegenteiliges ist auch nicht der von der Revision angeführten Senatsentscheidung in BGHZ 74, 162 ff. zu entnehmen.
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Das qualifizierte Verschulden im Sinne des Art. 29 CMR braucht sich mithin nur auf den Haftungstatbestand zu beziehen. Für den konkreten Schadenseintritt reicht die Feststellung der adäquaten Kausalität aus. Daß diese Feststellung hinsichtlich des Verzögerungsschadens und des Teils des Sachschadens, der durch das Umladen an der jordanisch-saudischen Grenze verursacht worden ist, hinreichend vom Berufungsgericht getroffen worden ist, wird auch von der Revision nicht in Abrede genommen.
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c) Die Revision rügt aber zu Recht, daß das Berufungsgericht die unbeschränkte Haftung nach Art. 29 CMR auch auf den Teil des Sachschadens angewendet hat, der — wovon aufgrund der Unterstellung durch das Berufungsgericht in der Revisionsinstanz auszugehen ist — schon vor der Umladung an der jordanisch-saudischen Grenze vorhanden war. Für diesen Schaden war der versuchte Alkoholschmuggel und damit das grob fahrlässige Verhalten der beiden Fahrer, für das die Klägerin einzustehen hat, nicht ursächlich, so daß Art. 29 CMR insoweit nicht eingreift.Hinsichtlich dieses Teils des Schadens könnte daher ein Haftungsausschluß (Art. 17 Abs. 2 und Abs. 4 CMR), zumindest aber eine Haftungsbegrenzung (Art. 23 Abs. 3 CMR) in Betracht kommen.
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Die Annahme des Berufungsgerichts, die Klägerin könne sich auf die früher entstandenen Schäden nicht berufen, ist nicht frei von Rechtsfehlern. Das Berufungsgericht geht zwar im Ansatz zutreffend davon aus, daß es im Falle des qualifizierten Verschuldens des Frachtführers im Sinne des Art. 29 CMR nicht zu einer Schadensteilung nach Art. 17 Abs. 5 CMR kommen könne, weil die Haftungsausschlüsse des Art. 17 CMR in einem solchen Falle ohnehin nicht eingreifen würden (ebenso Helm, Großkomm. zum HGB, 3. Aufl. 1982, § 452 Anh. III — Art. 17 CMR Anm. 21). Es hat jedoch verkannt, daß Art. 17 Abs. 5 CMR ersichtlich nur solche Fälle betrifft, in denen für ein und denselben Schaden mehrere Ursachen in Betracht kommen (z.B. Beschädigung einer Maschine durch mangelhafte Verpackung und unachtsame Fahrweise). Nach dem vom Berufungsgericht unterstellten Vorbringen der Klägerin geht es im Streitfall aber nicht darum, daß mehrere Umstände für den Schaden an einer Sache ursächlich sind. Vielmehr ist bislang davon auszugehen, daß zumindest ein Teil — nach dem Vorbringen der Klägerin das gesamte — des aus vielen Einzelteilen bestehenden Ladeguts schon vor der Umladung an der jordanisch-saudischen Grenze beschädigt wurde und, daß diese Beschädigung durch die Umladung unbeeinflußt geblieben ist. Trifft dies zu, so ist eine Schadensteilung vorzunehmen; das Berufungsgericht wird in diesem Falle gegebenenfalls im Wege freier Beweiswürdigung gemäß § 287 ZPO zu schätzen haben, welcher Anteil der verschärften Haftung nach Art. 29 CMR unterliegt. Eine Schadensteilung wäre — wie dargelegt — nur dann ausgeschlossen, wenn sich ergeben sollte, daß Beschädigungen an denselben Teilen des Ladeguts schon vor der Umladung an der jordanisch-saudischen Grenze erstmals hervorgerufen und infolge der Umladung noch vertieft worden sind.
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Die danach erhebliche Frage, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang Schäden schon vorhanden und worauf diese zurückzuführen waren sowie welcher Anteil des Sachschadens einem Haftungsausschluß oder einer Haftungsbegrenzung unterliegt, bedarf daher einer weiteren tatrichterlichen Aufklärung.
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III. Die Revision der Klägerin hat nach alledem Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils nicht nur hinsichtlich des Sachschadens einschließlich der Kosten der Schadensfeststellung, sondern auch des Verzugsschadens einschließlich der Vertragsstrafe. Denn nach dem Vorbringen der Klägerin in ihrer Klageschrift sollen auch die Sachschäden für die verzögerte Fertigstellung des Bauvorhabens mitursächlich gewesen sein, weil Baumaterialien teils instandgesetzt, teils anderweitig ersetzt werden mußten. Die zur Frage der eingetretenen Sachschäden noch erforderlichen Feststellungen können sich somit auch auf den Verzugsschaden auswirken.
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Das Berufungsurteil war daher in vollem Umfang aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung … an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.