Zur Persönlichkeitsrechtsverletzungen durch Veröffentlichung und Verbreitung von Äußerungen aus Tonbandprotokollen

LG Köln, Urteil vom 27.04.2017 –  14 O 323/15

Zur Persönlichkeitsrechtsverletzungen durch Veröffentlichung und Verbreitung von Äußerungen aus Tonbandprotokollen

Tenor

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger eine Geldentschädigung in Höhe von 1.000.000,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 27.11.2015 zu zahlen wegen der Veröffentlichung der nachfolgend aufgeführten Passagen in dem Buch „Vermächtnis – Die Kohl-Protokolle“ (gebundenes Buch, 256 Seiten, ISBN …, B-Verlag) und in dem gleichnamigen Hörbuch (gelesen von A, Spieldauer 7 Stunden 41 Minuten, ISBN … S Audio):

geb. Buch:

(Auflistung der Passagen)

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtstreits tragen der Kläger zu 80 % und die Beklagten als Gesamtschuldner zu 20 %.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand
1
Der Kläger macht gegen die Beklagten einen Anspruch auf Geldentschädigung wegen Persönlichkeitsrechtsverletzung in Zusammenhang mit der Veröffentlichung und Verbreitung von dem Kläger zugeschriebenen Äußerungen in Anspruch, bei denen es sich nach Darstellung der Beklagten um bislang unveröffentlichte, wörtliche Zitate des Klägers handelt, entnommen aus Tonbandprotokollen, die im Haus des Klägers in den Jahren 1999 – 2002 aufgezeichnet worden waren, als Grundlage der Erstellung der Autobiographie des Klägers.

2
Der Kläger war 16 Jahre Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland. Der Beklagte zu 1) ist Journalist und ebenso wie der Kläger promovierter Historiker. Der Beklagte zu 2) ist gleichfalls Journalist.

3
Die Beklagten zu 1) und 2) sind Autoren des Buches „Vermächtnis Die Kohl-Protokolle“ (nachfolgend Buch), welches im B-Verlag, einer Verlagsmarke der Beklagten zu 1), erschien und am 07.10.2014 veröffentlicht wurde. Am 13.10.2014 wurde das Buch ferner als Hörbuch in dem zur Verlagsgruppe der Beklagten gehörenden Verlag S Audio veröffentlicht.

4
Das Buch besteht zu ca. 10 % aus Äußerungen, gedruckt in Kursivschrift, die in dem Buch (S. 11) wie folgt bezeichnet werden:

5
„Originalzitate aus den Kohl-Protokollen“

6
Auf der Rückseite des Einbandes wird das Buch wie folgt beworben:

7
Innenansichten der Macht – Es geht um nichts weniger als ein historisches Vermächtnis. In 630 Stunden hat Helmut Kohl seine Lebenserinnerungen zu Protokoll gegeben. Sein Gesprächspartner: der Historiker, Journalist und Autor T, den Helmut Kohl als Ghostwriter seiner Memoiren ausgewählt hat … Wie ist Helmut Kohls Wirken zu verstehen? Was ist wahr, was ist verzerrt am Bild dieses Jahrhundertpolitikers? Durch wen erfahren wir, wie er dachte, taktierte, handelte?

8
Am besten durch den Altkanzler selbst, ungefiltert, in seinen eigenen Worten – anhand der Kohl-Protokolle. Erstmals werden sie hier der Öffentlichkeit vorgelegt.

9
Auf der Innenseite des Bucheinbandes ist u.a. vermerkt:

10
Gestützt auf die Kohl-Protokolle, zeichnen T und Q ein authentisches Portrait des Kanzlers – eine Nahaufnahme, bei der Helmut Kohl selbst mit seinen ganz persönlichen Einschätzungen zu zentralen politischen Themen und Personen zu Wort kommt, ein einzigartiges Zeugnis der Zeitgeschichte.“

11
Der Kläger nahm die Beklagten im Wege der einstweiligen Verfügung hinsichtlich der in dem Buch veröffentlichten, streitgegenständlichen Zitate Nr. 1 – 114 erfolgreich auf Unterlassung in Anspruch (teils einschränkend Urteil der erkennenden Kammer vom 13.11.2014 – 14 O 315/14 – Kohls Ghostwriter I (Anlage K 8, Bl. 121 – 241 GA), weitergehend OLG Köln, Urteil vom 05.05.2015 – 15 U 193/14 – Kohls Ghostwriter II (Bl. 513 – 528 GA)). Von Beklagtenseite unwidersprochen trug der Prozessbevollmächtigte in dem Verfahren 14 O 315/14 im Termin zur mündlichen Verhandlung vor der erkennenden Kammer vor, dass die Erstauflage des Buches bereits im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vom 30.10.2014 abverkauft sei und begründete hiermit die Rücknahme des zuvor gestellten Antrags auf Vernichtung der Buchbestände.

12
In weiteren, vor der erkennenden Kammer derzeit anhängigen Verfahren macht der Kläger gegen die Beklagten im Hauptsacheverfahren Unterlassungsansprüche in Zusammenhang mit der Veröffentlichung des streitgegenständlichen Buches geltend (Az.: 14 O 261/16) sowie gegen den Beklagten zu 1) im Wege der Stufenklage Ansprüche auf Auskunft über und Herausgabe der Vervielfältigungen der Originaltonbänder (Az.: 14 O 286/14). Die Verfahren 14 O 323/15 und 14 O 261/16 sind von dem Ursprungsverfahren 14 O 286/14 mit Beschlüssen vom 08.12.2015 bzw. 08.12.2016 abgetrennt worden.

13
In den derzeit vor der Kammer anhängigen Verfahren ist, anders als in dem vorausgegangenen einstweiligen Verfügungsverfahren (LG Köln 14 O 315/14) streitig, ob 103 der streitgegenständlichen, in dem Buch wiedergegebenen Zitate nicht von dem Kläger geäußert und weitere 13 Zitate im Wortlaut (teils) unrichtig wiedergegeben wurden.

14
Die Auswahl der in das Buch aufgenommenen, als Originalzitate des Klägers gekennzeichneten Äußerungen des Klägers erfolgte nach Darstellung des Justiziars der Beklagten zu 3) in der mündlichen Verhandlung vom 30.10.2014 in dem Verfahren 14 O 315/14 nach einer Sichtung der von dem Beklagten zu 1) zur Verfügung gestellten Tonbandabschriften durch die Beklagten in einer intensiven, mehrere Monate dauernden Diskussion, an der auch der Justiziar der Beklagten zu 3) teilnahm, und in der insbesondere besprochen wurde, hinsichtlich welcher Zitate ein öffentliches Interesse anzunehmen sei.

15
Die Originaltonbandaufnahmen gelangten in den Besitz des Beklagten zu 1) im Rahmen der Zusammenarbeit mit dem Kläger. Der Beklagte zu 1) war von 1999 bis zur Aufkündigung der Zusammenarbeit seitens des Klägers im Jahr 2009 als Ghostwriter des Klägers an den Memoiren des Klägers mit dem Titel „Erinnerungen“ beteiligt, von welchen bislang drei Bände, den Zeitraum 1930 bis 1994 umfassend, in der F-schen Verlagsanstalt F Nachf. GmbH & Co. erschienen sind. Ein die Memoiren abschließender vierter Band bzw. weitere Bände über die Zeit seit Oktober 1994 sind noch nicht erstellt.

16
In Vorbereitung dieser Memoiren führten der Kläger und der Beklagte zu 1) umfangreiche Gespräche im Hause des Klägers, von denen der überwiegende Teil auf (Magnet)Tonbändern aufgezeichnet wurde. An den Gesprächen war teils auch der in dem Verfahren LG Köln 14 O 612/12 als Zeuge vernommene Dr. M beteiligt, der die Erstellung des ersten Bandes der Memoiren (1930-1960) übernommen hatte.

17
Im Hinblick auf die Erstellung der Memoiren des Klägers und der Mitarbeit des Beklagten zu 1) hieran schlossen der Kläger sowie der Beklagte zu 1) jeweils mit dem herausgebenden Verlag, der F-schen Verlagsanstalt F Nachf. GmbH & Co. (nachfolgend Verlag genannt) am 12.11.1999 inhaltlich aufeinander abgestimmte Verträge (Anlagenkonvolut K 16, Bl. 426 – 451 GA) mit größtenteils wortgleichen Formulierungen. In diesen Verträgen war u.a. gleichlautend geregelt, dass der Beklagte zu 1) die Memoiren des Klägers nach den Vorgaben und Angaben des Klägers verfassen, nach außen hin jedoch nicht in Erscheinung treten und nur der Kläger als Autor genannt werden sollte. Der Beklagte zu 1) verzichtete auf das Recht, als Urheber bezeichnet zu werden. Der Kläger war zu jeglichen Änderungen an Manuskript und Werk ohne Angabe von Gründen berechtigt, dessen Fertigstellung durfte nur mit Zustimmung des Klägers erklärt werden. Das Eigentum an dem Manuskript stand dem Kläger zu.

18
Ferner konnte der Kläger jederzeit die Zusammenarbeit mit dem Beklagten zu 1) beenden und im Einvernehmen mit dem Verlag einen Ersatz bestimmen (§ 4 Nr. 9 des Autorenvertrages). Entsprechend hatte der Beklagte zu 1) keinen Anspruch auf Zusammenarbeit mit dem Kläger bis zur Fertigstellung des Manuskripts (§ 1 Nr. 1 des Vertrages Dr.T/Verlag).

19
Für die Zusammenarbeit zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 1), der – für den Kläger kostenlos – für eine Zusammenarbeit mit dem Kläger zur Verfügung zu stehen hatte, war ferner in § 4 Nr. 2 des Autorenvertrages geregelt:

20
Der Verlag sichert zu, dass Herr Dr. T persönlich die schriftliche Abfassung des Werkes bis zu seiner Fertigstellung nach den Vorgaben und Angaben des Autors übernimmt. Der Autor wird im Gegenzug Herrn Dr. T entsprechenden Einblick in relevante Unterlagen geben und ihm in ausreichendem Maße für entsprechende Gespräche zur Verfügung stehen (mindestens 200 Stunden). Die Einzelheit der Zusammenarbeit zwischen Herrn Dr. T und dem Autor werden diese direkt besprechen“.

21
Entsprechende Regelungen finden sich in § 1 des Vertrages Dr. T/Verlag.

22
Nachdem die wesentlichen Vertragsparameter festgelegt worden waren, begannen der Kläger und der Beklagte zu 1) noch vor Unterzeichnung der schriftlichen Verlagsverträge am 01.10.1999 mit den Memoiren-Gesprächen. Diese wurden im Wohnhaus des Klägers geführt und mit Einverständnis des Klägers mittels eines Tonbandaufzeichnungsgerätes auf Tonband aufgenommen.

23
Der Kläger ermöglichte dem Beklagten zu 1) den Zugang zu zahlreichen Unterlagen aus der Zeit als Bundeskanzler bzw. Oppositionsführer zur Durchsicht und Auswertung. Hiervon umfasst waren auch zahlreiche Quellen, die der Wissenschaft und Forschung aufgrund der 30 jährigen Sperrfrist für Archive noch für längere Zeit nicht zugänglich sein werden und dem Kläger zweckgebunden für seine Memoiren zur Verfügung gestellt wurden. U.a. erhielt der Beklagte zu 1) nach einer Sicherheitsüberprüfung mittels „Konferenzbescheinigung“ vom 17.12.2001 (Anlage OC 5, Bl. 1680 GA), lautend auf:

24
„T; DR., vom WDR für Büro BK a.D. Dr. Kohl“

25
befristet bis 30.06.2002 Zugang zu Verschlusssachen des Bundeskanzleramtes bis einschließlich des Geheimhaltungsgrades „GEHEIM“ mit dem abschließenden Vermerk:

26
„Die Bescheinigung ist nach Beendigung des Auftrags, für den sie ausgestellt worden ist, der ausstellenden Behörde zurückzugeben.“

27
Auch veranlasste der Kläger, dass der Beklagte zu 1) Einblick erhielt in die den Kläger betreffenden, 13 Bände umfassenden Ermittlungsunterlagen des Staatssicherheitsdienstes der DDR („Stasi-Akte“), deren Veröffentlichung der Kläger in einem langjährigen Rechtsstreit hatte sperren lassen.

28
Zur Vorbereitung der Einsichtnahme übermittelte der Beklagte zu 1) einen von ihm selbst verfassten Entwurf eines Antrags auf Akteneinsicht (Telefax vom 12.03.2002, Anlage K 14, Bl. 399 GA) an den Kläger, welcher auszugsweise wie folgt lautet:

29
„Sehr geehrte Frau C,

30
hiermit beantrage ich Einsicht in meine Stasi-Akten für den Kölner Publizisten und Dokumentarfilmautor Dr. T … . soll in diesem Fall nicht in seiner Eigenschaft als Forscher oder Journalist Einblick in meine Stasi-Akten nehmen, sondern als mein Vertrauter in meinem Auftrag stellvertretend für mich als Opfer des Ministeriums für Staatssicherheit … ..Ich habe Herrn Dr. T beauftragt, eine umfassende Expertise über sämtliche Aktenbestände … anzufertigen, die vom Ministerium für Staatssicherheit über mich und meine Familie angelegt und archiviert wurden … . Ich beabsichtige, die Ergebnisse der T-schen Untersuchung in meine Memoiren einfließen zu lassen … Um Vertraulichkeit bitte ich Sie ausdrücklich.“

31
Der Beklagte zu 1) sichtete in aufwändigen Recherchen das ihm zugängliche Material. Er entschied, welche von ihm für relevant erachteten, als geheim eingestuften Akten des Bundeskanzleramtes weiter eingesehen werden sollten. Diese wurden vom Bundeskanzleramt in das Büro des Klägers transferiert und dort in einem Panzerschrank gelagert. Auf Wunsch des Beklagten wurden dort umfangreich Kopien für den Beklagten gefertigt. Der Kläger veranlasste ferner, dass Akten aus Gründen der Zeitersparnis dem Beklagten in dessen Privathaus zur Verfügung gestellt wurden. In gleicher Weise recherchierte der Beklagte in den Archiven der Konrad-Adenauer-Stiftung, die auf Veranlassung des Klägers ihm gleichfalls zugänglich gemacht worden waren. Darüber hinaus betrieb der Beklagte zu 1) umfangreiche, eigenständige Recherchen in öffentlichen und allgemein zugänglichen Quellen.

32
Auf Basis des von ihm gesichteten Materials erstellte der Beklagte zu 1) ein Stichwortkonzept, das Grundlage für die weiteren Gespräche mit dem Kläger war. In der Zeit vom 01.10.1999 bis 07.04.2002 (der Folgezeitraum ist zwischen den Parteien streitig) wurden an über 100 Tagen während über 600 Stunden auf 200 Tonbändern die Fragen und Stichworte des Beklagten und des Zeugen Dr. M sowie die Ausführungen des Klägers hierzu aufgezeichnet. Über die Erstellung der Tonbandaufnahmen und deren Verwendung trafen der Kläger und der Beklagte zu 1) keine schriftlichen Vereinbarungen.

33
Der Kläger sprach in freier Rede sehr ausführlich sein gesamtes Leben auf Band, und zwar aus der Zeit vor der Übernahme höchster politischer Ämter sowie aus seiner Zeit als Ministerpräsident des Landes Rheinland-Pfalz und insbesondere aus den 16 Jahren, in denen er das Amt des Bundeskanzlers ausübte. Der Kläger erwähnte dabei ohne chronologische Gliederung auch aktuelle politische Themen und erläuterte seine persönliche Einschätzung hierzu. Der Kläger äußerte sich teilweise in drastischer sowie umgangssprachlicher Ausdrucksweise. In seinen Memoiren hatte der Kläger Äußerungen in dieser Schärfe und Deutlichkeit bewusst vermieden, um nicht partei- und regierungsschädigend zu agieren und keine Bücher der Rache zu schreiben.

34
Wiederholt wies der Kläger den Beklagten zu 1) an, den weiteren Gesprächsverlauf nicht auf Tonband aufzuzeichnen, teils ordnete der Kläger an, dass seine zuvor aufgezeichneten Äußerungen nicht in die Memoiren einfließen sollten („das schreiben wir nicht“). Solche Anweisungen sind u.a. in den von Beklagtenseite auszugsweise vorgelegten Transkriptionen zu den Äußerungen Nr. 15, 95, 96, 110 – 113 enthalten (OC 55, Bl. 2717; OC 122, Bl. 2856; sowie OC 133, Bl. 2870 GA zu Pressechefs: „Ich muss doch nicht die Namen nennen“).

35
Gegenstand der auf Tonband aufgenommenen Gespräche war, beginnend seit Februar 2000, auch die Abfassung eines fiktiven Tagebuches des Klägers „Helmut Kohl – Mein Tagebuch 1998-2000“ (nachfolgend: Tagebuch), aus Anlass der sogenannten „Spendenaffaire“, aufgrund derer der Kläger seine Sicht, die Jahre 1998 – 2000 betreffend, zeitnah darstellen wollte. Hierzu schlossen der Kläger und der Beklagte zu 1) mit dem Verlag im Juli/August 2000 Verträge mit vergleichbaren Regelungen, wie sie in den Verträgen über die Erstellung der „Erinnerungen“ des Klägers vereinbart worden waren. Das Tagebuch wurde gleichfalls von dem Beklagten zu 1) als Ghostwriter verfasst und nur der Kläger als Autor benannt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Verträge Dr. T/Verlag vom 25.07./29.07.2000 und Dr. Kohl/Verlag vom 25.07./05.08.2000 (Anlage K 12 und K 30, Bl. 1810ff, 2311 ff GA) Bezug genommen.

36
In dem Tagebuch ließ der Beklagte zu 1) mit Zustimmung des Klägers Selbstaussagen des Klägers, die dieser während der auf Tonband aufgenommenen Gespräche geäußert und teils direkt für das Tagebuch bestimmt hatte, mit einfließen. Vor Veröffentlichung des Tagebuches stimmte der Beklagte zu 1) die Fassung mit dem Kläger ab, „passagenweise blieb kein Stein auf dem anderen“ (Buch S. 37).

37
Der Beklagte zu 1) nahm die Originaltonbänder, die der Kläger persönlich zu keinem Zeitpunkt in Händen hatte, zur Vorbereitung der geplanten Buchveröffentlichungen jeweils mit nach Hause. Er ließ dort die Tonbandgespräche von seiner Schwester, der Zeugin L, niederschreiben. Die Abschrift (Transkription) hat einen Umfang von ca. 3000 Seiten.

38
Zwischen den Parteien ist streitig, ob die Transkriptionen die Äußerungen des Klägers insgesamt zutreffend wiedergeben.

39
Die von den Beklagten zu 1) und 2) zum Beweis der Authentizität der streitgegenständlichen Äußerungen vorgelegten Transkriptions-Ausschnitte (Anlagen OC 25 – 139, Bl. 2671 – 2878 GA) enthalten stellenweise Auslassungen ( … .), Anmerkungen wie (???) (z.B. OC 27, 50, 100, 105), Neyhauß?? (OC 132), Unterbrechungen mitten im Satz … ?? (OC 51, 112). Angaben zu Ausdrucksweise und Emotionen der Äußernden fehlen. Als Satzendzeichen wurden ausschließlich Punkt (.) und Fragezeichen (?) gesetzt.

40
Die Sprecher werden, von wenigen Ausnahmen (Kürzel „MJ“ z.B.) nicht bezeichnet. Äußerungen des Klägers sind daran zu erkennen, dass sie nicht in Kursivschrift gesetzt wurden.

41
Der Kläger hat zu 13 der streitgegenständlichen Äußerungen (Nr. 11, 16, 17, 19, 21, 22, 27, 49, 62, 89, 97, 100, 103) von der Zeugin Dr. Kohl – Richter erstellte Auszüge von Abschriften der Originaltonbänder vorgetragen (Schriftsatz vom 21.11.2016, Bl. 2028 ff GA). Diese Abschriften unterscheiden sich teils deutlich im Wortlaut und der jeweiligen Person zugeschriebenen Äußerung von den korrespondierenden, von Beklagtenseite vorgelegten Transkriptionen.

42
Die Beklagten zu 1) und 2) haben in der Folge Auszüge aus Tonbandkopien zu 11 der Äußerungen (Nr. 11, 16, 17, 19, 21, 22, 27, 89, 97, 100, 103) vorgelegt (CD mit Audio-Dateien, OC 26, Hülle Bl. 2672 a). Die Parteien streiten darüber, ob die von Klägerseite vorgetragenen Abschriften zutreffende Wort-für-Wort-Protokolle der Originaltonbänder sind.

43
Aufgrund eines Unfalls im Februar 2008, bei dem sich der Kläger eine schwere Kopfverletzung zuzog, musste der Kläger seine Arbeit an den Memoiren unterbrechen. In der Folgezeit kam es zu einem Zerwürfnis zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 1). Der Beklagte zu 1) veröffentlichte über die erste Ehefrau des Klägers ein Buch, welches Passagen enthielt, die der Kläger als Vertrauensbruch empfand.

44
Mit Schreiben seiner jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 24.03.2009 kündigte der Kläger die Zusammenarbeit mit dem Beklagten auf.

45
Mit Vertrag vom 06./10.09.2009 (Bl. 112 f GA) einigten sich der Beklagte zu 1) und der Verlag über die Aufhebung der zuvor zwischen ihnen geschlossenen, hier streitgegenständlichen Verträge unter Aufrechterhaltung der Rechteeinräumung für den Verlag sowie des Verzichts des Beklagten auf seine Benennung als Urheber. Der Beklagte zu 1) wurde von dem Verlag finanziell abgefunden.

46
Nachdem der Beklagte zu 1) in einem Interview, veröffentlicht in der Zeitschrift „Z“, Ausgabe 39/2012, für einen späteren Zeitpunkt die Veröffentlichung einer Biografie des Klägers unter Verwendung des Tonbandmaterials in Aussicht gestellt hatte, wurde der Beklagte zu 1) zur Herausgabe der Originaltonbänder verurteilt auf Grundlage eines dem Kläger gegen den Beklagten zu 1) zustehenden Herausgabeanspruchs aus Auftragsverhältnis (Urteil der erkennenden Kammer vom 12.12.2013 – Az.: 14 O 612/12, in der Begründung abweichend OLG Köln, Urteil vom 01.08.2014 – 6 U 20/14 – Ghostwriter-Tonbänder, nachgehend (bestätigend) BGH, Urteil vom 10.07.2015 – V ZR 206/14 – Kanzler Kohls Tonbänder) – Anlagen K 1 und K 2, Bl. 11 – 48 GA sowie Bl. 677 – 694 GA).

47
Der Beklagte zu 1) gab im Rahmen der Zwangsvollstreckung 200 Tonbänder an den Kläger heraus. Zwischen den Parteien ist streitig, ob auf 4/5 dieser Originaltonbänder keine Tonaufnahmen mehr hörbar sind, weil diese von Seiten des Beklagten zu 1) gelöscht wurden. Aufnahmen auf Tonbändern der Art, wie sie als Originaltonbänder genutzt wurden, können bei Kontakt mit Magneten leicht gelöscht werden.

48
Der Beklagte zu 1) verneinte anlässlich eines Interviews in der ARD-Fernsehsendung „Günther Jauch“ vom 12.10.2014 die Frage, ob er die Originaltonbänder gelöscht habe und ergänzte, die (Original)Tonbänder seien mehrfach im Ausland gewesen und hätten durch Kontrollen gemusst (Anlage B 4, Bl. 616 GA).

49
Der Beklagte zu 1) verfügt, im Gegensatz zu dem Kläger, über vollständige Abschriften (Transkriptionen) und vollständige digitale Kopien der Originaltonbänder.

50
Vor der beabsichtigten Veröffentlichung des Buches, von der der Kläger nur zufällig erfahren hatte, wandte sich der Kläger schriftlich an die Beklagte zu 3) und wies darauf hin, dass er mit einer Veröffentlichung von Zitaten nicht einverstanden sei.

51
Der Kläger stellte ferner am 01.10.2014 (Az.: LG Köln 28 O 427/14) und 09.10.2014 (Az.: 28 O 445/14) vergeblich jeweils gegen den Z-Verlag Z1 GmbH & Co. KG einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung mit dem Ziel, einen Vorabdruck des streitgegenständlichen Buches in einem Druckwerk oder die öffentliche Zugänglichmachung im Internet zu verhindern.

52
Vor Veröffentlichung des streitgegenständlichen Buches erschien ein Artikel in der Zeitschrift „Z“ Nr. 41 vom 06.10.2014 (Anlage AS 9 BA 28 O 445/14), in welchem auf dem Deckblatt der Zeitschrift einige Zitate ausschnittweise, darunter das hier streitgegenständliche Zitat Nr. 22 wie folgt veröffentlicht wurden:

53
(Es folgt eine Bilddarstellung)

54
Der in der Zeitschrift enthaltene Artikel enthielt weitere Zitate. Der Artikel ist nach wie vor im Internet abrufbar. Diese Ausgabe des Zs war die auflagenstärkste des Jahres.

55
Den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 01.10.2014 nahm der Kläger nach Hinweis von Seiten des Gerichts auf fehlende Erfolgsaussicht zurück. Den Antrag vom 09.10.2014 wies das Landgericht Köln mit Beschluss vom 10.10.2014 (Bl. 27 – 30 BA) zurück und führte zur Begründung aus, es fehle an einem Verfügungsanspruch. Die Abwägung, ob das Persönlichkeitsrecht des Antragstellers oder die Pressefreiheit und das Informationsinteresse der Öffentlichkeit überwögen, könne nur in Ansehung des konkreten Äußerungszusammenhanges beurteilt werden.

56
Mit Beschlüssen vom 07.10.2014 wies das Landgericht Köln Anträge des Klägers gegen die Beklagten zu 1) und 3), gerichtet auf Erlass einer einstweiligen Verfügung mit dem Ziel, die Veröffentlichung der Lebenserinnerung des Klägers in den streikgegenständlichen Buch zu untersagen, zurück. (Az.: 28 O 433/14 und 28 O 434/14). Das streitgegenständliche Buch wurde von den Beklagten am selben Tag im Rahmen einer Pressekonferenz vorgestellt.

57
Der Kläger beantragt nunmehr Zahlung einer Geldentschädigung wegen Verletzung seines Persönlichkeitsrechts, bewirkt durch die Veröffentlichung und Verbreitung von 116 konkret bezeichneten Textpassagen aus dem Buch.

58
Zur Klarstellung sei darauf hingewiesen, dass das Zitat Nr. 7 aus dem Verfahren 14 O 315/14 nicht mehr streitgegenständlich ist, der Kläger die Äußerungen hier jedoch fortlaufend nummeriert hat. Die in diesem Verfahren in Bezug genommenen Zitate ab der Nr. 7 entsprechen aus diesem Grund jeweils dem nächsthöheren Zitat in dem Verfahren 14 O 315/14 (hier Zitat Nr. 7, dort Zitat Nr. 8 usw.)

59
Die Zitate Nr. 115 und 116 sind erstmals streitgegenständlich.

60
Der Kläger ist der Ansicht, die Veröffentlichung und Verbreitung der streitgegenständlichen Zitate in dem Buch stelle eine schwerwiegende Verletzung seines Persönlichkeitsrecht dar, derentwegen ein Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung begründet sei.

61
Der Kläger bestreitet unter Bezugnahme auf von ihm vorgelegte Tonbandabschriften die Richtigkeit der von den Beklagten als Originalzitate oder in indirekter Rede wiedergegebenen, dem Kläger zugeschriebenen Äußerungen in dem streitgegenständlichen Buch.

62
Hierzu behauptet er, nur auf 42 der an ihn herausgegebenen Originaltonbänder seien Gespräche oder Stimmen verständlich, teils in sehr schlechter Qualität. Dies habe der Tontechniker festgestellt, welchem die Originaltonbänder unmittelbar nach Herausgabe von Seiten des Beklagten zu 1) ausgehändigt worden seien. Die Originaltonbänder seien von Seiten des Beklagten zu 1) „angelöscht“ worden.

63
Der Kläger behauptet, seine Ehefrau, die Zeugin Dr. Y1 habe sämtliche Tonbänder abgehört und dabei festgestellt, dass lediglich 13 der streitgegenständlichen 116 Äußerungen annähernd im Wortlaut auf den Originaltonbändern hörbar seien. Hierzu nimmt der Kläger Bezug auf von ihm vorgelegte, von der Zeugin angefertigte Wort-für-Wort-Protokolle zu den Äußerungen Nr. 11, 16, 17, 19, 21, 22, 49, 62, 89, 97, 100.

64
Der Kläger behauptet weiter, er habe aufgrund des Zeitablaufs keine detaillierte Erinnerung mehr an den Inhalt und genauen Wortlaut der mit dem Beklagten zu 1) vor 14 – 16 Jahren geführten, mehr als 600 Stunden dauernden Gespräche. Da die Überprüfung der 13 ansatzweise auf den Originaltonbänder noch hörbaren Äußerungen ergeben habe, dass Äußerungen teils unrichtig seien, der Kläger im Wortlaut verfälscht, unkorrekt zitiert worden sei und die Äußerungen zudem aus dem Zusammenhang gerissen worden seien, müsse er davon ausgehen, dass auch die restlichen, von Beklagtenseite behaupteten Äußerungen unzutreffend seien.

65
Der Kläger ist der Ansicht, die Wiedergabe der streitgegenständlichen Äußerungen als Originalzitate bzw. Äußerungen in indirekter Rede des Klägers im streitgegenständlichen Buch stelle eine schwerwiegende, rechtswidrige Verletzung seines Persönlichkeitsrechts dar, die nicht durch das Recht der Beklagten zu 2) und 3) auf Meinungs- und Pressefreiheit gerechtfertigt sei. Ein öffentliches Interesse an der Mitteilung der Informationen als solcher bestehe nicht, es werde lediglich die Sensationslust bedient durch Mitteilung drastischer, abfälliger Formulierungen, die er in der Öffentlichkeit im Rahmen von Publikationen stets vermieden habe.

66
Eine weitergehende Interessenabwägung zwischen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht sowie der Meinungs- und Pressefreiheit auf Seiten der Beklagten sei zur Feststellung der Rechtswidrigkeit des Eingriffs nicht erforderlich. In Bezug auf den Beklagten zu 1) folge dies bereits daraus, dass dieser aufgrund der im Verhältnis zum Kläger vertraglich übernommenen Verschwiegenheitsverpflichtung auf seine Grundrechte aus Art. 5 Abs. 1 GG in zulässiger Weise verzichtet habe.

67
Hierzu behauptet der Kläger, der Beklagte zu 1) habe sich im Rahmen des mit dem Kläger vereinbarten Auftragsverhältnisses zur Erstellung der Materialsammlung für die Memoiren zugleich zur Geheimhaltung der ihm in Zusammenhang mit der Materialsammlung für die Memoiren bekannt gewordenen Tatsachen, einschließlich der Äußerungen des Klägers auf Tonband, verpflichtet. Der Kläger ist der Ansicht, die Vereinbarung einer Verpflichtung des Beklagten zu 1) zur Verschwiegenheit sei konkludent möglich gewesen und habe insbesondere nicht den Abschluss einer ausdrücklichen Autorisierungsvereinbarung vorausgesetzt.

68
Der Kläger behauptet ferner, die Original-Tonbandaufnahmen seien dem Beklagten zu 1) nicht zur eigenständigen, journalistischen Auswertung zur Verfügung gestellt worden. Vielmehr seien die Aufnahmen entsprechend der in den schriftlichen Verträgen mit dem Verlag erwähnten weiteren mündlichen Absprachen ausschließlich zur Erstellung des Manuskripts der Memoiren gefertigt und dem Beklagten zu 1) ausschließlich für diesen Zweck anvertraut worden. Der Kläger und der Beklagte zu 1) hätten sich ferner dahingehend geeinigt, dass der Beklagte zu 1) im Auftrag des Klägers die Materialsammlung für die geplanten Memoiren erstellen und über deren Inhalt, einschließlich der Tonbänder, Stillschweigen bewahren sollte. Mit einer Aufzeichnung sei er, der Kläger, nur einverstanden gewesen, weil beide sich einig gewesen seien, dass allein der Kläger über die Verwendung der Äußerungen zu bestimmen habe. Sinn und Zweck der Tonbandaufzeichnungen sei neben der Gewährleistung der Spontanität des Klägers gewesen, die aufwendige Erinnerungsleistung des Klägers dauerhaft zu fixieren, um hierauf, auch im Falle des Wechsels des Zuarbeiters, zurückgreifen zu können. Hierzu behauptet der Kläger, er beabsichtige, seine Memoiren zu vollenden.

69
Der Kläger behauptet weiter, der Beklagte zu 1) sei für ihn nicht in seiner Funktion als Journalist und Publizist tätig geworden, sondern als Vertrauter und Zuarbeiter des Klägers, da – insoweit unstreitig – der Kläger nicht bereit gewesen sei, dem Beklagten zu 1) als Gesprächspartner für eine weitere Biographie zur Verfügung zu stehen, sondern seine eigene Autobiographie habe schreiben wollen. Hierauf habe sich der Beklagte zu 1) eingelassen und dadurch zu erkennen gegeben, dass er über sämtliche Informationen, die der Kläger ihm lediglich zweckgebunden für die Memoiren zur Kenntnis brachte, Stillschweigen bewahren werde.

70
Die wesentliche Aufgabe des Beklagten zu 1) als Zuarbeiter habe darin bestanden, nach Vorgaben des Klägers die Kärrnerarbeit der Recherche und des Zusammentragens der Informationen zu erledigen. Die Verpflichtung des Beklagten zu 1) zur Verschwiegenheit sei zudem unabdingbare Voraussetzung für den dem Beklagten zu 1) eröffneten Zugang zu Verschlusssachen sowie der Stasi-Akte des Klägers gewesen. Dass die Parteien zu Beginn der Zusammenarbeit sich konkludent über eine Verpflichtung des Beklagte Verschwiegenheit verständigt hätten und der Beklagte zu 1) seine Rolle ebenso eingeschätzt habe, folge auch aus dem von dem Beklagten zu 1) verfassten Telefax-Entwurf vom 12.03.2002 (Anlage K 14, Bl. 399 GA, Antrag auf Akteneinsicht

71
Die Tonbandaufzeichnungen seien nicht als journalistische Interviews geführt worden, vielmehr hätten der Beklagte zu 1) sowie der Zeuge Dr. M lediglich als Stichwortgeber fungiert. Die Aufzeichnungen als solche seien in allen Punkten aus seiner persönlichen und höchst subjektiven Sicht erfolgt, wobei er umfassend, selbstbestimmt und teils monologartig seine Lebensgeschichte vollständig erzählt habe als Grundlage für die zu erstellenden Memoiren. Die auf den Tonbändern aufgenommenen Erläuterungen für den Zeitraum, der das Projekt „Tagebuch“ umfasste, seien zugleich auch für das Buchprojekt „Erinnerungen“ gedacht gewesen, welches er während der Gespräche als „große Memoiren“ bezeichnet habe. So habe er am 06.08.2000 zugleich für die „Erinnerungen“ und für das „Tagebuch“ auf Band gesprochen, wie aus dem auszugsweise transkribierten Tonbandprotokoll (Schriftsatz des Klägers vom 21.11.2016, S. 6, Bl. 1683 GA) ersichtlich. Das „Tagebuch“ sei stets nur als Ausschnitt der Gesamterinnerungen gedacht gewesen, wie aus dem Vorwort zum Tagebuch (Anlage K 40, Bl. 1813 GA) folge.

72
Der Kläger ist weiter der Ansicht, die Verpflichtung des Beklagten zu 1) zur Geheimhaltung werde von dem zwischen dem Beklagten zu 1) und dem Verlag geschlossenen Aufhebungsvereinbarung nicht berührt, da er, wie zwischen den Parteien unstreitig ist, diesen Vertrag nicht unterschrieben habe.

73
Die Verpflichtung des Beklagten zu 1) zur Geheimhaltung sei den Beklagten zu 2) und 3) auch bekannt gewesen. Diese sei bereits in den Verlagsverträgen angelegt gewesen, zudem werde – insoweit unstreitig – in dem Buch selbst erwähnt, dass der Beklagte zu 1) sich einer Sicherheitsüberprüfung habe unterziehen müssen und als Ghostwriter des Klägers Einblick in Unterlagen erhalten habe, die Journalisten-Kollegen noch Jahrzehnte verschlossen seien.

74
Der Kläger ist der Ansicht, aufgrund der Schwere der Persönlichkeitsverletzung sei diese nicht anders als durch Zahlung einer Geldentschädigung auszugleichen.

75
Hierzu behauptet er, die Veröffentlichung und Verbreitung der streitgegenständlichen Zitate habe zu einer grob verfälschten, öffentlichen Wahrnehmung seiner Person geführt. Seine Verdienste für Deutschland und Europa, derenthalben ihm der Ehrentitel „Ehrenbürger Europas“ verliehen worden sei, seine wesentliche Beteiligung an der Annäherung Deutschlands und Frankreichs, der Wiedervereinigung Deutschlands, seine Bemühungen für ein friedliches und vereintes Europa, würden durch das Bild, welches die Beklagten mit dem streitgegenständlichen Buch von ihm zeichneten, völlig verfälscht. Er werde unzutreffend als ein Politiker dargestellt, der nicht zu ausgewogenem Urteil fähig sei und aus kleinlicher Rachsucht handele. Äußerungen, die er im Vertrauen darauf, dass sie zu keinem Zeitpunkt an die Öffentlichkeit dringen würden, in unterschiedlicher Stimmungslage gemacht habe, würden als festes Bild der Öffentlichkeit präsentiert, ohne dass er die Möglichkeit habe, dies zu revidieren.

76
Die hiermit einhergehende Persönlichkeitsrechtsverletzung sei auch deshalb so gravierend, weil die Beklagten bewusst ein verfälschtes, einseitiges Bild von ihm gezeichnet hätten und durch Aufmachung und Bewerbung des Buches in der breiten Öffentlichkeit den Eindruck erweckt hätten, dass von ihm gezeichnete Bild sei authentisch und gebe seine wahre Persönlichkeit wieder. Schon aus den von Beklagtenseite vorgelegten Transskript-Ausschnitten sei zu entnehmen, dass er sich vielfach positiv, insbesondere auch zu den in den streitgegenständlichen Passagen erwähnten Personen, geäußert habe. Die Beklagten hätten bewusst solche positive Einschätzungen nicht wiedergegeben und zudem die ihm unterstellten Äußerungen selbst bei einem Vergleich mit den Transskripten noch wahrheitswidrig und sinnentstellend zugespitzt. Das vorgetragene Interesse der Beklagten, die Persönlichkeit des Klägers unverfälscht darzustellen und der „Deutungshoheit“ der Ehefrau des Klägers zu entziehen, sei nur vorgeschoben. Tatsächlich sei es den Beklagten allein um Maximierung des wirtschaftlichen Erfolgs unter Ausnutzung der Bekanntheit des Klägers gegangen. Bereits die Art und Weise der Verwendung der angeblichen Originalzitate belege, dass die Beklagten nicht in journalistischer Arbeitsweise um Authentizität bemüht gewesen seien, mit der indes das Buch massiv beworben worden sei.

77
Die Folge der Veröffentlichung sei, dass seine Beziehungen und Freundschaften zu Politikern und langjährigen Weggefährten im In- und Ausland dauerhaft beeinträchtigt und zerrüttet seien. So sei seine Freundschaft zu Michail Gorbatschow durch die Veröffentlichung der Äußerungen Nr. 115 und 116, welcher diese als tiefe Kränkung empfunden habe, nachhaltig beeinträchtigt. Dies sei besonders gravierend, weil er Michail Gorbatschow gegenüber tiefe Dankbarkeit für dessen Verdienste um die deutsche Wiedervereinigung empfinde und diesen niemals bewusst so gekränkt hätte, wie durch die Veröffentlichung geschehen.

78
Der Kläger behauptet weiter unter Bezugnahme auf in Kopie vorgelegte Internetkommentare, dass von den Beklagten gezeichnete negative Bild habe sich in der breiten Öffentlichkeit durchgesetzt. Ihm sei es auch nicht möglich aufgrund der weiten Verbreitung der Zitate, dem entgegen zu wirken oder eine Richtigstellung zu erreichen.

79
Hinsichtlich der Bemessung der Geldentschädigung ist der Kläger der Ansicht, von dieser müsse ein deutlicher Hemmungseffekt ausgehen, da die Beklagten weitere Veröffentlichungen beabsichtigten, wie bereits aus der Einleitung des Buches zu entnehmen und von dem Beklagten zu 1) auch in Interviews angekündigt.

80
Die außerordentliche Breitenwirkung der Veröffentlichung, einhergehend mit einer Rufschädigung des Klägers über die Grenzen Europas hinaus, bedinge, dass die zum Ausgleich zu zahlende Geldentschädigung entsprechend hoch zu bemessen sei. Dabei sei auch der von den Beklagten erzielte wirtschaftliche Erfolg zu berücksichtigen. Hierzu behauptet der Kläger, für das streitgegenständliche Buch hätte ihm auf Grundlage der Verlagsverträge ein Autorenhonorar in Höhe von mehr als … EUR zugestanden. Zu berücksichtigen sei auch, dass der Beklagte zu 1) ein Honorar in gleicher Höhe als Ghostwriter erzielt habe.

81
Zwar sei der Geldentschädigungsanspruch nicht als Schadensersatz oder Gewinnabschöpfung zu bemessen, der auf seine Kosten erzielte wirtschaftliche Erfolg der Beklagten könne aber nicht unberücksichtigt bleiben, wie auch die Finanzkraft der Beklagten zu 3).

82
Der Kläger ist schließlich die Ansicht, die Beklagten hafteten als Gesamtschuldner, da sie die Veröffentlichung und Verbreitung der streitgegenständlichen Zitate als Mittäter in „Teamwork“ begangen hätten.

83
Der Kläger beantragt,

84
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn eine in das Ermessen des Gerichts gestellte Geldentschädigung in einer Größenordnung von mindestens 5 Mio. EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, und zwar wegen der Veröffentlichung der nachfolgend aufgeführten Passagen in dem Buch „Vermächtnis – Die Y-Protokolle“ (gebundenes Buch, 256 Seiten, ISBN …, B-Verlag) und in dem gleichnamigen Hörbuch (gelesen von A, Spieldauer 7 Stunden 41 Minuten, ISBN … S Audio): (wie im Tenor aufgeführt)

85
Die Beklagten beantragen,

86
die Klage abzuweisen.

87
Die Beklagten sind der Ansicht, dem Kläger stehe schon dem Grunde nach kein Anspruch auf Geldentschädigung zu. Es fehle bereits an einer rechtswidrigen Persönlichkeitsrechtsverletzung.

88
Die Beklagten behaupten hierzu, der Kläger sei mit einer Veröffentlichung und Verbreitung der streitgegenständlichen Äußerungen einverstanden gewesen.

89
Die Beklagten bestreiten den Abschluss einer Geheimhaltungsvereinbarung zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 1). Sie sind der Ansicht, der Kläger habe bereits die Voraussetzungen eines solchen Vertragsschlusses nicht schlüssig dargelegt. Auch die von dem Kläger in Bezug genommenen Aussagen des Zeugen Dr. M in dem Rechtsstreit LG Köln 14 O 612/12 vermöchten eine Geheimhaltungsabrede nicht zu belegen.

90
Die Beklagten behaupten, tatsächlich sei es dem Kläger auf eine Geheimhaltung nicht angekommen, er habe sich vielmehr aus eigenem Antrieb unbefangen in der Öffentlichkeit äußern wollen. Der Kläger habe zu keinem Zeitpunkt erklärt, er wünsche nicht, dass die Gespräche nicht veröffentlicht würden. Anweisungen wie „das schreiben wir nicht“ seien stets nur auf die einzelne Situation bezogen gewesen. Die Beklagten hätten diese Anweisungen auch beachtet.

91
Die mit dem Kläger geführten Gespräche seien journalistische Interviews gewesen. Aufgrund der journalistischen Arbeitsweise des Beklagten zu 1) sei auch für den Kläger klar erkennbar gewesen, dass der Beklagte zu 1) die ihm mitgeteilten Äußerungen verwerten werde. Die Beklagten sind der Ansicht, als Journalist sei der Beklagte zu 1) auch ohne Abstimmung mit dem Kläger berechtigt, die in seiner, des Beklagten zu 1), Gegenwart erfolgten Tonbandaufzeichnungen zu veröffentlichen und zu verbreiten, soweit diese nicht Eingang in die Memoiren gefunden hätten. Dies habe der Beklagte zu 1) in der Folge auch in mehreren Publikationen getan. Der Kläger habe hiervon Kenntnis gehabt, ohne dass Widerspruch von Seiten des Klägers erfolgt sei.

92
Die Veröffentlichung von Äußerungen des Klägers in teils drastischer Wortwahl im Jahr 2010 im Rahmen einer Dissertation des Zeugen Dr. R belege, dass der Kläger schon vor Veröffentlichung des streitgegenständlichen Buches nicht, wie vom Kläger behauptet, sich stets gegenüber der Öffentlichkeit um gemäßigte Äußerungen gegenüber politischen Freunden und Gegnern bemüht habe. Hierzu behaupten die Beklagten, der Zeuge Dr. R habe ein Schreiben des Klägers, in welchem dieser die Veröffentlichung des streitgegenständlichen Interviews nur mit Einschränkungen genehmigte, nicht erhalten.

93
Die Beklagten zu 1) und 2) behaupten unter Bezugnahme auf die von ihnen vorgelegten Ausschnitte von Transkriptionen und Audio-Dateien, der Kläger sei in dem streitgegenständlichen Buch zutreffend zitiert worden. Widersprüche zwischen den dokumentierten Äußerungen des Klägers und den von den Beklagten veröffentlichten Zitaten seien nicht ersichtlich. Die sprachliche und grammatikalische Glättung einzelner Äußerungen verstoße nicht gegen den Grundsatz der Zitattreue. Auch seien die Zitate jeweils in zutreffendem Zusammenhang wiedergegeben. Die Beschreibung der Ausdrucksweise einzelner Zitate sowie die Darstellung mit Ausrufezeichen seien im Rahmen der Meinungsfreiheit der Beklagten zulässig. Auch könne der Kläger keinen Anspruch darauf erheben, dass auf den Originaltonbändern möglicherweise enthaltene, positive Äußerungen des Klägers zu den in den streitgegenständlichen Äußerungen Genannten in dem Buch gleichfalls erwähnt würden. Die Auswahl der zu veröffentlichenden Äußerungen stehe im Rahmen der Meinungsfreiheit der Beklagten.

94
Hierzu behaupten die Beklagten, an den veröffentlichten Zitaten des Klägers bestünde ein überragendes öffentliches Interesse sowohl im Hinblick auf die Person des Äußernden als herausragende Person der Zeitgeschichte als auch im Hinblick auf den Inhalt der Äußerungen. Sie sind der Ansicht, die Äußerungen des Klägers seien nicht der Privat- sondern der Sozialsphäre zuzuordnen, weil es sich um Stellungnahmen des Klägers zu seinem Wirken im politischen Leben und zu politischen Freunden und Feinden gehandelt habe. Aufgrund der herausragenden Stellung des Klägers als Politiker, der – von Klägerseite insoweit unwidersprochen – der bedeutendste Politiker der letzten 50 Jahre sei, sei die von dem Kläger behauptete Verletzung seines Persönlichkeitsrechts jedenfalls im Hinblick auf die den Beklagten zustehende Meinungs- und Pressefreiheit nicht rechtswidrig.

95
Die Beklagten sind ferner der Ansicht, selbst eine rechtswidrige Persönlichkeitsrechtsverletzung unterstellt, rechtfertige die nicht die Zubilligung einer Geldentschädigung, da es an einer schwerwiegenden Beeinträchtigung fehle. Der Kläger habe schon nicht substantiiert dargetan, dass er durch die streitgegenständliche Veröffentlichung nachhaltig beeinträchtigt sei. Die pauschale Benennung von beeinträchtigten Beziehungen zu Menschen im In- und Ausland sei schon nicht einlassungsfähig. Die Beklagten behaupten, es sei allgemein bekannt, dass die Beziehungen des Klägers zu politischen Weggefährten, nicht zuletzt aufgrund der Spendenaffäre, zuvor schon zerrüttet gewesen seien. Die Beklagten bestreiten ferner, dass der Kläger und Michail Gorbatschow freundschaftlich verbunden gewesen seien.

96
Die Beeinträchtigung des Klägers sei zudem durch die erwirkte Unterlassungsverfügung anderweitig aufgefangen. Auch habe der Kläger, weil er weder gegen die Veröffentlichung ähnlich drastischer Äußerungen von Seiten des Zeugen Dr. R im Jahr 2010, noch gegen die fortdauernde Verbreitung der Zitate im Internet vorgegangen sei, dokumentiert, dass die Veröffentlichung solcher Äußerungen ihn nicht erheblich beeinträchtige.

97
Die Beklagten zu 1) und 2) sind weiter der Ansicht, ein Anspruch des Klägers auf Geldentschädigung scheide auch deshalb aus, weil ihnen kein Verschulden zur Last falle. Hierzu behaupten sie, vor Veröffentlichung des streitgegenständlichen Buches Rechtsrat eingeholt zu haben. Die Zulässigkeit der Veröffentlichung auch der streitgegenständlichen Zitate sei von dem Justiziar der Beklagten zu 3) und einem weiteren Juristen geprüft worden. Die Prüfung habe ergeben, dass die Veröffentlichung rechtmäßig sei.

98
Die Beklagten zu 2) und 3) bestreiten, Kenntnis von der behaupteten Geheimhaltungsvereinbarung des Klägers mit dem Beklagten zu 1) gehabt zu haben. Sie vertreten die Auffassung, eine etwaige Geheimhaltungsvereinbarung sei allenfalls geeignet, ein Anspruch des Klägers gegen den Beklagten zu 1) zu begründen. Die Veröffentlichung der streitgegenständlichen Äußerungen durch die Beklagten zu 2) und 3) sei hingegen in keinem Fall rechtswidrig.

99
Die Beklagte zu 3), die sich im Übrigen das Vorbringen der Beklagten zu 1) und 2) zu eigen macht, bestreitet eine Kenntnis von dem Telefax vom 12.03.2002 (Anlage K 14, Bl. 399 GA) im Zeitpunkt der Veröffentlichung des Buches. Sie behauptet, ihr sei insoweit nur der Wortlaut der von dem Kläger, dem Beklagten und dem Verlag geschlossenen Verträge bekannt gewesen, aus denen sich gerade keine Geheimhaltungsvereinbarung ergebe. Ihr hätte nicht die Gesamttranskription, sondern nur eine von den Beklagten zu 1) und 2) getroffene Vorauswahl von Zitaten vorgelegen. Die rechtliche Prüfung habe sich nur darauf bezogen, ob ein öffentliches Interesse im Sinne von § 51 UrhG die Veröffentlichung unter urheberrechtlichen Gesichtspunkten rechtfertigen könne. Nichts anderes habe der Zeuge E auch im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 30.10.2014 (14 O 315/14) gesagt.

100
Die Beklagten sind schließlich die Ansicht, der Kläger könne sie nicht als Gesamtschuldner auf Zahlung von Geldentschädigungen in Anspruch nehmen, vielmehr sei für jeden Beklagten gesondert eine etwaige, von diesem verschuldete Persönlichkeitsrechtsverletzung im Rahmen der den jeweiligen Beklagten zur Last fallenden, gleichfalls gesondert zu beurteilenden Umstände festzusetzen.

101
Hinsichtlich des weiteren Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

102
Mit nachgelassenen Schriftsätzen vom 09.01.2017 (Bl. 3065 ff GA) und 12.01.2017 (Bl. 3050 ff), bei Gericht eingegangen innerhalb der Schriftsatzfrist, vertreten die Beklagten zu 3) die Ansicht, ein Geldentschädigungsanspruch des Klägers gegen die Beklagten sei nicht gerechtfertigt, da der Kläger gegen eine noch aktuelle Weiterverbreitung der streitgegenständlichen Aussagen durch den Z-Verlag nicht vorgehe.

103
Mit nachgelassenen Schriftsatz vom 16.01.2017 (Bl. 2966-3021 GA), bei Gericht eingegangen innerhalb der Schriftsatzfrist, bestreitet der Kläger erneut die Richtigkeit der 116 streitgegenständlichen Zitate. Er führt dazu aus, dass die von Beklagtenseite vorgelegten Transkriptionen die jeweiligen Gespräche in Wortlaut und dem Inhalt nach nicht zutreffend wiedergäben, diese seien nicht geeignet seien, als Nachweis für die in dem Buch als Originalzitate dargestellten Äußerungen des Klägers zu dienen. Hierzu nimmt der Kläger Bezug auf eine Abschrift der von Beklagtenseite vorgelegten Audiodateien (Anlage K 33, Bl. 3022-3038 GA), vergleicht diese mit den bereits von Klägerseite mit Schriftsatz vom 21.11.2016 vorgetragenen Abschriften der Originaltonbänder und behauptet, der Wortlaut der Audiodateien belege, dass nur die von Klägerseite vorgelegten Abschriften zutreffende Wort-für-Wort-Protokolle darstellten.

104
Der Kläger wiederholt und vertieft seinen Vortrag, dass auch die streitgegenständlichen Zitate unter Berücksichtigung der Audio-Dateien und selbst des Wortlautes der Transkriptionen nicht im Zusammenhang dargestellt seien und zudem sinnentstellend wiedergegeben würden. Ein Teil der Zitate sei offensichtlich von den Beklagten frei erdacht, im Übrigen böswillig die Worte des Klägers aus dem Zusammenhang gerissen, durch Kombination von Äußerungen zu unterschiedlichen Zeitpunkten entstellt und durch Zuspitzungen zum Nachteil des Klägers verfremdet worden.

105
Die nicht nachgelassenen Schriftsätze der Beklagten zu 1) und 2) vom 30.03.2017 und sowie der Beklagten zu 3) vom 31.03.2017 haben vorgelegen.

106
Die Akten LG Köln 14 O 315/14, 14 O 286/14, 14 O 261/16, 28 O 427/14 und 28 O 445/14 waren beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe
I.

107
Die Klage ist im titulierten Umfang begründet, im Übrigen unbegründet.

108
Der Kläger hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung in Höhe von 1.000.000,00 EUR gemäß § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 GG.

109
Nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen kommt eine Geldentschädigung zum Ausgleich für erlittene Persönlichkeitsrechtsverletzungen dann in Betracht, wenn es sich um eine schwerwiegende Verletzung handelt und wenn sich die erlittene Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend ausgleichen lässt. Die Gewährung des Anspruchs auf eine Geldentschädigung findet ihre Rechtfertigung in dem Gedanken, dass der Verletzte anderenfalls wegen der erlittenen Beeinträchtigung seines Persönlichkeitsrechts ohne Rechtsschutz bliebe und damit der vom Grundgesetz vorgesehene Schutz der Persönlichkeit lückenhaft wäre. Aufgrund der Schwere der Beeinträchtigung und des Fehlens anderweitiger Ausgleichsmöglichkeiten muss dabei ein unabwendbares Bedürfnis für einen finanziellen Ausgleich bestehen (BGH, NJW 1995, 861, juris Rn. 74; BVerfG NJW 1973,1221, juris Rn. 37, 45; BVerfG, Beschluss v. 14.02.2017 – 1 BvR 2639/15, juris Rn. 15).

110
Ob eine schuldhafte Verletzung des Persönlichkeitsrechts schwer ist, bestimmt sich unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles nach Art und Schwere der zugefügten Beeinträchtigung, der Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, also dem Ausmaß der Verbreitung der Veröffentlichung, der Nachhaltigkeit und Fortdauer der Interessen- oder Rufschädigung des Verletzten, ferner nach dem Grad des Verschuldens sowie Anlass und Beweggrund des Handelns des Verletzers. Dabei kann schon ein einziger jener Umstände zur Schwere des Eingriffs führen (vgl. ; BGH, NJW 2014, 2029, juris Rn. 38 m.w.N.).

111
Ferner darf es keine anderweitiger Ausgleichsmöglichkeit geben. Die Gewährung einer Geldentschädigung hat die Aufgabe, eine sonst verbleibende Lücke des Persönlichkeitsrechtsschutzes zu schließen. Bei Eingriffen in die Privat- und Intimsphäre besteht eine anderweitige Ausgleichsmöglichkeit in der Regel nicht, denn die Privatsphäre des nach ihrer Öffnung unwiederbringlich, weder Gegendarstellung noch Beseitigung oder Widerruf können sie wiederherstellen (LG Köln, Urt. v. 30.09.2015 – 28 O 7/14, juris).

112
Zudem muss den Verletzer ein Verschulden treffen. Ein schweres Verschulden im Sinne von Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit ist nicht erforderlich. Andererseits kann sie aus einem schweren Verschulden jedoch gerade die Schwere des Eingriffs ergeben (BGH, NJW 1996, 1131, juris ) oder umgekehrt sein Fehlen bei der Gesamtabwägung mitentscheidend dafür sein, dass ein Anspruch auf Geldentschädigung zu verneinen ist.

113
Schließlich bedarf es eines unabwendbaren Bedürfnisses für die Gewährung einer Geldentschädigung. Ein solches liegt dann vor, wenn sich der Angriff gegen die Grundlagen der Persönlichkeit richtet; ebenso dann, wenn die Persönlichkeitsverletzung des Schamgefühl berührt und wenn sie ein Gefühl des Ausgeliefertseins hervorruft (vgl. Burkhardt in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl. 2003, Kap. 14, Rn. 128).

114
Die Gewährung einer Geldentschädigung hängt nicht nur von der Schwere des Eingriffs ab, es kommt vielmehr auf die gesamten Umstände des Einzelfalles an, nach denen zu beurteilen ist, ob ein anderweitiger befriedigender Ausgleich für die Persönlichkeitsrechtsverletzung fehlt. Bei der Abwägung ist auch die Zweckbestimmung der Geldentschädigung zu berücksichtigen. Es handelt sich dabei um ein Recht, das auf den Schutzauftrag aus Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 GG zurückgeht. Die Zubilligung einer Geldentschädigung, deren Verbindung mit diesen Vorschriften ihre Grundlage in § 823 Abs. 1 BGB findet, beruht auf dem Gedanken, dass ohne einen solchen Anspruch Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts häufig ohne Sanktion blieben mit der Folge, dass der Rechtsschutz der Persönlichkeit verkümmern würde. Anders als beim Schmerzensgeldanspruch steht bei dem Anspruch auf eine Geldentschädigung wegen einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Gesichtspunkt der Genugtuung des Opfers im Vordergrund. Außerdem soll er der Prävention dienen (vgl. zum ganzen BGH NJW 2015, 2500, juris Rn. 33 m.w.N.; BVerfGE 34, 269 – Soraya, juris Rn. 33).

115
1. Die Veröffentlichung der streitgegenständlichen Äußerungen verletzt den Kläger in seinem Persönlichkeitsrecht und ist auch nicht im Rahmen der Meinungs- und Pressefreiheit der Beklagten zu 2) und 3) gerechtfertigt (b). Im Verhältnis zum Beklagten zu 1) war die Persönlichkeitsrechtsverletzung bereits rechtswidrig, weil der Beklagte zu 1) sich gegenüber dem Kläger zur Verschwiegenheit verpflichtet hatte (a).

116
a). Der Beklagte zu 1) hat sich gegenüber dem Kläger zur Erstellung der Materialsammlung im Rahmen eines Auftragsverhältnisses verpflichtet. Zugleich haben die Parteien eine Verschwiegenheitsvereinbarung hinsichtlich des Inhalts der Materialsammlung getroffen.

117
Im Einzelnen:

118
Im Rahmen der Einigung des Klägers und des Beklagten zu 1) über die Erstellung der Tonbandaufzeichnungen zu Zwecken der Materialsammlung für die Memoiren des Klägers einigten sich der Kläger und der Beklagte zu 1) zugleich konkludent dahingehend, dass der Beklagte zu 1) über die von dem Kläger ihm anvertrauten Informationen und Einschätzungen, jedenfalls soweit sie nicht vorbekannt waren, Stillschweigen zu bewahren hat.

119
Diese Vereinbarung war auch konkludent möglich. Die vertragliche Verpflichtung des Beklagten zu 1) zur Verschwiegenheit setzte bereits deshalb nicht den Abschluss einer ausdrücklichen Autorisierungsvereinbarung voraus, weil die Gespräche zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 1) keine journalistischen Interviews waren, sondern ausschließlich die Ghostwriter-Tätigkeit des Beklagten ermöglichen und fördern sollten.

120
Die Tonbandaufzeichnungen sind nicht Ergebnis der journalistischen (Recherche-) Tätigkeit des Beklagten zu 1). Der Beklagte zu 1) wurde bei der Erstellung der Tonbandaufzeichnungen nicht als „Journalist und Historiker“ zugezogen und führte auch nicht im Rahmen eigener journalistischer Recherchen ein Interview mit dem Kläger. Bereits die von den Beklagten zu 1) und 2) vorgelegten Ausschnitte der Transkriptionen sprechen gegen die diesbezügliche Darstellung der Beklagten von dem Gesprächsverlauf. Vielmehr ist den Ausschnitten zu entnehmen, dass in weitem Umfang der (nicht benannte) „Interviewpartner“ nur kurze Fragen oder Bemerkungen von sich gibt, auf die der Kläger umfangreich, teils seitenweise Ausführungen macht. Gegen die von den Beklagten behauptete Interviewsituation spricht nicht zuletzt auch die Bemerkung des Klägers (Transkription OC 92, Bl. 2795 GA)

121
„Ich kann doch nicht das ganze Buch ohne jede Unterlage runterdiktieren. Das ist keine Unterlage … .

122
Vielmehr war der Beklagte zu 1) als von dem Verlag beauftragter und bezahlter, verdeckt arbeitender Schriftsteller (Ghostwriter), der aufgrund der mit dem Verlag getroffenen Vereinbarung nach außen hin nicht in Erscheinung treten durfte, mit der Erstellung der Materialsammlung für die Memoiren des Klägers betraut worden, wobei das auf Grundlage dieser Materialsammlung von dem Beklagten zu 1) zu erstellende Manuskript nach den gleichlautenden Vereinbarungen in den Verlagsverträgen vor einer Veröffentlichung der Endkontrolle durch den Kläger unterlag.

123
Die Kammer hält auch auf Grundlage des Vortrags der Parteien im vorliegenden Verfahren an ihrer mit Urteil vom 12.12.2013 (Az: 14 O 612/12) und 13.11.2014 (Az.: 14 O 315/14) begründeten Auffassung fest, dass die Erstellung der Tonbandaufnahmen nicht im rechtsfreien Raum oder im Rahmen einer Gefälligkeit von Seiten des Beklagten zu 1) erfolgte, sondern Gegenstand eines zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 1) vereinbarten Auftragsverhältnisses im Sinne von § 662 BGB war.

124
In dem von dem Kläger gegen den Beklagten zu 1) geführten Rechtsstreit auf Herausgabe der Originaltonbänder hat der Bundesgerichtshof (Urteil vom 10.07.2015 – V ZR 206/14, juris) zur rechtlichen Einordnung der Absprache der Parteien über die Erstellung der Materialsammlung und die Aufzeichnung der Gespräche auf Tonband ausgeführt:

125
Der Herausgabeanspruch folgt aber aus einer Vereinbarung über das von dem Kläger für die Abfassung der Memoiren zur Verfügung zu stellende Material, die die Parteien gewissermaßen „unter dem Dach“ ihrer Verträge mit dem Verlag und zur Durchführung der dort nur allgemein angesprochenen Frage der Materialsammlung konkludent getroffen haben. Diese Vereinbarung hat entsprechend der Grundstruktur der auszufüllenden Verlagsverträge den Charakter eines Auftragsverhältnisses und begründet einen Herausgabeanspruch des Klägers aus § 667 BGB.

126
Die Parteien haben die ihrer „Besprechung“ vorbehaltenen Modalitäten der Ausstattung des Beklagten mit dem zur Erstellung des Manuskripts erforderlichen Material nicht in einem schriftlichen Vertrag fixiert. Sie haben sich aber rein tatsächlich darüber verständigt, indem der Kläger dem Beklagten Unterlagen zugänglich gemacht und für lange Gespräche zur Verfügung gestanden hat. Dabei handelt es sich entgegen der Ansicht des Beklagten weder um eine Absprache im außerrechtlichen, rein gesellschaftlichen Bereich noch um eine bloße Gefälligkeit, sondern um eine rechtlich verbindliche Vereinbarung über ihre Zusammenarbeit.

127
Ob eine Partei eine rechtlich verbindliche Vereinbarung oder nur eine unverbindliche Absprache treffen will, ist anhand der Umstände des jeweiligen Einzelfalles zu bewerten (vgl. BGH, Urteil vom 17.05.1971 – VII ZR 146/69, BGHZ 56,204,209 f.). Es kommt darauf an, ob die andere Partei unter den gegebenen Umständen nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte auf einen solchen Willen schließen musste. Dies ist anhand objektiver Kriterien aufgrund der Erklärungen und des Verhaltens der Parteien zu ermitteln. Dabei sind vor allem die wirtschaftliche sowie die rechtliche Bedeutung der Angelegenheit, insbesondere für den Begünstigten, die Interessenlage der Parteien (vgl. BGH, Urteile vom 22.Juni1956 – I ZR 198/54, BGHZ 21, 102, 106 f., Vom 21.Juli 2005 – I ZR 312/02, NJW-RR 2006,117, 120, vom 18.Dezember 2008 – IX ZR 12/05, NJW 2009,1141 Rn. 7 und vom 21. Juni 2012 – III ZR 291/11, NJW 2012,3366 Rn. 14) und das objektive Bedürfnis nach einer rechtsverbindlichen Regelung (vgl. MÜKoBGB/Seiler, 6. Aufl., § 662 Rn. 59 f) zu berücksichtigen. Danach haben die Parteien miteinander hier nicht nur eine informelle Absprache getroffen, sondern einen rechtlich verbindlichen Vertrag über ihre Zusammenarbeit bei der Materialsammlung geschlossen.

128
Die Regelung dieser Zusammenarbeit war in den Verlagsverträgen der Parteien mit dem Verlag offen gelassen und einer „Besprechung“ der Parteien vorbehalten worden. Hierbei handelt es sich aber nicht, worauf die Verwendung des Begriffs „besprechen“ in den Verträgen auf den ersten Blick hindeuten mag, um einen unbedeutenden Nebenpunkt wie die Absprache eines Termins. Es ging vielmehr um die Einzelheiten der für das Gelingen des Gesamtprojekts und der Verträge der Parteien mit dem Verlag entscheidenden Ausstattung des Beklagten mit dem erforderlichen Material im weitesten Sinne.

129
Gegenstand der „Besprechung“ sollten mithin vertrauliche Unterlagen wie Handakten, Briefverkehr, Redemanuskripte und andere Dokumente aus der Zeit der politischen Tätigkeit des Klägers sein, die dieser dem Beklagten zugänglich machen sollte. Darunter befand sich auch zahlreiche Quellen, die der Öffentlichkeit aufgrund der 30-jährigen Sperrfrist für Archive noch für längere Zeit nicht zugänglich sein werden und dem Kläger zweckgebunden für seine Memoiren zur Verfügung gestellt wurden, etwa auch Auszüge aus der „Stasi-Akte“ des Klägers. In den vorgesehenen Gesprächen sollte der Kläger dem Beklagten seine persönlichen Erinnerungen, Informationen, Einschätzungen und unter Umständen auch Gefühle preisgeben. In welchem Umfang er sich dem Beklagten öffnete, konnte er zwar im Grundsatz selbst bestimmen. Er durfte sie aber letztlich nicht zu sehr beschränken, weil die Memoiren der nicht gelingen konnten. Er war deshalb darauf angewiesen, dass er nicht nur Herr über das überlassene Material, sondern auch Herr über seine aufgezeichneten Äußerungen blieb. Das setzt neben dem persönlichen Vertrauensverhältnis eine rechtlich verbindliche Vereinbarung voraus, die ihm die zur Durchsetzung der Vertraulichkeit erforderlichen Ansprüche verschaffte und die die Parteien nach den Verlagsverträgen auch miteinander treffen sollten.

130
Die durch die Parteien zur Ausgestaltung ihrer Zusammenarbeit jedenfalls konkludent getroffene Vereinbarung ist zwar eine nach § 311 Abs. 1 BGB ohne Weiteres zulässige Vereinbarung eigener Art, die keinen der gesetzlich geregelten Vertragstypen voll abbildet. Auf eine solche Vereinbarung sind aber, soweit möglich, die Regelungen für den gesetzlichen Vertragstyp anzuwenden, dem sie am nächsten kommt (Bamberger/Roth/Gehrlein, BGB, 3. Aufl., § 311 Rn. 19). Das ist das Auftragsverhältnis.

131
Der Beklagte hatte allerdings nach den Verlagsverträgen das Manuskript der Memoiren des Klägers persönlich zu erstellen. Diese Aufgabe ist intellektuell anspruchsvoll und erfordert eine Einarbeitung des Beklagten in die Thematik. Auch bei den Gesprächen beschränkte sich seine Rolle nicht darauf, das Tonband nach Weisung des Klägers an- oder auszuschalten. Sie erforderte ein Gesprächskonzept, mit dem die Erinnerung des Klägers und sein Wissen gewissermaßen „erschlossen“ werden konnten.

132
Das bedeutet aber nicht, dass der Beklagten an den Memoiren des Klägers als gleichberechtigter Autor mitwirken sollte wie das etwa bei einem gemeinsamen Buch mehrerer Autoren der Fall ist. Mit dem Abschluss seines Verlagsvertrags hat er, – dem Sujet des Werks geschuldet – eine trotz ihres intellektuellen Anspruchs dienende Rolle übernommen. Autor sollte allein die Kläger sein. Er hatte das Recht, schon in der Entstehungsphase des Werks jederzeit in das Manuskript einzugreifen und der weiteren Arbeit des Beklagten die Richtung zu geben, die er für richtig hielt. Das Manuskript selbst sollte schließlich ihm und nicht dem Beklagten gehören.

133
Die dienende Rolle des Beklagten tritt bei der Vereinbarung über die Zusammenarbeit bei der Materialsammlung noch deutlicher zu Tage. Nach den Verlagsverträgen entscheidet allein der Kläger darüber, welches Material er in welchem Umfang preisgibt. Die für das Gelingen des Werks erforderliche großzügige Preisgabe von „Material“ konnte der Beklagte von dem Kläger aber, wie bereits ausgeführt, nur erwarten, wenn dieser Herr auch über seine Erinnerungen und Gedanken blieb. Voraussetzung dafür war, dass sich der Beklagte bei der Sammlung des Materials in den Dienst des Klägers stellte und, dieser Rolle entsprechend, das gesammelte Material für den Kläger zu treuen Händen verwaltete. Diese Rollenverteilung ist aber das typische Merkmal eines Auftragsverhältnisses (vgl. Staudinger/Martinek, BGB (2006), § 662 Rn. 2; Erman/Berger, BGB, 14. Aufl., § 662 Rn. 3), dessen Regeln deshalb auf die Vereinbarung der Parteien über die Zusammenarbeit bei der Sammlung des Materials anzuwenden sind.

134
Die Kammer teilt diese rechtliche Bewertung der Vereinbarung der Parteien uneingeschränkt. Sie entspricht der Einschätzung der Kammer, wie sie diese bereits in den vor der Kammer geführten Verfahren (14 O 612/12, Urteil vom 12.12.2013; Az.: 14 O 315/14, Urteil vom 13.11.2014) zum Ausdruck gebracht hat.

135
Im Rahmen des zwischen den Parteien vereinbarten Vertragsverhältnisses haben der Kläger und der Beklagte zu 1) zugleich vertraglich vereinbart, dass die Äußerungen des Klägers auf den Tonbandprotokollen nicht ohne Zustimmung des Klägers von dem Beklagten zu 1) veröffentlicht oder verbreitet werden durften, § 151 S. 1 1. HS BGB. Die Kammer hält an ihrer Auffassung fest, wie mit Urteil vom 13.11.2014 – Az.: 14 O 315/14 ausgeführt und von dem Oberlandesgericht Köln vom 05.05.2015 – 15 U 193/14 bestätigt:

136
Der Kläger hat gegen den Beklagten zu 2) (hier: Beklagten zu 1)) einen vertraglichen Unterlassungsanspruch (§ 241 BGB) aus einer konkludent geschlossenen Geheimhaltungsabrede, weil er die durch Unterschrift des Beklagten zu 2) unter den Verlagsvertrag geäußerte Bereitschaft, zu den dort geregelten Konditionen als Ghostwriter an der Erstellung der Memoiren mitzuwirken, als Angebot hinsichtlich einer Geheimhaltungsabrede verstehen durfte und sie seinerseits durch die im Beginn der Stoffsammlung liegende Aufnahme der Zusammenarbeit im Keller des klägerischen Hauses angenommen hat. Ob und in welchem Umfang dem tatsächlichen Verhalten einer Person der Wille zur Abgabe einer rechtsverbindlichen Erklärung bzw. zu deren Annahme zukommt, ist durch Auslegung des objektiv erkennbaren Willens sowie der erkennbaren äußeren Umstände zu ermitteln. Im vorliegenden Fall ergibt sich bei Würdigung der Gesamtumstände der Zusammenarbeit zwischen den Parteien, namentlich der Regelungen in den jeweiligen Verlagsverträgen sowie der Zweckbindung der in Form von Tonbandaufnahmen erfolgten Stoffsammlung ein erkennbarer Wille des Beklagten zu 2), sich gegenüber dem Kläger zu verpflichten, die im Rahmen der Tonbandaufnahmen gemachten Äußerungen nicht ohne Einwilligung des Klägers zu veröffentlichen sowie eine Annahme dieses Angebotes durch den Kläger.

137
Im Einzelnen:

138
aa. Dass der Beklagte zu 2) sich gegenüber dem Kläger vertraglich verpflichten wollte, den Inhalt der Stoffsammlung für die Memoiren gegenüber der Öffentlichkeit geheim zu halten, ergibt sich zunächst aus seiner Rolle im dreiseitigen Verhältnis zwischen ihm, dem Kläger und dem F-Verlag. Der Beklagte zu 2) hat sich durch seine Unterschrift unter den Verlagsvertrag zu einer Zusammenarbeit mit dem Kläger bereit erklärt, in der er weitgehend die Rolle eines anonym bleibenden Zuarbeiters einnahm. Er hatte keinen Anspruch darauf, mit dem Kläger tatsächlich bis zur endgültigen Fertigstellung des Manuskripts zusammenzuarbeiten (§ 1 Abs. 1 S. 3), er hatte die schriftliche Abfassung des Werkes nach den Vorgaben und Angaben des Klägers vorzunehmen (§ 1 Abs. 2), dem Kläger stand ein jederzeitiges Einsichtsrecht in das Manuskript zu (§ 1 Abs. 3), welches in seinem Eigentum stand (§ 4 Abs. 2), er hatte ein Recht zu jeglichen Änderungen und zur Erklärung der Fertigstellung (§ 2 Abs. 5 und 6) und schließlich hatte der Beklagte zu 2) in § 2 soweit zulässig auf eventuelle Urheberrechte verzichtet. Diese Regelungen machen in einer Gesamtschau deutlich, dass dem Kläger sämtliche Entscheidungsbefugnisse sowohl im Hinblick auf die Erstellung als auch auf die abschließende Fertigstellung des Werkes zustanden. Musste der Beklagte zu 2) damit jeglichen Änderungswünschen des Klägers sowohl im Hinblick auf den Inhalt des Manuskriptes als auch im Hinblick auf seine eigene Person nachkommen und konnte eine Fertigstellung des Werkes nur durch den Kläger erklärt werden, so folgt daraus, dass der Beklagte zu 2) durch seine Akzeptanz dieser vertraglichen Regelungen auch dem Kläger gegenüber die konkludente Erklärung abgab, nicht eigenmächtig mit dem Inhalt der Memoiren bzw. der Stoffsammlung zu verfahren. Angesichts der ihm in den Verträgen zugedachten „dienenden“ Stellung im Rahmen des Memoiren-Projektes konnte er auch nicht davon ausgehen, vom Kläger als Journalist wahrgenommen zu werden, der im Rahmen einer Interviewsituation Informationen zu einem bestimmten Themengebiet sammelt und mit diesen dann nach eigenem Gutdünken verfahren darf. Vielmehr war ihm aufgrund der Kenntnis der jeweiligen vertraglichen Regelungen klar, dass der Kläger ihn als einen letztlich austauschbaren Mitarbeiter ansehen musste, der Hilfestellung bei der Stoffsammlung und Formulierung erbringen sollte, jedoch keine eigenen Entscheidungen im Hinblick auf Art und Inhalt der Veröffentlichung treffen durfte.

139
Das Zustandekommen einer konkludenten Geheimhaltungsabrede zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 2) wird auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass die jeweiligen Verlagsverträge in § 4 Abs. 2 S. 3 (Kläger) bzw. § 1 Abs. 4 S. 2 (Beklagter zu 2)) eine bewusste Lücke enthielten, die nur durch eine ausdrückliche Vereinbarung zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 2) hätte geschlossen werden können. Denn die entsprechende Regelung, wonach die „Einzelheiten der Zusammenarbeit“ zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 2) „direkt besprochen“ werden sollten, bezieht sich sowohl ihrem Wortlaut als auch ihrem Sinn und Zweck nach auf die in der praktischen Zusammenarbeit auftretenden Fragen, wann, wo und wie konkret die Gespräche ablaufen oder wann welche Unterlagen übergeben bzw. zur Einsicht zur Verfügung gestellte werden sollten. Dagegen lässt sich den betreffenden Regelungen nicht entnehmen, dass eine Geheimhaltungsverpflichtung des Beklagten zu 2) nur dann bestehen sollte, wenn sie Gegenstand einer ausdrücklichen Regelung zwischen ihm und dem Kläger geworden war.

140
bb. Für eine konkludent geäußerte Bereitschaft des Beklagten zu 2) zum Abschluss einer Geheimhaltungsabrede mit dem Kläger spricht des Weiteren auch die Zweckbindung der Tonbandaufnahmen. Diese Aufnahmen hatten keinen eigenständigen Zweck, insbesondere waren sie als solche nicht zur Veröffentlichung vorgesehen, sondern dienten vielmehr als Stoffsammlung für die zu erstellenden Memoiren des Klägers. Schon aus dieser Zweckbindung ergibt sich die objektiv erkennbare Pflicht des Beklagten zu 2), mit den betreffenden Äußerungen und Informationen vertraulich zu verfahren. … Die sich damit aus der Zweckbindung der Stoffsammlung ergebende Geheimhaltungspflicht des Beklagten zu 2) bestand nicht nur gegenüber dem F-Verlag, dessen Memoiren-Projekt durch die (Vorab-) Veröffentlichung von Äußerungen des Klägers möglicherweise gefährdet worden wäre. Vielmehr bestand eine solche Pflicht auch gegenüber dem Kläger. Denn unabhängig von der Frage, ob der Kläger gegebenenfalls durch die Veröffentlichung einzelner – insbesondere der in ihrer Wortwahl mitunter drastischen – Äußerungen in Schwierigkeiten hätte geraten können, widersprach bereits aufgrund der Eigenschaft als Stoffsammlung und damit einer nur vorläufiger Zusammenstellung der Erinnerungen des Klägers jede Veröffentlichung dem gemeinsamen Vertragszweck „Erstellung der Memoiren“, zu dem der Beklagte zu 2) Hilfestellung zu leisten hatte.

141
Soweit sich der Beklagte zu 2) in diesem Zusammenhang darauf beruft, die Gespräche mit dem Kläger seien thematisch gerade nicht auf die Memoiren beschränkt gewesen, sondern ihr Zweck sei weitergehend auch gewesen, die Erinnerungen des Klägers für die Nachwelt aufzubewahren, zumal auch andere, teilweise tagesaktuelle Themen besprochen worden seien, zwingt dies nicht zu einer abweichenden Bewertung. Denn zum einen ist zu berücksichtigen, dass die Memoiren des Klägers ausweislich § 1 Abs. 1 seines auch dem Beklagten zu 2) bekannten Verlagsvertrages wie folgt definiert sind: „Das Werk hat den Charakter der Autobiographie von Helmut Kohl. Es umfasst den Zeitraum von der Geburt bis zur Gegenwart und soll dem Leser einen nachhaltigen Eindruck von dem Menschen Helmut Kohl und seiner Zeit sowie dem „homo politicus“ Helmut Kohl und den politischen Ereignissen, die er wesentlich mitprägte, vermitteln“. Insofern enthält die Werkbeschreibung schon dem Wortlaut nach keine Einschränkung dahingehend, dass die Memoiren nicht auch gegebenenfalls Themen von im Zeitpunkt der Tonbandaufnahmen tagesaktueller Bedeutung mit umfassen können bzw. dass nicht auch durch die zu solchen Themen getätigten Äußerungen des Klägers dem Leser ein Eindruck von ihm als Mensch und Politiker vermittelt wird. Selbst die Bejahung einer zeitlichen und/oder inhaltlichen Beschränkung des Gegenstands der Memoiren und damit des Vertragszwecks stützt aber nicht die von den Beklagten gezogene Schlussfolgerung. Denn jedenfalls war im Zeitpunkt der Tonbandaufnahmen überhaupt nicht absehbar, welche der Äußerungen des Klägers in welchem Umfang in den späteren Memoiren Verwendung finden würden, so dass zu diesem Zeitpunkt auch kein Teil der Tonbandaufnahmen identifiziert werden konnte, für die die Geheimhaltungsverpflichtung des Beklagten zu 2) keine Geltung hätte beanspruchen sollen. Dass der Umfang des gemeinsamen Projektes sich gegenüber der ursprünglich in den Verlagsverträgen enthaltenen Annahmen erheblich ausgeweitet hat, ist schon daran zu erkennen, dass die Verlagsverträge von ca. 200 Stunden Gesprächen zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 2) sowie einem Manuskript von ca. 500 Seiten ausgingen, während die gemeinsamen Gespräche tatsächlich über 600 Stunden dauerten und die bisher erschienenen drei Bände der Memoiren ca. 2.300 Seiten umfassen, ohne dass das Projekt damit sein beabsichtigtes Ende gefunden hätte.

..

142
Das damit aus den Gesamtumständen folgende Angebot des Beklagten zu 2) zum Abschluss einer Geheimhaltungsverpflichtung hat der Kläger durch Aufnahme der Zusammenarbeit auch angenommen.

143
Das Vorbringen der Beklagten im vorliegenden Verfahren gibt zu einer abweichenden Beurteilung keinen Anlass.

144
Der Umstand, dass der Beginn der Tonbandaufzeichnungen (01.10.1999) zeitlich vor Abschluss der „Verlagsverträge“ im November 1999 erfolgte, wie nach Herausgabe der Originaltonbänder an den Kläger nunmehr zwischen den Parteien unstreitig ist, steht der Annahme einer rechtlich verbindlichen Vereinbarung zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 1) nicht entgegen. Der Beklagte zu 1) trägt selbst vor, dass die Tonbandaufzeichnungen erst begannen, nachdem die wesentlichen Vertragsparameter festgelegt worden waren. Auch die Beklagte zu 3) bestreitet mit Nichtwissen lediglich, dass der Vertrag zuvor bereits ausverhandelt gewesen sei.

145
Entgegen der Ansicht der Beklagten spricht gegen die Annahme einer vertraglichen Vereinbarung zwischen den Parteien auch nicht, dass eine solche nicht in den im November 1999 geschlossenen Verträgen der Parteien mit dem Verlag schriftlich fixiert wurde. Die schriftlichen Verträge aus November 1999 wurden nicht zwischen den Parteien geschlossen, sondern von diesen jeweils gesondert mit dem Verlag. Aus diesem Grund konnte eine unmittelbare Vereinbarung zwischen den Parteien, an der der Verlag zudem nicht beteiligt war, nicht Gegenstand der „Verlagsverträge“ sein. Folgerichtig wurde in den von den Parteien jeweils mit dem Verlag geschlossenen Verträgen die Abstimmung der Parteien über das von dem Kläger den Beklagten zur Verfügung zu stellende Material einer gesonderten „Besprechung“ vorbehalten.

146
Auch unter Zugrundelegung des jetzigen Vorbringens der Beklagten ging es bei der „Besprechung“ nicht nur um die Abstimmung technischer Einzelheiten oder organisatorischer Fragen, sondern um das für das Gelingen des Gesamtprojekts der Verträge mit dem Verlag entscheidenden Ausstattung des Beklagten zu 1) mit dem erforderlichen Material im weitesten Sinne (BGH a.a.O Rn. 29). Soweit der Beklagte zu 1) nunmehr geltend macht, der Kläger habe hierzu einen nur untergeordneten Beitrag geleistet im Vergleich zu der aufwändigen Recherchearbeit und schriftstellerischen Tätigkeit des Beklagten zu 1), verkennt er, dass die vom Beklagten zu 1) so genannte „Unterstützung bei der Zugangsgewährung zu vertraulichen Quellen“ bei wertender Betrachtung neben den Memoiren-Gesprächen der entscheidende Beitrag zur Ausstattung des Beklagten zu 1) mit dem erforderlichen Material war.

147
Auch der Beklagte zu 1) stellt letztlich nicht in Abrede, dass von wesentlicher Bedeutung für die Abfassung der Memoiren war, dass der Beklagte zu 1) „als erster Journalist und Historiker überhaupt ..Quellen einsehen (konnte), die noch für Jahrzehnte kein Kollege zu Gesicht bekommen wird“ (Buch Seite 48). Die Entscheidung darüber, welches umfangreiche, der Öffentlichkeit bislang verschlossene Aktenmaterial, darunter die Privatkorrespondenz des Klägers, der Beklagte zum Zweck der Materialsammlung sichten konnte, lag aber allein bei dem Kläger. Zugang zu diesen Akten erhielt der Beklagte nur auf Veranlassung des Klägers. Auch nach Vorbringen der Beklagten war es der Kläger, der dem Beklagten das Erlangen einer „Konferenzbescheinigung“ zwecks Einsichtnahme in die Akten des Bundeskanzleramtes vermittelte, ebenso wie den Einblick in die Akten der Konrad-Adenauer-Stiftung und „Kabinetts- und Fraktionsprotokolle, vertrauliche Mitschriften der Viermächtegespräche über die Einheit, die haarklein abgetippten Telefongespräche mit den Großen der Welt“ … (Buch S. 48), die Archive der Partei sowie die Stasi-Akte des Klägers (Buch Seite 49).

148
Der Zugang zu diesen Akten wurde dem Beklagten zu 1) auch nicht in seiner Eigenschaft als Journalist, sondern ausschließlich im Interesse des Klägers und als dessen Beauftragter gewährt. Nach dem Wortlaut der Konferenzbescheinigung („T, Dr. Heribert vom WDR für Büro BK a.D. Dr. Kohl“) welche „nach Beendigung des Auftrags“ zurückzugeben war, war nicht die Tätigkeit des Beklagten zu 1) bei dem WDR ausschlaggebend für die Erteilung der Zulassung, sondern dass dieser im Auftrag des Klägers handelte.

149
Den Beitrag des Klägers zu der Materialsammlung, den der Beklagte zu 1) und ihm folgend die Beklagten zu 2) und 3) als „allenfalls Unterstützung bei der Zugangsgewährung zu vertraulichen Quellen“ bagatellisieren, war damit tatsächlich von entscheidender Bedeutung für deren Erstellung, ebenso wie die Ausführungen des Klägers zu seinen Lebenserinnerungen, die auf Tonband festgehalten wurden. Allein der Kläger bestimmte, welche Informationen, die der Öffentlichkeit zuvor nicht bekannt waren, in diese einfließen konnten.

150
Die zweifellos anspruchsvolle und aufwändige Recherchetätigkeit, die der Beklagte zu 1) in Auswertung der ihm zugänglichen gemachten Quellen und bei der Erstellung der Materialsammlung leistete, entsprach dagegen der zwischen den Parteien vorgenommenen Aufgabenverteilung, wonach der Beklagte zu 1) als Zuarbeiter des Klägers die „Kärrnerarbeit“ der Informationsbeschaffung zu erbringen hatte, nachdem der Kläger die entscheidenden Vorgaben gemacht hatte.

151
Soweit der Beklagte zu 1) des Weiteren vorträgt, die Memoirengespräche seien von eher untergeordneter Bedeutung für die „Erinnerungen“ gewesen, ist dies mit der Einschätzung, wie sie die Beklagten zuvor selbst geäußert hatten („ein unwiederbringliches Dokument der Zeitgeschichte“, Buch Seite 18) nicht zu vereinbaren. Darüber hinaus ist der Vortrag des Beklagten zu 1), entscheidend für die „Erinnerungen“ sei die von ihm vorgenommene Auswertung von Quellen, nicht aber seien es die auf Band gesprochenen Lebenserinnerungen des Klägers gewesen, nicht mit dem unstreitigen Vorbringen der Parteien vereinbar, dass das Buchprojekt als Autobiografie des Klägers verfasst werden sollte. In einer Autobiografie stehen denknotwendig die persönlichen Einschätzungen und Lebenserfahrungen des Porträtierten im Mittelpunkt, die durch reines Quellenstudium nicht ersetzt werden können.

152
Auch aus der Gestaltung der Verlagsverträge ergibt sich, dass die „Erinnerungen“ nicht, wie der Beklagte zu 1) behauptet, als gemeinsames Projekt der Parteien konzipiert waren, sondern als Vorhaben des Klägers, zu dem der Beklagte zu 1) als von dem Verlag bezahlter Mitarbeiter des Klägers seinen Beitrag leisten sollte. Die Recherchekosten des Beklagten zu 1) waren von dem Verlag pauschal abgegolten worden, weshalb dahinstehen kann und für die Beurteilung des Vertragsverhältnisses zwischen den Parteien ohne Belang ist, ob und in welchem Umfang der Beklagte zu 1) Recherchekosten (zunächst) selbst getragen hat.

153
Ersichtlich hat der Beklagte zu 1) während der Materialsammlung für die Memoiren, welche auch die umfangreichen Gespräche mit dem Kläger einschloss, seine Rolle nicht als Journalist, sondern als ein aufgrund seiner Qualifikation als Schriftsteller und Historiker ausgewählter Vertrauter und Beauftragter des Klägers gesehen, der die ihm anvertrauten, zum Teil der Geheimhaltung unterliegenden Quellen im Interesse des Klägers auswertete und treuhänderisch verwahrte.

154
Der Beklagte zu 1) trägt selbst vor, dass er geheimhaltungsbedürftiges, ihm auf Veranlassung des Klägers ausgehändigtes Aktenmaterial jeweils nach Auswertung unverzüglich zurückgegeben habe. Auch in dem von dem Beklagten zu 1) aufgesetzten Entwurf eines Antrags auf Akteneinsicht in die Stasi-Akten des Klägers weist der Beklagte zu 1) ausdrücklich darauf hin, dass er „nicht in seiner Eigenschaft als Forscher oder Journalist“, sondern als „Vertrauter“ im Auftrag des Klägers und stellvertretend für diesen handele (Telefax vom 12.03.2002, Anlage K 14, Bl. 399 GA).

155
Der Beklagte zu 1) wurde nach der von ihm selbst formulierten Tätigkeitsbeschreibung nicht im eigenen, sondern ausschließlich mit Einverständnis des Klägers im Fremdinteresse tätig. Diese Rollenverteilung ist das typische Merkmal eines Auftragsverhältnisses. Die von den Beklagten detailliert beschriebene journalistische Arbeitsweise insbesondere bei der Gesprächsführung mit dem Kläger steht der Annahme eines Auftragsverhältnisses gleichfalls nicht entgegen, da für die Materialsammlung eine journalistische Herangehensweise an die Informationsbeschaffung zweckdienlich war und der Beklagte zu 1) nicht zuletzt auch aufgrund seiner Berufserfahrung als Journalist als Zuarbeiter des Klägers ausgewählt worden sein dürfte.

156
Die Vereinbarung der Parteien über das dem Beklagten zu 1) zur Verfügung zu stellende Material erstreckte sich in der Folge auch auf das Material für das Buchprojekt „Helmut Kohl – Mein Tagebuch 1998-2000“ (Tagebuch). Dies ergibt sich aus den von den Parteien jeweils mit dem Verlag im Juli 2000 geschlossenen Verträgen (Anlage K 16, Bl. 1786 bis 1810 GA), in welchen gleichlautend mit den zuvor bereits geschlossenen Verträgen in § 1 Nr. 4 und § 4 Nr. 2 jeweils die Ausgestaltung der Zusammenarbeit einer gesonderten Absprache der Parteien vorbehalten war. Es folgt ferner daraus, dass das für die Jahre 1998-2000 vorgesehene Tagebuch sich auf einen Zeitraum erstreckte, in welchem, beginnend mit 01.10.1999, der Kläger bereits umfangreich seine Lebenserinnerungen auf Band gesprochen hatte, so dass die Materialsammlung für beide Buchprojekte nicht voneinander zu trennen war (vgl. auch OLG Köln, Urteil vom 05.05.2015 15 U 193/14 – Kohls Ghostwriter, juris Rn. 36). Schließlich folgt es daraus, dass der Kläger zu beiden Werken zugleich sich äußerte „machen wir noch ein wenig stärker als im Tagebuch“.

157
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass eine ausdrückliche Verschwiegenheitsvereinbarung zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 1) nicht erforderlich war, da Grundlage für die Zusammenarbeit der Parteien bei der Materialsammlung die Erstellung der Memoiren durch den Beklagten zu 1) als Ghostwriter war, der nach außen hin nicht in Erscheinung treten durfte und für diese Tätigkeit bezahlt worden war. Da die Durchführung dieses Projektes nur bei Einhaltung der Verschwiegenheit, zu der sich der Beklagte zu 1) gegenüber dem Verlag zudem ausdrücklich verpflichtet hatte, möglich war, war die Mitwirkung des Beklagten zu 1) an der Materialsammlung und damit auch an den Tonbandaufnahmen, die zudem auf Veranlassung des Klägers erfolgte, aus Sicht des Klägers nur so zu verstehen, dass der Beklagte zu 1) bereit war, das Geheimhaltungsinteresse des Klägers zu achten und damit auch die notwendige Verschwiegenheit einzuhalten.

158
Die Verpflichtung zum Stillschweigen besteht auch noch heute, da auch nach Vortrag des Beklagten zu 1) der Inhalt der Tonbandaufzeichnungen lediglich zu 10 % in den Memoiren des Klägers verwertet wurde und die veröffentlichten Memoiren mit dem Jahr 1994 enden. Dahinstehen kann, ob der Kläger derzeit beabsichtigt, die Memoiren fortzusetzen, da nach der Vertragsgestaltung es der Entscheidungsfreiheit des Klägers auch überlassen blieb (und bleibt) einen Teil seiner Lebensgeschichte nicht der Öffentlichkeit preiszugeben.

159
Die Ansicht des Beklagten zu 1), er sei berechtigt, sämtliche Informationen, die nicht Eingang in die Memoiren gefunden haben, eigenständig zu verwerten, ist offensichtlich nicht von dem Willen der Parteien bei verständiger Auslegung der jeweiligen Erklärungen gedeckt. Informationen, die der Kläger aus welchen Gründen auch immer nicht in die Memoiren aufnehmen wollte, aber dem Beklagten zu 1) zum besseren Verständnis und zur Erleichterung der Tätigkeit als Ghostwriter mitteilte, sollten ersichtlich nicht eigenständig von dem Beklagten zu 1) veröffentlicht werden, wie beispielhaft aus der hier er Äußerung des Klägers (Transkriptions-Ausschnitt OC 55, Bl. 2717 GA zu Nr. 15 (Manfred Abelein) folgt:

160
„Aber zum Hintergrund möchte ich etwas sagen, was wir nicht schreiben werden … “

161
Die Verpflichtung des Beklagten zu 1) zur Verschwiegenheit entfiel auch nicht aufgrund der Aufkündigung der Zusammenarbeit des Klägers mit dem Beklagten zu 1) im Jahr 2009. Die Aufkündigung der Zusammenarbeit ließ die bereits eingegangenen Verpflichtungen unberührt und bezog sich nur auf die Erstellung des vierten Bandes der Memoiren. Die von dem Kläger und dem Beklagten zu 1) eingegangenen Verpflichtungen in Bezug auf die Erstellung der Tonbandaufzeichnungen, für die der Beklagte zu 1) einen von Seiten des Verlags garantierten, auf Honoraransprüche jedoch anrechenbaren Betrag von …,00 DM erhalten hatte, bestehen hingegen unverändert fort, wie auch die Vereinbarungen des Klägers und des Beklagten zu 1) hinsichtlich der ersten drei Bände der Memoiren mit dem Verlag.

162
Die Veröffentlichung und Verbreitung der auf Tonband fixierten Äußerungen des Klägers ist, welche eine Persönlichkeitsrechtsverletzung des Klägers bedeutet (dazu unten b), auch nicht gemäß Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG als jederzeit zulässige freie Meinungsäußerung des Beklagten gerechtfertigt. Zwar zählt zu dem von Art. 5 Abs.1 S. 1 GG geschützten Kommunikationsprozess grundsätzlich auch die Mitteilung fremder Meinungen oder Behauptungen, da die Meinungsfreiheit nicht nur unter dem Vorbehalt des öffentlichen Interesses geschützt ist, sondern die Selbstbestimmung des einzelnen Grundrechtsträgers über die Entfaltung seiner Persönlichkeit in der Kommunikation mit anderen garantiert (OLG Köln, Urteil vom 19.11.2013 – 15 U 53/13, juris Rn. 52).

163
Der Beklagte zu 1) hat sich jedoch zur Verschwiegenheit bezüglich der ihm anvertrauten Informationen verpflichtet und insoweit auf sein Recht zur freien Meinungsäußerung in zulässiger Form verzichtet (vgl. Urteil der erkennenden Kammer vom 13.11.2014 – 14 O 315/14, ebenso OLG Köln, Urt. vom 05.05.2014 – 15 U 193/14).

164
b. Die Beklagten zu 2) und 3) haben durch Veröffentlichung der streitgegenständlichen Textpassagen das in Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG geschützte Persönlichkeitsrecht des Klägers verletzt.

165
Die engere persönliche Lebenssphäre jedes Menschen genießt durch das in Art 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich gewährleistete allgemeine Persönlichkeitsrecht gemäß §§ 823 Abs. 1, 826 und 1004 BGB Schutz vor Eingriffen Dritter. Wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalles sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der europäischen Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu berücksichtigen sind. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (BGH Urt.v. 08.05.2012 – VI ZR 217/08,VersR 2012, 994 Rn. 35; Urt. v. 30.12.2012 – VI ZR 4/12, juris Rn. 10; Urt.v. 11.12.2012, VI ZR 314/10 IM „Christoph“ GRUR 2013, 312 ff, zitiert nach juris Rn. 11 m.w.N.). Abwägungskriterien sind u.a. nach Maßgabe einer abgestuften Schutzbedürftigkeit bestimmter Sphäre, in denen sich die Persönlichkeit verwirklicht: neben der Intimsphäre die Privatsphäre und die Sozialsphäre.

166
Die Veröffentlichung des vertraulich gesprochenen Wortes des Klägers verletzt diesen in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht in Form der Vertraulichkeitssphäre sowie des Rechts am gesprochenen Wort.

167
Die in dem streitgegenständlichen Buch enthaltenen, mit der Veröffentlichung von Äußerungen des Klägers einhergehenden Persönlichkeitsrechtsverletzungen sind allen Beklagten in gleicher Weise zuzurechnen. Denn die Beklagten haben im bewussten und gewollten Zusammenwirken, damit als Mittäter im Sinne von § 830 Abs. 1 BGB, die Entscheidung über die Veröffentlichungen der Tonbandäußerungen des Klägers in dem Buch getroffen und umgesetzt. Bereits dem Vorwort des Buches (Seite 10) ist zu entnehmen, dass das Buch als „Teamwork“ der Beklagten zu 1) und 2) entstanden ist; die Beklagte zu 3) ist nicht lediglich Verlegerin einer ihr fertig präsentierten Abfassung, sondern war an der Bestimmung des Inhalts des Buches durch ihre Mitarbeiter maßgeblich beteiligt, wie der Justiziar der Beklagten zu 3) im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 30.10.2014 (14 O 315/14) nachdrücklich betont hat. Soweit die Beklagte zu 3) nunmehr behauptet, ihr (bzw. ihrem Justiziar) hätte nur eine von den Beklagten zu 1) und 2) zuvor getroffene Auswahl an Zitaten zur Begutachtung vorgelegen, steht dies in Widerspruch zu der gerichtsbekannten Äußerung des Justiziars vor der erkennenden Kammer im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 30.10.2014 (14 O 315/14), wonach diesem 3000 Seiten Tonbandabschriften vorgelegen hätten. Die Behauptung der Beklagten zu 3), der Zeuge E habe nur eine Auswahl an Zitaten gesehen, ist wegen Widersprüchlichkeit unbeachtlich, da die Beklagte zu 3) nicht zugleich bestreitet, dass der Zeuge E sich wie vorstehend beschrieben in der Gerichtsverhandlung geäußert hat und auch nicht behauptet, der Zeuge E habe zum damaligen Zeitpunkt die Unwahrheit gesagt.

168
Das Verhalten ihrer Mitarbeiter hat sich die Beklagte zu 3) gemäß § 831 Abs. 1 BGB zurechnen zu lassen.

169
Die Veröffentlichung und Verbreitung von Äußerungen in dem streitgegenständlichen Buch, die dem Kläger als Originalzitate zugeschrieben werden, verletzt den Kläger in seiner Privatsphäre unabhängig von den mit dem Beklagten zu 1) erörterten Themen. Ein Privatgespräch verliert seinen privaten Charakter nicht zwangsläufig durch die politischen Bezüge der Unterhaltung. Denn es hängt wesentlich von dem Kreis der Gesprächsteilnehmer ab, was und wie es gesagt wird; unbefangen kann sich nur mitteilen, wer den Teilnehmerkreis unter Kontrolle hat, ihn jedenfalls kennt (BGH, Urteil vom 19.12.1978, VI ZR 137/77, BGHZ 73, 120-130, zitiert nach juris Rn. 13).

170
So liegt der Fall auch hier. Denn vorliegend steht nicht die Preisgabe von Begebenheiten aus dem privaten oder beruflichen Leben des Klägers im Vordergrund, sondern die Privatheit seiner Gespräche mit dem Beklagten zu 1), die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt gewesen sind, sondern nur als Grundlage für das zu erstellende Manuskript dienen sollten. Abzustellen ist aus diesem Grund nicht auf die Verbreitung der in diesen Gesprächen gewonnenen Information, sondern auf den Umstand, dass die betreffenden Informationen als Äußerungen des Klägers weitergegeben wurden, obwohl dieser sie nicht für die Öffentlichkeit, sondern nur für den Beklagten zu 1) als eine Hilfskraft im Rahmen der Erstellung der Memoiren zu dessen Unterrichtung gemacht hat (OLG Köln, Urteil vom 05.05.2014 – 15 U 193/14).

171
Das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers ist auch unter dem Gesichtspunkt des Rechts am gesprochenen Wort verletzt. Dieses schützt die Selbstbestimmung über die eigene Darstellung der Person in der Kommunikation (BVerfG, NJW 1980,2070; NJW 2002,3619 – Mitgehörtes Telefonat). Der Einzelne soll sich nach eigener Einschätzung situationsangemessen in der Kommunikation verhalten können. Dazu gehört auch, selbst zu bestimmen, ob der Kommunikationsinhalt einzig dem Gesprächspartner, einem bestimmten Personenkreis oder der Öffentlichkeit zugänglich sein soll. Damit erstreckt sich das Selbstbestimmungsrecht auch auf die Auswahl der Personen, die unmittelbar Kenntnis vom Gesprächsinhalt erhalten sollen. Das Recht schützt daher nicht nur vor einer Verdinglichung des Wortes durch Aufzeichnung auf Tonträger, sondern auch dagegen, dass ein Kommunikationspartner ohne Kenntnis des sich Äußernden eine dritte Person als Zuhörer eines Gespräch mit einbezieht (vgl. Wenzel, a.a.O. Rn. 5.28a m.w.N.). Dabei wird der Schutz am gesprochenen Wort unabhängig von seinem Inhalt gewährt (BVerfG, Beschluss v. 08.12.2011, juris Rn. 19 m.w.N.).

172
Das Festhalten der Stimme auf einem Tonträger, durch das nicht nur die Äußerungen ihrem Inhalt nach, sondern in allen Einzelheiten auch des Ausdrucks fixiert und aus der Sphäre einer von der Flüchtigkeit des Worts geprägten Unterhaltung herausgehoben sowie für eine jederzeitige Reproduzierbarkeit in einem gänzlich anderen Kreis und einer anderen Situation objektiviert und konserviert werden, stellt eine derart intensive „Verdinglichung“ der Persönlichkeit dar, dass über ihren Kopf hinweg nicht über derartige Aufzeichnungen verfügt werden darf (BGH NJW 1987, 2667ff – BND-Interna, juris Rn. 17 m.w.N.). Es liegt auf der Hand, dass auch deshalb die Persönlichkeit in ihrem Eigenwert durch solche Objektivierung erheblich stärker betroffen ist, als durch eine Indiskretionen über ein vertrauliches Gespräch (BGHZ 73, 120ff – Telefongespräch, juris Rn. 13 a.E.). Zum Schutz der Persönlichkeit dürfen Aufzeichnungen vertraulichen Charakters grundsätzlich nur mit Zustimmung des Verfassers und nur in der von ihm gebilligten Weise veröffentlicht werden (BGHZ 15, 249 (247); 36, 77 (83); BGH Urt.v. 19.12.1978, VI ZR 137/77 juris Rn. 14).

173
Auch vorliegend liegt die Besonderheit der Tonbandaufzeichnungen darin, dass der Beklagte zu 1) zu der zwischen ihm und dem Kläger bestehenden Vertrauenssphäre, die durch die vertraglich vereinbarte Vertraulichkeitsabrede zusätzlich abgesichert war, maßgeblich mit beigetragen hat, indem er sich selbst gegenüber dem Kläger als besonders vertrauenswürdige Person präsentierte (Buch S. 47 „Ich habe mich angepasst, … längst hatte das System K. auch von mir Besitz ergriffen, ich dachte und fühlte fast schon wie Kohl“ ) und dadurch die Spontanität und Mitteilungsbereitschaft des Klägers förderte, welche der Kläger auch durch „geradezu atemberaubende Offenheit“ (Buch Seite 19) honoriert hat.

174
Der Kläger hat auf den Tonbandprotokollen dem Beklagten zu 1) komplexe Einblicke in seine Person selbst, zu seiner inneren Einstellung zu seiner Familie, seinem Beruf, Freunden und politischen Feinden bis in die Wesenszüge seiner Gedankenwelt eröffnet. Auf den Tonbandprotokollen ist, wie der Beklagte zu 1) im Vorwort des Buches (Seite 17) ausführt, „seine (des Klägers) ganze Persönlichkeit erforscht und nachgezeichnet ..“

175
Die Weitergabe dieser Tonbandprotokolle durch den Beklagten zu 1) war rechtswidrig, gleich, ob der Beklagte zu 1) sie den Beklagten zu 2) und zu 3) als Tonbänder überlassen oder ihnen (nur) die 3000 Seiten umfassenden Abschriften der Tonbänder zur Verfügung gestellt hat.

176
Der Beklagte zu 2), der sich nicht dazu geäußert hat, ob ihm Tonbandkopien oder -abschriften vorliegen, muss Einblicke in die Tonbandkopien gehabt haben, da er umfangreich Emotionen und Tonfall des Klägers beschreibt (Seite 95 „er äußert raunend einen Verdacht“; Buch S. 101 „besonders ungehalten reagiert Kohl“; „Bei diesem Reizthema verstummt er, windet sich oder wird heftig..“; S. 127 „derer Kohl nun … in spürbarer Rührung gedenkt,..“ S. 193 “ heizt Kohl in zornigem Stakkato die Stimmung beim Memoirengespräch an..“) und zudem eine Vielzahl von Originalzitaten mit Ausrufezeichen (!) wiedergibt, obgleich in den Transkriptionen entsprechende Emotionen des Klägers nicht dargestellt sind.

177
Aber auch in den weitergegebenen Abschriften der Tonbandprotokolle ist die Person des Klägers entsprechend verkörpert und wird gegenüber den Beklagten zu 2) und 3) bloßgestellt und in ihrer Substanz getroffen. Denn auch ohne nähere Beschreibung der Emotionen des Klägers ist die umfassende Offenbarung der gesamten Lebensbeschreibung des Klägers gegenüber Dritten, für die die Äußerungen „in atemberaubender Offenheit“ gerade nicht gedacht waren, und die der Kläger gegenüber dem Beklagten zu 1) als seinem Vertrauten gemacht hatte, als intensive Verfügung über die Persönlichkeit des Klägers und damit rechtswidrige Verletzung seines Persönlichkeitsrechts zu bewerten.

178
Für die Beklagten zu 2) und 3) war damit auch ohne genauere Kenntnis der vertraglichen Absprachen zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 1) klar erkennbar, dass die Veröffentlichung der Äußerungen des Klägers diesen in seiner Privatsphäre in massiver Weise verletzen würde und der Beklagte zu 1) zu einer Weitergabe der Informationen, verkörpert in den Tonbandkopien bzw. -abschriften nicht berechtigt war. Die Beklagten zu 2) und 3) wussten, dass die Gespräche im Keller des Hauses des Klägers aufgezeichnet worden waren, nachdem sich der Beklagte zu 1) als Ghostwriter verpflichtet hatte. Auch hatten die Beklagten zu 2) und 3) noch vor Veröffentlichung des streitgegenständlichen Buches Kenntnis von dem Urteil der erkennenden Kammer vom 12.12.2013 (14 O 612/12), in welchem der Beklagte zu 1) zur Herausgabe der Originaltonbänder aufgrund vertraglicher Verpflichtung gegenüber dem Kläger verurteilt worden war. Das Urteil der Kammer hatte das Oberlandesgericht Köln (Urteil v. 01.08.2014 – 6 U 20/14) zwar mit abweichender Begründung bestätigt, aber einen Anspruch des Klägers aus Auftragsverhältnis nicht ausgeschlossen. Bestandteil des Auftragsverhältnisses war aber offensichtlich auch die Verpflichtung des Beklagten zu 1) zur Geheimhaltung. Zudem ist ein Auftraggeber nach Beendigung des Auftragsverhältnis verpflichtet, an den Auftraggeber die in Zusammenhang mit der Durchführung des Auftrags stehenden Unterlagen herauszugeben (§ 667 BGB), weshalb der Beklagte zu 1) die ihm noch vorliegenden Vervielfältigungen der Originaltonbänder nicht zu eigenen Zwecken hätte nutzen dürfen. Diese rechtliche Beurteilung konnte auch die Beklagte zu 3), vertreten durch ihren Justiziar, nachvollziehen.

179
Aus dem Wortlaut der Transkriptionen (unabhängig von ihrer Wortgenauigkeit) konnten die Beklagten zu 2) und 3) zudem entnehmen, dass der Kläger mehrfach Anweisungen an den Beklagten zu 1) erteilt hatte, dass bestimmte Sachverhalte nicht in die Memoiren aufgenommen werden sollten. Auch ist bereits aus dem Inhalt der von Beklagtenseite vorgelegten Ausschnitte, welche nur einen Bruchteil der Gesamt-Transkriptionen von 3000 Seiten ausmachen, zu entnehmen, dass die Gespräche zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 1) zweckgebunden auf die Erstellung der Memoiren und der Lieferung entsprechender Hintergrundinformationen erfolgten.

180
Auf dieser Grundlage ist das Verhalten der Beklagten zu 2) und 3) zu würdigen, die von dem Beklagten zu 1) an sie weitergegebenen Äußerungen veröffentlichten, obgleich der Kläger dem zuvor ausdrücklich widersprochen hatte. Hierüber haben sich die Beklagten bewusst hinweggesetzt, wie nicht zuletzt aus dem Vorwort des Buches (Seite 10) erhellt, wonach Absicht der Autoren sei, dem Versuch der „Kanzlerfamilie“ und der Ehefrau des Klägers, die Gesprächsprotokolle wegzuschließen, durch eine Veröffentlichung zuvorzukommen.

181
Grundsätzlich gilt, dass es der Presse nicht schlechthin verwehrt ist, das, was ihr Informant ihr auf rechtswidrigem Weg zugetragen hat, zu veröffentlichen. Das durch die Verfassung in Art. 5 Abs. 2 GG gewährleistete Informationsrecht der Presse geht über die Freiheit des Bürgers, sich aus allgemein zugänglichen Quellen zu unterrichten, hinaus. Würde der Presse ein absolutes Verwertungsverbot bezüglich solcher Informationen auferlegt, die nach ihrer Kenntnis, aber ohne ihre Beteiligung in rechtswidriger Weise erlangt wurden, so könnte ihre Kontrollaufgabe leiden, zu deren Funktion es gehört, auf Missstände von öffentlicher Bedeutung hinzuweisen (BVerfGE 66, 116(137f); BGHZ 73, 120 (124 ff). Dabei darf die Presse nach eigenen publizistischen Kriterien entscheiden, was sie des öffentlichen Interesses für wert hält. Von der Eigenart oder dem Niveau des Presseerzeugnisses oder der Berichterstattung hängt der Schutz nicht ab. Auch unterhaltende Beiträge, etwa über prominente Personen, nehmen am Schutz der Pressefreiheit teil. Auf das Gewicht des Informationsinteresses und auf die Weise, in der die Berichterstattung einen Bezug zu Fragen aufweist, welche die Öffentlichkeit wesentlich angehen, kommt es erst bei der Abwägung mit kollidierenden Persönlichkeitsrechten an (BVerfG, Beschluss v. 26.02.2008 1 BvR 1602/07 Bildberichterstattung, Caroline von Monaco III, BVerfGE 120, 180 – 223; zitiert nach juris Rn. 42 m.w.N.).

182
Ein Anspruch wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch eine Presseveröffentlichung, wie sie hier in Form des streitgegenständlichen Buches erfolgte, setzt zunächst die Bestimmung des Aussagegehaltes voraus, wobei insbesondere festzustellen ist, ob es sich um eine Tatsachenbehauptung, d.h. eine Aussage zu dem Beweis zugänglichen Vorgängen oder eine Meinungsäußerung, oder eine gemischt also mit tatsächlichen und wertenden Elementen handelt.

183
Das Grundrecht der Meinungsfreiheit in Art. 5 GG schützt nicht nur Werturteile, sondern auch Tatsachenbehauptungen, wenn und soweit sie meinungsbezogen sind (BVerfG, NJW 2007, 2686 ff, juris Rn. 18). Sofern eine Äußerung, in der Tatsachen und Meinungen sich vermengen, durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meines geprägt wird, wird die Meinung von Art. 5 Abs. 1 S. 1 Grundgesetz geschützt. Die Richtigkeit oder aber Unrichtigkeit der tatsächlichen Bestandteile kann dann aber im Rahmen der gebotenen Abwägung der widerstreitenden Grundrechte eine Rolle spielen. Enthält eine Meinungsäußerung erwiesen falsche oder bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen, so wird regelmäßig das Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit hinter dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen zurückstehen (vgl. BVerfG NJW 1992, 1439 (1441) – Kritische Bayer-Aktionäre, juris Rn. 58; NJW 2007, 2686 ff, juris Rn. 21). Liegt Mehrdeutigkeit einer Äußerung vor, so ist im Rahmen des Unterlassungsanspruchs die Deutungsvariante zugrundezulegen, die eine Persönlichkeitsverletzung begründen könnte (BVerfG NJW 2006, 207 – Stolpe, juris Rn. 35). Dabei müssen die Medien die Wahrheit ihrer Berichterstattung nicht gewährleisten, sie müssen sich aber mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln und mit „pressemäßiger“ Sorgfalt (vgl. hierzu BGH, VersR 1987, 1016, juris Rn. 20; VersR 1988, 405) von der Wahrheit überzeugt haben (BGH NJW 1996, 1131, juris Rn. 32). Die Medien trifft eine erweiterte Darlegungslast für die Wahrheit der Behauptung. Wahre Tatsachen müssen in der Regel hingenommen werden, auch wenn sie nachteilig für den Betroffenen sind, unwahre dagegen nicht (BVerfG NJW 1999, 1322, juris Rn. 56, 52).

184
Nach diesen Grundsätzen sind auch die streitgegenständlichen Textpassagen zu beurteilen, da es sich bei dem Buch „Vermächtnis“ um eine Presseveröffentlichung handelt. Dabei stellt die Aussage, es handele sich um die Wiedergabe von Originalzitaten des Klägers, eine Tatsachenbehauptung dar, da sie objektiv dem Beweis zugänglich ist durch Anhören der Originaltonbänder oder Tonbandkopien.

185
Das Persönlichkeitsrecht des Klägers ist zunächst durch die Veröffentlichung und Verbreitung solcher Äußerungen verletzt, hinsichtlich derer die Beklagten ihrer Darlegungslast nicht nachgekommen sind, weil die Äußerungen sich weder auf den von Beklagtenseite gerade zum Beweis der Richtigkeit der Äußerungen eingereichten Transkript-Ausschnitten, noch auf den Audio-Ausschnitten wiederfinden.

186
Da den Beklagten zu 1) und 2) Kopien der Tonbänder und allen Beklagten eine vollständige Transkription bei Abfassung des streitgegenständlichen Buches vorlagen, hätten die Beklagten im Rahmen „pressemäßiger“ Sorgfalt sich jeweils von der Richtigkeit (Authentizität) der veröffentlichten Originalzitate vergewissern können und müssen und im Rahmen ihrer erweiterten Darlegungslast die entsprechenden Äußerungen durch Vorlage entsprechender Audio-Dateien, zumindest aber Transkripte, belegen müssen. Auch die Beklagte zu 3), der nach ihrem Vortrag keine Transkriptionen vorliegen, ist ihrer Darlegungslast nicht nachgekommen. Dem Beweisangebot der Beklagten zu 3) zur Richtigkeit der auf den eingereichten Audio-Dateien und Transkripten nicht zu findenden Originalzitate durch Einvernahme des Zeugen Dr. M sowie Vorlage der Originaltonbänder gemäß § 142 ZPO durch den Kläger (Schriftsatz vom 28.11.2016) war nicht nachzugehen. Da die Beklagte zu 3) in Person ihres Justiziars an der Auswahl der Originalzitate aus den Kohl-Protokollen beteiligt war, setzt ein geeigneter Beweisantritt voraus, dass die Beklagte zu 3) vorträgt, auf welchem der 200 Bänder bzw. zu welchem Zeitpunkt die streitgegenständliche Äußerung des Klägers auf Tonband festgehalten worden sein soll. Dies ist der Beklagten auch unschwer möglich, da die Transskripte überwiegend datiert sind und auf diesen der jeweilige Bandwechsel vermerkt war.

187
Die Veröffentlichung der nachfolgenden Zitate bzw. Ausschnitte von Zitaten stellt eine rechtswidrige Persönlichkeitsrechtsverletzung dar, weil sie von den Beklagten nicht belegt sind; sie finden sich weder in den Transkripten noch in den Audiodateien, die die Beklagten vorgelegt haben:

188
Die Äußerung Nr. 12 „die … … vom Auswärtigen Amt“

189
In dem zum Beweis vorgelegten Transkript OC 53, in welchem sich der Kläger zum Auswärtigen Amt äußert, findet sich ein solcher Ausdruck weder wörtlich noch sinngemäß, nicht einmal andeutungsweise.

Nr. 17 …

190
Das von den Beklagten vorgelegte Transkript (Anlage OC 28, Bl. 2675 GA), welches diese Äußerung aufführt, ist unrichtig, wie der Vergleich mit der von den Beklagten vorgelegten Audio-Datei OC 26 zeigt. Der Originalton enthält diese Passage nicht.

191
Nr. 22 Die teils in indirekter Rede wiedergegebene Äußerung:

192
“ … „die Dame Merkel“ … .“’sowie‘ Volker Rühe betreffend

193
“ … “ und “ … “

194
sind weder durch Transkripte noch Audiodateien belegt. Insbesondere ist auch weder hier noch in sonstigen Transkripten und Audio-Dateien eine Äußerung des Klägers „die Dame Merkel“ enthalten.

195
Nr. 29 (zu Rita Süssmuth) … ( … )“ … “

196
Nach dem Wortlaut des von den Beklagten zum Beleg vorgelegten Transkripts (OC 65) hat dies der Kläger nicht geäußert.

197
Nr. 33 zu Heiner Geißler

198
die in indirekter Rede wiedergegebenen Äußerungen

199
“ … “ und “ … “

200
finden sich nicht (auch nicht in Entsprechungen) auf den von den Beklagten in Bezug genommenen Transkript-Ausschnitten OC 67 und 69.

201
Nr. 56 zu Herta Däubler-Gmelin “ … “

202
Ausweislich des Transkripts OC 87 handelt es sich nicht um ein Originalzitat.

203
Nr. 59 zu Michael Naumann “ … “

204
Auch dies hat der Kläger so bereits auf Grundlage des Transkripts OC 89 nicht geäußert. In dem Ausschnitt wird lediglich – ohne Namensnennung – ein “ … “ erwähnt.

205
Nr. 61 zu Jürgen Trittin

206
Nach dem Wortlaut des (mitten im Satz beginnenden) Ausschnittes OC 92 schildert der Kläger, wie er zu seiner Zeit als Bundeskanzler oft mit Eiern beworfen worden sei und, als er noch eine Brille getragen habe, panische Angst gehabt habe, dass das Glas brechen könne. Der Text fährt fort:

207
Damit finden sich Äußerungen des Klägers lediglich zu der damaligen Zeit. Dass Jürgen Trittin „noch immer“, also im Zeitpunkt der Aufnahme der Tonbandprotokolle, derart tätig gewesen wäre, hat der Kläger gerade nicht gesagt. Transkripte oder Audiodateien, aus denen sich diese ergeben würde, sind von den Beklagten nicht vorgelegt.

208
Nr. 66 zu Walter Scheel und Egon Bahr

209
Ausweislich des als Beleg angeführten Transkript-Ausschnittes OC 96 hat der Kläger eine solche Äußerung weder wörtlich noch sinngemäß von sich gegeben.

210
Nr. 69 zu Otto Graf Lambsdorff

211
Die in indirekter Rede wiedergegebene Äußerung

212
ist unzutreffend. Der Kläger hat diese Äußerung auch nicht sinngemäß getätigt. Der Ausschnitt OC 97 lautet vielmehr:

213
Nr. 78 zu Walter Scheel

214
Weder auf dem hierzu vorgelegten Transkript OC 106 noch auf anderen Transkripten ist eine solche Äußerung enthalten. Soweit die Beklagten auf eine Tonbandabschrift eines weiteren Tages (03.11.2001) Bezug nehmen, wurde eine solche nicht vorgelegt.

215
Nr. 82 zu Richard von Weizsäcker

216
Ausweislich OC 110 hat der Kläger den damaligen Bundespräsidenten weder nur beim Vornamen genannt, noch die vorstehende Äußerung getätigt.

217
Nr. 85 zu Richard von Weizsäcker und Walther Leisler Kiep:

218
In der zum Beweis vorgelegten Anlage OC 112, welche 5 unterschiedliche Tonbandausschnitte enthält, ist diese Äußerung nicht enthalten.

219
Nr. 89 zu Präsidenten

220
Auch die Beklagte zu 3) gesteht zu, dass es sich nicht um ein Originalzitat handelt. In dem von den Beklagten zu 1) und 2) zum Beweis vorgelegten Transkripts OC 41 vergleicht der Kläger die berufliche Belastung eines Bundeskanzlers und eines Bundespräsidenten am Beispiel von Gerhard Schröder und Roman Herzog und verweist darauf, dass diese bei Herrn Schröder im Gesicht ablesbar sei. Der Text fährt fort (ebenso Audio-Datei OC 30):

221
Soweit die Beklagten vortragen, der Kläger habe damit seine generelle Missachtung gegenüber dem Amt des Bundespräsidenten ausdrücken will, ist dies dem Wortlaut des Transkripts nicht zu entnehmen. Es widerspricht zudem der Wertschätzung, die auch nach Darstellung der Beklagten der Kläger vielen Bundespräsidenten, insbesondere auch Roman Herzog (Buch S. 164, 169), entgegenbrachte. Keinesfalls ist es zulässig, eine – unrichtige – Äußerung als Originalzitat des Klägers darzustellen.

222
Nr. 90 zu Wolfgang Thierse

223
Dass der Kläger diese Äußerungen getroffen hätte, ist weder durch ein Transkript noch durch eine Audio-Datei belegt.

224
Nr. 94 zu Hartmut Mehdorn

225
Ausweislich des Transkripts OC 120 hat sich der Kläger so nicht geäußert.

226
Nr. 98 zu Fritz Zimmermann und Walther Leisler Kiep

227
Der Kläger hat eine solche Äußerung, die hier in indirekter Rede dargestellt wird, nicht getätigt, wie ein Vergleich mit den zum Beleg angeführten Ausschnitten der Transkripte in OC 123 ergibt.

228
Nr. 99 (Waffen-SS)

229
Die Beklagten nehmen als Beleg Bezug auf Anlagen OC 124. Dort findet sich eine solche Äußerung des Klägers nicht, insbesondere nicht die als Originalzitat dargestellten Worte “ … „.

230
Nr. 101 zu Kardinal Meisner

231
Die Beklagten legen zum Beweis OC 125 vor. Hierbei handelt es sich offensichtlich um eine teilweise Abschrift des Transkripts OC 27 vom 19.01.2002, vorgelegt zum Beweis des zweiten Teils der Äußerung Nr. 103. Nicht nur, dass diese Transkripte im Wortlaut im Übrigen variieren (in der Version OC 125 z.B. finden sich die Worte „von deinem Klerus“ nicht, dafür Ausführungen zum Tod des Papstes), ist überdies obiges Originalzitat nicht enthalten.

232
c) Soweit die Unrichtigkeit der streitgegenständlichen Äußerungen nicht bereits auf Grundlage fehlender Belege von Beklagtenseite anzunehmen ist, ist zur Beurteilung der Rechtswidrigkeit der Persönlichkeitsverletzung eine Abwägung vorzunehmen.

233
Bei der Abwägung der widerstreitenden Grundrechte, auf die sich der Kläger und die Beklagten zu 2) und 3) berufen können, ist davon auszugehen, dass die Grundrechte der Meinungs- und Pressefreiheit und des Schutzes der Persönlichkeit nicht vorbehaltlos gewährleistet sind. Die Meinungs- und Pressefreiheit findet ihre Schranken nach Art. 5 Abs. 2 GG in den allgemeinen Gesetzen. Darunter sind alle Gesetze zu verstehen, die sich nicht gegen die von Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG gewährleisteten Freiheitsrecht an sich richten, sondern dem Schutz eines schlechthin, ohne Rücksicht auf eine bestimmte Meinung, zu schützenden Rechtsguts dienen (vgl. BVerfGE 117, 244 (260)). Hierzu zählen die in § 823 Abs. 1 BGB verankerten Rechtsgrundsätze des zivilrechtlichen Persönlichkeitsschutzes sowie die im Range einfachen Bundesrechts stehende Vorschrift des Art. 8 Abs. 1 EMRK, in welcher das Recht auf Achtung des Privatlebens verankert ist. Bei der Bestimmung der Reichweite dieses Schutzes ist der situationsbezogene Umfang der berechtigten Privatheitserwartungen des Einzelnen zu berücksichtigen (vgl. BVerfG Beschluss v. 26.02.2008, 1 BvR 1602/07, zitiert nach juris Rn. 50-53 m.w.N.).

234
Das aus Art. 2 Abs. 1 in Verb. m. Art 1 Abs. 1 GG hergeleitete verfassungsrechtliche Grundrecht auf Schutz der Persönlichkeit unterliegt der Schrankenregelung der verfassungsmäßigen Ordnung (Art. 2 Abs. 1, 2 HS GG), zu der neben den Grundrechten wie Art. 5 Abs. 1 GG auch die in Art. 10 EMRK verbürgte Äußerungsfreiheit zählt.

235
Bei der Abwägung mit kollektiven Rechtsgütern ist davon auszugehen, dass in Art. 5 Abs. 1 GG eine Vermutung für die Zulässigkeit einer Berichterstattung der Presse, die zur Bildung der öffentlichen Meinung beitragen soll, verbürgt ist (BVerfG a.a.O. Rn 58).

236
Das Selbstbestimmungsrecht der Presse erfasst allerdings nicht auch die Entscheidung, wie das Informationsinteresse im Zuge der Abwägung mit kollidierenden Rechtsgütern zu gewichten und der Ausgleich zwischen den betroffenen Rechtsgütern herzustellen ist (BVerfG NJW 2001, 1921 (1922). Die Gewichtung der gegenläufigen Interessen der Betroffenen ist von den Gerichten vorzunehmen, wobei eine inhaltliche Bewertung der jeweiligen Veröffentlichungen als wertvoll oder wertlos, seriös und ernsthaft oder unseriös nicht vorgenommen werden darf, sondern sich die Prüfung auf die Feststellung zu beschränken hat, in welchem Ausmaß der Bericht ein Beitrag für den Prozess der öffentlichen Meinungsbildung zu erbringen vermag (BVerfGE 120, 180 ff; zitiert nach juris Rn. 69).

237
Die Gerichte haben zu beachten, dass die Garantie der Pressefreiheit nicht allein den subjektiven Rechten der Presse, sondern in gleicher Weise auch dem Schutz des Prozesses öffentlicher Meinungsbildung und damit der Meinungsbildungsfreiheit der Bürger dient. Äußerungen in der und durch die Presse wollen in der Regel zur Bildung der öffentlichen Meinung beitragen und haben daher zunächst die Vermutung der Zulässigkeit für sich, auch wenn sie die Rechtssphäre anderer berühren (BVerfGE 20, 162 (177). Bei der Abwägung sind die betroffenen unterschiedlichen Interessen und das Ausmaß ihrer Beeinträchtigung zu erfassen. Der „Kernbereich der Privatsphäre“ wird von einem besonderen Schutzinteresse des Betroffenen gekennzeichnet. Dieses ist gegenüber einem im Wesentlichen allein der Zerstreuung oder der Befriedigung von Neugier dienenden Informationsanliegen regelmäßig vorrangig (vgl. BGHZ 131, 322 (338); BGH Urt.v. 09.12.2003 – VI ZR 373/02, VersR 2004, 522 (523)).

238
d) Die Abwägung des durch Art. 2 Abs. 1, Art 1 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK gewährleisteten Interesses des Klägers auf Schutz seiner Persönlichkeit und seines guten Rufs mit dem in Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 EMRK verankerten Recht der Beklagten zu 1) und 3) auf Meinungs- und Pressefreiheit ist nach umstehenden Grundsätzen für jede der angegriffenen Textpassagen gesondert vorzunehmen.

239
Dabei geht die Kammer davon aus, wie bereits ausgeführt, dass sämtliche streitgegenständlichen Äußerungen des Klägers der Privatsphäre des Klägers, insbesondere in ihrer besonderen Ausprägung der Vertraulichkeitssphäre (vgl. zu dieser Begrifflichkeit etwa BGH, Urteil vom 30.09.2014 – VI ZR 490/12), zuzuordnen sind. Denn die Aufnahme der Tonbandprotokolle erfolgte im privaten, häuslichen Umfeld des Wohnhauses des Klägers. Das Gespräch zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 1) basierte auf der vereinbarten Vertraulichkeit und erfolgte im berechtigten Vertrauen des Klägers darauf, dass nichts, was er auf Tonband sprach, ohne seine Zustimmung veröffentlicht werden würde, da ihm vertraglich die Endkontrolle über den Wortlaut der Memoiren zugesichert worden war (zu dieser Wertung auch für Mitteilungen, die über die Person des sich Äußernden selbst nichts aussagen, die aber einem Vertrauten in der Erwartung gemacht werden, dass er sie – jedenfalls in der abgegebenen Form – für sich behalten werde vgl. insbesondere auch BGH, Urteil vom 10.03.1987 – VI ZR 244/85 – BND-Interna).

240
aa) Bei der Abwägung ist zu berücksichtigen, dass der Kläger in zulässiger Weise die Richtigkeit der streitgegenständlichen Äußerungen bestritten hat. Das Bestreiten des Klägers ist beachtlich.

241
Eigene Handlungen oder Wahrnehmungen der Partei können nicht mit Nichtwissen gemäß § 138 Abs. 4 ZPO bestritten werden. Hat die Partei keine aktuelle Kenntnis, muss sie sich, etwa durch Einsichtnahme in Aufzeichnungen, kundig machen (BGHZ 109,205 (209f). Führt dies zu keinem Ergebnis, muss sie den Grund ihrer Unkenntnis darlegen. Erachtet das Gericht die Darlegung für glaubhaft, ist das dann auch nicht gegen die Wahrheitspflicht verstoßende Bestreiten zu beachten (vgl. Greger in: Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016 § 138 Rn. 14 m.w.N.).

242
Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben. Der Kläger hat nachvollziehbar begründet, weshalb er keine konkrete Erinnerung mehr an den Inhalt der inzwischen 14-16 Jahre zurückliegenden Gespräche mehr hat. Aufgrund des außerordentlichen Umfangs der Gespräche, welche unstreitig mehr als 600 Stunden dauerten, wären im Gegenteil präzise Kenntnisse zum heutigen Zeitpunkt über Details der Äußerungen kaum glaubhaft. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Kläger zwischenzeitlich schwer erkrankte und nach einem Schädel-Hirntrauma nicht vollständig genesen ist.

243
Die Beklagte zu 3) behauptet, ihr Justiziar habe keine Erinnerung mehr an (erst) zwei Jahre zurückliegende Äußerungen anlässlich einer Pressekonferenz. Vor diesem Hintergrund ist eine fehlende Erinnerung des Klägers an weitaus länger zurückliegende Äußerungen plausibel, insbesondere da der Kläger diese in privaten Gesprächen tätigte und keinen Anlass hatte, auf Wortwahl und exakte Formulierung zu achten.

244
Der Kläger hat vorgetragen, dass er anhand der ihm vorliegenden Originaltonbänder die Richtigkeit der von Beklagtenseite vorgetragenen Äußerungen versucht habe zu überprüfen bzw. überprüfen zu lassen und hat hierzu Abschriften (Wort-für-Wort-Protokolle) zu 13 der streitgegenständlichen Äußerungen vorgelegt.

245
Die Beklagten haben den Vortrag des Klägers, dass die Tonbänder nur zu rund 1/5 vernehmliche Gespräche beinhalten, eine weitere Erkundigung ihm deshalb nicht möglich sei, nicht in erheblicher Weise bestritten.

246
Die Formulierung, die der Beklagte zu 1) gewählt hat (er bestreite, durch aktives Tun die Tonbänder gelöscht zu haben oder ihre Löschung veranlasst zu haben), lässt bereits die Möglichkeit zu, dass der Beklagte zu 1) eine Löschung – passiv – geduldet hat. In diese Richtung deutet auch die Äußerung des Beklagten anlässlich eines Interviews, dass er die Tonbänder nicht gelöscht habe, aber die (für die Einwirkungen von Magneten unstreitig empfindlichen) Originaltonbänder mehrfach im Ausland gewesen und durch Kontrollen gegangen seien.

247
Des Weiteren hat der Beklagte zu 1), der zu von ihm nicht näher bezeichneten Zeitpunkten Vervielfältigungen von den Originaltonbändern veranlasste, sich dahin eingelassen, er habe die Originaltonbänder „in vorhandenem Zustand“ an den Kläger herausgegeben. Den Zustand als solchen hat der Beklagte zu 1) indes nicht beschrieben. Zu berücksichtigen ist ferner, dass der Beklagte zu 1) nach eigener Aussage (Buch S. 16) die Vorstellung, dass die Zeugin Dr. Y1 stundenlang Bänder mit gesammeltem Schweigen abhören müsse (wie nach Klägervortrag tatsächlich geschehen), erfreulich fände. Dies ist ein erhebliches Indiz dafür, dass die Originaltonbänder, wie in dem Verfahren 14 O 315/14 vor der erkennenden Kammer unstreitig, tatsächlich nur noch teilweise abhörbar sind.

248
Letztlich kann dahinstehen, ob der Löschvorgang von Beklagtenseite veranlasst wurde, da nach dem unstreitigen Vorbringen des Beklagten zu 1) die Lebensdauer von Magnettonbändern wie den Originaltonbändern begrenzt ist und noch während der Tonbandgespräche der Beklagte zu 1) aus diesem Grunde die Notwendigkeit von Sicherheitskopien mit dem Kläger erörtert haben will. Das Bestreiten der Beklagten zu mit Nichtwissen ist vor diesem Hintergrund wegen Widersprüchlichkeit unbeachtlich.

249
Der Kläger kann zudem auch deshalb die Richtigkeit und Authentizität der streitgegenständlichen Äußerungen in zulässiger Weise bestreiten, weil schon aus den von Beklagtenseite zum Beweis der Originalzitate vorgelegten Transskripten in einer Vielzahl von Fällen (dazu siehe unten) hervorgeht, dass sich der Kläger tatsächlich nicht so geäußert hat, wie in dem Buch als Originalzitat dargestellt, selbst wenn man den Wortlaut der Transskripte als zutreffend unterstellt.

250
Zudem sind die von den Beklagten auszugsweise vorgelegten Tonbandtranskriptionen zum Beleg der Richtigkeit der von den Beklagten behaupteten Äußerungen des Klägers nicht geeignet:

251
Bereits dem äußeren Erscheinungsbild nach erfolgten die Transkriptionen der Tonbandprotokolle nicht immer mit der dazu erforderlichen Genauigkeit, wie die Vielzahl der Auslassungen und dokumentierten Unsicherheiten (… oder ??) sowie auch die falsche oder unsichere Schreibweise von Namen („Gescheitle, Nahim, Nagoda“) zeigen. Ein Vergleich der von Beklagtenseite vorgelegten Audio-Dateien mit den entsprechenden Transkriptionen ergibt zudem, dass diese keine Wort-für-Wort-Protokolle sind. Hingegen geben die von Klägerseite mit Schriftsatz vom 21.11.2016 vorgelegten Tonbandabschriften den auf den teils nur sehr kurzen Audio-Ausschnitten hörbaren Wortlaut, von kurzen Auslassungen ( … .) oder (???) abgesehen, exakt wieder.

252
Auffällig bei den von Beklagtenseite vorgelegten Transkriptionen ist auch, dass im Vergleich zu den Audiodateien die Äußerungen des Klägers und der nicht näher bezeichneten Fragesteller mit grammatikalischen und sprachlichen Abweichungen, teils auch anderem Wortlaut wiedergegeben werden (z.B. „Nagoda“ als Äußerung des Klägers im Transkript; „Jagoda“ als Äußerung des Beklagten zu 1) auf der korrespondierenden Audio-Datei zu hören).

253
Bestehen aufgrund dieser Umstände bereits Zweifel an der Richtigkeit der Transkriptionen, gilt dies erst recht im Hinblick darauf, dass augenscheinlich die Beklagtenseite über unterschiedliche Versionen von Transkriptionen desselben Tonbandes verfügt, wie anhand der vorgelegten Versionen OC 27 und OC 125 offensichtlich. Von den Beklagten wurde OC 27 vorgelegt zum Beleg der Äußerung zu Zitat Nr. 103 (zum jüdischen Weltkongress), OC 125 zu Zitat Nr. 101 (Kardinal Meißner). OC 125 ist eine (ungenaue) Abschrift der Tonbandabschrift OC 27.

254
Im Transskript OC 27 heißt es:

255
Im Transskript OC 125 heißt es:

256
Der Wortlaut dieser Transkript-Versionen variiert an einigen Stellen (zur Einstellung gegenüber dem Kardinal sowie dem Tod des Papstes) teils erheblich. Andererseits ist der Gesamtwortlaut der Versionen im Hinblick auf Satzstellung, Wortwahl und Einleitung identisch, so dass nicht davon auszugehen ist, dass der Kläger die Geschichte zweifach erzählt hat und es sich um die Transkriptionen unterschiedlicher Tage handelt. Eine Erklärung für die Unterschiede haben die Beklagten nicht vorgetragen. Es handelt sich auch nicht um Marginalien. Denn es bedeutet einen erheblichen Unterschied in der Aussage, ob 80 % des Klerus oder 80 % (der katholischen Bevölkerung?) mit einem eingesetzten Kardinal (angeblich) unzufrieden sind.

257
Der handschriftliche Vermerk auf Anlage OC 51 „Qualität gemäß Original“ lässt vermuten, dass auch im Übrigen unterschiedliche Versionen der Transkriptionen existieren.

258
Schon in Kenntnis derartiger Unterschiede in den Transskripten wären die Beklagten gehalten gewesen, eine vollständige Kopie der Tonbandprotokolle sowie der Tonbänder vorzulegen, wie ihnen dies die Kammer mit Beschluss vom 25.08.2016 aufgegeben hat. Spätestens hätten die Beklagten jedoch nach Erhalt des Schriftsatzes des Klägers vom 21.11.2016 zum Nachweis der Richtigkeit der streitgegenständlichen Äußerungen eine solche Kopie der Tonbandprotokolle in Ton und Schrift vorlegen müssen.

259
Das Bestreiten der Richtigkeit der streitgegenständlichen Äußerungen von Seiten des Klägers mit Schriftsatz vom 21.11.2016 war entgegen der Ansicht der Beklagten auch nicht verspätet, da die Beklagten noch vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung vom 08.12.2016 ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme hatten, wie nicht zuletzt die Vorlage der Ausschnitte von Transkriptionen und Audio-Ausschnitte mit Schriftsatz der Beklagten zu 1) und 2) vom 28.11.2016 zeigt. Eine Verspätung durch den Vortrag des Klägers kommt auch deshalb nicht in Betracht, weil der Vortrag des Klägers mit Schriftsatz vom 21.11.2016 nicht zu einer Verzögerung des Rechtsstreits führt, die Sache ist vielmehr entscheidungsreif auch unter Berücksichtigung des Vorbringens des Klägers.

260
bb) Vor diesem Hintergrund und der begründeten Zweifel an der Richtigkeit der behaupteten Äußerungen ist die Abwägung des Rechts des Klägers auf Schutz seiner Privatsphäre mit dem Recht der Beklagten auf Meinungs- und Pressefreiheit vorzunehmen. Dabei gilt, dass die Beklagten für die Richtigkeit der streitgegenständlichen Äußerungen darlegungs- und beweispflichtig sind (s.o.).

261
Beweis für die Richtigkeit der Äußerungen haben die Beklagten in ausreichendem Maße nur für elf der streitgegenständlichen Äußerungen durch Vorlage von (kurzen) Audio-Abschnitten angetreten. Grundsätzlich sind alle weiteren Äußerungen mangels Erweislichkeit bereits zu untersagen. Denn die Beklagten haben nach wie vor die Möglichkeit (wie bereits die Vorlage kurzer Audio-Ausschnitte zeigt), die Richtigkeit der behaupteten Äußerungen zu überprüfen, weshalb sie nur solche Äußerungen veröffentlichen und verbreiten durften (und dürfen), von deren Wahrheitsgehalt sie sich überzeugt hatten und die sie demzufolge hätten belegen können und müssen.

262
Ausgehend von dem Wahrheitsgehalt der streitgegenständlichen Äußerungen zu 1 – 114 hatte die erkennende Kammer mit Urteil vom 13.11.2014 dem Unterlassungsantrag des Klägers gegenüber den Beklagten zu 2) und 3) wegen rechtswidriger Verletzung seines Persönlichkeitsrechtes in weitem Umfang stattgegeben. Eine solche ist erst recht im Hinblick auf die Zweifel an der Authentizität der behaupteten Originalzitate anzunehmen. Die Kammer hält aus diesem Grunde an ihrer Ansicht zum Vorliegen einer rechtswidrigen Persönlichkeitsrechtsverletzung zu nachfolgenden Äußerungen fest:

263
(cc) Die Veröffentlichung und Verbreitung der nachfolgenden Textpassagen ist wegen der schwerwiegenden Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Klägers, gegenüber der das öffentliche Interesse zurückzutreten hat, rechtswidrig:

264
(1) Die Textpassagen

265
Nr. 5 (S. 23 zu Norbert Blüm)

266
Nr. 6 (S. 23 zum Chemiegigant aus Ludwigshafen)

267
Nr. 69 (S. 123 zur Beerdigung von Hannelore Kohl)

268
verletzen das Recht des Klägers am Schutz des gesprochenen Wortes sowie die engste Privatsphäre des Klägers in besonderem Maße, da sie die Reaktion des Klägers auf den Selbstmord seiner Ehefrau und die familiäre Auseinandersetzung anlässlich der Beisetzung von Frau Hannelore Kohl thematisieren. Jeder Mensch, auch ein Politiker, hat jedoch das Recht, mit der Trauer über den Verlust eines nahen Angehörigen, sei es durch Tod oder Selbstmord, allein gelassen zu werden und kann verlangen, dass die im privaten, häuslichen Bereich geäußerten Reaktionen auf den Verlust und die Art und Weise, wie der Betroffene mit dem Verlust und den ausgesprochenen Beileidsbekundungen umgeht, nicht an die Öffentlichkeit getragen werden. Dies gilt auch, soweit der Kläger zuvor durch Veröffentlichung von Familienaufnahmen beispielhaft sein Privatleben gegenüber der Öffentlichkeit geöffnet hat, da es vorliegend um eine Ausnahmesituation nach dem Selbstmord eines nahen Angehörigen geht, in der ein Politiker wie jeder andere Betroffene Schutz beanspruchen kann und die Veröffentlichung solcher Belastungssituationen lediglich der Befriedigung der Sensationslust dient.

269
Gerechtfertigt ist die Verletzung auch nicht wegen der Veröffentlichung des Abschiedsbriefs der Ehefrau des Klägers im Jahr 2001, da dieser in keinem Zusammenhang mit der Reaktion der Söhne des Klägers auf die angekündigte Teilnahme des Bundeskanzlers Schröder an der Trauerfeier steht. Dass die Söhne des Klägers sich hierzu später geäußert haben mögen, rechtfertigt gleichfalls nicht ein öffentliches Interesse, da es vorliegend um die persönliche Einschätzung und Situation aus Sicht des Klägers geht. Auch die Beklagten behaupten nicht, dass der Kläger seine Betroffenheit über die persönliche Auseinandersetzung mit seinen Söhnen der Öffentlichkeit zuvor offenbart habe.

270
(2) Die Textpassagen Nr. 1, 32, 43, 70, 87 betreffen gleichfalls die innerste Privatsphäre des Klägers, nämlich die Kommunikation mit und das Verhältnis zu seiner Ehefrau. Dies gilt auch, soweit in wörtlichen Zitaten nur die Äußerung der Ehefrau des Klägers und nicht die Reaktion des Klägers hierauf wiedergegeben wird, da die wörtlichen Zitate ersichtlich Teil eines Gesprächs zwischen dem Kläger und seiner Ehefrau waren und der Wortlaut der Äußerung Rückschlüsse darauf zulässt, in welcher Weise der Kläger mit seiner Ehefrau kommuniziert hat, diese zum Teil Einfluss nehmend und beratend auf ihn eingewirkt hat und er ihrer Meinung Gewicht beigemessen hat. Gegenüber dem Recht des Klägers auf Schutz seiner Privatsphäre als Ehemann, die dem Kläger auch als Politiker zusteht, hat das öffentliche Interesse an einer Veröffentlichung zurückzutreten, zumal die mitgeteilten Informationen zu den Ansichten Frau Kohls geringen Informations- und eher nur Unterhaltungswert haben. Soweit die Beklagten darauf abstellen, dass der Kläger sein Privatleben, z.B. durch Veröffentlichung von Familienfotos, der Öffentlichkeit geöffnet habe, vermag dies eine Veröffentlichung der streitgegenständlichen Äußerungen nicht zu rechtfertigen, da ein erheblicher qualitativer Unterschied zwischen der inneren Abstimmung unter Eheleuten und dem Zeigen von Familienbildern besteht. Auch die Beklagten behaupten nicht, dass der Kläger sich zuvor über sein Verhältnis zu seiner Ehefrau in der Öffentlichkeit geäußert habe.

271
(3) Die Veröffentlichung der nachfolgenden Textpassagen stellt gleichfalls einen besonders schwerwiegenden Eingriff in die Privatsphäre des Klägers dar und beeinträchtigt den Schutz am gesprochenen Wort in besonders massiver Weise, die Rechtsverletzung überwiegt aus diesem Grund das öffentliche Interesse an den nachfolgenden Äußerungen:

272
Nr. 2 – 4, Nr. 7, Nr. 10 – 12, Nr. 15 – 21, Nr. 23 – 26, Nr. 28, Nr. 30, Nr. 31, Nr. 35 f, Nr. 40, Nr. 46f, Nr. 48f, Nr. 51 – 53, Nr. 55 – 59, Nr. 61 – 65, Nr. 67, Nr. 72f, Nr. 79, Nr. 81f, Nr. 84, Nr. 89 f, Nr. 93f, Nr. 102, Nr. 105 – 111

273
Es handelt sich dabei ausschließlich um wörtliche Zitate des Klägers, die, unabhängig von ihrem Inhalt, dem Schutz des gesprochenen Wortes unterfallen. Sie zeichnen sich durch eine drastische und umgangssprachliche Ausdrucksweise aus und bringen in z.T. abfälliger und herabsetzender Art und Weise die geringe Achtung des Klägers gegenüber den Erwähnten zum Ausdruck. Zu einem großen Teil wären die Ausdrücke, sofern der Kläger sie unmittelbar gegenüber den Betroffenen geäußert hätte, geeignet, den Tatbestand der Beleidigung zu erfüllen (§ 185 StGB).

274
Die Veröffentlichung dieser Äußerungen des Klägers ist allein aufgrund der Ausdrucksweise in besonderem Maße geeignet, sein Ansehen in der Öffentlichkeit zu beeinträchtigen und das Verhältnis des Klägers zu den erwähnten Personen nachhaltig zu beeinträchtigen.

275
Zu berücksichtigen ist, dass die oft drastische Ausdrucksweise auch damit zusammenhängen dürfte, dass sich der Kläger zu dem Zeitpunkt zumindest eines Teils der Äußerungen in einer emotionalen Ausnahmesituation befunden hat, auf dem Höhepunkt der Parteispendenaffäre, isoliert von der Öffentlichkeit und weiten Teilen seiner eigenen Partei und getroffen von dem Selbstmord seiner Ehefrau. Die Situation des Klägers skizziert der Beklagte zu 1) wie folgt: „Sein gesellschaftliches Ansehen strebt gegen null (Buch S. 20). In dieser Situation „schüttet er (der Kläger) seinen Gesprächspartnern das Herz aus“, (S. 72) „schlägt um sich wie ein angezählter Boxer“ (S. 22) und verfasst eine „Enzyklopädie der süßen Rache“ (S. 84), in deren Folge ohne weitere Darstellung eines Zusammenhangs die angegriffenen Textpassagen hintereinander gereiht werden.

276
Der Kläger hat diese „Entgleisungen“ (Buch S. 225) augenscheinlich in einem Zustand der Wut, Verbitterung und Rache geäußert in dem Gespräch mit dem Beklagten zu 1) und z.T. Dr. M, die er als seine Vertrauten ansah. Im privaten Umfeld jedoch, auf der Basis einer zugesagten Geheimhaltung der Äußerungen gegenüber Dritten war auch die Kläger berechtigt, sich gehen zu lassen, seinen Emotionen freien Lauf zu lassen und unbesorgt auch vorschnelle, situationsbedingte Urteile über andere Politiker, politische Weggefährten und Feinde in einem „maßlose(n) Rückblick im Zorn“ (Buch S. 103) zu äußern. Die im Keller des Hauses des Klägers geführten Gespräche verloren ihren privaten Charakter und damit einhergehenden Schutz der Privatsphäre nicht dadurch, dass sie aufgezeichnet wurden. Mit einem Missbrauch der Tonbänder und einer Veröffentlichung derselben durch den Beklagten zu 1), dem der Kläger zum damaligen Zeitpunkt vertraute, brauchte der Kläger nicht zu rechnen. Denn aufgrund der Geheimhaltungsvereinbarung mit dem Beklagten zu 1) und der zugesicherten Endkontrolle der Memoirenbände konnte der Kläger gewiss sein, dass keine seiner Äußerungen in der Form ohne seine Zustimmung nach außen dringen würde. Dies gilt zumal der Kläger bereits im Zeitpunkt der Tonbandaufnahmen bezüglich „sehr freimütig(er)“ Äußerungen über damalige und auch heute teils noch aktive Politiker, wenn er ins Erzählen gekommen war, die Anweisung erteilt hatte, „Das schreiben wir aber nicht“, wie der Zeuge Dr. M bekundete und mehrfach auf den Transkriptionen festgehalten ist. Bei der Abfassung der Memoiren bestand er dann auch darauf, „Zeile um Zeile gemeinsam durchzusehen. Um sicher zu gehen, hatte der ewig Misstrauische auch stets noch einen seiner persönlichen Referenten einbestellt. Schließlich galt es, für die Ewigkeit zu formulieren“ (Buch S. 49). Mit der Sicherheit dieser Kontrollmöglichkeit brauchte der Kläger beim Diktieren seiner Lebenserinnerungen auf Tonband kein Blatt vor den Mund zu nehmen.

277
Der Schutz der Vertraulichkeitssphäre des Klägers an den vorstehenden Textpassagen überwiegt das von den Beklagten zu 2) und 3) verfolgte Informationsinteresse der Öffentlichkeit und ihr Recht auf Meinungsfreiheit.

278
Wie bereits mit Urteil vom 13.11.2014 – 14 O 315/14 – ausgeführt, haben die Äußerungen des Klägers weitgehend keinen hohen „Öffentlichkeitswert“, abgesehen von dem öffentlichen Interesse, das ohnehin jeglicher Äußerung des Klägers als herausragendem Politiker der Zeitgeschichte entgegengebracht wird. Das öffentliche Interesse rechtfertigt aber nicht per se aus o.g. Gründen eine Veröffentlichung jeder dieser Äußerungen, weil dies auf eine komplette Verneinung des Schutzes der Privatsphäre und der Vertraulichkeitssphäre für den Kläger hinauslaufen würde.

279
(4) Die Veröffentlichung der streitgegenständlichen Textpassagen ist auch nicht aus sonstigen Gründen gerechtfertigt. Keine der streitgegenständlichen Textpassagen hat ein – über die Äußerung als solche – strafrechtlich relevantes Verhalten des Klägers zum Gegenstand. Aus dem Gesichtspunkt der Aufdeckung eines Missstandes von erheblichem Gewicht (vgl. BGH, Urt. v. 30.09.2014 – VI ZR 490/12 – Innenminister unter Druck), ist die Veröffentlichung aus diesem Grund gleichfalls nicht gerechtfertigt.

280
Hinzu kommt, dass die Äußerungen des Klägers nicht eingebettet in den Gesamtzusammenhang der 3000 Seiten umfassenden Abschriften der Tonbandprotokolle wiedergegeben werden, sondern ersichtlich wegen ihrer Auffälligkeit „herausgepickt“ und aneinandergereiht wurden. Schließlich ist auch zu berücksichtigen, dass die Beklagten zu 2) und 3) sich an dem Rechtsbruch des Beklagten zu 1) unterstützend und beratend beteiligt haben.

281
Aus diesem Grunde ist die Veröffentlichung und Verbreitung der oben genannten Textpassagen wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers rechtswidrig.

282
(5) Auch die Veröffentlichung nachfolgender Äußerungen stellt eine rechtwidrige Persönlichkeitsrechtsverletzung dar:

283
Nr. 13f, Nr. 27, Nr. 30, Nr. 33f,, Nr. 39, Nr. 41f, Nr. 44f, Nr. 54, Nr. 66, Nr. 68, Nr. 74-76, Nr. 83, Nr. 88, Nr. 94-98, Nr. 104, Nr. 113

284
Bei diesen Textpassagen, die gleichfalls die auf Tonband festgehaltenen Äußerungen des Klägers in direkter oder indirekter Rede wiedergeben, handelt es sich um die private Selbsteinschätzung des Klägers (Nr. 13, 14, 30) sowie Einschätzungen seiner politischen Gegner und Weggefährten, die, auch soweit sie nicht in der drastischen Ausdrucksweise formuliert sind, dennoch eine negative Grundeinstellung des Klägers zu den Genannten zum Ausdruck bringen (beispielsweise Nr. 27 zu Stoltenberg “ … „, zu Geißler “ … “ (zumal diese Äußerung nicht durch Transskripte belegt ist), Nr. 39 “ … „) und geeignet sind, die Angesprochenen verächtlich zu machen, was auf den Kläger als Äußernden unmittelbar zurückfällt. Durch die Wiedergabe wird der Eindruck erweckt, dass der Kläger nicht in der Lage war, differenziert über politische Gegner zu urteilen.

285
Die Wiedergabe dieser Textpassagen verletzt ebenfalls in erheblichem Umfang die Privatsphäre des Klägers und damit dessen Persönlichkeitsrecht gerade aufgrund der Wortwahl des Klägers und der auch in diesen Passagen ausgedrückten negativen Einstellung, die geeignet ist, die Achtung vor dem Kläger in der Öffentlichkeit sinken zu lassen. Aus diesem Grund hat der Kläger in besonderem Maße Anspruch auf Schutz der Vertraulichkeit seiner Äußerungen.

286
Im Gegenzug ist das Öffentlichkeitsinteresse, auf das sich die Beklagten zu 1) und 3) berufen können, nicht von erheblichem Gewicht, da auch hier ein Sachzusammenhang nicht dargestellt wird und die Äußerungen als solche lediglich Unterhaltungswert haben, der gegenüber dem Anspruch des Klägers auf Persönlichkeitsschutz nachrangig ist.

287
(6) Nr. 37 (S.93 zu Kurt Biedenkopf, Franz Josef Strauß)

288
Auch die Veröffentlichung dieser Textpassage bedeutet eine rechtswidrige Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers.

289
Die wiedergegebene Anekdote des Klägers aus dem Jahr 1976 ist zwar stellenweise mit eigenen Worten des Autors verflochten, diese dienen aber ersichtlich nur dazu, die Erzählung des Klägers zu straffen und um ansonsten ohne Zusammenhang nebeneinander aufgereihte Zitate des Klägers in derber, umgangssprachlicher Wortwahl (“ … „) zu verbinden. Dies stellt gleichfalls eine erhebliche Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers dar. Demgegenüber hat im Hinblick auf das Alter der Episode sowie des dargestellten Inhaltes die Geschichte keinen tagesaktuellen Bezug, sondern vielmehr nur einen gegenüber der Persönlichkeitsrechtsverletzung des Klägers nachrangiges öffentliches Interesse an unterhaltender Information.

290
Gleiches gilt für die Textpassage Nr. 22 zu Angela Merkel u.a.

291
Die als direkte Rede wiedergegebene, drastische und abfällige Wertung verletzt den Kläger erheblich in sein Persönlichkeitsrecht, auch. Frau Merkel war als Nachfolgerin des Klägers in politischen Ämtern im Jahr 2001/2002 aktiv und zählte damit zum Kreis der Politiker, bezüglich derer der Kläger nach Bekundungen des Zeugen Dr. M ausdrücklich nicht wünschte, dass seine Äußerungen veröffentlicht würden. Hinzu kommt, dass die als Originalzitat dargestellte Äußerung des Klägers bereits auf Grundlage der von den Beklagten vorgelegten Transskripte so nicht gefallen ist:

292
Die Äußerung zu Angela Merkel,

293
welche in dem Buch als einheitliche Äußerung dargestellt wird, ist tatsächlich aus drei Äußerungen zusammengesetzt, die an drei unterschiedlichen Tagen, mit einem Abstand von mehreren Monaten (30.04.2001, 30.04.2001 und 17.03.2002 (OC 36 – 38) gefallen sein sollen:

294
Für die Äußerung (Teil 1, “ … „) legen die Beklagten ein Transskript vor, dessen letzter Satz mit “ … “ beginnt und zugleich das Transskript endet.

295
Teil zwei der Äußerung lautet dem Transskript zufolge

296
Teil 3 der Äußerung “ … “ bezieht sich ausweislich des Wortlauts des Transskripts nicht auf die Person der Kanzlerin, sondern auf die Umgangsweise unter Politikern:

297
Auch soweit in dieser Textpassage und den Textpassagen Nr.59, 83, 88, 92, 96, 101 neben der Wiedergabe der Äußerungen des Klägers in direkter/indirekter Rede die abfälligen Äußerungen des Klägers mit eigenen Worten des Autors wiedergegeben werden, begründen diese ein Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers, da es aus den oben ausgeführten Gründen, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, keinen Unterschied macht, ob die Äußerung des Klägers in direkter oder indirekter Rede oder mit den eigenen Worten des Autors, aber gleichem Sinngehalt wiederholt wird.

298
Im Hinblick darauf, dass die Tonbandprotokolle 3000 Seiten umfassend, war eine Wiedergabe der Äußerungen des Klägers, wenn auch nur ansatzweise ein Zusammenhang noch verständlich sein sollte, stellenweise in komprimierter Form notwendig. Die Verletzung der Vertraulichkeitssphäre durch die Wiedergabe der Äußerungen des Klägers wird aber nicht dadurch gemindert, dass die Äußerungen des Klägers zusammengefasst wiedergegeben werden. Vielmehr liegt die Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers insbesondere darin, dass ohne Darstellung des Tonfalls und Zusammenhangs der Äußerung die Möglichkeit der Verfälschung ihres Sinns besteht. So kann ein Schimpfwort, in leichtem Ton gesprochen, nicht als Beleidigung gemeint und zu verstehen sein, gedruckt jedoch eindeutig negativ wirken.

299
Demgegenüber haben die Äußerungen über ihren Unterhaltungswert als solchen, der bezüglich der jetzigen Kanzlerin besonders ausgeprägt sein dürfte, keinen Informationsgehalt. Insbesondere die Textpassage Nr. 22 zu Angela Merkel enthält keinerlei Sachinformationen, die geeignet sein könnten, zur öffentlichen Meinungsbildung beizutragen, zumal die Textpassage als solche aus vorstehenden Gründen keinen Anspruch auf Authentizität als Originalzitat erheben kann.

300
Dies gilt auch hinsichtlich der Bemerkungen Nr. 2 und Nr. 3 über Frau Angela Merkel und Herrn Friedrich Merz. Über die Information hinaus, dass der Kläger diesen Personen gegenüber im Zeitpunkt der Tonbandaufnahme negativ eingestellt wird, ist keinerlei weitere Information mitgeteilt worden. Die Tatsache jedoch, dass sich bis zum Jahr 2001/2002 eine Reihe von Politikern, auch aus der Partei des Klägers, von dem Kläger distanziert hatte, allen voran die jetzige Bundeskanzlerin Frau Merkel in einem Beitrag in der FAZ Ende 1999, war und ist allgemein bekannt, ebenso wie das damalige gespannte Verhältnis des Klägers zu Frau Merkel. Das öffentliche Interesse an den Äußerungen Nr. 2, 3, 22 beschränkt sich damit auf wenig mehr als einen Unterhaltungswert.

301
Im Blick auf die drastische Schilderung, die der Kläger – nach Vortrag der Beklagten – gewählt hat, und die mit einer Veröffentlichung dieser Formulierung einhergehende erhebliche Persönlichkeitsrechtverletzung des Klägers ist die Veröffentlichung dieser Textpassagen, sowie der oben genannten, rechtswidrig.

302
Zu berücksichtigen ist dabei, dass auf Grundlage der von Beklagtenseite vorgelegten Transskripte bereits davon auszugehen ist, dass die Art und Weise, wie die Frau Merkel betreffenden Zitate (Nr. 2 und Nr. 3) in dem Buch dargestellt werden, den tatsächlichen Zusammenhang bewusst verfälscht. In dem Buch wird das Zitat wie folgt in den Kontext eingebettet:

303
King Lear aus der Pfalz hält Gerichtstag über seine missratene Brut. Angela Merkel? „Frau Merkel konnte ja nicht richtig mit Messer und Gabel essen“, knurrt der Kanzler außer Diensten bei unserem Termin sechzehn Tage nach Hannelores Selbstmord, „sie lungerte sich bei den Stadt Essen herum, so dass ich sie mehrfach zur Ordnung rufen musste.“ Das Mädchen aus der Uckermark und ihr Vertrauter Friedrich Merz? „Das sind Leute, die es nicht können. Die Merkel hat keine Ahnung, und der Fraktionsvorsitzende ist ein politisches Kleinkind.“

304
Tatsächlich ist ausweislich des Transskripts OC 45 (Bl. 2696 – 98) die erste Äußerung des Klägers zu Angela Merkel am Ende eines über drei Seiten gehenden Monologes des Klägers gefallen, in welchem er die zur Zeit der Wende bestehenden unterschiedlichen Lebenserfahrungen und religiösen Hintergründe von Ost- und West beschreibt:

305
In dem Transskript sind weder Anhaltspunkte für eine abfällige Abrechnung, noch für Zorn (Knurren) des Klägers ersichtlich.

306
Die zweite Äußerung (Nr. 3) über Angela Merkel und Friedrich Merz, die in dem Buch in unmittelbarem Zusammenhang zu Nr. 2 dargestellt wird, ist ausweislich der Seitenzahlen der vorgelegten Transskripte zu einem gänzlich anderen Zeitpunkt gefallen. Auch diese Äußerung wird bereits auf Grundlage des Transskripts nicht zutreffend wiedergegeben. Sie lautet ohne die von den Beklagten vorgenommenen Kürzungen wie folgt (OC 46, Bl. 2700):

307
Dass zwischen „nicht können“ und „nicht wollen“ ein erheblicher Unterschied besteht, liegt auf der Hand.

308
Nr. 91 S. 181 zu Rita Süssmuth u.a.

309
Die wörtliche Wiedergabe der Äußerung, welche sichtlich eine äußerst drastische Wortwahl auszeichnet, stellt eine schwer wiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechtes des Klägers dar, die gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Veröffentlichung dieses Zitats überwiegt, auch wenn Thema des Zitats die Erörterung eines möglichen Termins für den Tag der deuT-schen Einheit ist (09.11.). Auch hier ist die Reihenfolge der Äußerung von den Beklagten verdreht und die Erregung, die durch das Ausrufezeichen suggeriert wird, in dem Transskript nicht belegt.

310
(dd) Bezüglich der nachfolgenden Textpassagen legt die Kammer der Einschätzung des Oberlandesgerichts Köln (Urteil vom 05.05.2015 – 15 U 193/14) zugrunde, wonach selbst bei einem grundsätzlich bestehenden öffentlichen Interesse aufgrund der den Beklagten bekannten Geheimhaltungsvereinbarung des Beklagten zu 1) mit dem Kläger und der Wiedergabe der in privatem, geschützten Bereich erfolgten Äußerungen des Klägers der Schutz des Persönlichkeitsrechts des Klägers nur vor überragendem öffentlichen Interesse zurücktreten muss, welches auch nach Ansicht der Kammer nicht für die nachfolgenden Äußerungen gegeben ist:

311
Nr. 8 Seite 49

312
Die Textpassage beschreibt mit den Worten des Beklagten zu 1) einen Auszug aus dem zwischen dem Kläger und dem damaligen Palästinenserführer Arafat geführten Telefongespräch, gibt jedoch nur die Bitte um finanzielle Unterstützung von Seiten Arafats, nicht die Reaktion des Klägers hierauf wieder. Auch wenn die Reaktion des Klägers selbst nicht mitgeteilt wird, wird das Persönlichkeitsrecht des Klägers bereits dadurch tangiert, dass wiedergegeben wird, dass Arafat sich an den Kläger in einer kritischen Lage wandte und ersichtlich den Kläger für einen geeigneten Ansprechpartner seines Anliegens erachtete. Ein überragendes öffentliches Interesse an der Veröffentlichung dieser Episode besteht bereits deshalb nicht, weil das Ergebnis des Telefonates völlig offen ist.

313
Nr. 9 S. 61

314
Die Textpassage gibt teilweise das Zitat des Klägers aus einem Brief wieder, den dieser bei Erstellung der Tonbandprotokolle vorlas. Auch insoweit ist die Vertraulichkeitssphäre des Klägers durch die Veröffentlichung der Textpassage verletzt.

315
Es besteht grundsätzlich ein erhebliches öffentliche Interesse an einer Veröffentlichung, da die Textpassage thematisiert, wie Parteispenden von einem Politiker eingefordert und welche Beträge für angemessen erachtet wurden. Die Frage der Parteienfinanzierung ist auch heute noch von tagesaktuellem Bezug, insbesondere vor dem Hintergrund des einige Jahre zurückliegenden Parteispendenskandals.

316
Zu berücksichtigen ist aber, dass die Beklagten für diese Passage keine Audiodatei als Beleg vorgelegt haben. Aufgrund der vielfachen Ungenauigkeiten, die die von den Beklagten vorgelegten Transkripte aufweisen, ist bei einem solch schwerwiegenden Vorwurf, der die Einforderung von Parteispenden unter Druck thematisiert, ein das Persönlichkeitsrechts des Klägers überwiegendes öffentliches Interesse an der Veröffentlichung nur zu bejahen, wenn die Beklagten der ihnen obliegenden Verpflichtung zur Überprüfung der mitgeteilten Tatsachen genügt haben. Dies wäre den Beklagten unschwer möglich durch Anhören (und Vorlage) der entsprechenden Audiodatei. Hiervon haben die Beklagten aber gerade Abstand genommen.

317
Ein überragendes öffentliches Interesse an der Veröffentlichung möglicherweise unzutreffender Äußerungen als Originalzitate ist nicht anzunehmen, wenn Belege (Audiodateien) für deren Richtigkeit von der darlegungsbelasteten Partei, hier den Beklagten, bewusst zurückgehalten werden. Gleiches gilt für die Äußerung Nr. 50 S. 102 f u.a. zu Klaus Töpfer .

318
Nr. 61 (S. 110 zu Manfred Stolpe)

319
Die in wörtlicher Rede wiedergegebene Äußerung des Klägers betrifft den unterschiedlichen Umgang der Parteien mit einer möglichen „Stasi-Vergangenheit“ hochrangiger Parteimitglieder. Das Thema ist auch heute noch, mehr als 27 Jahre nach dem Mauerfall, von erheblichem öffentlichen Interesse und geeignet, zu einer öffentlichen Diskussion und Meinungsbildung darüber beizutragen, welche Auswirkungen eine frühere Tätigkeit von Politikern für den Staatssicherheitsdienst der DDR heute noch hat oder haben sollte. Der dem Kläger in den Mund gelegte Vorwurf wäre indes geeignet, den Straftatbestand der üblen Nachrede zu erfüllen, zumal Belege für den geäußerten Verdacht von Klägerseite damals augenscheinlich nicht benannt oder gar vorgelegt wurden. Aufgrund der Tragweite, die eine solche Äußerung sowohl für den Beschuldigten, als auch den Sprecher impliziert, ist ein öffentliches Interesse an einer solchen Veröffentlichung nur zu bejahen, wenn nachgewiesen ist, dass es sich tatsächlich um ein Originalzitat handelt. Dies haben die Beklagten indes nicht getan, insbesondere keine Audio-Datei vorgelegt.

320
Gleiches gilt hinsichtlich der Äußerungen zu

321
Nr. 71 zu Franz-Josef Strauß

322
Die Kammer folgt der Einschätzungen des Oberlandesgerichts Köln, dass aufgrund der rein persönlichen Prägung der Charakterisierung ein überragendes öffentliches Interesse, welches die Veröffentlichung rechtfertigen könnte, nicht anzunehmen, insbesondere im Hinblick darauf, dass die Beklagten diesbezüglich keine Audio-Dateien vorgelegt haben.

323
Nr. 80 (S. 164 f) und Nr. 86 (S. 169) zu Richard von Weizsäcker )

324
Bezüglich dieser beiden Textpassagen besteht eine Persönlichkeitsrechtverletzung des Klägers durch die Wiedergabe der wörtlichen Zitate des Klägers. Der Wortlaut, der veröffentlicht wurde, ist jedoch neutral und der Schilderung des Sachverhaltes angemessen. Im Gegensatz zu den eingangs aufgeführten Textpassagen geht mit einer Veröffentlichung nicht die Gefahr eines Ansehensverlustes in der Öffentlichkeit für den Kläger einher, weshalb die Persönlichkeitsrechtsverletzung durch die Veröffentlichung weniger schwerwiegend erscheint.

325
Zu berücksichtigen ist jedoch, dass bereits auf Grundlage der von Beklagtenseite vorgelegten Transskripte die als Originalzitate dargestellten Äußerungen des Klägers tatsächlich so nicht gefallen sind.

326
Ausweislich des Transskript OC 108 (Bl. 2829) wird die Äußerung Nr. 80 (in leicht abweichendem Wortlaut) von einem „MJ“ getätigt, ersichtlich handelte sich dabei nicht um die Initialen des Klägers.

327
Die Äußerung Nr. 86 entspricht nicht der Darstellung, wie sie in der Anlage OC 113, Bl. 2841f wiedergegeben wird. Die als einheitliches Zitat dargestellte Äußerung ist tatsächlich von den Beklagten teils im Wortlaut gekürzt, teils sind zwischen den einzelnen Sätzen bzw. Halbsätzen weiterführende Erläuterungen des Klägers, die der Äußerung eine andere Nuance geben, weggelassen worden. Dies betrifft insbesondere die Schilderung des Klägers zu dem Verhältnis zwischen ihm und dem vormaligen Bundespräsidenten einerseits und dem Bundespräsidenten und weiteren Politikern, wie Herrn Schäuble. Zu diesem hatte, wie der Kläger ausführt, aber von den Beklagten gestrichen wurde, der Bundespräsident ein gutes Verhältnis („konnte er ganz gut“).

328
An der Veröffentlichung eines seitens der Beklagten durch Kürzungen und Auslassungen verfälschten Originalzitates, welches in der dargestellten Form keinen Anspruch auf Authentizität erheben kann, besteht kein die Verletzung des Persönlichkeitsrechtes Klägers überwiegendes öffentliches Interesse, gerade weil die Äußerung des Klägers das Verhältnis der Inhaber höchster Staatsämter zueinander betrifft.

329
Nr. 85 zu Richard von Weizsäcker und Walther Leisler Kiep

330
„Dieser Bundespräsident, empört sich Kohl, habe ausgerechnet ihn, seinen alten Mentor, schnöde verraten … (bis)… Beide zählten, wie Kohl ein andermal gesagt, zu den „Opas der Unterstützergarnitur“.

331
Bezüglich dieses Teils der Textpassage, die in umgangssprachlicher Ausdrucksweise die Verärgerung des Klägers über Herrn von Weizsäcker ausdrückt, ansonsten aber keine Sachinformationen enthält, überwiegt die Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers gegenüber einem öffentlichen Interesse an einer Äußerung mit lediglich Unterhaltungswert. Dies gilt umso mehr, als ausweislich der zu der Äußerung Nr. 86 vorgelegten insgesamt 5 Transkriptseiten unterschiedlicher Zählung (OC 112, Bl. 2836-2840) ein Teil der Äußerung (“ … „) nicht belegt ist (siehe oben).

332
Das „Originalzitat“ ist, ausgehend von dem Vortrag der Beklagten zu den Transskripten, zudem kein solches, sondern tatsächlich aus unterschiedlichen Texten zusammengesetzt, wobei teils in eine Äußerung des Klägers (OC 112 S. 33, Bl. 2840 GA) die an völlig anderer Stelle gefallene Äußerung (OC 112 S. 22, Bl. 2839 GA) hineinmontiert wurde, jedoch als durchgehendes Originalzitat präsentiert wird, beginnend mit „Ja, es gab … – völlig egal.“

333
Äußerungen, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten getätigt werden, von den Beklagten aber als einheitliches Zitat „montiert“ werden, beinhalten per se die Möglichkeit, dass diese in ihrem Aussagegehalt verfälscht und aus dem Zusammenhang gerissen wurden. Jedenfalls hinsichtlich solcher zusammengesetzter Zitate sind die Beklagten darlegungs-und beweispflichtig für die Authentizität der Aussage nicht nur nach Wortwahl, sondern auch hinsichtlich des von dem Kläger beabsichtigten Inhalts. Die – kurzen – Transkriptausschnitte sind hierfür nicht ausreichend. Auch haben die Beklagten wiederum keine Audiodatei zum Beleg eingereicht. Vor diesem Hintergrund besteht bereits kein öffentliches Interesse an der Veröffentlichung einer fälschlich als Originalzitat dargestellten Äußerung.

334
Nr. 99 S. 192

335
Die Äußerung des Klägers “ … ! wird von den Beklagten in Bezug auf die Waffen-SS, jedoch ohne sonstigen Zusammenhang wiedergegeben. Eine Äußerung, die aus ihrem Kontext herausgerissen wird, kann sehr schnell in ihrer Bedeutung missverstanden werden, weshalb die Veröffentlichung dieser Äußerung eine erhebliche Persönlichkeitsrechtsverletzung des Klägers darstellt.

336
Tatsächlich hat der Kläger, wie ein Vergleich mit dem von Beklagtenseite vorgelegten Transskript OC 124 zeigt, sich tatsächlich nicht in der Reihenfolge und damit auch nicht in dem Zusammenhang geäußert, wie von Beklagtenseite dargestellt. Insbesondere hat der Kläger nicht gesagt, …

337
Die unkorrekte Wiedergabe einer Äußerung, dargestellt als Originalzitat, in Zusammenhang mit einem Thema, das in besonderem Maße Sensibilität und Korrektheit in der Darstellung verlangt, gerade aufgrund der Greuel, die im Zweiten Weltkrieg insbesondere von Angehörigen der Waffen-SS verübt wurden, verletzt das Persönlichkeiten des Klägers besonders stark. Dies gilt zumal aufgrund der von den Beklagten gewählten Darstellung in Zitat Nr. 99 der Kläger in den Verdacht geraten könnte, tatsächlich, wie von den Beklagten geäußert, Verständnis für die Waffen-SS zu haben.

338
Nr. 100 S.193

339
Die Äußerung ist zu einem Zeitpunkt 2001/2002 gefallen, als u.a. die rechtsradikalen Verbrechen verübt und vorbereitet wurden, die heute Gegenstand gerichtlicher und politischer Aufarbeitung sind (NSU-Prozess).

340
Die Äußerung des Klägers, die belegt, dass damalige hochrangige Politiker die Gefahr des Rechtsradikalismus verkannt und unterschätzt haben, hat aktuellen tagespolitischen Bezug und ist deshalb von hohem öffentlichem Interesse.

341
Ausweislich des von den Beklagten hierzu vorgelegten Transskripts erfolgte die Äußerung jedoch in Zusammenhang mit dem Wahlerfolg der republikanischen Partei anlässlich einer Landtagswahl in den Jahren 1998 und 1992 und damit in anderen zeitlichen Zusammenhang. Von diesem Hintergrund folgt die Kammer der Einschätzung des Oberlandesgerichts Köln, dass kein überragendes öffentliches Interesse an der Veröffentlichung dieser Äußerung besteht.

342
Nr. 103 (S. 198 zum jüdischen Weltkongress)

343
Entgegen der Darstellung in dem Buch handelt es sich hier nicht um in unmittelbarem Zusammenhang gefallene Äußerungen, sondern die Beklagten haben Äußerungen des Kläger vom 19.01.2002 und 29.05.2001 (OC 25 zu 103/1 und 103/2) kombiniert, wobei sie den Wortlaut nicht wortgetreu wiedergegeben haben (Audio-Datei OC 26). Der Kläger spricht z.B. von jüdischen Organisationen. Der zweite Teil des Zitates fällt in Zusammenhang über das Treffen des Klägers und des amerikanischen Präsidenten auf einem Soldatenfriedhof in Bitburg.

344
Desweiteren lautet der Zitatteil zum Jüdischen Weltkongress wie folgt (Audiodatei OC 30):

345
In der Folge erläutert der Kläger ausweislich des von den Beklagten vorgelegten Transskripts, dass er zu dem ehemaligen Vorsitzenden des Jüdischen Weltkongresses ein gutes Verhältnis gehabt habe.

346
Im Hinblick auf das Verstoß gegen die Zitattreue sowie den nicht mitgeteilten Zusammenhang, in welchem das Zitat steht, besteht gerade aufgrund der Bedeutung des Themas, ob man als Deutscher Kritik an jüdischen Organisationen üben kann, und wenn ja, in welcher Form diese geäußert werden muss, um nicht den Vorwurf des Antisemitismus auf sich zu ziehen, eine besondere Verpflichtung der Beklagten zur wahrheitsgemäßen und vollständigen Wiedergabe der Äußerungen des Klägers, auch durch Darstellung des Gesamtzusammenhangs, in welchem sie gefallen sind. Denn der Kläger kann beanspruchen, nicht fälschlich dem Vorwurf der mangelnden Sensibilität für dieses Thema oder gar des Antisemitismus ausgesetzt zu werden. Aus diesem Grund verletzt ist auch die Äußerung der Beklagten

347
in seinem Persönlichkeitsrecht. Bei dem ersten Satz handelt es sich nicht um eine Meinungsäußerung, sondern um eine Tatsachenbehauptung, die durch die Transskripte nicht belegt ist. Eine Mehrzahl von Äußerungen des Klägers zu dem Verband ist nicht belegt, weshalb auch der als Meinungsäußerung einzustufende Folgesatz „da ist viel ohnmächtige Wut zu spüren“ keine tatsächliche Grundlage hat. Der folgende Satz „hart an der Grenze zum antisemitischen Klischee“ bezieht sich auf die folgende Äußerung des Klägers, die tatsächlich nicht in dem von dem Beklagten dargestellten Zusammenhang gefallen ist. Aus diesem Grund ist auch diese Meinungsäußerung, die keine zutreffende Tatsachengrundlage hat, eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers.

348
Dies gilt zumal die Beklagten damit werben, die veröffentlichten Äußerungen des Klägers seien authentisch. Wörtlich wiedergegebene Äußerungen haben Belegfunktion, ihnen wird in der Öffentlichkeit in besonderem Maße Glauben geschenkt. Je bedeutender ein Thema in der Öffentlichkeit ist und je schwerwiegender die Konsequenzen, die der Ruf und das Ansehen des Äußernden erleiden kann, desto höhere Anforderungen sind an die Exaktheit der Wiedergabe eines wörtlichen Zitates zu stellen. Hierüber haben sich die Beklagten ohne zwingenden Grund hinweggesetzt. Mit dem Oberlandesgericht geht die Kammer aus diesem Grund dafür aus, dass ein überragendes Interesse an der Veröffentlichung dieser Äußerungen des Klägers aus vorstehenden Gründen nicht gegeben ist. Dies gilt auch für die sie verbindende Stellungnahme der Beklagten.

349
Nr. 112 (S. 212 f)

350
Die Textpassage beschreibt aus Sicht des Klägers das Verhältnis von Politik und Presse. Die Ansicht des Klägers als ehemaligem Bundeskanzler,

351
ist von zentraler Bedeutung für das Verhältnis von Politik und Presse und damit von großem öffentlichen Interesse.

352
Den zum Beleg vorgelegten Transskripten (OC 133 – OC 136) ist jedoch zu entnehmen, dass der Kläger bei den Äußerungen zu diesem Thema, insbesondere zu Personen der Presschefs, Zurückhaltung üben wollte und insbesondere keinen Namen nennen wollte, nicht einmal in den Memoiren. Weitere Äußerungen hat der Kläger nur auf Insistieren des Fragestellers getätigt.

353
Hinzu kommt, dass die Beklagten den Wortlaut der auf der Transkription wiedergegeben Äußerung verfälscht haben durch den dort nicht vorhandenen Zusatz . Die Äußerung erhält dadurch einen ganz anderen Sinn, weil durch den Zusatz unterstellt wird, der Kläger halte Pressechefs für Schurken.

354
Vor diesem Hintergrund ist ein überragendes öffentliches Interesse an der Veröffentlichung nicht anzunehmen, denn der Gesamtzusammenhang, in welchem die Äußerung gefallen ist, war auch für die Beklagten zu 2) und 3) schon nach dem Wortlaut der Transskripte offensichtlich.

355
Nr. 115 und 116 (S. 153 f)

356
Die Wiedergabe der Äußerungen des Klägers zu Michail Gorbatschow verletzt aufgrund ihrer drastischen Ausdrucksweise (Nr. 115) sowie der abfällig anmutenden Bewertung des Lebenswerkes von Michail Gorbatschow (Nr. 116) das Persönlichkeitsrecht des Klägers. Die Formulierungen sind objektiv geeignet, bereits aufgrund der Art und Weise der Formulierung als Kränkungen verstanden zu werden. Es bedarf deshalb keines Beweises von Klägerseite, dass durch die Veröffentlichung dieser Formulierungen seine (freundschaftliche) Beziehung zu dem ehemaligen Präsidenten beeinträchtigt wurde.

357
Ein die Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers rechtfertigendes öffentliches Interesse an der Veröffentlichung der Äußerungen als Originalzitate besteht nicht, da es sich bei der zum Ausdruck gebrachten Einschätzung des Klägers, der Präsident sei mit seinen Zielen gescheitert, nicht um eine der Öffentlichkeit zuvor so nicht bekannte Beurteilung handelt. Unwidersprochen trägt der Kläger vor (Schriftsatz vom 23.02.2016, Seite 40, Bl. 925 BA 14 O 261/16), dass er im Vorwort seines 2009 erschienenen Taschenbuches „Vom Mauerfall zur Wiedervereinigung – Meine Erinnerungen“ auf Seite 19 bereits seine Einschätzung zum Ausdruck gebracht habe, dass Michail Gorbatschow den Zerfall der Sowjetunion gerade nicht beabsichtigt habe.

358
Aus diesem Gründen besteht kein öffentliches Interesse an der Veröffentlichung der Äußerung des Klägers, die in drastischer Ausdrucksweise eine der Öffentlichkeit bereits vorbekannte Einschätzung des Klägers wiedergibt; der Öffentlichkeitswert besteht insofern lediglich in der Ausdrucksweise als solcher und hat darüber hinaus keinen eigenen Mitteilungswert.

359
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass an der Veröffentlichung und Verbreitung der streitgegenständlichen Äußerungen kein die Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers rechtfertigendes, öffentliches Interesse besteht, weshalb das Recht der Beklagten auf Meinungs- und Pressefreiheit gegenüber dem Anspruch des Klägers auf Schutz seines Persönlichkeitsrechtes zurückzutreten hat.

360
2. Nach Ansicht der Kammer sind die Voraussetzungen für einen Geldentschädigungsanspruch des Klägers gegeben, da aufgrund der Vielzahl und Erheblichkeit der rechtswidrigen Persönlichkeitsrechtsverletzungen, die sich in dem streitgegenständlichen Buch zu einer Beeinträchtigung der gesamten, politischen Beziehungswelt des Klägers summieren, von einer schwer wiegenden Persönlichkeitsrechtsverletzung auszugehen ist, für die ein unabdingbares Bedürfnis für einen Geldentschädigungsanspruch besteht.

361
a. Die Schwere der Persönlichkeitsrechtsverletzung folgt schon daraus, dass die Beklagten in dem streitgegenständlichen Buch Äußerungen veröffentlicht haben, die offensichtlich unwahr sind.

362
Dies gilt für solch grobe Schimpfwörter wie

363
“ … „, “ … “ und “ … “ (über Präsidenten), “ … „, … “ (zu Wolfgang Thierse) sowie die obenstehend aufgeführten, weiteren unwahren Äußerungen.

364
b. Auch hinsichtlich der weiteren, streitgegenständlichen Äußerungen die zumindest annähernd in den Transkripten bzw. den vorgelegten Audiodateien enthalten sind, wiegt die Verletzung des Persönlichkeitsrechtes des Klägers schwer. Dies gilt selbst unter Berücksichtigung des Umstandes, dass aufgrund der herausgehobenen Stellung des Klägers in der Gesellschaft, welche er als ehemaliger, langjähriger Bundeskanzler nach wie vor einnimmt und seines dadurch begründeten Bekanntheitsgrades grundsätzlich ein allgemeines Informationsinteresse der Öffentlichkeit an Äußerungen des Klägers bejaht werden kann, die Einschätzungen des Klägers zu politischen Freunden und Gegnern aus langen Jahren seines Politikerlebens Lebens betreffen.

365
Da die veröffentlichten, streitgegenständlichen Zitate, wie dargelegt, Sachinformationen, von wenigen Ausnahmen abgesehen, nicht beinhalten, wird das Informationsinteresse der Öffentlichkeit an Interna, entgegen der Darstellung der Beklagten, gerade nicht bedient.

366
Der ganz überwiegende Teil der streitgegenständlichen Äußerungen verhält sich dazu, dass sich der Kläger in äußerst drastischer, herabsetzender, teils beleidigender Weise über politische Freunde und Feinde äußert. Über die Art der Äußerung als solche hinaus vermag die Veröffentlichung der streitgegenständlichen Zitate jedoch überwiegend, gerade unter Zugrundelegung des Vorbringens der Beklagten, keine neuen Informationen zu liefern.

367
Hinzu kommt, dass die Beklagten den Vortrag des Klägers, durch die Veröffentlichung der streitgegenständlichen Äußerungen seien Freundschaften und Beziehungen zu langjährigen politischen Weggefährten nachhaltig beeinträchtigt worden, mit dem Argument bestreiten, es sei allgemein bekannt, dass der Kläger zu einer Vielzahl der in den streitgegenständlichen Äußerungen erwähnten Politiker bereits zuvor eine nur distanzierte Beziehung gehabt habe. Dies führen die Beklagten insbesondere für noch aktuell in das Tagesgeschäft eingebundene Politiker an wie die aktuelle Bundeskanzlerin, Frau Dr. Merkel, aus.

368
Der Umstand, dass der Kläger sich nach Darstellung der Beklagten zu solchen Personen im privaten Bereich gegenüber einem Vertrauten abfällig geäußert habe, hatte davon ausgehend keinen Neuigkeitswert, sondern war nur geeignet, die Sensationslust der Öffentlichkeit zu bedienen.

369
Demgegenüber wiegt gerade aufgrund der Vielzahl der in dem Buch veröffentlichten Äußerungen, die jede für sich bereits eine Persönlichkeitsrechtsverletzung darstellt und einen Unterlassungsanspruch des Klägers rechtfertigt (OLG Köln, Urteil vom 05.05.2015 – 15 U 193/14), die Veröffentlichung des streitgegenständlichen Buches besonders schwer. Denn unabhängig von der Qualität der Beziehungen des Klägers zu politischen Freunden und Feinden war eine Vielzahl der Äußerungen aufgrund der drastischen Wortwahl oder abfälligen Bemerkungen objektiv geeignet, auch bereits bestehende Entfremdungen weiter zu vertiefen.

370
Dies gilt zumal nach Darstellung der Beklagten auch persönlich nicht Genannte sich angesprochen fühlen konnten; wenn die Beklagten formulieren, der Kläger habe eine „Enzyklopädie der süßen Rache“ (Buch S. 83) verfasst, hierzu aber nur zwei Personen mit Anfangsbuchstaben A (Abelein, Nr. 15) bis Z (Zimmermann, Nr. 16) nennen, suggerieren sie, dass eine Vielzahl von einstigen Unionsgefährten gleichfalls betroffen gewesen sei von abfälligen Äußerungen des Klägers. Gleiches gilt für Politiker der CDU und CSU („scheint es kaum jemanden zu geben, mit dem Kohl nicht noch irgendein Scharmützel auszutragen hat“ die Beklagten nennen Rüttgers und Jagoda .“in diesem Stil geht es weiter“, Buch S. 85). Dass der Kläger ausweislich schon der Transkripte eine Vielzahl von Politikern positiv erwähnte (Angela Merkel, Volker Rühe, Heiner Geißler, usw.) blenden die Beklagten hingegen aus.

371
Die in dem Buch wiedergegebenen, dem Kläger zugeschriebenen Äußerungen haben die Beklagten dabei bewusst so ausgewählt, teils prägnant gekürzt und umformuliert, dass sie sich dem Leser nachhaltig einprägen. Dies ist umso gravierender, als die Beklagten Authentizität für die abgedruckten Äußerungen, schon durch die Bewerbung des Buches in Anspruch nehmen (“ durch wen erfahren wir, wie er dachte, taktierte, handelte? Am besten durch den Altkanzler selbst, ungefiltert in seinen eigenen Worten“). Tatsächlich ist aber schon auf Grundlage der von Beklagtenseite vorgelegten Transkripte bzw. Audio-Dateien eine solche Authentizität nicht gegeben, wie zum Teil schon zuvor ausgeführt und nachstehend näher erläutert. Die Öffentlichkeit indes wird aufgrund der Werbung des Buches mit der Authentizität der vorgestellten „Originalzitate“ in Zukunft den Kläger mit den veröffentlichten, drastischen Äußerungen in Verbindung bringen.

372
c. Zur Schwere der Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers trägt weiter bei, dass die Beklagten eine Vielzahl von Zitaten als Originalzitate des Klägers ausgegeben, tatsächlich aber unter Verletzung journalistischer Sorgfaltspflicht verfälscht haben:

373
Die nachfolgenden Zitate Nr. 18, 20, 28, 29, 38, 53, 59, 65, 66, 68, 78, 83, 85, 98 , werden in dem streitgegenständlichen Buch jeweils als einheitliche oder in unmittelbarem Zusammenhang stehende Äußerung des Klägers präsentiert.

374
Tatsächlich bestehen diese Äußerungen nach eigenem Vorbringen der Beklagten zu den Zitatquellen (Transkripten) aus einer Montage von Äußerungen des Klägers, welche an unterschiedlichen Tagen fielen, teils Wochen, Monate oder sogar mehr als ein Jahr auseinanderliegen und in unterschiedlichem Zusammenhang geäußert wurden. Zudem wurden die einzelnen Zitatteile teils nicht in der chronologisch richtigen Reihenfolge wiedergegeben:

375
z.B. besteht die Äußerung Nr. 28 zu Norbert Blüm

376
tatsächlich aus Worten, die der Kläger nach der von Beklagtenseite vorgetragenen Datierung der Transskripte am 07.01.2001, 21.01.2001 und im darauffolgenden Jahr am 21.01.2002 geäußert habe, wobei die Äußerungen in umgekehrter zeitlicher Reihenfolge wiedergegeben werden.

377
Die Äußerung Nr. 65 Zu Hildegard Hamm-Brücher:

378
welche ihre Wucht gerade aus dem Ausdruck in einem Satz bezieht, besteht tatsächlich aus zwei Äußerungen. Der erste Halbsatz ist einem Transskript vom 19.05.2001 entnommen, in welchem der Kläger sich darüber äußert, dass 1987 Frau Hamm-Brücher anlässlich des Westberliner Jubiläums sich gegen das Abspielen der Nationalhymne ausgesprochen habe. Der zweite Halbsatz fällt in anderem Zusammenhang am 03.11.2001.

379
Gleiches gilt für die Äußerung Nr. 20 zu Freiherr Constantin von Heeremann

380
ist kein Originalzitat, sondern von den Beklagten aus Äußerungen zwei verschiedener Transkripte (OC 57 S. 46 und S. 69) zusammengesetzt.

381
Die Äußerung Nr. 29 zu Rita Süssmuth

382
ist gleichfalls kein Originalzitat, sondern eine teils unrichtige (s.o.) Kombination aus Äußerungen zu unterschiedlichen Zeitpunkten, wobei die Beklagten sinnentstellend die Bezeichnung “ … “ als eigene Meinung des Klägers darstellen:

383
Nach dem Transkript OC 65 äußerte der Kläger (zu Wählergebieten in Niedersachsen):

384
Zur Frauenunion äußerte der Kläger zu einem anderen Zeitpunkt:

385
Die Äußerung Nr. 85 zu Richard von Weizsäcker und Walther Leisler Kiep

386
besteht tatsächlich aus sechs ineinander verwobenen Äußerungen, die an fünf verschiedenen Tagen gefallen sind (03.11.2001, 07.10.2001, 19.01.2002, 16.06.2002), wobei die Beklagten auch hier die Äußerungen teils nicht chronologisch zutreffend einordnen.

387
Es liegt in der Natur der Sache, dass Äußerungen, die zu derart weit auseinanderliegenden Zeitpunkten gefallen sind, in unterschiedlichen Zusammenhängen stehen und je nach Anlass der Äußerung einen anderen Sinngehalt haben können. Durch die Kombination dieser Äußerungen, ohne dass die Beklagten die „Montagen“ deutlich gemacht haben, wird bei dem Leser der Eindruck erweckt, der Kläger habe tatsächlich, wie in dem Buch (S. 22, S. 85) beschrieben, abschließende, abfällige Urteile über die jeweils angesprochenen Personen gefällt.

388
d. Ein weiterer Komplex von Zitaten ist gleichfalls nicht authentisch wiedergegeben, indem die Beklagten Erläuterungen des Klägers ausgeblendet haben und so den Sinn der Äußerung verfälscht haben:

Nr. 3

389
Dies gilt beispielhaft für die bereits oben stehend aufgeführte Äußerungen Nr. 3 über Angela Merkel und Friedrich Merz, in welcher die Beklagten den Halbsatz des Klägers „oder nicht wollen“ ausgelassen haben, so dass als Äußerung des Klägers stehen bleibt, „das sind Leute, die es nicht können“, obgleich der Kläger schon nach dem Wortlaut des von den Beklagten vorgelegten Transkripts tatsächlich ausgeführt hat, dass es weniger an fehlendem Können, als an fehlendem Wollen liege. Dies macht hinsichtlich der Qualifikation der angesprochenen Politiker einen bedeutenden Unterschied aus.

390
Die Äußerung Nr. 18 zu Jürgen Rüttgers:

391
erweckt den Anschein, dass der Kläger Herrn Rüttgers abfällig als einen Politiker mit beschränktem Horizont eingeschätzt habe. Sie hat hingegen, ungekürzt, einen ganz anderen Aussagegehalt schon in dem Wortlaut des Transkripts. Dort äußert der Kläger (ohne vermerkte Betonung):

392
Dann thematisiert der Kläger, dass eine Reihe von Politikern nach Hause fuhren. Erst dann folgt der zweite Halbsatz des Zitates.

393
Das Zitat Nr. 21 zu Matthias Wissmann

394
ist eine Kombination von zwei Äußerungen, die mehr als 7 Monate auseinanderliegen. Satz 1 des Zitates gibt die Äußerungen des Klägers weder dem Wortlaut noch dem Sinn nach zutreffend wieder, wie ausweislich des Transskripts (und der Audiodatei) festzustellen:

395
Tatsächlich hat der Kläger am 17.03.2002 den 2. Halbsatz ,“ … „nicht beendet, sondern nach einem passenden Substantiv gesucht. Der Kläger bricht dann mitten im Satz ab und fährt mit einem anderen Satz fort.

396
Der zweite Satz des Zitates fiel am 31.07.2001.

397
Die von den Beklagten suggerierte abwertende Beurteilung des Herrn Wissmann als unbedeutend „kein Großer“ ist bereits nach den Transskripten von dem Kläger nicht geäußert worden.

398
Nr. 11 zu Eberhard von Brauchitsch

399
( … ). In dem Buch wird die Äußerung dem Kläger zugeschrieben, als sei eindeutig er der Hassende, hingegen sprechen das Transskript sowie der Wortlaut der Audiodatei dafür, dass Herr von Brauchitsch eine solch tiefe Abneigung hegte.

e.

400
Eine weitere Gruppe von Zitaten wurde durch Hinzufügen von den Beklagten erfundener einzelner Wörter oder Weglassen einzelner Teile in ihrem Aussagehalt (negativ) verstärkt: (das von den Beklagten hinzugesetzte Wort ist jeweils fett gedruckt, das ausgelassene Wort unterstrichen). Hierzu gehören z.B. die Äußerungen:

Nr. 81

401
“ … Weizsäcker … stets , … ..“

Nr. 82

402
“ … . Richard (Weizsäcker) Allermoralischsten..“

Nr. 112

Nr. 48

403
… , weil es juristisch in Ordnung war.

404
f. Der Kläger hat schließlich auch nicht die „Prominenz“ (Buch S. 183) wie von den Beklagten suggeriert (maliziöse Miniaturen), abwertend beschrieben:

405
Nr. 92 zu Margaret Thatcher

406
Diese Äußerung ist sinnentstellend wiedergegeben. Der Zusatz „Dann“ ist von den Beklagten erfunden, zu dem Originalzitat passt er auch vom Sinn nicht. Denn der Kläger schildert eine einmalige Begebenheit, dass bei einem G 7-Gipfel nach einem anstrengenden Tag der Verhandlungen bei hochsommerlichen Temperaturen und einem Abendessen, des erst um 24.00 Uhr serviert wurde, einige Teilnehmer schläfrig wurden, darunter auch Frau Thatcher. Ausweislich des Wortlauts des Transkripts hat sich der Kläger nicht in boshafter Weise geäußert, wie von den Beklagten suggeriert.

407
Nr. 94 die Äußerung zu Hartmut Mehdorn

408
die die Beklagten als eines Kabarettisten würdig erachten, weil der Kläger nur fünf Worte zur Beschreibung gebraucht habe (Buch S. 183), ist tatsächlich so nicht gefallen. Im Zusammenhang gesehen, hat der Kläger weder mit fünf kurzen Worten Herrn Mehdorn abfällig als nicht verlässlich bewertet, wie das Zitat Nr. 94 suggeriert, sondern ausgeführt, dass heutige Unternehmer nicht mehr die Bedeutung früherer „Urtiere“ haben. Das Transkript OC 120 lautet auszugsweise:

409
Nr. 95 – zu Lady Di

410
Die Äußerung zu Lady Di, über die der Kläger ausweislich des Transskripts nichts schreiben wollte, ist kein einheitliches Originalzitat, sondern die Beklagten haben in sinnentstellender Weise die Ausführungen des Klägers durch mehrfache Auslassungen zwischenstehender Sätze gekürzt.

411
Mit der Textpassage Nr. 96 zum Englischen Könighaus:

412
„Das englische Königshaus ist ihm ohnehin so fern wie der Mond. Wie kann sich ein Mann nur so aufführen wie Prinzgemahl Philip? Das Treffen mit Thronfolger Charles war zwar durchaus freundlich, aber..“ … „. So sieht sich alles, was Rang und Namen hat, in maliziösen Miniaturen verewigt“.

413
erwecken die Beklagten den Eindruck, dass sich der Kläger in abwertender Weise Ausführungen zu dem Verhalten des Prinzgemahls gemacht habe und sich auch abfällig über weitere Mitglieder des Königshauses sowie ähnlich hochrangige Persönlichkeiten geäußert habe. Dies trifft tatsächlich nicht zu, wie ein Vergleich mit dem Transkript OC 122 zeigt: Tatsächlich äußerte der Kläger (nur):

414
Die Meinungsäußerung der Beklagten zur Einstellung des Klägers zum englischen Königshaus, die zugleich einen – nach dem Transskript – unzutreffenden Tatsachenkern einer negativen Einschätzung des Klägers mitteilt, verletzt den Kläger gleichfalls schwer in sein Persönlichkeitsrecht .

415
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Beklagten bei einer Vielzahl der Zitate Veränderungen vorgenommen haben unter Verstoß gegen das Gebot der Authentizität, mit der das Buch beworben wird. Insgesamt ist die Tendenz zu erkennen, von dem Kläger ein negativ verzerrtes Bild darzustellen, indem die jeweiligen Äußerungen des Klägers zu angeblichen Originalzitaten kombiniert werden, um besonders einprägsame Formulierungen zu erhalten. Andere Äußerungen werden durch Hinzufügungen oder Auslassungen präsentiert, die der Kläger seinen Äußerungen bereits im Wortlaut (der Transkripte) nicht gegeben hatte. Hierzu trägt auch bei, dass die Beklagten dem Kläger Emotionen (Wut, Zorn, beißender Spott) zuschreiben und dies durch häufige Verwendung von Ausrufezeichen verstärken, obgleich solche Emotionen auch nicht ansatzweise durch die Transskripte belegt sind.

416
Des Weiteren haben die Beklagten positive Bemerkungen des Klägers über die in den streitgegenständlichen Äußerungen erwähnten Personen (z.B. zu Angela Merkel, Blüm, Geißler, Genscher, Rühe etc.), die in den Transkripten gleichfalls zu lesen sind, nicht aufgenommen und dadurch ein einseitiges, von den Beklagten verfremdete Bild des Klägers geschaffen haben statt der in dem Buch angekündigten, authentischen Eigendarstellung des Klägers mit eigenen Worten. Erschwerend kommt noch hinzu, dass die Beklagten dies mit teils verfremdeten Äußerungen bewirkt haben, diese jedoch als Originalzitate in dem Buch präsentiert haben. Da von Seiten der Öffentlichkeit Originalzitaten eine besondere Belegfunktion zugemessen wird, haben die Beklagten ihrer einseitigen Darstellung den Anschein besonderer Glaubhaftigkeit gegeben.

417
Die Beklagten können sich nicht darauf berufen, dass diese (einseitige) Auswahl der Zitate und auch deren Darstellung im Rahmen der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) geschützt sei. Da die Beklagten das streitgegenständliche Buch damit bewerben, dass ein wahrhaftiges Bild des Klägers wiedergegeben werde anhand von Originalzitaten, stand schon das Setzen von Ausrufezeichen nicht im Belieben der Beklagten, da es Betonung des Gesagten ausdrückt und damit den Sinn einer Äußerung verfälschen kann. Es recht gilt dies für die Entscheidung der Beklagten, zu einer Vielzahl von Personen lediglich die Äußerungen des Klägers wiederzugeben, die in drastischer Ausdrucksweise abwertende Einschätzungen enthielten, positive Äußerungen zu diesen Personen jedoch auszulassen. Ein authentisches Bild einer Persönlichkeit setzt aber voraus, dass diese in all ihren Facetten präsentiert wird. Das haben die Beklagten bewusst nicht getan, weil sie positive Äußerung des Klägers zu kritisierten Personen nicht in ihre Auswahl aufgenommen haben und damit dem Kläger die Fähigkeit zu einem ausgewogenen Urteil hinsichtlich dieser Personen generell abgesprochen haben. Auch haben die Beklagten ausgeblendet, dass, wie bereits den Transkripten zu entnehmen, der Kläger abwertende Äußerungen häufig relativiert vom sechster t hat und ihnen damit die Schärfe genommen hat.

418
Vor dem Hintergrund der dargestellten schwerwiegenden Persönlichkeitsrechtsverletzung liegt nach Auffassung der Kammer auch ein unabwendbares Bedürfnis für die Zuerkennung einer Geldentschädigung vor.

419
Ob ein derartiger Eingriff anzunehmen und die dadurch verursachte nicht vermögensmäßige Einbuße auf andere Weise nicht hinreichend auszugleichen ist, kann nur aufgrund der gesamten Umstände des Einzelfalls beurteilt werden. (BGH GRUR 2010, 171 – Esra m.w.N).

420
Die Gewährung einer Geldentschädigung hängt nicht nur von der Schwere des Eingriffs ab, es kommt, wie bereits ausgeführt, vielmehr auf die gesamten Umstände des Einzelfalls an, nach denen zu beurteilen ist, ob ein anderweitiger befriedigender Ausgleich für die Persönlichkeitsrechtsverletzung fehlt. Bei der Abwägung ist auch die Zweckbestimmung der Geldentschädigung zu berücksichtigen. Dabei steht bei dem Anspruch auf eine Geldentschädigung wegen einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Gesichtspunkt der Genugtuung des Opfers im Vordergrund. Im Rahmen dieser Abwägung ist die Kollision des allgemeinen Persönlichkeitsrechts mit dem Recht der freien Meinungsäußerung bzw. Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) zu berücksichtigen.

421
Bei der Abwägung fällt ins Gewicht, dass der Kläger aufgrund seines hohen Alters und seines beeinträchtigten Gesundheitszustandes nicht in der Lage sein wird, wie ein jüngerer Mensch es könnte, mit ausreichend Zeit die Auswirkungen der Veröffentlichungen durch Aufnahme jeweiliger Kontakte zu den betroffenen Personen auszugleichen und beeinträchtigte Beziehungen neu aufzubauen. Dies war den Beklagten bei der Veröffentlichung auch bewusst, sie beschreiben ihn als „Schatten seiner selbst“ (Buch S. 18). Soweit die Beklagten bestreiten, dass die Veröffentlichung der streitgegenständlichen Zitate überhaupt geeignet gewesen sei, Beziehungen und Freundschaften des Klägers zu beeinträchtigen, ist aufgrund der drastischen Wortwahl des Klägers das Bestreiten nicht erheblich. Objektiv sind solche Äußerungen geeignet, persönliche Verletzungen hervorzurufen und auch bestehende Entfremdungen noch zu verstärken. Der Kläger ist aus diesem Grund nicht gehalten im Einzelnen nachzuweisen, welcher seiner Bekannten oder Freunde in welcher Weise auf die Veröffentlichung (negativ) reagiert habe. Dies gilt ungeachtet des Umstandes, dass nach dem Vortrag der Beklagten auch positive Reaktionen (Buchrezensionen) auf die Veröffentlichung des streitgegenständlichen Buches erfolgten.

422
Die Veröffentlichung des streitgegenständlichen Buches war von den Beklagten auch mit größtmöglicher Öffentlichkeitswirkung angelegt durch die plakative Vorveröffentlichung in der Zeitschrift „Z“, die nachfolgende Pressekonferenz zur Vorstellung des Buches sowie die mehrfachen Interviews und auch den Fernsehauftritt des Beklagten zu 1) in der Sendung Günther Jauch. Die öffentliche Wirkung zeigt sich auch in dem schnellen Abverkauf der Erstauflage von 200.000 Exemplaren innerhalb von knapp 4 Wochen nach der Erstveröffentlichung.

423
Die Rufschädigung des Klägers ist auch nicht mehr zu beheben. Selbst eine öffentliche Richtigstellung gewährleistet nicht, dass sie von den Lesern des Buches zur Kenntnis genommen wird. Die im Internet verbreiteten und kommentierten Zitate kann der Kläger nicht effektiv löschen lassen, da solche Inhalte häufig geteilt werden, selbst wenn gegen den Verletzer ein Unterlassungsanspruch durchgesetzt wurde.

424
In der Öffentlichkeit wird er mit den streitgegenständlichen Zitaten in Verbindung gebracht werden, vor allen Dingen zu den besonders hervorgehobenen Zitaten zu der amtierenden Bundeskanzlerin, die an prominenter Stelle in dem Buch (mit als erste der Zitate) präsentiert wurde und ebenso plakativ auf der Titelseite der Zeitschrift „Z“ (Nr. 2) gedruckt wurde. Dies obgleich gerade das Zitat Nr. 2 (“ …“), wie oben ausgeführt, sinnentstellend in dem Buch dargestellt wurde.

425
Die Beklagten können auch nicht damit gehört werden, dass der Kläger schon zuvor eine Veröffentlichung von ähnlich drastischen Äußerungen im Rahmen der Dissertation des Zeugen Dr. R im Jahr 2010 gebilligt habe. Es kann als zutreffend unterstellt werden, dass der Zeuge Dr. R das Schreiben des Klägers, in welchem dieser Restriktionen hinsichtlich der Veröffentlichung mitteilte, nicht erhalten hat. Hieraus folgt kein Einverständnis des Klägers mit einer Veröffentlichung. Auch ist nachvollziehbar, dass der Kläger gegen die damalige Veröffentlichung, welche unstreitig auch nicht ansatzweise die Öffentlichkeitswirkung und Aufmerksamkeit erregte wie das streitgegenständliche Buch, nicht vorgehen wollte, um nicht durch ein gerichtliches Verfahren Aufmerksamkeit erst für diese Äußerungen zu erregen.

426
Es besteht auch ein unabwendbares Bedürfnis für die Zuerkennung einer Geldentschädigung. Der von dem Kläger erwirkte Unterlassungstitel ist nicht geeignet, im Hinblick auf die Schwere der Persönlichkeitsrechtsverletzung die Beeinträchtigung des Klägers hinreichend auszugleichen. Es ist bereits nicht gewährleistet, dass hierdurch eine Richtigstellung der Äußerungen erreicht und überhaupt von den Lesern des Buches zur Kenntnis genommen wird. Auch wurden und werden, wie der Kläger unwidersprochen vorträgt, zumindest einige der hier streitgegenständlichen Äußerungen vielfach im Internet geteilt und weiterverbreitet. Hiergegen vermag die Klägerin nicht effektiv vorzugehen, da zahlreiche Nutzer im Internet die Löschung von Inhalten infolge von Unterlassungsansprüchen als Zensur interpretieren und für die Verbreitung „Ausweichrouten“ finden (vgl. BGH NJW 2014, 2029 Rn. 54). Aus diesem Grund können die Beklagten auch nicht damit gehört werden, dass der Kläger gegen die weitere Verbreitung und Abrufbarkeit des Z-Artikels nicht vorgegangen sei. Zwischen den Parteien ist nunmehr unstreitig, dass der Kläger alle Anstrengungen unternommen hat, eine Vorveröffentlichung im Wege der einstweiligen Verfügung untersagen zu lassen, auch gegenüber dem Z. Zutreffend weist der Kläger darauf hin, dass die eigentliche Ursache von Seiten der Beklagten gesetzt wurde, die das streitgegenständliche Buch verfasst bzw. verlegt haben. Der langjährige Rechtsstreit mit den Beklagten zeigt zudem, dass eine schnelle Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs des Klägers gegenüber Dritten, die nicht wie die Beklagten gegenüber dem Kläger vertraglich gebunden waren, oder aber von der vertraglichen Bindung des Beklagten zu 1) Kenntnis hatten, nicht zu erwarten war. Die Beklagten als Verletzer vermag zudem nicht zu entlasten, dass sie zur Bewerbung ihres Buches Dritten die Möglichkeit eingeräumt haben, gleichfalls das Persönlichkeitsrecht des Klägers im Rahmen einer vorgeschalteten Teilveröffentlichung zu verletzen.

427
Bei der Bemessung der Geldentschädigung ist ferner der Grad des Verschuldens der Beklagten zu berücksichtigen. Da den Beklagten für die Erstellung des streitgegenständlichen Buches Tonbandkopien bzw. Abschriften der Originaltonbänder vorlagen, sind die gehäuften Veränderungen der Originalzitate, wie sie sich bereits aus dem Vergleich mit den Transskripten (und vorgelegten Audiodateien) ergeben, nicht durch ein Versehen zu erklären.

428
Vor diesem Hintergrund erfolgte die Persönlichkeitsrechtsverletzung des Klägers wenn nicht vorsätzlich, so zumindest grob fahrlässig, in dem die Beklagten die naheliegende Möglichkeit eines Verstoßes gegen die Rechte des Klägers verkannten.

429
Die Beklagten zu 1) und 2) entlastet nicht, dass sie, wie von ihnen behauptet, Rechtsrat eingeholt haben mögen. Der Behauptung der Beklagten kann insoweit als zutreffend unterstellt werden. Der Beklagte zu 1) wusste, dass er gegenüber dem Kläger vertraglich zur Geheimhaltung verpflichtet war, er konnte deshalb auch bei anderweitig erteiltem Rechtsrat nicht davon ausgehen, zu einer Veröffentlichung berechtigt zu sein. Gleiches gilt für den Beklagten zu 2), dem ebenso wie der Beklagten zu 3) die besonderen Umstände, aufgrund derer der Beklagte zu 1) nur in den Besitz der Tonbandaufnahmen gekommen war, insbesondere die Verpflichtung des Beklagten zu 1) als Ghostwriter sowie dessen Verurteilung zur Herausgabe der Originaltonbänder, bekannt waren.

430
Zwar ist der Einschüchterungseffekt, der durch eine nachträgliche Sanktionierung einer Presseberichterstattung durch eine hohe Geldentschädigung zu erwarten ist, zu berücksichtigen. Grundsätzlich darf nicht durch eine zu hoch bemessene Geldentschädigung aufgrund ihres Abschreckungseffektes die Freiheit der Berichterstattung beeinträchtigt werden. Jedoch haben die Beklagten sich rücksichtslos über die Interessen des Klägers hinweggesetzt, der kein Einverständnis mit einer solchen Veröffentlichung erklärt hatte, indem sie für sich in Anspruch nahmen, die der Öffentlichkeit preiszugebenden Äußerungen des Klägers nach ihrem Ermessen auswählen zu können (OLG Köln, Urteil vom 05.05.2015 – 15 U 193/14 Rn. 58). Die Beklagten haben damit auch subjektiv rücksichtslos die Grenze zwischen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht und der Pressefreiheit überschritten. Zugleich haben die Beklagten durch eine interne Vereinbarung Vorsorge getroffen vor etwaigen Entschädigungsansprüchen des Klägers.

431
Der Beklagte zu 1) hat anlässlich eines Interviews gegenüber dem Deutschlandfunk vom 05.03.2016 (Anlage K 22, Bl. 1849 – 1852, dort S. 4) im Hinblick auf die hier streitgegenständliche Forderung erklärt,

432
„Wissen Sie, diese 5 Millionen, utopisch erstens, und zweitens, wir haben natürlich einen Verlagsvertrag, Q und ich. Und da sind wir natürlich geschützt vor solchen schrecklichen Dingen wie Schmerzensgeld usw.“

433
Vor dem Hintergrund der oben stehenden Erwägungen sprechen sowohl der Präventionsgedanke als auch der Kompensationszweck für die Zuerkennung einer nicht nur unerheblichen Geldentschädigung. Denn zum einen muss den Beklagten durch die Höhe der Geldentschädigung verdeutlicht werden, in Zukunft die bereits von Beklagtenseite in Aussicht gestellten weiteren Veröffentlichungen zu unterlassen und in Zukunft bei der der Veröffentlichung von vergleichbaren Geschehnissen eine größere Sorgfalt und Zurückhaltung an den Tag zu legen. Zugleich darf die Höhe der Geldentschädigung keinen unverhältnismäßigen Eingriff in die Pressefreiheit darstellen.

434
Die zwischen den Beklagten vereinbarte Freistellung der Beklagten zu 1) und 2) ist bei der Bemessung der Geldentschädigung jedoch zu berücksichtigen. Diese muss unter dem Gesichtspunkt der Prävention ausreichend hoch bemessen sein, um die Beklagten zu 1) und 2) trotz der intern vereinbarten Absicherung von einem erneuten Verstoß abzuhalten und auch eine Genugtuung für den Kläger zu bewirken. Die Beklagte zu 3), die zu einem Unternehmensverbund gehört, der einen Jahresumsatz in Höhe von mehr als 16 Mrd. EUR erzielt – wie zwischen den Parteien unstreitig ist – , ist ihrerseits in der Lage, einen siebenstelligen Betrag aufzubringen. Von der Festsetzung einer wesentlich geringeren Summe ginge vor diesem Hintergrund keine entscheidende Präventionswirkung für die Beklagten aus, noch wäre eine Genugtuung des Klägers erreicht. Dies gilt zumal der Kläger durch die seine Privatsphäre verletzende, sein gesamtes Beziehungsumfeld beeinträchtigende Veröffentlichung massiv sowohl in seinem öffentlichen Wirken als auch seinem Privatleben beeinträchtigt wurde. Die Beklagten haben dies billigend in Kauf genommen. Sie waren sich bewusst, dass der Kläger „sich seit einem schweren Unfall im Jahr 2008 kaum noch äußern“ kann (Buch S. 18). Die Beklagten haben sich damit die „Deutungshoheit“ über den Kläger zu dessen Lebzeiten angemaßt und dessen Bild für die Nachwelt („Vermächtnis“) in ihrer einseitigen Version formuliert, gestützt auf zumindest teils verfälschte „Originalzitate“ im Bewusstsein dessen, dass der Kläger, schon aufgrund seines Alters und Gesundheitszustandes, dem nicht (mehr) wirksam wird entgegentreten können.

435
Unter Berücksichtigung dessen und unter erneuter Abwägung der zuvor ausgeführten Erwägungen erachtet die Kammer im Ergebnis eine Geldentschädigung in Höhe von 1.000.000,00 EUR für angemessen, aber auch ausreichend, den Kläger für seine erlittene immaterielle Unbill zu entschädigen und gleichzeitig die Beklagten zu mehr Augenmaß bei zukünftigen Veröffentlichungen vergleichbarer Brisanz anzuhalten.

436
Die Beklagten haften für die Geldentschädigung als Gesamtschuldner gemäß §§ 830 Abs. 1 S. 1, 840 Abs. 1 BGB, da sie, wie vorstehend ausgeführt, die streitgegenständliche schwere Persönlichkeitsverletzung des Klägers als Mittäter durch eine einheitliche, gemeinschaftlich begangene Handlung, die Veröffentlichung des streitgegenständliche Buches, verursacht haben (§ 830 Abs. 1 S. 1 BGB). Nichts anderes folgt aus der von der Beklagten zitierten Entscheidung (BGH NJW 1985, 1617ff – Nacktfoto, juris Rn. 29), in welcher eine gesamtschuldnerische Haftung mehrerer Presseorgane wegen eigenständiger Veröffentlichungen verneint wurde.

437
II. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 291, 288 Abs. 1, 247 BGB.

III.

438
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92, 100 Abs. 4 ZPO und entspricht dem anteiligen Obsiegen und Unterliegen der Parteien. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.

IV.

439
Die nachgelassenen Schriftsätze des Klägers sowie der Beklagten geben keine Veranlassung zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung (§ 156 ZPO).

440
Der Vortrag des Klägers im nachgelassenen Schriftsatz zum Inhalt der Audiodateien stellt keinen neuen Sachvortrag dar, da der Wortlaut der Audiodateien Beklagten und Gericht bereits im Zeitpunkt der Einreichung, vor der mündlichen Handlung vom 08.12.2016, bekannt war. Auch die von Klägerseite vorgelegte Synopse beschränkt sich auf die Zusammenfassung des bereits zuvor vorgetragenen Streitstoffs. Schriftsatznachlass war den Beklagten lediglich gewährt worden zur Stellungnahme zu den beigezogenen Akten der 28. Zivilkammer. Das Vorbringen der Beklagten hierzu ist nicht entscheidungserheblich. Das weitere Vorbringen der Beklagten mit nachgelassenen Schriftsatz sowie die nicht nachgelassenen Schriftsätze der Beklagten vom 30.03.2017 und 31.03.2017 waren nicht zu berücksichtigen (§ 296 a ZPO). Es ist nicht ersichtlich, dass der darin enthaltene Vortrag zu Audio-Dateien nicht bereits zuvor, spätestens im Termin zur mündlichen Verhandlung, hätte vorgetragen werden können. Auch insoweit liegen die Voraussetzungen von § 156 ZPO nicht vor.

441
Streitwert: 5.000.000,00 EUR.

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