OLG Düsseldorf, Urteil vom 11.12.1998 – 22 U 110/98
Zur Haftungsverteilung bei Tierverletzung durch Rivalität zweier gemeinsam eingestallter Hengste
Tenor
Die Berufung der Kläger und die Anschlußberufung des Beklagten gegen das Urteil der Einzelrichterin der 1. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 2. Dezember 1997 werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
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Die Berufung der Kläger und die Anschlußberufung der Beklagten sind zulässig. Beide Rechtsmittel haben jedoch in der Sache keinen Erfolg.
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Der Beklagte haftet für die von seinem Hengst ausgehende Tiergefahr gemäß § 833 Abs. 1 BGB, jedoch müssen sich die Kläger analog § 254 Abs. 1 BGB die auch von ihrem Tier ausgehende Tiergefahr anrechnen lassen.
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Die Anwendbarkeit des § 833 Abs. 1 BGB wird vom Beklagten in der Berufungsinstanz nicht mehr in Frage gestellt, ebenso nicht die Aktivlegitimation der Kläger.
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Aufgrund des Privatgutachtens des Sachverständigen M steht fest, daß das Pferd der Kläger durch einen Tritt des Pferdes des Beklagten so schwer verletzt worden ist, daß es getötet werden mußte. Das Privatgutachten ist urkundenbeweislich verwertbar. Es ist ausreichend sicher und aufschlußreich, um die Beweisfrage zuverlässig zu beantworten (vgl. Zöller, ZPO, 20. Aufl., § 402 Rdn. 2 m. w. N.; BGH VersR 1987, 1007, 1008). Dies ist in der mündlichen Verhandlung mit den Parteien erörtert worden. Der Privatgutachter hat genau über die Angaben des Tierarztes Dr. Z, der das Pferd untersucht hatte, zu den Verletzungen des Tieres berichtet, insbesondere über das hufförmige Hämatom, welches eine andere Ursache der Verletzung ausschließt. Er selbst hat sich durch Überprüfung der Röntgenaufnahme überzeugt, daß die Fraktur des Hinterbeines irreparabel und auch aus seiner Sicht die Nottötung begründet war. Substantiierte Einwendungen gegen das Privatgutachten erhebt der Beklagte nicht. Seine Vermutung, daß eine andere Verletzungsursache möglich sei, ist damit widerlegt.
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Für die Verletzung haftet der Beklagte, denn es ist davon auszugehen, daß sich hier die typische Tiergefahr verwirklicht hat. Unstreitig waren die beiden knapp zwei Jahre alten Pferde gemeinsam in einer Laufbox aufgestallt. Nach den insoweit übereinstimmenden Gutachten des Privatgutachters M und des gerichtlich bestellten Sachverständigen M besteht bei Hengsten dieses Alters aufgrund altersbedingter Rangordnungsauseinandersetzungen und des Dominanztriebes von Hengsten immer die Gefahr von „Machtkämpfen“, die auch dann nicht ganz auszuschließen ist, wenn fachgerecht eine Gewöhnungsphase durchgeführt wurde.
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Allerdings müssen sich die Kläger in entsprechender Anwendung des § 254 Abs. 1 BGB die mitwirkende Tiergefahr ihres eigenen Pferdes zur Hälfte anrechnen lassen. Diese Vorschrift ist nicht nur dann anzuwenden, wenn ein fremdes und ein eigenes Tier zusammen einen Schaden an einem anderen Rechtsgut verursacht haben, sondern auch dann, wenn Tiere verschiedener Halter sich gegenseitig verletzen oder wenn – wie hier – eines der beiden Tiere verletzt wird und dabei die Tiergefahr des verletzten Tieres als mitverursachender Umstand mitgewirkt hat (vgl. Senat, Urteil vom 28.5.1993 – 22 U 92/92 – NJW-RR 1994, 92, 93 = OLGR Düsseldorf 1994, 19). Kommt es durch die Rivalität zweier etwa gleichaltriger junger Hengste zu einer Verletzung, so ist die Eigenart junger Hengste nicht nur auf Seiten des verletzenden Hengstes ursächlich gewesen, denn dessen Verhalten ist Reaktion auf die Wirkung, die der mit ihm zusammen eingestallte Hengst hervorgerufen hat. Beide Faktoren haben in gleichem Maße zu der Verletzung beigetragen.
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Ein darüber hinausgehendes Mitverschulden im Sinne von § 254 Abs. 1 BGB ist den Klägern dagegen nicht anzulasten. Der Privatgutachter M hat überzeugend dargetan, daß es nicht als unsachgemäß anzusehen war, die Tiere gemeinsam einzustallen. Der gerichtlich bestellte Sachverständige M, der die gemeinsame Aufstallung im vorliegenden Fall als nur bedingt fachgerecht bezeichnet hat, ist dabei nicht von zutreffenden Tatsachen ausgegangen. Auch er hat die gemeinsame Aufstallung als grundsätzlich art- und fachgerecht und die gewählte Box als geeignet für eine solche gemeinsame Aufstallung von zwei Pferden bezeichnet, nur die Gewöhnungsphase von wenigen Stunden, von der er ausgegangen ist, hat er als nicht ausreichend angesehen. Unstreitig gab es aber nicht nur eine Gewöhnungszeit von wenigen Stunden. Vielmehr waren die Tiere, die sich bereits vorher kannten, zunächst zwei Tage, vom 1.2. bis zum 3.2.1995, in der Reithalle gemeinsam gehalten worden und dann über drei Tage gemeinsam in der Box aufgestallt gewesen, ohne daß sich Anzeichen für Machtkämpfe gezeigt hatten, bevor es am Abend des 5.2. oder in der Nacht zum 6.2.1995 zu der Verletzung kam. Es ist deshalb dem Privatgutachter zu folgen, der schlüssig dargetan hat, daß die ergriffenen Maßnahmen sachgerecht gewesen seien.
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Hinzukommt, daß unstreitig der Beklagte mit der gemeinsamen Aufstallung einverstanden war, ja den Hengst gerade zu diesem Zweck zu den Klägern gebracht hat. Beide Parteien sind danach in gleicher Weise für das eingegangene Risiko verantwortlich.
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Der Anspruch der Kläger besteht in der geltend gemachten Höhe von 11.500,00 DM. Aufgrund des urkundenbeweislich zu verwertenden Privatgutachtens des Sachverständigen M ist von diesem Wert auszugehen. Der Gutachter hat bei dem Tierarzt Dr. Z, der das Tier seit der Geburt betreut hatte, die maßgeblichen Faktoren wie Herkunft – diese ist auch durch den Auszug aus dem Pferdestammbuch belegt –, Alter, Gebäude, Bewegungsablauf und Gesundheitszustand ermittelt und ist zu dem Ergebnis gekommen, daß es sich um einen Hengstanwärter erster Qualität handelte. Weiter hat er ausgeführt, daß für vergleichbare Hengstanwärter zwischen 18.000 und 27.000 DM gezahlt werden. Der von den Klägern angesetzte Wert von 23.000,00 DM ist demnach als angemessen und nicht überhöht anzusehen. Das Bestreiten des Beklagten ist nicht substantiiert. Er erhebt keine begründeten Einwände gegen das von der hinter ihm stehenden Haftpflichtversicherung eingeholte Gutachten des Sachverständigen M, sondern stellt lediglich eine andere Zahl ohne nähere Begründung in den Raum. Da das Privatgutachten in sich schlüssig ist und urkundenbeweislich verwertet werden kann, gibt diese unbelegte Behauptung keinen Anlaß, ein weiteres Gutachten einzuholen.
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Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 284 Abs. 1, 288 Abs. 1 S. 1 BGB.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92, 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
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Gründe, die gemäß § 546 Abs. 1 ZPO die Zulassung der Revision rechtfertigten, bestehen nicht.
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Streitwert für die Berufungsinstanz: 23.000,00 DM,
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Beschwer der Kläger: 11.500,00 DM,
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Beschwer des Beklagten: 11.500,00 DM.