Zur Haftung nach dem US-COGSA für Schaden infolge Unterbrechung der Kühlung von menschlichem Blutplasma

LG Hamburg, Urteil vom 14.05.2004 – 412 O 167/01

Zur Haftung nach dem US-COGSA für Schaden infolge Unterbrechung der Kühlung von menschlichem Blutplasma (Rn. 32, 33, 34).

Tenor

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 13 % und die Beklagte 87 %.

Das Urteil ist für beide Parteien gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.


Tatbestand

1
Die Klägerin verlangt als Transportversicherer der Firma A B GmbH, aus übergegangenem Recht Ersatz des Wertes eines Containers mit 1088 Behältnissen Blutplasma sowie die Erstattung fruchtlos aufgewendeter Frachtkosten in Höhe von insgesamt US-$ 4.081.510,79.

2

Die Firma A B GmbH bezieht u. a. aus den USA große Mengen menschlichen Blutplasmas, das für die Herstellung von flüssigen Medikamenten verwendet wird, die per Injektion verabreicht werden. Das Blutplasma wird von Spendern aus den gesamten USA gewonnen, in den USA aufgearbeitet, in Behälter gefüllt, tiefgefroren und sodann per Kühlcontainer auf dem Seewege nach Deutschland transportiert.

3

Mit der speditionellen Abwicklung der Containertransporte beauftragt die Firma A B GmbH regelmäßig die Firma K K F I, Kentucky, die über die Beförderung des Containers von Norfolk/USA nach Antwerpen und die Weiterbeförderung auf dem Landwege von Antwerpen nach einen multimodalen Frachtvertrag mit der Beklagten schließt.

4

Der streitgegenständliche Container wurde im Auftrag der Versicherungsnehmerin der Klägerin durch die Firma K K F I im Hafen von Norfolk am 18. August 2000 angeliefert und dort in den Gewahrsam einer Tochtergesellschaft der Beklagten verbracht. Für den anstehenden Seetransport wurde ein „Express Cargo Bill“ ausgefertigt.

5

In den Bedingungen heißt es u. a.:

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„1. General Conditions Express Cargo Bill

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(1) This Express Cargo Bill is issued for a contract of carriage which is not covered by a Bill of Lading or similar document or title.

8

This contract of carriage shall be subject to any International Convention or National Law which is, or it the contract of carriage had been covered by a Bill of Lading would have been, compulsorily applicable thereto. Such a convention or law shall apply notwithstanding anything inconsistent therewith in this contract of carriage.

9

Subject always to the foregoing pragraph this contract is governed by

10

(a) the terms and conditions of this Express Cargo Bill and …“

11

5. Carriers Responsibility

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(1) Port to Port Shipment

13

…in the event that this Express Cargo Bill covers shipments to or from the United States then the Carriage of Goods by Sea Act (COGSA) shall be compulsorily applicable. The provisons set forth in COGSA shall (except as may be otherwise specifically provided herein) also govern before the Goods are loaded on and after they are dischaged from the Vessel provided, however, that the Goods at said time are in the actual custody of the carrier or any Sub-Contractor.

14

(2) Multimodal Transport

15

(a) With respect to Multimodal Transport from, to or within the United States when the Goods are in the custody of the Carrier or any Sub-Contractor, such Multimodal Transport will be governed by COGSA as provided for in Clause 5(1).

16

12. Law and Jurisdiction

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Except as otherwise provided specifically here in any claim or dispute ansing under this Express Cargo Bill shall be governed by the law of the Federal Republic of Germany and determined in the Hamburg courts to the exclusion of the jurisdiction of the courts of any other place. …“

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Die Beklagte hatte auch dafür Sorge zu tragen, dass das Plasma bis zur geplanten Verladung auf das Schiff am 22. August 2000 konstant auf einer Temperatur von – 25 ° (bzw. darunter) gehalten wurde. Der Container wurde nach seiner Anlieferung am 18. August 2000 zunächst an die Stromzufuhr angeschlossen; diese Stromzufuhr wurde aber ab 15.00 Ortszeit unterbrochen. Diese Unterbrechung dauerte bis Sonntag, den 20. August 2000, 15.00 Uhr Ortszeit. Während der dazwischen liegenden 48 Stunden stieg die Temperatur im Container kontinuierlich an. Sie überschritt am 18. August 2000 um 23.30 Uhr Ortszeit (= 19. August 2000 4.30 Uhr UTC) die Marke von – 20 ° und erreichte am 20. August um 15.00 Ortszeit (20.00 Uhr UTC) – 10,4 °. Von diesem Zeitpunkt an fiel sie wieder ab; – 20 ° wurden wieder erreicht am 24. August 2000, 21.00 Uhr (= 25. August 2000, 2.00 Uhr UTC), vgl. K 4.

19

Die Zeitdauer, während der das Plasma mit weniger als – 20 ° gekühlt wurde, betrug mithin etwa 6 Tage.

20

Menschliches Blutplasma darf zur Herstellung von Arzneimitteln nur dann verwendet werden, wenn es durchgehend auf – 20 ° oder darunter gekühlt worden ist. Unschädlich ist sowohl gemäß den amerikanischen wie den Europäischen Bestimmungen ein einmaliger Temperaturanstieg in dem Bereich zwischen – 20 ° und – 5 °, sofern dieser nicht länger als 72 Stunden angedauert hat. Ansonsten ist das Blutplasma zur Herstellung von Arzneimitteln unbrauchbar und darf nicht mehr verwendet werden. Die weitere Verwendung des in dem Container befindlichen Blutplasmas wäre trotz des Temperaturanstiegs noch möglich gewesen, wenn das Plasma am Sonntag, dem 20. August 2000, als der Container wieder Strom erhielt, sofort in ein Kühlhaus gebracht und dort schockgefroren worden wäre. Da dies nicht geschehen ist, war das Plasma unbrauchbar. Die Klägerin entschädigte ihre Versicherungsnehmerin in Höhe von US-$ 4.074.625,79 für den Wert der Ware, in Höhe weiterer US-$ 6.885,– für die fruchtlos aufgewendeten Transportkosten. Die Versicherungsnehmerin der Klägerin, die Firma K K F I als Auftraggeberin der Beklagten und auch die im Seefrachtbrief als Absenderin ausgewiesene Firma A B-S haben ihre jeweiligen etwaigen Ansprüche gegen Dritte an die Klägerin abgetreten.

21

Die Beklagte, die vorprozessual jegliche Zahlung verweigert hatte, hat im Termin vom 4. Dezember 2001 den Klaganspruch im Umfange der Haftung nach dem US-COGSA in Höhe von US-$ 544.000,– nebst anteiligen Zinsen anerkannt.

22

Die Kammer hat daraufhin ein entsprechendes Anerkenntnis-Urteil erlassen.

23

Die Klägerin meint, die Beklagte hafte unbeschränkt. Die Haftungsbeschränkung im Express Cargo Bill (K 3) unter Ziff. 5 Abs. 1 Satz 5, nach der die Haftungsbeschränkung nach COGSA auch auf den Zeitraum vor Verladung der Ware an Bord erstreckt werde, sei unwirksam. Es handele sich dabei nicht um eine Verweisung auf amerikanisches Recht. Vielmehr handele es sich um eine Klauselvereinbarung durch Verweisung auf ein in Gesetzesform gefasstes Regelwerk, mithin also um Allgemeine Geschäftsbedingungen. Diese seien wegen der Rechtswahl in Nr. 12 des Express Cargo Bills (K 3) an dem deutschen AGB-Gesetz zu messen. Wegen der Beschränkung der Haftung für Landschäden auf US-$ 500,– für jede Verschuldensform, auch für Vorsatz, verstoße Nr. 5 Abs. 1 Satz 5 der Bedingungen gegen § 9 AGBG (a. F.). Die Klausel sei deshalb unwirksam.

24

Jedenfalls aber sei hier eine Durchbrechung einer etwaigen Haftungsbeschränkung nach dem US-COGSA anzunehmen. Die Haftungsbeschränkung greife auch nach amerikanischem Recht jedenfalls dann nicht durch, wenn ein so genannter Fundamental Breach of Contract vorliege. Davon sei hier auszugehen. Die eigenen Anweisungen der Beklagten, Container mindestens zweimal täglich zu kontrollieren, seien – insoweit unstreitig – bei der amerikanischen Tochter zum Zeitpunkt des Geschehens nicht durchgesetzt worden. Im konkreten Fall sei vielmehr entgegen jeder Anweisung der Container von Freitagabend bis Sonntagnachmittag sich selbst überlassen gewesen. Als dann der für die Überwachung zuständige Mitarbeiter K. pflichtwidrig am Sonntagnachmittag erschienen und dann erst bemerkt habe, dass die Stromzufuhr ausgefallen gewesen sei, habe er, K., nichts unternommen. Um seine Pflichtverletzung zu vertuschen, habe K. den Vorfall nicht unverzüglich gemeldet, sondern stattdessen inhaltlich unrichtige Begehungsprotokolle mit falschen Begehungs- und Temperaturdaten gefertigt.

25

Die Klägerin beantragt,

26

die Beklagte zur Zahlung weiterer US-$ 3.537.510,79 nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit den 12. August 2001 zu zahlen.

27

Die Beklagte beantragt,

28

die weitergehende Klage abzuweisen.

29

Sie hält die Haftung nach dem US-COGSA für wirksam und meint, es liege auch kein Fundamental Breach Contract vor. Die zeitweilige Unterbrechung der Stromzufuhr könne nur dadurch erklärt werden, dass von dritter Seite im Rahmen eines Sabotageaktes der Stecker herausgezogen worden sei. K. habe den Container auch am Samstag, den 19. August 2000, kontrolliert, dabei habe er versehentlich nicht bemerkt, dass die Stromzufuhr unterbrochen gewesen sei. Dass er gleichwohl Eintragungen in seine Unterlagen vorgenommen habe, nämlich für den Container eine „set temperature“ von – 25 ° sowie den Vermerk „DEFR“ (Abtauphase), müsse entweder auf einer Verwechselung der Container oder auf einem nur flüchtigen Blick auf die digitale Kühlanzeige des streitgegenständlichen Containers beruhen. K. habe dann am Sonntag, den 20. August 2000, den Container wiederum kontrolliert, und zwar gegen 16.00 Uhr. Zu diesem Zeitpunkt sei die Stromzufuhr bereits wieder hergestellt gewesen, die Rücklufttemperatur habe – 23,6 ° betragen.

30

Wegen der Einzelheiten des Vortrags der Parteien wird verwiesen auf den Inhalt der bei Gericht eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den Inhalt der Sitzungsprotokolle.


Entscheidungsgründe

31

Die weitergehende Klage war abzuweisen. Über den anerkannten und ausgeurteilten Betrag hinaus haftet die Beklagte nicht.

32

1. Zu Recht beruft sich die Beklagte auf die Haftungsbeschränkung nach dem US-COGSA. Diese Haftungsbeschränkung ist nicht nach § 9 AGBG (a. F.) unwirksam. Die Parteien haben in Ziff. 12 des Express Cargo Bills (Anlage K 3) die Anwendbarkeit deutschen Rechts ausdrücklich nur „Except as otherwise provided specifically herein“ vereinbart. Darin liegt eine zulässige Teilrechtswahl im Sinne von Art. 27 Abs. 1 Satz 2 EGBGB. In diesem Sinne als „otherwise provided specificaly herein“ ist die Klauselnummer 5 Abs. 1 Satz 5 des Express Cargo Bills, mit dem die Anwendung der US-COGSA-Regeln auf Landschäden vereinbart worden ist. Insoweit haben die Parteien ganz ausdrücklich die Anwendbarkeit deutschen Rechts (und insoweit auch des AGB-Gesetzes) ausdrücklich ausgeschlossen. Die Wirksamkeit dieser Klausel richtet sich vielmehr nach US-amerikanischem Recht, wie sich aus der Verknüpfung des Satzes 5 mit dem Satz 4 der Ziff. 5 Abs. 1 ergibt. Im Satz 4 wird nämlich US-amerikanisches Seefrachtrecht für maßgeblich erklärt, Satz 5 dehnt den Wirkungsbereich des Seefrachtrechts lediglich auf Landschäden aus. Dass diese Ausdehnung nach amerikanischem Recht wirksam ist, unterliegt keinem näheren Zweifel.

33

2. Eine Durchbrechung der Haftungsbeschränkung nach den Grundsätzen des so genannten Fundamential Breach of Contract kommt hier nicht in Betracht.

34

Dabei kann zugunsten der Klägerin unterstellt werden, dass der Beklagten ganz massive Fehlleistungen und Unterlassungen angelastet werden können, insbesondere eigene Anweisungen nicht umgesetzt wurden, es an der Aufsicht und Kontrolle der Kontrolleure fehlte, dass K. den Container pflichtwidrig nicht am Samstag, dem 19. August 2000, sondern am Sonntag, dem 20. August, gegen 15.00 Uhr, kontrollierte und dabei bemerkte, dass die Stromzufuhr unterbrochen war. Es kann weiterhin unterstellt werden, dass K. schlicht wieder den Stecker in die Steckdose steckte und, statt die Ladungsbeteiligten unverzüglich zu benachrichtigen, inhaltlich unrichtige Begehungsprotokolle fertigte, um sein Fehlverhalten zu vertuschen. Aus diesen Umständen lässt sich aber allenfalls auf eine vorsätzliche Gefährdung des im Container befindlichen Kühlgutes schließen. Dies aber reicht für die Annahme eines International Breach of Contract nicht aus. Wie im Hinweis der Kammer vom 11. März 2004, auf den ergänzend verwiesen wird, im einzelnen ausführt, verlangt die amerikanische Rechtssprechung für Fälle wie den vorliegenden eine zielgerichtete Zerstörung der Ladung, die auch dann vorliegen könne, wenn der Handelnde die Konsequenzen seines Handelns sicher oder nahezu sicher kennt und trotzdem weiter handelt. Hätte K. sein Fehlverhalten in der unterstellten Weise vertuscht und hätte er dabei gewusst oder als nahezu sicher angenommen, als Folge dieser Vertuschungsaktion werde die im Container befindliche Ware nicht mehr verwendbar sein, wird man von einer „intentional destruction of Cargo“ sprechen können. Allein aus dem Umstand, dass K. den Container pflichtwidrig einen Tag überhaupt nicht und am Sonntag erst gegen 15.00 Uhr kontrollierte sowie aus dem weiteren Umstand, dass er diese Pflichtwidrigkeit vertuschen wollte, lässt sich ein hinreichend tragfähiger Schluss auf die subjektiven Vorstellungen K. jedoch nicht ziehen. Anlass zur Vertuschung seiner Pflichtwidrigkeit hatte K. in jedem Falle. Das Vertuschungsverhalten ist ohne weiteres vereinbar mit der Vorstellung, der Schaden sei bereits in dem Moment unvermeidbar, als er, K., am Sonntagnachmittag die Erwärmung des Containers bemerkt hatte, sie ist auch ohne weiteres vereinbar mit der Vorstellung, dass Wiederanschließen an die Stromzufuhr sei ohne weiteres ausreichend, um einen Schaden an dem Kühlgut zu vermeiden. In beiden Fällen kann von einer „intentional destruction“ im Zuge der Vertuschungsaktion nicht die Rede sein.

35

Auf die im Beschluss vom 30. Dezember 2002 angeordnete gegenbeweisliche Vernehmung des von der Beklagten benannten Zeugen K. kam es deshalb nicht mehr an. Die Darlegungs- und Beweislast für die Durchbrechung der Haftungsbeschränkungen nach dem US-COGSA trägt die Klägerin. Hier kann schon der Hauptbeweis nicht geführt werden, auf den Gegenbeweis kam es deshalb insoweit noch nicht an.

36

3. Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 2, 709 ZPO.

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