Zur Haftung für Verunreinigungen einer Schiffsladung nach der Löschung

Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss vom 29.04.2013 – 6 U 175/12

Zur transportrechtlichen Haftung für Verunreinigungen einer Schiffsladung nach der Löschung

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 27.09.2012, Aktenzeichen 403 HKO 12/12, wird gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Der Streitwert wird auf € 743.053,64 festgesetzt.

Gründe
1
Die Zurückweisung der Berufung erfolgt gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch einstimmigen Beschluss.

I.

2
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Übernahme von Kosten, die durch die Lagerung und vor allem durch die Behandlung mit Bleierzkonzentrat verunreinigter Rohre der Beklagten entstanden sind.

3
Die Klägerin betreibt einen Umschlagbetrieb am K… in Hamburg. Sie löschte am 11. November 2011 eine Partie Rohre aus dem Seeschiff “B.”, die für die Beklagte als Empfängerin bestimmt waren. Die Klägerin löschte zunächst die Rohre aus Luke 1 und sodann die Rohre aus Luke 2. Als die Rohre aus Luke 2 zu einem großen Teil gelöscht waren, kamen mit Schlamm verunreinigte und tropfende Rohre zum Vorschein, die ebenfalls gelöscht wurden. Wie später festgestellt wurde, hatte es offenbar durch ein Leck in den Ballasttanks einen Eintritt von Seewasser im Laderaum 2 gegeben. Das Seewasser verflüssigte lose geschüttetes Bleierzkonzentrat, welches als Beiladung durch eine Trennwand (sog. Tweendecks pontoons) von den Rohren getrennt hier ebenfalls gestaut war. Da die Trennwand nicht wasserdicht war, konnte sich das verflüssigte Bleierzkonzentrat auch in den mit Rohren belegten Teil des Laderaums ergießen und Rohre kontaminieren. Die Klägerin lagerte die Rohre auf ihrem Gelände. Da es sich bei Bleierzkonzentrat um ein Umweltgift handelt, mussten die Rohre fachgerecht behandelt und das Bleierzkonzentrat entsprechend den Auflagen der Umweltbehörde entsorgt werden. Mit der Reinigung wurde die Klägerin beauftragt. Die Klägerin hat geltend gemacht, der Beklagten stünden keine Gegenansprüche zu, die sie zu einer Zahlungsverweigerung berechtigten. Die Beklagte hat eingewandt, die Klägerin könne die für die Reinigung der Rohre entstandenen Kosten nicht erstattet verlangen, weil sie den Schaden überhaupt erst hervorgerufen habe, weil sie die Rohre unprofessionell und sorgfaltswidrig gelöscht habe.

4
Hinsichtlich des Sachverhalts wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen.

5
Mit Urteil vom 27. September 2012 hat das Landgericht die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, die Beklagte könne gegenüber der dem Grunde nach unstreitigen Forderung nicht mit Erfolg mit einem Schadensersatzanspruch wegen einer fehlerhaften Löschung der Rohre aufrechnen. Vertragliche oder abgeleitete vertragliche Ansprüche aus dem Umschlagsvertrag nach den Grundsätzen des Vertrages zugunsten Dritter oder des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter stünden der Beklagten nicht zu. Der Beklagten stünden auch keine deliktischen Ansprüche auf Schadensersatz zu. Selbst wenn zugunsten der Beklagten unterstellt würde, dass sie Eigentümerin der Rohre gewesen sei und dass die Klägerin entsprechend der Behauptung der Beklagten mit Bleierzschlamm tropfende Rohre über bis dahin nicht kontaminierte Rohre hinweggehoben habe, hätte die Klägerin nicht fahrlässig gehandelt, wenn sie nicht damit rechnete, dass der bei der Entladung der unteren Rohre aus Luke 2 den Rohren anhaftende Schlamm kein bloßer “Dreck”, sondern ein Umweltgift war, das bei Kontakt mit anderen Gegenständen diese dauerhaft beschädigt.

6
Wegen der näheren Begründung der Entscheidung des Landgerichts wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

7
Die Beklagte hat gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 28. September 2012 zugestellte Urteil am 26. Oktober 2012 Berufung eingelegt und diese am 28. November 2012 begründet.

8
Die Beklagte wiederholt und vertieft das Vorbringen aus der ersten Instanz. Sie macht mit der Berufung insbesondere geltend, das Landgericht habe zu Unrecht einen Schadensersatzanspruch aus einem Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte versagt. Denn die Voraussetzung, dass der Geschädigte anderenfalls keinen inhaltsgleichen vertraglichen Anspruch habe, liege vor. Vor dem Hintergrund, dass der Klägerin schon leichteste Fahrlässigkeit schade, sei auch nicht nachvollziehbar, dass das Landgericht mit der Begründung, es würde an einem Verschulden fehlen, deliktische Ansprüche verneint habe.

9
Die Beklagte beantragt,

10
unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Hamburg vom 27.09.2012 zum Aktenzeichen: 403 HKO 12/12 die Klage abzuweisen.

11
Die Klägerin beantragt,

12
die Berufung zurückzuweisen.

13
Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil und vertieft ihren Vortrag in erster Instanz.

14
Wegen der Einzelheiten des Parteivortrages wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

15
Das Rechtsmittel der Beklagten hat nach einstimmiger Auffassung des Senats offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.

16
Das Landgericht ist zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass der von der Klägerin geltend gemachte Zahlungsanspruch vollumfänglich begründet ist, weil der Beklagten gegenüber der dem Grunde nach unstreitigen Forderung der Klägerin keine Gegenansprüche zustehen.

17
Der Senat verweist zur Begründung zunächst auf die Ausführungen in seinem Beschluss vom 27. Februar 2013, der die wesentlichen Gründe für die Zurückweisung enthält.

18
Die Ausführungen der Beklagten mit Schriftsatz vom 3. April 2013, mit denen nun geltend gemacht wird, bei dem Umschlag-/Terminalvertrag handele es sich um einen echten Vertrag zugunsten Dritter, zudem sei auch ein Anspruch der Beklagten gemäß § 437 HGB gegeben, und mit denen die Argumentation hinsichtlich der deliktischen Gegenansprüche wiederholt und vertieft wird, führen zu keiner abweichenden Beurteilung.

19
Der Senat teilt die Auffassung der Beklagten, bei dem Umschlag-/Terminalvertrag handele es sich um einen echten Vertrag zugunsten Dritter, nicht. Wie das Landgericht zutreffend dargelegt hat, ist der Umschlagvertrag nicht darauf gerichtet, dem daran nicht beteiligten Empfänger ein eigenes Forderungsrecht hinsichtlich der versprochenen Umschlagarbeiten einzuräumen. Gegen die Qualifizierung des Kaivertrages als Vertrag zugunsten des Empfängers spricht vielmehr, dass der Empfänger im Innenverhältnis zum Verfrachter auch erst verpflichtet wird, wenn er diesem das Konnossement präsentiert oder sich als legitimierter Empfänger aus dem Frachtvertrag zur Annahme bereit erklärt (Rabe, Seehandelsrecht, 4. Aufl., Anh § 561 Rz 5, § 606 Rz 39). Was den Anspruch der Beklagten nach § 437 HGB anbelangt, weist die Beklagte selbst darauf hin, dass dieser Anspruch nach herrschender Rechtsprechung (BGH TranspR 2009, 130) voraussetzt, dass der Hauptvertrag deutschem Recht unterliegt, was hier nicht der Fall ist. Von dieser herrschenden Rechtsprechung abzuweichen, sieht der Senat keinen Anlass. Soweit sich die Beklagte für ihre Auffassung, die Klägerin sei ihr aus dem Umschlag-/Terminalvertrag vertraglich verpflichtet, auf die Rechtsprechung des BGH stützt, nach der sich die Haftung des Unterfrachtführers gegenüber dem Empfänger allein nach dem den Empfänger begünstigenden Unterfrachtvertrag richtet (BGH TranspR 2007, 425 (427), TranspR 2009, 130 (132), TranspR 2012, 456 (458)), ist diese Rechtsprechung vorliegend nicht einschlägig. Die genannten Entscheidungen sind auf der Grundlage des Haftungsregimes der CMR, des Warschauer Abkommens und des Landfrachtrechts nach dem HGB ergangen. Der BGH hat sie damit begründet, dass in den Fällen, in denen den Unterfrachtführer dem Hauptfrachtführer gegenüber die volle Frachtführerhaftung trifft, es keinen Grund gebe, seine Haftung gegenüber dem Empfänger als Drittbegünstigten des Unterfrachtvertrages auszuschließen. Diese Argumentation ist auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Eine Haftung der Klägerin kommt allein nach dem Umschlag-/Terminalvertrag in Betracht. Es mag zwar sein, dass dieser deutschem Recht unterliegt (ausdrücklicher Vortrag dazu fehlt). Es kann sich bei einem Umschlagsvertrag auch durchaus um einen Unterfrachtvertrag handeln, dieses muss jedoch nicht der Fall sein. Vorliegend war die Klägerin mit der Löschung einer Partie Rohre aus dem Seeschiff “”B.” mit Hilfe von Kranen auf die Kaianlage und der Zwischenlagerung auf ihrer Lagerfläche beauftragt. Da der Vertrag mithin Bestandteile verschiedener Vertragstypen enthält, sind die einzelnen Tätigkeiten nach den Regeln des gemischten Vertrages zu behandeln (vgl. Koller, Transportrecht, 7. Auflage, § 407 HGB Rz 10, 10a). Unterstreitig wurden die Rohre nicht beschädigt, während sie zum Lager der Klägerin befördert wurden – also bei Vornahme der Ortsveränderung -, sondern dieses soll nach dem Vortrag der Beklagten geschehen sein, als die Klägerin mit Bleierzschlamm tropfende Rohre über bis dahin nicht kontaminierten Rohre, die auf dem Kai abgelegt waren, hinweggehoben hat. Da auf diese werkvertragliche Tätigkeit nach den Regeln des gemischten Vertrages Werkvertragsrecht anzuwenden ist (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 72. Aufl., Überbl v § 311 Rz 25), scheidet eine entsprechende Anwendung der oben aufgeführten Rechtsprechung und damit eine Inanspruchnahme der Klägerin aus dem Umschlag-/Terminalvertrag durch die Beklagte mithin aus.

20
Was die deliktischen Gegenansprüche anbelangt, hält der Senat an seiner Einschätzung fest, dass der Klägerin keine – und damit auch nicht leichteste – Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist, weil das Löschen und (Zwischen)lagern von Gütern jedenfalls dann nicht die Pflicht umfasst, beim Ausladen Verschmutzungen an den Gütern auf Gefährlichkeit hin zu untersuchen, wenn weder entsprechende Hinweise von dem verunreinigten Gut selbst ausgehen noch von anderen Ladungsbeteiligten gegeben werden. Der Argumentation der Beklagten, da Seeschiffe üblicherweise mit nicht besonders umweltverträglichem Bunkeröl fahren und Bunkeröltanks durchaus während einer Überfahrt mit der Folge eines Lecks beschädigt werden können, habe ein professioneller Terminalbetreiber durchaus ins Kalkül zu ziehen, dass das, was aus einem Rohr herauslecke, für Dritte und das Eigentum Dritter schädlich sein könne, vermag der Senat nicht zu folgen. Die Fallkonstellationen sind nicht vergleichbar. Denn zum einen unterscheidet sich Bunkeröl in seiner Gefährlichkeit erheblich von Bleierzschlamm und zum anderen ist Öl als solches erkennbar, während sich Bleierzschlamm von bloßem “Dreck” optisch nicht unterscheidet.

21
Soweit die Beklagte nicht nachvollziehen kann, dass der Senat für die Eigentumsverletzung eine “gewisse Einwirktiefe” fordere und diese im vorliegenden Fall auch noch verneine, nimmt der Senat zunächst auf seinen Hinweisbeschluss vom 27.02.2013 Bezug, mit dem er ausgeführt hat, dass auch ein hoher Verschmutzungsgrad nicht zu einer Eigentumsverletzung führt, wenn weder eine Einwirkung auf die Sachsubstanz noch eine ihr gleichstehende sonstige schädigende Einwirkung vorliegt (OLG Dresden, VersR 1999, 765). Der Senat bleibt dabei, dass es bei einer Verschmutzung mit Erdschlamm an einer derart starken Einwirkung gefehlt hätte, weil sich Rohre üblicherweise in ihrer Substanz durch eine Robustheit auszeichnen, die verhindert, dass sie durch den Kontakt mit Staub, Wasser oder Schlamm Schaden nehmen. Der Senat bleibt auch dabei, dass hierzu passt, dass die streitgegenständlichen Rohre unverpackt verschifft und gelagert wurden. Der Einwand der Beklagten, die vom Senat angenommene Robustheit werde keineswegs durch den unverpackten Transport indiziert, vielmehr sollte durch den Transport im Raum und das Versehen der Rohrenden mit Schutzkappen eine größere Verschmutzung vermieden und das Innere der Rohre geschützt werden, vermag nicht zu überzeugen. Denn die Beklagte räumt selbst ein, dass die Rohre an der Außenhaut eine gewisse Widerstandsfähigkeit aufweisen, und legt nicht dar, dass das Innenleben der Rohre auch durch ungefährlichen Erdschlamm in seiner Substanz verletzt oder erheblich beeinträchtigt worden wäre.

22
Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Auch erscheint eine Entscheidung des Berufungsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht erforderlich. Eine mündliche Verhandlung ist ebenfalls nicht erforderlich.

III.

23
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 709 Satz 2 ZPO.

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