Zur Haftung des Fixkostenspediteurs für Schäden am Transportgut

OLG Hamburg, Urteil vom 16.07.2009 – 6 U 173/08

Der Schaden ist auch dann im Obhutszeitraum gem. § 606 S. 2 HGB entstanden, wenn die Schadensursache zwar schon vor der Annahme der Güter durch den Verfrachter gesetzt worden ist, der Schaden sich aber erst im Haftungszeitraum entwickelt.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg, Kammer 1 für Handelssachen, vom 30.07.2008 (Az. 401 O 97/07) abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Das Versäumnisurteil des Landgerichts Wuppertal, Kammer 2 für Handelssachen, vom 09.07.2007 (12 O 34/07) wird mit der Maßgabe aufrecht erhalten, dass die Beklagte verurteilt wird, an die Klägerin € 34.894,76 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.06.2007 zu zahlen.

Im Übrigen wird das Versäumnisurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 15 % und die Beklagte 85 %. Ausgenommen sind die Kosten, die dadurch entstanden sind, dass die Beklagte vor dem Landgericht Wuppertal nicht binnen zwei Wochen nach Zustellung der Klage ihre Verteidigungsabsicht erklärt hat; diese Kosten trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Jede Partei darf die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils gegen sie vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils vollstreckbaren Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf € 41.223,26 festgesetzt.

Gründe

I. Die Klägerin ist der Transportversicherer der Firma F. GmbH, Düsseldorf (im Folgenden: Versicherungsnehmerin). Sie nimmt die Beklagte, die ein Speditionsunternehmen betreibt, aus übergegangenem Recht ihrer Versicherungsnehmerin auf Ersatz eines Transportschadens in Anspruch.

Die Versicherungsnehmerin bezog ständig Garne aus Asien. Die in Containern verstaute Ware wurde über den Seeweg von Asien nach Rotterdam verschifft und von dort per LKW nach Düsseldorf weitertransportiert. Die Transportkosten rechnete die Beklagte mit der Versicherungsnehmerin aufgrund von zuvor mitgeteilten Frachtraten ab.

Mit Schreiben vom 13.04.2006 übermittelte die Beklagte der Versicherungsnehmerin ihre geänderten, ab dem 15.04.2006 gültigen Raten über die Seefracht, u.a. für „LCL ab fob Osaka/Kobe USD 75,00 / cbm oder to“, sowie die Nachlaufkosten und die Fracht ab Ankunft Schiff bis frei Düsseldorf (Anl. B 3). Im Mai 2006 kaufte die Versicherungsnehmerin von zwei japanischen Lieferanten auf der Basis „fob Kobe, Japan“ Garne, von der Firma H. Trading 60 Kartons mit einem Bruttogewicht von 1140 kg zu einem Preis von umgerechnet € 8.014,75 und von der Firma B. Corporation 80 Kartons mit einem Bruttogewicht von 2280 kg zu einem Preis von € 25.647,29 (Rechnungen im Anlagenkonvolut K 2). Die Partien wurden zusammen mit anderen Sendungen in einen Sammelcontainer gepackt, der im Hafen von Kobe auf das Seeschiff „C. B.“ verladen wurde. Die Schwestergesellschaft der Beklagten in Japan, die Firma G. Ltd., fertigte unter dem 31.05.2006 bzw. 01.06.2006 über jede Sendung ein Konnossement aus „For and on behalf of S. Line, the carrier, G. LTD, AS AGENTS FOR THE CARRIER“ (Anlagenkonvolut K 3). In dem Sammelcontainer befanden sich u.a. Fässer einer Firma L. mit dem Gefahrgut Divinylbenzol, das wegen Überhitzung aus den Fässern austrat und die Garne kontaminierte. Das wurde bei der Öffnung des Sammelcontainers am 06.07.2006 im Hafen Rotterdam festgestellt (Besichtigungsbericht der Interlloyd Averij B.V. vom 25.10.2006 / Anl. K 4).

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Beklagte hafte für den Schaden unbeschränkt gem. §§ 459, 452 a, 606, 660 HGB. Der Speditionsvertrag sei unmittelbar zwischen der Versicherungsnehmerin und der Beklagten zustande gekommen. Denn ihre Versicherungsnehmerin habe die Beklagte mit der Beförderung der Güter von Japan nach Düsseldorf zu festen Kosten beauftragt. Sie hätten weiter abgesprochen, dass zum einen die Beklagte der Versicherungsnehmerin deren in den jeweiligen Ländern tätigen Schwesterunternehmen benenne und zum anderen die Versicherungsnehmerin ihrerseits ihre Lieferanten anweise, sich bei anstehenden Transporten unmittelbar mit den jeweiligen Niederlassungen der Beklagten in Verbindung zu setzen. Obgleich die Chemikalienfässer der Firma L. mit einem deutlichen Hinweis versehen worden seien, sie keinen höheren Temperaturen als 20 ° Celsius auszusetzen, hätten die von der Beklagten eingesetzten Stauer das Gefahrgut zusammen mit den für die Versicherungsnehmerin bestimmten 140 Packstücken in einen normalen Container verladen.

Die Klägerin hat den Schaden ihrer Versicherungsnehmerin wie folgt beziffert:

Rechnung H. Trading € 8.014,75
Rechnung B. Corporation € 25.647,29
Entsorgungskosten € 4.002,00
Sachverständigenkosten € 2.326,50
Transportkosten € 1.232,72
€ 41.223,26

Sie hat behauptet, ihrer Versicherungsnehmerin den Schaden ausweislich der Quittung vom 04.12.2006 mit einer Zahlung von € 40.067,86 ersetzt zu haben (Anl. K 8). Im Übrigen hat sie sich auf deren Abtretungserklärung vom 28.11.2006 bezogen (Anl. K 7).

Das zunächst angerufene Landgericht Wuppertal hat die Beklagte durch Versäumnisurteil vom 09.07.2007 antragsgemäß verurteilt, an die Klägerin € 41.223,26 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.06.2007 zu zahlen. Nach dem Einspruch der Beklagten gegen das Versäumnisurteil ist der Rechtsstreit an das Landgericht Hamburg verwiesen worden.

Die Klägerin hat beantragt,

das Versäumnisurteil des Landgerichts Wuppertal vom 09.07.2007 aufrecht zu erhalten.

Die Beklagte hat beantragt,

das Versäumnisurteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Aktivlegitimation der Klägerin bestritten. Sie selbst sei auch nicht passivlegitimiert. Denn die japanischen Verkäufer hätten den Seefrachtvertrag im eigenen Namen, wenn auch auf Rechnung der Beklagten, mit ihrer japanischen Schwestergesellschaft G. Ltd. abgeschlossen. Sie selbst habe die Beförderung nicht zu festen Kosten übernommen. Sie habe der Versicherungsnehmerin lediglich zugesagt, dass bei Transporten, die an Konzerngesellschaften der Beklagten übergeben würden, ein bestimmter Betrag als Frachtnachnahme zu zahlen sei. Sie habe als Empfangsspediteurin nur das Inkasso für die betroffenen Konzerngesellschaften durchgeführt, hier im Auftrag der G. Ltd. Das vereinbarte Konstrukt habe in der Weise funktioniert, dass die Versicherungsnehmerin ihren Lieferanten eine sog. „routing order“ gegeben habe. Bei einer „routing order“ bitte der deutsche Importeur seinen ausländischen Lieferanten, sich bei Erteilung des Transportauftrags an bestimmte von seinem Hausspediteur vorgegebene Gesellschaften zu wenden, ohne dass damit ein Transportauftrag mit dem deutschen Importeur zustande komme. Den Frachtvertrag schlössen vielmehr der Lieferant im Ausland mit der dort ansässigen Schwestergesellschaft des deutschen Hausspediteurs. Im Übrigen sei ihre Haftung gem. Ziff. 23.1.3 ADSp auf zwei Sonderziehungsrechte pro kg beschränkt, hier auf maximal 6.840 SZR. Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands in der ersten Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Mit Urteil vom 30.07.2008 hat das Landgericht Hamburg nach Beweisaufnahme das Versäumnisurteil des Landgerichts Wuppertal aufrecht erhalten. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin sei ausweislich der Abtretungserklärung (Anl. K 7) und der Entschädigungsquittung (Anl. K 8) in Verbindung mit dem Forderungsübergang nach VVG bzw. ADS aktivlegitimiert. Nach dem Ergebnis der Zeugenvernehmungen sei die Beklagte auch der Vertragspartner der Versicherungsnehmerin. Die Beklagte hafte nach §§ 452, 452 a, 606, 660 HGB, da feste Kosten vereinbart worden seien und der Schaden auf der Seestrecke eingetreten sei. Auf Haftungsbeschränkungen nach den ADSp könne sich die Beklagte schon deshalb nicht berufen, weil sie ein qualifiziertes Organisationsverschulden treffe. Denn sie habe nicht sichergestellt, dass die von ihr übernommenen Sendungen nicht zusammen mit Gefahrgut transportiert würden. Die Klagansprüche seien auch nicht verjährt.

Das Urteil ist der Beklagten am 31.07.2008 zugestellt worden. Sie hat gegen das Urteil am 07.08.2008 Berufung eingelegt und diese am 03.09.2008 begründet.

Zur Begründung der Berufung führt die Beklagte aus, die Klägerin könne ihre Aktivlegitimation nicht auf einen Rechtsübergang nach Regulierung stützen, weil § 67 VVG im Seeversicherungsrecht nicht gelte und § 804 HGB a.F. im Zuge der Reform des VVG aufgehoben worden sei. Die Abtretungserklärung sei gem. § 307 AGB unwirksam, weil sie gegen das gesetzliche Bild eines Forderungsübergangs verstoße. Nach § 67 VVG a.F., § 804 HGB a.F. und § 86 VVG n.F. gingen die Ansprüche des Versicherungsnehmers nur insoweit über, als der Versicherer sie ersetzt habe. Die erforderliche Kongruenz von Entschädigung und Forderungsübergang fehle indes in der formularmäßigen Abtretungserklärung (Anl. K 7).

Sie selbst sei nicht passivlegitimiert. Unstreitig habe sie mit der konkreten Durchführung des Transportes nichts zu tun gehabt. Sie habe weder den Container gestellt, noch den Transport bei G. Ltd. oder dem aktuellen C. Express gebucht. Auch in die von einem Spediteur gem. § 454 HGB geschuldete Organisation des Transports sei sie nicht eingebunden gewesen. Die Aufgaben der Beklagten hätten sich auf eine reine Nachweistätigkeit und die Übernahme des Inkassos der Frachtnachnahme beschränkt. Tatsächlich hätten sich die Lieferanten H.und B. an G. Ltd. gewandt, ihre Sendungen auf deren Weisungen bei der Reederei J. Corporation angeliefert, wo sie von dieser bzw. von dem beauftragten Kaibetrieb in einen Sammelgutcontainer gepackt worden seien. G. Ltd. habe den Transport bei der Fa. D. auf Basis „freight collect“ gebucht. Damit sei in Japan ein Speditionsvertrag zwischen den Lieferanten auf der einen Seite und G. Ltd. auf der anderen Seite zustande gekommen. Die Versicherungsnehmerin habe den Kaufvertrag mit den japanischen Lieferanten insoweit als “erweitertes fob-Geschäft“ abgeschlossen, bei dem der Verkäufer für die Verschiffung zu sorgen habe, allerdings auf Rechnung des Käufers. Dementsprechend seien die Firmen H. und B. in den Konnossementen als „shipper“ eingetragen. Sie hätten deshalb bei Vorlage der drei Originale auch über die Partie verfügen können. Selbst bei einer unterstellten Auftragserteilung hätte sie, die Beklagte, wegen der Vereinbarung „ab fob Osaka/Kobe“ mit der Beladung des Containers nichts zu tun gehabt. Denn nach dieser Klausel habe der Verkäufer die Ware an Bord des vom Käufer bezeichneten Schiffes im Verschiffungshafen zu liefern. Auf die Zusammenstellung des von der Firma J. Corporation konsolidierten Sammelgutcontainers habe sie keinen Einfluss gehabt. Schließlich sei eine etwaige Haftung nach Ziffer 23.1.2 ADSp und § 660 Abs. 1 HGB auf 2 SZR/kg begrenzt.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Hamburg, Kammer 1 für Handelssachen, vom 30.07.2008 (Az.: 401 O 97/07) abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil und tritt dem Vorbringen der Beklagten in der Berufungsinstanz in allen Punkten entgegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

II. Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache nur teilweise Erfolg.

Die Klägerin kann die Beklagte aus abgetretenem Recht ihrer Versicherungsnehmerin, der Firma F. GmbH, gem. §§ 398 BGB, 459, 452, 452 a, 606 S. 2 HGB auf Schadensersatz in Anspruch nehmen, allerdings nicht in der geltend gemachten Höhe von € 41.223,26, sondern nur in Höhe von € 34.894,76. Die Berufung der Beklagten ist daher nur insoweit begründet, als das Landgericht das Versäumnisurteil auch wegen weiterer € 6.328,50 aufrecht erhalten hat. Im Übrigen ist die Berufung unbegründet.

1. Die Klägerin hat ihre Aktivlegitimation durch die Abtretungserklärung ihrer Versicherungsnehmerin vom 28.11.2006 (Anl. K 7) nachgewiesen. Damit sind die Ansprüche der Versicherungsnehmerin gegen die Beklagte gem. § 398 BGB auf die Klägerin übergegangen. Die von der Beklagten angesprochene Kongruenz von Forderungsübergang und der Leistung des Versicherers gilt nur für den gesetzlichen Forderungsübergang, etwa nach § 67 VVG a.F. und § 86 VVG n.F.. Die Abtretung ist auch nicht wegen einer unangemessenen Benachteiligung der Beklagten gem. § 307 BGB unwirksam. Abgesehen davon, dass fraglich ist, ob die auf einem Formular der Beklagten abgegebene Abtretungserklärung als Allgemeine Geschäftsbedingung anzusehen ist, sieht die gesetzliche Regelung in §§ 398 ff BGB keine Einschränkungen vor, wie sie für den gesetzlichen Forderungsübergang nach der Leistung des Versicherers bestehen. Dem Versicherungsnehmer steht es im Rahmen der Privatautonomie frei, Ansprüche an seinen Versicherer auch über den regulierten Betrag hinaus abzutreten.

Die Beklagte ist dem Grunde nach zum Ersatz des der Versicherungsnehmerin entstandenen Schadens verpflichtet, weil sie sich ihr gegenüber verpflichtet hat, die multimodale Beförderung der beiden streitgegenständlichen Sendungen Garne vom Hafen Kobe, Japan, über Rotterdam bis zum Firmensitz der Versicherungsnehmerin in Düsseldorf zu besorgen. Da der Schaden unstreitig auf der Seestrecke eingetreten ist, haftet sie als Fixkostenspediteur gem. §§ 459 Abs. 1, 452, 452 a, 606 S. 2 HGB wie ein Verfrachter aus dem Frachtvertrag.

Die Beurteilung der Rechtsbeziehungen, insbesondere der Frage, ob und zwischen wem ein Vertrag zustande gekommen ist, richtet sich gem. Art. 28 Abs. 4 EGBGB i.V.m. Art. 31 Abs.1 EGBGB nach dem deutschen Recht. Denn die Hauptniederlassung der Beklagten liegt in Hamburg und der Entladeort war Düsseldorf, wo sich auch die Hauptniederlassung der Versicherungsnehmerin befindet.

a) Die in der ersten Instanz vernommenen Zeugen K. und W. konnten zu der Frage, zwischen welchen Beteiligten die Verträge zustande gekommen sind, keine weiterführenden Angaben machen. Ihre Aussagen beschränkten sich auf die Beschreibung der tatsächlichen Abläufe, die unstreitig sind.

Es ergibt sich allerdings schon aus dem unstreitigen Sachverhalt, insbesondere den zwischen der Versicherungsnehmerin und der Beklagten getroffenen Absprachen, dass die Speditionsverträge nicht – wie die Beklagte meint – zwischen den japanischen Lieferanten H. Trading und B. Corporation und ihrer Schwestergesellschaft in Japan, der G. Ltd., zustande gekommen sind, sondern unmittelbar zwischen der Versicherungsnehmerin und der Beklagten. Danach hat die Versicherungsnehmerin mit der Beklagten gem. § 459 HGB zu fixen Kosten einen Vertrag über die Besorgung der multimodalen Beförderung der zwei Sendungen Garne auf der Gesamtstrecke von Kobe/Japan mit einem Seeschiff nach Rotterdam und von dort per LKW nach Düsseldorf geschlossen.

Unstreitig übersandte die Beklagte der Versicherungsnehmerin bereits seit langer Zeit regelmäßig Angebote über die aktuellen Frachtraten und Nachlaufkosten (Anl. K 1 und B 3). Ebenso unstreitig hat die Beklagte gegenüber der Versicherungsnehmerin auch nach diesen Raten abgerechnet, so die Beförderung der streitgegenständlichen Sendungen mit Rechnungen vom 26.07.2006 (Anl. KB 1 und KB 2). Das Schreiben der Beklagten vom 13.04.2006 (Anl. B 3) beinhaltet nicht nur eine Preisübersicht. Denn am Ende des Schreibens heißt es: „Diese Offerte ist gültig bis zum Festabschluss und basiert auf heute gültigen Raten, Kursen sowie ADSp. neuester Fassung und hat Gültigkeit bis 30.06.2006.“ Damit wird ausgedrückt, dass es sich um ein befristetes Angebot zum Abschluss von Speditionsverträgen handelt. Das zeigen zunächst die Begriffe Offerte und Festabschluss. Soweit die Beklagte auf Seite 7 ihrer Berufungsbegründung (Bl. 218 d.A.) zitiert „freibleibend bis zum Festabschluss“ und meint, es liege nur eine „invitatio ad offerendum“ vor, findet sich der Zusatz „freibleibend“ im Angebot vom 13.04.2006 (Anl. B 3) tatsächlich nicht. Für ein Angebot zum Abschluss eines Vertrages spricht zudem der Hinweis auf die ADSp. Denn die ADSp sind die Bedingungen der deutschen Spediteure für Verkehrsverträge, die sie mit ihren Auftraggebern schließen.

Des Weiteren haben die Parteien im Hinblick auf die konkreten Abschlüsse unstreitig vereinbart, die jeweiligen Transporte in der Weise in Auftrag zu geben, dass sich die ausländischen Lieferanten der Versicherungsnehmerin mit den dort ansässigen Konzernschwestergesellschaften der Beklagten in Verbindung setzten. So geschah es auch im vorliegenden Fall, indem die Firmen H. Trading und B. Corporation die G. Ltd., Japan, kontaktierten. Die Beteiligten in Japan waren auch über die Absprache informiert, welche die Versicherungsnehmerin mit der Beklagten in Deutschland getroffen hatte. Die Verkäufer H. Trading und B. Corporation, die mit der Klägerin die Kaufverträge auf der Basis einer „fob“-Lieferung abgeschlossen hatten, waren nicht daran interessiert, im eigenen Namen Transportaufträge zu erteilen. Denn damit wären sie selbst verpflichtet gewesen, die Transportkosten zu zahlen. „Frei an Bord“ bedeutet nämlich nach Ziffer 4 Incoterms, dass der Verkäufer seine Lieferverpflichtung erfüllt, wenn die Ware die Schiffsreling in dem benannten Verschiffungshafen überschritten hat (abgedruckt in Baumbach/Hopt, HGB, 33. Aufl., Incoterms (6), Ziff. 4). Von diesem Zeitpunkt an hat der Käufer alle Kosten und Gefahren des Verlustes oder der Beschädigung der Ware zu tragen. Dementsprechend hat der Käufer gem. Abschnitt B. 3 der Incoterms zur „fob“-Klausel auf eigene Kosten den Vertrag über die Beförderung der Ware vom Verschiffungshafen abzuschließen (vgl. auch Herber, Seehandelsrecht, S. 248). Deshalb war hier nach den Bedingungen des Kaufvertrags die Beklagte verpflichtet, die Verträge zur Beförderung der Garne ab dem Hafen Kobe abzuschließen.

Entgegen der Auffassung der Beklagten hat die Versicherungsnehmerin mit ihren japanischen Lieferanten die Kaufverträge auch nicht als „erweitertes fob-Geschäft“ abgeschlossen. Die Parteien eines Kaufvertrages können zwar grundsätzlich in der Form eines erweiterten oder unechten fob-Geschäfts verabreden, dass der exportierende Verkäufer für die Verschiffung sorgt (vgl. BGH WM 1963, 1185; Haage, Das Abladegeschäft, S. 165 ff; Baumbach/Hopt, aaO, Incoterms Ziff. 4 FOB Rn 2; Huber/Widmer in Schlechtriem/Schwenzer, CISG, 4. Aufl., Art. 32 Rn 15 Fn 38; Bodis, TranspR 2009, 5 ff). Regelmäßig wird dann aber „fob verschifft“ vereinbart, was hier nicht geschehen ist. Außerdem ist es im erweiterten fob-Geschäft auch zulässig, dass der Verkäufer den Seefrachtvertrag nicht im eigenen Namen, sondern als Vertreter des Käufers abschließt (vgl. Baumbach/Hopt aaO).

b) Der Senat vermag der Beklagten nicht zu folgen, wenn sie für ihre Auffassung, sie sei lediglich die außerhalb des Frachtvertrages stehende Empfangsspediteurin, eine Parallele zur Nachnahme zieht. Denn in gleicher Weise wie die Lieferanten war auch die G. Ltd. über die in Deutschland zwischen der Versicherungsnehmerin und der Beklagten getroffenen Absprachen informiert. Die Schwestergesellschaft der Beklagten in Japan wusste, dass nicht sie die Transportkosten von den japanischen Exporteuren verlangen durfte, sondern nur die Beklagte von der Versicherungsnehmerin in Deutschland. Abgesehen davon, dass der Empfänger gem. § 614 HGB ohnehin durch die Annahme der Güter verpflichtet wird, die Fracht zu zahlen, ließe sich dieses Ziel zwar auch durch die Vereinbarung einer Nachnahme erreichen, weil die Versicherungsnehmerin – auch – die Empfängerin war (vgl. zur Frachtnachnahme MünchKomm/Dubischar, HGB, § 425 HGB a.F. Rn 80). Eine wirksame Nachnahme setzt aber gemäß § 422 HGB voraus, dass die Parteien des Frachtvertrages, also der Absender mit dem Frachtführer, eine Nachnahmevereinbarung abschließen, nicht aber der Frachtführer direkt mit dem Empfänger. Mit dem Hinweis auf die Möglichkeit einer Nachnahme kann die Beklagte daher nicht mit Erfolg gegen einen Vertragsschluss zwischen der Versicherungsnehmerin und der Beklagten argumentieren. Im Gegenteil, dieser Gedanke spricht mehr dafür, als Parteien des Speditionsvertrages nicht die Beteiligten in Japan anzusehen, sondern die Versicherungsnehmerin in ihrer Eigenschaft als „fob“-Importeurin und die ebenfalls in Deutschland ansässige Beklagte, welche unstreitig die Höhe der Frachtkosten und die Zahlung durch die Versicherungsnehmerin vereinbart haben.

c) Die Tätigkeit der Beklagten beschränkte sich auch nicht auf die Ermittlung und Abrechnung des Frachtbetrages. Die vom Spediteur gem. § 454 HGB geschuldete Organisation des Transports lag vielmehr darin, dass sie für eine Abwicklung des gesamten Transportes unter Beteiligung der mit ihr verbundenen Konzerngesellschaften in Japan Sorge trug, von der Übernahme des Sammelladungscontainers auf das Seeschiff zur Verschiffung von Kobe nach Rotterdam, den Umschlag des Containers im Hafen Rotterdam, die Verzollung und den Weitertransport per LKW zur Versicherungsnehmerin nach Düsseldorf. Diese Leistungen sind auch im Angebot der Beklagten vom 13.04.2006 (Anl. B 3) mit den jeweiligen Preisen aufgeführt. Richtig ist allerdings, dass sich das Angebot nicht auf konkret bezeichnete Einzeltransporte bezieht. Nimmt man aber die unstreitig getroffenen weiteren Absprachen zwischen der Versicherungsnehmerin und der Beklagten über die Anbahnung der Einzeltransporte im Ausland hinzu, liegt eine zulässige Rahmenvereinbarung vor (vgl. zum Rahmenvertrag Koller, Transportrecht, 6. Aufl., § 407 Rn 16). Dort sind die wesentlichen Punkte vorab festgelegt, nämlich die mit dem Transport zu beauftragenden Konzerngesellschaften der Beklagten im Ausland, die Frachtraten und deren Abrechnung sowie die Art und Weise, in der die Einzelverträge abgeschlossen werden. Es liegt deshalb nahe, die Akteure, die die wesentlichen rechtsgeschäftlichen Absprachen treffen, auch als Vertragspartner anzusehen. Hinzukommt das berechtigte Interesse der Versicherungsnehmerin, sich bei Problemen an diejenige zu wenden, die als deutsche Konzerngesellschaft werbend an sie herangetreten ist, und die sie gegebenenfalls in Deutschland verklagen könnte.

d) Der Passivlegitimation der Beklagten steht nicht der Vermerk in der Fußleiste des Angebots vom 13.04.06 (Anl. B 3) entgegen, im grenzüberschreitenden Luftfrachtverkehr und im Seeverkehr sei sie Agent der von ihr eingesetzten Luft-bzw. Seefrachtführer. Die Beklagte kann nicht mit Erfolg geltend machen, sie sei nur als Vertreterin aufgetreten, habe das Angebot also lediglich als Vertreterin des Verfrachters abgegeben. Zunächst ist der Vermerk schon in sich unklar, weil die Beklagte, wenn sie selbst den Verfrachter einsetzt, wohl dessen Auftraggeber ist. Zum anderen passt die Argumentation nicht zu ihrer Auffassung, den Seefrachtvertrag hätten die japanischen Exporteure unmittelbar mit der Geologistics Ltd. abgeschlossen. Es ist im Übrigen auch die G. Ltd. und nicht die Beklagte, die das Konnossement als Agentin der S. Line gezeichnet hat (Anl. K 3). Schließlich läuft diese Klausel dann ins Leere, wenn die Beklagte wie hier die Besorgung einer Seebeförderung zu festen Kosten übernommen hat, so dass sie unmittelbar aufgrund der gesetzlichen Fiktion des § 459 HGB die Rechte und Pflichten eines Verfrachters hat.

e) Die von den Parteien gewünschte Abwicklung der Transporte konnte daher rechtsgeschäftlich nur in der Weise bewerkstelligt werden, dass die japanischen Lieferanten einerseits als Vertreter der Versicherungsnehmerin die Angebote für die Besorgung der Verschiffung abgaben und die Firma Geologistics Ltd. die Angebote als Vertreterin für die Beklagte annahm. Es ist zwar richtig, dass die Klägerin nicht darlegt, was die Beteiligten in Japan im Einzelnen abgesprochen haben. Der Senat hält das nicht für erforderlich, weil die Transporte unstreitig durchgeführt wurden und auch kein Streit um einzelne Konditionen der Verkehrsverträge besteht, sondern darum, wer die Parteien des Vertragsverhältnisses sind, und nach den Regeln des Incoterm „fob“ der Frachtvertrag vom Importeur geschlossen wird. Die Einordnung der vertraglichen Beziehungen lässt sich nur durch eine rechtliche Bewertung klären, zumal die beteiligten Personen sich darüber wohl keine Gedanken gemacht haben. Das hat auch die Vernehmung der Zeugen in der ersten Instanz bestätigt. Es ist deshalb eine interessengerechte Auslegung der unstreitigen Absprachen in einer Weise vorzunehmen, die zu einem vernünftigen, widerspruchsfreien und den Interessen beider Vertragsparteien gerecht werdenden Ergebnis gelangt (vgl. Palandt-Heinrichs/ Ellenberger, BGB, 68. Aufl., § 133 Rn 18). Das führt dazu, dass die Speditionsverträge zwischen der Versicherungsnehmerin und der Beklagten zustande gekommen sind. Die Auffassung der Beklagten widerspricht demgegenüber nicht nur den Interessen der Versicherungsnehmerin, sondern angesichts der vereinbarten „fob“-Lieferung auch denen der japanischen Lieferanten. Die berechtigten Interessen der Beklagten sind deshalb gewahrt, weil sie zum einen selbst mit ihren Angeboten über die Organisation der Transporte durch einen weltweit vertretenen Konzern an die Versicherungsnehmerin herangetreten ist und die Frachten einzieht und sie sich zum anderen im Haftungsfall mit den ihr verbundenen Schwestergesellschaften im Land der Exporteure auseinandersetzen kann.

Der Senat will nicht in Abrede nehmen, dass in der Praxis Absprachen getroffen werden, die im Rahmen eines erweiterten fob-Geschäfts über eine „routing order“ dazu führen, dass der exportierende Verkäufer die zur Beförderung notwendigen Verträge schließt (vgl. dazu eingehend Bodis, TranspR 2009, 5 ff). Für derartige vom Modell des fob-Geschäfts abweichende Vereinbarungen muss der Sachverhalt aber konkrete Anhaltspunkte bieten, woran es hier fehlt.

3. Die Beklagte haftet dem Grunde nach, weil die Garne unstreitig während des Seetransports durch die ebenfalls im Sammelgutcontainer verladenen Fässer der Firma L. mit Divinylbenzol kontaminiert worden sind. Im Rahmen des multimodalen Transports handelt es sich um die erste Teilstrecke. Das gem. § 452 a HGB berufene hypothetische Teilstreckenrecht ist gem. Art. 28 Abs. 4 EGBGB das deutsche Recht, weil sowohl die Beklagte als auch die Versicherungsnehmerin ihre Hauptniederlassung in Deutschland haben. Die Haftung der Beklagten richtet sich damit nach § 606 S. 2 HGB. Dessen Voraussetzungen sind gegeben, der Schaden ist in der Zeit von der Annahme der Güter bis zur Ablieferung entstanden.

Dem steht nicht entgegen, dass die Schadensursache unstreitig bereits dadurch gesetzt worden ist, dass die zwei Sendungen Garne zusammen mit den Gefahrgutfässern der Fa. L. in den Sammelgutcontainer verladen wurden. Hierbei kann dahinstehen, ob die Firma Geologistics Ltd. die Beladung des Sammelgutcontainers im Auftrag der japanischen Exporteure übernommen hat, was die Beklagte erstmals im nachgelassenen Schriftsatz vom 03.06.2009 behauptet. Denn der Schaden ist auch dann im Obhutszeitraum gem. § 606 S. 2 HGB entstanden, wenn die Schadensursache zwar schon vor der Annahme der Güter durch den Verfrachter gesetzt worden ist, der Schaden sich aber erst im Haftungszeitraum entwickelt (vgl. zur Problematik Rabe, Seehandelsrecht, 4. Aufl., § 606 Rn 14 f; Koller aaO § 425 HGB Rn 40, § 452 a HGB Rn 3). Die Beklagte kann auch nicht einwenden, von der Zusammenstellung des Sammelgutcontainers nicht gewusst zu haben, insbesondere nicht von dem beigeladenen Gefahrgut der Firma L. Denn sie muss sich das diesbezügliche Wissen der G. Ltd., die sie nach der Ansicht des Senats als ihre Vertreterin bei der Beauftragung des Seetransportes eingeschaltet hat, gem. § 166 Abs. 1 BGB zurechnen lassen. Die Beklagte haftet demnach gem. § 606 S. 2 HGB, weil sie einen Sammelgutcontainer zur Verschiffung übernommen hat, von dem sie zurechenbar wusste, dass sich in dem Container auch Fässer mit Divinylbenzol befanden, die keiner höheren Temperatur als 20 ° ausgesetzt werden durften.

4. Die Beklagte kann keine Haftungsbegrenzung auf zwei Sonderziehungsrechte pro kg geltend machen, weder gem. § 660 Abs. 1 S. 1 HGB noch gem. Ziffer 23.1.3. ADSp.

a) § 660 Abs.1 S. 1 HGB sieht zwar eine Haftungsbegrenzung auf zwei SZR für das Kilogramm des Rohgewichts der verlorenen oder beschädigten Güter vor. Gleichwertig daneben steht aber die Höchsthaftung auf 666,67 SZR für jedes Stück oder jede Einheit. Wirksam wird die Berechnungsalternative, die zu einem höheren Höchsthaftungsbetrag führt. Das ist hier die auf die beschädigten Stücke abstellende Berechnungsweise. Denn für die verladenen insgesamt 140 Packstücke (80 und 60 Kartons) ergibt sich bei einem Wert für 1 SZR = € 1,10108 am 02.07.2009 ein Höchstbetrag von € 102.767,98 (140 Stücke x 666,67 SZR x €,1,10108). Hingegen errechnet sich bei der alternativen Begrenzung der Haftung pro kg für die beschädigten 3420 kg (2280 kg und 1140 kg / Anl. K 3) ein Betrag von € 7.536,31 (3420 kg x 2 SZR x € 1,10108).

Der Berufung auf die höhere Haftungsbegrenzung von 666,67 SZR pro Stück steht auch nicht die sog. Container-Klausel gem. § 660 Abs. 2 HGB entgegen. Danach ist bei Gütern, die im Container verpackt sind, für die Berechnung der Höchsthaftung auf die einzelnen Stücke abzustellen, sofern diese im Konnossement angegeben sind. Wenn das Konnossement solche Angaben nicht enthält, gilt der Container als Stück oder Einheit. Die Konnossemente der S. Line weisen zwar die Anzahl der Kartons aus (Anl. K 3). Auf diese Konnossemente wird sich die Klägerin aber nicht berufen können, weil die Beklagte, die nur über die Fiktion des § 459 HGB als Verfrachter gilt, selbst keine Konnossemente ausgestellt hat. Dennoch muss sie sich nicht gem. § 660 Abs. 2 S. 2 HGB darauf verweisen lassen, mangels Konnossements gelte der Container als ein Stück, so dass sich die auf das Stück abstellende Haftungsbegrenzungsalternative auf den Wert von 666,67 SZR beschränken würde. Denn die Container-Klausel kommt nur zum Zuge, wenn dem Verfrachter ein vom Ablader gepackter Container übergeben wird. Hingegen ist es nicht gerechtfertigt, § 660 Abs. 2 HGB auf einen Container anzuwenden, den der Verfrachter selbst mit den ihm vom Ablader übergegeben Gütern gepackt hat, sog. LCL-Container (less than full container load / vgl. dazu Rabe aaO § 619 Rn 12). Denn anders als bei einem FCL-Container (full container load), den der Ablader gepackt hat, kennt der Verfrachter bei dem von ihm selbst gepackten LCL-Container die Anzahl der Packstücke. Er ist insoweit nicht schutzwürdig und es gibt keinen Grund, dem Verfrachter zu gestatten, dadurch Einfluss auf die Höchsthaftung zu nehmen, dass er die ihm von Ablader übergegebenen Güter in einen Container packt und verschifft (vgl. Rabe aaO § 660 Rn 17; Herber aaO S. 331). Ausweislich des Angebots vom 13.04.2006 (Anl. B 3) und der Frachtrechnungen der Beklagten vom 26.07.2006 (Anl. KB 1 und KB 2) bezog sich die streitgegenständliche Seebeförderung auch auf einen LCL-Container, was naheliegt, weil es sich um einen Sammelgutcontainer handelte, in den die mehreren Einzelpartien verschiedener Versender erst gepackt werden mussten. Im Übrigen kann auch an dieser Stelle offenbleiben, ob die japanischen Lieferanten die Geologistics Ltd. mit dem Packen des Sammelgutcontainers beauftragt haben. Dann hätte die Beklagte in ihrer Eigenschaft als gem. § 459 HGB haftender (Haupt-) Verfrachter den Container zwar nicht selbst gepackt, sie müsste sich aber das Wissen ihres Vertreters G. Ltd. auch in diesem Zusammenhang wieder gem. § 166 Abs. 1 BGB zurechnen lassen.

b) Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte auf die Höchsthaftung von zwei SZR pro kg gem. Ziff. 23.1.3 ADSp. Das Angebot der Beklagten vom 13.04.2006 (Anl. B 3) mit dem Hinweis auf die ADSp und die drucktechnische Hervorhebung der Haftungsbegrenzungen genügt zwar für die Einbeziehung der ADSp. Die Klausel begrenzt auch die Haftung des Spediteurs der Höhe nach auf zwei SZR pro kg bei einem Verkehrsvertrag über eine Beförderung mit verschiedenartigen Beförderungsmitteln unter Einschluss einer Seebeförderung. Diese Begrenzung der Haftung für Verträge über multimodale Beförderungen einschließlich einer Seestrecke entspricht insoweit der zweiten Alternative des § 660 Abs. 1 HGB. Die weitere mögliche Haftungsbeschränkung in § 660 Abs. 1 S. 1 HGB auf 666.67 SZR pro Stück, die Ziff. 23.1.3 ADSp nicht aufnimmt, konnte auch abbedungen werden. Die Vorschrift des § 662 Abs. 1 HGB steht dem nicht entgegen. Danach sind die Verpflichtungen des Verfrachters aus § 660 HGB nämlich nur dann zwingend, wenn ein Konnossement ausgestellt ist. Der Fixkostenspediteur kann sich darauf aber nur berufen, wenn er selbst ein Konnossement ausgestellt hat (vgl. BGH TranspR 1992, 106 ff; Rabe aaO § 642 Rn 14). Das ist hier, wie bereits dargelegt, nicht der Fall. Nur die S. Line hat Konnossemente ausgestellt (Anl. K 3).

Die Beklagte kann aber deshalb nicht die Haftungsbeschränkung auf zwei SZR pro kg gem. Ziffer 23.1.3 ADSp geltend machen, weil sie sich gemäß Ziffer 27.2 ADSp das qualifizierte Verschulden der Stauer, die den Sammelgutcontainer gepackt haben, zurechnen lassen muss. Nach dieser Klausel gelten die vorstehenden Haftungsbefreiungen und –begrenzungen nicht, wenn der Schaden in den Fällen der §§ 425 ff, 461 Abs. 1 HGB durch den Spediteur oder die in §§ 428, 462 HGB genannten Personen vorsätzlich oder leichtfertig und in dem Bewusstsein, dass ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde, verursacht worden ist. Das objektive Merkmal der Leichtfertigkeit setzt eine besonders schwere Nachlässigkeit voraus. Der Handelnde muss sich in besonders krasser Weise über das Sicherheitsinteresse in Bezug auf ihm anvertraute Güter hinweggesetzt haben. In jedem Fall muss er grundlegende, auf der Hand liegende Sorgfaltspflichten verletzt und sich angesichts von Gefahren über Bedenken, die sich jedem aufdrängen mussten, hinweggesetzt haben. Auf der subjektiven Seite hat das Bewusstsein hinzuzutreten, dass ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde. Das ist anzunehmen, wenn bei einem naheliegenden Schadensrisiko grundlegende Sorgfaltspflichten in krasser Weise missachtet werden und gravierende Schäden dadurch nicht unwahrscheinlich sind (vgl. Urteil des Senats vom 17.04.2003, TranspR 2003, 242 f). In den Fässern der Firma L. befand sich Divinylbenzol, ein Gefahrgut, das nach Ziffer 7 des Sicherheitsblattes in einem fest verschlossenen Behälter in einem gut belüfteten Ort aufzubewahren ist (Anl. K 5). Ausweislich der Fotos auf Seite 6 der Lichtbilderanlage zum Schadensbericht der Firma Interlloyd Averij B.V. befanden sich auf den Fässern Aufkleber mit dem Hinweis auf eine zulässige Höchsttemperatur von 20° Celsius (Anl. K 4). Außer diesen Warnhinweisen gab es noch Gefahrgutaufkleber mit Balkenkreuz. Das hat die Klägerin in der ersten Instanz unwidersprochen vorgetragen (Bl. 124 d.A.), worauf auch das Landgericht in seinem Urteil abgestellt hat. Wenn die Stauer derart deutliche Hinweise auf Gefahrgut ignoriert haben, handelten sie leichtfertig i.S.v. Ziffer 27.2 ADSp. Sie hätten zumindest dafür sorgen müssen, dass die Benzol-Fässer in einem anderen, belüfteten Container befördert werden. Der Einwand der Beklagten, die Firma L. selbst habe keinen ventilierten Container gestellt, geht fehl, weil die Firma L. keinen von ihr gepackten Container übergeben hat. Vielmehr sollte auch diese Ware im Wege der Sammelladung verschifft werden und musste deshalb erst von den durch die Fa. G. Ltd. beauftragten Stauern in einen Sammelgutcontainer verladen werden.

Der Senat verkennt nicht, dass die Beklagte, soweit es um die Durchbrechung der Höchsthaftung geht, durch die Regelung in Ziffer 27.2 ADSp schlechter steht als bei der gesetzlichen Regelung in § 660 Abs. 3 HGB, die ein qualifiziertes Verschulden des Verfrachters selbst, i.d.R. ein Organisationsverschulden, verlangt. Demgegenüber genügt nach Ziffer 27.2 ADSp auch ein qualifiziertes Verschulden der Leute und Erfüllungsgehilfen. Dieser Verschlechterung gegenüber der gesetzlichen Regelung lässt sich nicht mit dem Einwand begegnen, Ziffer 27.2 ADSp sei generell die Anwendung zu versagen, soweit es um die Haftung nach dem Seehandelsrecht geht. Es ist zwar richtig, dass der Senat in seiner Entscheidung vom 10.04.2008, Az. 6 U 90/05 (TranspR 2008, 213, 218) ausgeführt hat, Ziff. 27.2 ADSp sei schon nach ihrem Wortlaut nicht anwendbar, da sie nur §§ 425 ff, 461 HGB, aber nicht §§ 606, 607, 659, 660 HGB erwähne. Der Senat hat dann aber weiter darauf abgestellt, dass es sich bei § 660 Abs. 1 HGB um eine gesetzliche Haftungsbeschränkung handelt und nicht um eine „vorstehende“ Haftungsbefreiung oder Haftungsbegrenzung im Sinne von Ziff. 27 ADSp. Das ist hier deshalb anders, weil die Beklagte die Haftungsbegrenzung gem. Ziffer 23.1.3 ADSp geltend macht, die „vorstehend“ im Sinne von Ziff. 27 ADSp ist. Will man Ziff. 27.2 ADSp auch dann nicht anwenden, wenn es um die Haftungsbegrenzung gem. Ziff. 23.1.3 ADSp für den multimodalen Transport unter Einschluss einer Seebeförderung geht und der bekannte Schadensort auf der Seestrecke liegt, so dass über § 452 a HGB nach deutschem Recht die seerechtlichen Haftungsvorschriften der §§ 606 ff HGB Anwendung finden, gäbe es überhaupt keine Durchbrechung dieser Haftungsbegrenzung, selbst nicht bei einem qualifizierten Verschulden des Spediteurs persönlich. Dann wäre Ziff. 23.1.3 ADSp aber jedenfalls für diesen Anwendungsfall gem. § 307 BGB i.V.m. § 660 Abs. 3 HGB unwirksam. Das Problem lässt sich auch nicht durch eine Anwendung von Ziff. 27.1 ADSp lösen. Denn zum einen ist Ziff. 27.2 ADSp die für Güterschäden einschlägige speziellere Norm (vgl. Koller aaO Ziff. 27 ADSp Rn 8), zum anderen geht Ziff. 27.1 ADSp gleichfalls weiter als § 660 Abs.3 HGB, weil es auch bei einer Verletzung vertragswesentlicher Pflichten eine Durchbrechung der Haftungsbegrenzungen zulässt. Auch in den Fällen der Ziff. 23.1.3 ADSp muss daher eine Durchbrechung der Haftungsbegrenzung wegen qualifizierten Verschuldens möglich sein. In dieser Konstellation steht der Wortlaut von Ziff. 27.2 ADSp nicht entgegen. Denn auch die Vorschriften über den multimodalen Frachtvertrag gem. §§ 452 ff HGB lassen sich noch zu den §§ 425 ff HGB zählen. Im Übrigen kann die Problematik überhaupt nur auftreten, wenn kein Konnossement ausgestellt ist. Denn anderenfalls gelten gem. § 662 HGB die zwingenden Regeln des Seehandelsrechts. Dann finden gem. Ziff. 2.5 ADSp aber von vorneherein weder Ziff. 23 ADSp noch Ziff. 27 ADSp Anwendung (vgl. Koller aaO Ziff. 23 ADSp Rn 1, Ziff. 27 ADSp Rn 1). Nur in der hier gegebenen Situation, dass der Spediteur über § 459 HGB als Verfrachter gilt und kein Konnossement ausgestellt hat, kann Ziff. 23.1.3 ADSp wirksam werden, dann muss aber auch eine Durchbrechung der Haftungsbegrenzung gem. Ziff. 27.2 ADSp möglich sein. Dagegen lässt sich nicht einwenden, es gelte unmittelbar die gesetzliche Regelung des § 660 Abs. 3 HGB, wenn Ziff. 27 ADSp nicht anwendbar ist. Ein solches Verständnis lässt sich nicht mit der Systematik der ADSp vereinbaren, die wie im HGB in einem geschlossenen System einerseits Haftungsbegrenzungen einführen und auf der anderen Seite die Ausnahmen in Fällen qualifizierten Verschuldens regeln. Die Unstimmigkeiten innerhalb der ADSp können jedenfalls nicht zu Lasten des Auftragsgebers gehen, sondern nur zu Lasten des Verwenders. Entweder man wendet Ziff. 27.2 ADSp in diesen Fallgestaltungen an oder Ziff. 23.1.3 ADSp ist mangels einer korrelierenden Ausnahmeregelung bei einem qualifizierten Verschulden des Spediteurs unwirksam.

c) Da die Beklagte die Haftungsbeschränkung von zwei SZR gem. Ziff. 23.1.3 ADSp mithin nicht geltend machen kann, muss der Einwendung der Klägerin nicht weiter nachgegangen werden, die Beklagte könne sich schon gem. Ziff. 29. 4 ADSp auf die ADSp nicht berufen, weil sie nicht den Nachweis erbracht habe, die von Ziff. 29.1.1 ADSp geforderte Haftungsversicherung abgeschlossen zu haben. Die von der Beklagten vorgelegte englische Police (Anl. B 10) genügt jedenfalls nicht, weil sie nicht erkennen lässt, dass darunter auch die Beklagte versichert ist.

5. Die Klägerin kann den mit € 41.223,26 geltend gemachten Schaden nur in Höhe von € 34.894,76 beanspruchen. Da beide Sendungen Garne durch die Kontamination mit Divinylbenzol gänzlich unbrauchbar geworden sind, richtet sich der Umfang des ersatzfähigen Schadens nach der Regelung für den Verlust der Güter in § 658 HGB (vgl. Rabe aaO § 606 Rn 26). Danach hat der Verfrachter den gemeinen Handelswert oder den gemeinen Wert der Güter zu ersetzen, den Güter derselben Art und Beschaffenheit am Bestimmungsort der Güter bei Beginn der Löschung des Schiffes haben. Die Klägerin kann demnach den Wert der Garne gemäß den Rechnungen der Firmen H. Trading und B. Corporation in Höhe von € 8.014,75 und € 25.647,29 (Anlagenkonvolut K 2) ebenso beanspruchen wie die Erstattung der Transportkosten in Höhe von € 1.232,72, insgesamt €34.894,76.

Die weitergehend geltend gemachten Entsorgungskosten in Höhe von € 4.002,00 und die Sachverständigenkosten in Höhe von € 2.326,50, insgesamt € 6.328,50, sind hingegen keine gem. § 658 HGB erstattungsfähigen Schadenspositionen. Diese Kosten könnten nur unter den Voraussetzungen des § 660 Abs. 3 HGB zugesprochen werden, also wenn der Schaden auf eine Handlung oder Unterlassung zurückzuführen wäre, die der Verfrachter in der Absicht, einen Schaden herbeizuführen, oder leichtfertig und in dem Bewusstsein begangen hätte, dass ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde. § 660 Abs. 3 HGB gestattet eine Durchbrechung der Haftungsbeschränkung demnach nur bei persönlichem Verschulden des Verfrachters. Hier ist jedoch von einem Einzelversagen der mit dem Packen des Sammelgutcontainers befassten Stauer auszugehen. Auch unter dem Blickwinkel eines Organisationsverschuldens vermag der Senat keinen Anhaltspunkt für ein qualifiziertes Verschulden der Geschäftsführung der Beklagten erkennen.

6. Die Klagforderung ist nicht gem. § 612 HGB verjährt. Die Ware ist am 27.06.2006 in Rotterdam angekommen. Die Klage vom 21.05.2007 ist am 23.05.2007 bei Gericht eingegangen und am 08.06.2007 zugestellt worden. Dagegen wendet sich die Beklagte in der Berufung mit dem Argument, neben der Klägerin habe es noch den H. als Mitversicherer gegeben. Sie meint, da die gewillkürte Prozessstandschaft nicht aufgedeckt worden sei, habe die Klage die Verjährung nicht unterbrochen – bzw. richtig: gehemmt -. Damit kann die Beklagte nicht gehört werden, weil es sich um neues Verteidigungsvorbringen handelt und die Voraussetzungen für dessen Zulassung gem. § 531 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Denn die Klägerin hat bereits in der Klagbegründung ausdrücklich und unwidersprochen vorgetragen, es gebe keinen weiteren (Mit-) Versicherer.

7. Die im Versäumnisurteil zugesprochenen Zinsen sind gem. §§ 288 Abs.1, 291 BGB begründet.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs.1, 97 Abs. 1, 344 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Dem Urteil des OLG Schleswig vom 24.08.2006 (Anl. B 4) lagen andere Absprachen der Parteien und nicht vergleichbare Umstände zugrunde, insbesondere gab es einen schriftlichen Transportauftrag des Exporteurs an die ausländische Spedition. Das OLG Schleswig hat zudem einen Schuldbeitritt des Spediteurs im Land des Importeurs bejaht. Dem Urteil des OLG Düsseldorf vom 10.06.2009, das die Beklagte ihrem Schriftsatz vom 22.06.2009 beigefügt hat, lag angesichts der dort vorgelegten Dokumente ebenfalls ein anderer Sachverhalt zugrunde. Beide Entscheidungen zeigen, dass sich die Beurteilung der vertraglichen Beziehungen nach den im Einzelfall getroffenen Vereinbarungen und Gesamtumständen richtet.

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