Zur Haftung für Ladungsverlust bei Parken auf einem unbewachten Parkplatz in Frankreich

LG Hamburg, Urteil vom 28. Februar 2020 – 418 HKO 71/19

Zur Haftung für Ladungsverlust bei Parken auf einem unbewachten Parkplatz in Frankreich

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 12.621,81 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozent seit dem 22. Januar 2019 bis zum 4. März 2019 sowie Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 5. März 2019 und vorgerichtliche Kosten in Höhe von EUR 1.133,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 18. April 2019 zu bezahlen.

2. Es wird festgestellt, dass Frachtzahlungsansprüche der Beklagten gegenüber der Klägerin in Höhe von EUR 9.335,00 gemäß dort Rechnungsnummern der Beklagten 77/12/2018, 135/12/2018, 214/12/2018, 218/12/2018, 226/12/2018, 232/12/2018, 233/12/2018 und 331/12/2018 nicht bestehen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand
1
Die Klägerin macht gegenüber der Beklagten Ansprüche wegen eines Sendungsverlustes im grenzüberschreitenden Lkw-Verkehr von England nach Deutschland geltend.

2
Die Klägerin beauftragte die Beklagte mit der Beförderung einer Partie Edelmetalle (Blei) mit einem Gewicht von 24.500 kg von England zu der Firma J. C. in H., und zwar zu fixen Kosten von EUR 500,00 und unter ausdrücklicher Vorgabe, während der streitgegenständlichen Beförderung Pausen/Übernachtungen ausschließlich auf bewachten Parkplätzen durchzuführen.

3
Die Beklagte stellte den Lkw auf einem unbewachten Parkplatz ab.

4
Die Klägerin erklärte (Anlage K 11) wegen des streitgegenständlichen Schadens gegenüber Frachten der Klägerin in Höhe von EUR 9.335,00 die Verrechnung.

5
Die Klägerin beantragt,

6
wie erkannt.

7
Die Beklagte beantragt,

8
die Klage abzuweisen.

9
Der Feststellungsanspruch bezüglich der Frachtansprüche sei unzulässig, weil die Beklagte in einem vorrangigen Verfahren (Klage vom 18.04.2019) vor dem Landgericht Erfurt (1 HKO 37/19) einen Betrag von 7.755,00 EUR geltend gemacht habe.

10
Es sei unklar, wie die Klägerin auf 9.335,00 EUR komme. Die Anlage K 11 weise nur einen Betrag von 6.140,00 € aus.

11
Der Zahlungsanspruch sei unbegründet.

12
Der Diebstahl sei daher für die Beklagte unvermeidbar im Sinne des Art. 17 CMR gewesen.

13
Die Beklagte habe ursprünglich einen bewachten Parkplatz ausgesucht. Nach der Abfahrt von der Fähre in Calais hätten alle LKWs drei Stunden lang dort stehen bleiben müssen, weil es einen Protest der sog. „Gelben Westen“ gegeben habe. Erst danach habe der Fahrer, Herr B., weiterfahren können. Dies habe dazu geführt, dass Herrn B. drei Stunden von seiner Arbeitszeit bis zur gesetzlich vorgeschriebenen Ruhezeit gefehlt hätten, weshalb er den vorgesehenen bewachten Parkplatz nicht mehr habe erreichen können. Er habe deswegen notgedrungen auf dem Parkplatz „K. H.“ parken müssen, und zwar zwischen anderen Lkws, die dort bereits gestanden hätten. Sowohl vor wie hinter dem Lkw seien Laternen gewesen, so dass es rings um den Lkw taghell gewesen sei. Gegen 23.00 Uhr sie der Fahrer noch einmal um das Fahrzeug gegangen und habe festgestellt, dass alles in Ordnung sei. Gegen 8.00 Uhr des nächsten Tages sei er mit starken Kopfschmerzen aufgewacht und habe festgestellt, dass es zu einem Diebstahl gekommen sei. Die Polizei sei gerufen worden und habe ein Protokoll erstellt (Anlage B 2).

14
Was gestohlen worden sei, sei unbekannt; der Vortrag der Klägerin werde mit Nichtwissen bestritten. Es sei unklar, ob der Empfänger überhaupt eine Fehlmenge reklamiert habe. Die Ware sei mit der Lieferkondition „DAP“ (Anlage K 6) nach H. verkauft worden, so dass der Absender das Risiko des Verlustes getragen habe. Offensichtlich mache weder der Empfänger noch der Absender irgendeinen Schaden geltend.

15
Die Klägerin sei zwar als Vertragspartner aktiv legitimiert, für eine Drittschadensliquidation fehle es jedoch an jedem Schaden.

16
Wegen der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe
I.

17
Die Klage ist zulässig, auch hinsichtlich des Klagantrags zu 2. Da über die Klagen in den Parallelverfahren noch nicht verhandelt worden ist (Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 28.1.2020, Bl. 69 d.A.), können die dortigen Klagen noch einseitig zurückgenommen werden, so dass nach der Rspr. des BGH hier von der Zulässigkeit der hiesigen Feststellungsklage auszugehen ist (vgl. Zöller/Greger ZPO § 256 Rn. 7d).

II.

18
Die Klage ist auch begründet.

19
1. Die Klägerin hat gegen die Beklagte Anspruch auf Schadensersatz nach Art. 17, 23 CMR.

20
a) Dass im Gewahrsam der Beklagten die aus der Anlage K 1 ersichtlichen Güter im Werte von EUR 21.956,81 in Verlust geraten sind, ist unstrittig.

21
b) Zu Unrecht beruft sich die Beklagte auf eine Haftungsbefreiung nach Artikel 17 Abs. 2 CMR. Unvermeidbarkeit i.S. von Art. 17 Abs. 2 CMR ist nach der Rspr. des BGH nur dann anzunehmen, wenn der Schaden auch bei Anwendung der äußersten dem Frachtführer möglichen und zumutbaren Sorgfalt nicht hätte vermieden werden können (BGH, Urteil vom 29. Oktober 2009 – I ZR 191/07 –, Rn. 19, juris).

22
Hiervon kann hier nicht ausgegangen werden.

23
Dies ergibt sich bereits aus dem eigenen Vortrag der Beklagten zu dem Lauf der Sendung. Danach ergab sich die Notwendigkeit des Anfahrens eines unbewachten Übernachtungs-Parkplatzes dadurch, dass sich die Fahrt in Frankreich wegen des Protests der Gelben Westen um 3 Stunden verzögert hatte. Da der Fahrer bei der Weiterfahrt danach noch durch den Rest von Frankreich und dann noch bis Dortmund gekommen ist, hätte für ihn die Möglichkeit bestanden, einen bewachten Parkplatz anzufahren. Der in der mündlichen Verhandlung geäußerten Einschätzung des Gerichts, dass es bei der Weiterfahrt viele Möglichkeiten gegeben hätte, einen bewachten Parkplatz anzufahren, ist die Beklagte nicht mehr entgegengetreten.

24
Deshalb ist das Verhalten des Fahrers der Beklagten, der durch die Auswahl eines unbewachten Übernachtungsplatzes das Risiko von Sendungsdiebstählen durch sog. Planenschlitzer weiter erhöht hat, nicht als unvermeidbar im Sinne des Artikel 17 Abs. 2 CMR zu qualifizieren.

25
c) Der Inhalt der Sendung ergibt sich aus den Frachtpapieren in den Anlagen K 1 bis K 3 („24.500 kg Blei“ / „23,4 t Pb min 99.99%“). Auf das ganz genaue Gewicht des Bleis kommt es wegen des Nichtüberschreitens der Grenze für die Haftung nach Gewicht nicht an.

26
d) Im Übrigen hat die Klägerin unbestritten vorgetragen, dass die Auftraggeberin gegenüber der Klägerin den Schaden in Höhe von EUR 21.956,81 geltend gemacht hat (Anlage K 6).

27
e) Dem Zinsanspruch ist die Beklagte nicht entgegengetreten.

28
2. Auch der (negative) Feststellungsantrag ist begründet. Der Richtigkeit der Angaben in der als Anlage K 12 übergebenen Aufstellung der Klägerin, insbesondere zur Höhe der Frachten in Höhe von EUR 9.335,00 ist die Beklagte nicht mehr entgegengetreten.

III.

29
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.

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