Zur Haftung des Hausverkäufers wegen verbotener Eigenmacht durch Aussperrung des Käufers

LG Bonn, Urteil vom 31. März 2017 – 1 O 226/16

Zur Haftung des Hausverkäufers wegen Aussperrung des Käufers

Tenor

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 4.569,55 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 3.519,55 EUR seit dem 13.08.2016, aus weiteren 600,00 EUR seit dem 05.11.2016 und aus weiteren 450,00 EUR seit dem 11.02.2017 zu zahlen.

Die weitergehende Klage und die Widerklage werden abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreites werden der Klägerin zu 27% und dem Beklagten zu 73% auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des für den Beklagten aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand
1
Mit notariellem Vertrag vom 21.07.2015 (Urkundenrolle Nummer …/2015 des Notars I in T, Anlage 1 = Bl. … – … d.A.) veräußerte der am ……..1924 geborene Beklagte den im Grundbuch von P Blatt …, Gemarkung P, Flur …, Flurstück …/…, Gebäude-und Freifläche, Freifläche, Grünanlage, Laubwald, groß 14,18 ar, eingetragenen Grundbesitz an die Klägerin. Bei dem Objekt handelt es sich um ein 6-Parteien-Haus. Die Klägerin erwarb das Objekt, um die einzelnen Wohnungen nach entsprechender Renovierung beziehungsweise Sanierung zu vermieten. Ausweislich Ziffer V.1.a) des notariellen Vertrages (dort S.6), war in dem Objekt ein der Klägerin bekannter Brandschaden aufgetreten, der von ihr zur Beseitigung auf eigene Rechnung übernommen wurde.

2
Der mit 227.680,00 EUR zwischen den Parteien vereinbarte Kaufpreis war mit einer ersten Rate von 30.000,00 EUR sofort nach Beurkundung fällig und unmittelbar an den Beklagten zu überweisen. In Ziffer V.6. des notariellen Vertrages war ferner bestimmt, dass der Beklagte das Objekt unabhängig von der Kaufpreiszahlung gegen Leistung der Anzahlung von 30.000,00 EUR übergibt. Es war vereinbart, dass mit der Übergabe die Nutzungen, die Lasten einschließlich aller Verpflichtungen aus den für den Grundbesitz abgeschlossenen Sachversicherungen sowie die allgemeinen Verkehrssicherungspflichten auf die Klägerin übergehen.

3
Unter Ziffer V.3.a) des notariellen Vertrages war darüber hinaus vereinbart, dass die Klägerin dem Beklagten für die Dauer von drei Jahren an der im Erdgeschoss links gelegenen Wohnung ein Wohnungsrecht einräumt. Diese Wohnung wird von dem Beklagten bewohnt. Die übrigen Wohnungen stehen leer.

4
Am 21.07.2015 überwies die Klägerin die Anzahlung von 30.000,00 EUR an den Beklagten. Im Anschluss daran übergab der Beklagte der Klägerin die Schlüssel für das Objekt.

5
Nach Übergabe der Kaufsache im August 2015 begann die Klägerin mit den Sanierungs- und Renovierungsarbeiten. Die Abbrucharbeiten in der durch den Brandschaden beschädigten Erdgeschosswohnung waren im Herbst 2015 komplett abgeschlossen. Auf den von der Klägerin am 05.10.2015 bei der Stadt L eingereichten Bauantrag (Anlage 13 = Bl. … – … d.A.) wurde die Nutzungsänderung von Abstellräumen im Dachgeschoss in Wohnraum unter dem 09.02.2016 genehmigt (Bauschein Anlage 14 = Bl. … – … d.A.).

6
Am 07.01.2016 ließ der Beklagte das Schloss an der Haupteingangstür zu dem Objekt austauschen. Die passenden Schlüssel wurden der Klägerin nicht ausgehändigt. In der Folgezeit forderte die Klägerin den Beklagten vergeblich dazu auf, ihr die Schlüssel auszuhändigen.

7
Daraufhin wurde dem Beklagten auf Antrag der Klägerin im Wege der einstweiligen Verfügung aufgegeben, ihr an dem streitgegenständlichen Grundbesitz Mitbesitz durch die Herausgabe von Schlüsseln einzuräumen (Landgericht Bonn, Urteil vom 04.03.2016 – 1 O 40/16 -, Anlage 3 = Bl. … – … d.A.). Infolge dieses Urteils wurde der Klägerin der (Mit-)Besitz an dem Objekt wieder eingeräumt.

8
In der Folgezeit tauschte der Beklagte erneut das Schloss an der Haupteingangstür des Objektes aus und machte der Klägerin den Zutritt zu dem Objekt unmöglich. Am 19.05.2016 fand sich an der Hauseingangstür angeheftet ein Zettel (Foto Anlage 6 = Bl. … d.A.) mit dem der Beklagte der Klägerin ab sofort das Verbot aussprach, weder das Grundstück noch das Haus zu betreten. Ferner hieß es dort: Es dürfen keinerlei weiteren Arbeiten in meinem Haus von Ihnen mehr ausgeführt werden.

9
Daraufhin wurde dem Beklagten auf Antrag der Klägerin mit am 17.06.2016 verkündetem Versäumnisurteil des Landgerichts Bonn – 1 O 155/16 – (Anlage 4 = Bl. … – … d.A.) erneut aufgegeben, der Klägerin an dem streitgegenständlichen Grundbesitz Mitbesitz durch die Herausgabe von Schlüsseln einzuräumen.

10
Der Klägerin wurde der Besitz an dem Objekt bis heute nicht wieder eingeräumt.

11
Die Klägerin behauptet, die nach Übergabe der Kaufsache beabsichtigten und begonnenen Sanierungs- beziehungsweise Renovierungsarbeiten seien mit dem Beklagten erörtert worden. Am 10.02.2016 seien drei Mitarbeiter der von ihr mit der Durchführung von Sanitärarbeiten an dem Objekt beauftragten C2 und C GbR – die Zeugen C, N und C2 – kurz nach Arbeitsaufnahme von dem Beklagten von der Baustelle verwiesen worden. An diesem Tage seien die Vorinstallationen in den Bädern im Erdgeschoss, im ersten Obergeschoss und im Dachgeschoss rechts geplant gewesen. Weil die Zeugen deshalb die Arbeiten an diesem Tag nicht ausführen konnten, hätten sie die Baustelle wieder verlassen. Hierfür sei der C2 und C GbR ein Aufwand von 3,5 Stunden zu jeweils 40,00 EUR für den geplanten Arbeitseinsatz entstanden und ihr – der Klägerin – inhaltlich zutreffend am 22.02.2016 mit 499,80 EUR in Rechnung gestellt worden (Anlage 5 = Bl. … d.A.).

12
Die Klägerin behauptet ferner, auch am Morgen des 19.05.2016 hätten sich die Zeugen auftragsgemäß erneut an dem Objekt eingefunden. Wegen des – unstreitig erfolgten – Schlosswechsels und an der Hauseingangstür angebrachten Zettels – habe man bis zur Mittagszeit vergeblich versucht Einlass zu bekommen. An diesem Tag hätten die in der Vergangenheit nicht ausgeführten Vorinstallation in den vorbezeichneten Bädern ausgeführt werden sollen. Da der C2 und C GbR ein kurzfristiger Einsatz der Zeugen auf anderen Baustellen nicht möglich gewesen sei, habe diese ihr – der Klägerin – für den Ausfall der Monteure von jeweils 8 Stunden nebst Fahrzeugkosten sachlich und rechnerisch zutreffend am 22.05.2016 einen Betrag von 1.219,75 EUR in Rechnung gestellt.

13
Schließlich behauptet die Klägerin unter Bezugnahme auf eine E-Mail-Korrespondenz zwischen ihr und dem Mitarbeiter der Stadt L und Zeugen H vom Dezember 2015 bis zum Mai 2016 (Anlagen 8 bis 13 = Bl. … – … d.A.), die Stadt L hätte von ihr zum 01.06.2016 fünf Wohnungen in dem Objekt zum Preis von monatlich 2.980,00 EUR angemietet. Ohne die Schlossauswechselungen des Beklagten seien diese Wohnungen zum 01.06.2016 vertragsgemäß fertig gestellt worden. Bis zu diesem Termin hätte man ohne das Verhalten des Beklagten folgende zur Vermietung notwendige Maßnahmen und Arbeiten erledigt :

14
– Nutzungsänderung der im Dachgeschoss befindlichen Räume,

15
– Dämmung des Daches nach aktueller EnEV,

16
– Dämmung der Außenwände im Dachgeschoss nach EnEV,

17
– Austausch jeweils eines Dachflächenfensters je Dachgeschoss zu einem Rettungfenster (zweiter Rettungsweg),

18
– Verlegung eines Bodenbelags im Dachgeschoss mit L-platten Brio 23 (notwendiger Schallschutz),

19
– Errichtung von Abschlusswänden der Dachgeschosswohnungen zum Treppenhaus/Errichtung der Wand zwischen den beiden Dachgeschosswohnungen mit Kalksandstein wegen Brandschutz/Schallschutz,

20
– Erneuerung der Elektroinstallationen,

21
– Erneuerung der Wohnungsabschlusstüren,

22
– Abschluss vom Treppenhaus zum Keller mit Kalksandsteinmauer und F90 Brandschutztür.

23
Die Klägerin vertritt die Rechtsansicht, dass ihr der Beklagte deshalb zum Schadensersatz in Form der oben genannten Rechnungsbeträge sowie von entgangenen Mieten für die Monate Juni 2016 bis einschließlich Februar 2017 in Höhe von jeweils 2.980,00 EUR, mithin für diese neun Monate von 26.820,00 EUR, verpflichtet sei. Darüber hinaus schulde ihr der Beklagte monatliche Nebenkostenvorauszahlungen von jeweils 150,00 EUR für die 19 Monate August 2015 bis einschließlich Februar 2017, mithin 2.850,00 EUR.

24
Die Klägerin beantragt,

25
den Beklagten zu verurteilen, an sie 31.389,55 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

26
Der Beklagte beantragt,

27
die Klage abzuweisen.

28
Widerklagend beantragt der Beklagte,

29
die Klägerin zu verurteilen, an ihn 68.320,00 EUR zuzüglich gesetzlicher Zinsen zu zahlen.

30
Die Klägerin beantragt,

31
die Widerklage abzuweisen.

32
Der Beklagte vertritt die Rechtsansicht, die erfolgte Aussperrung sei durch Notwehr gerechtfertigt gewesen. Er behauptet, dass die Umbauarbeiten von montags bis freitags von 09:00 bis 16:00 Uhr und länger, teilweise auch samstags, einen derart ohrenbetäubenden Lärm verursacht hätten, dass es ihm nicht möglich gewesen sei, sich längere Zeit in seiner Wohnung aufzuhalten. Durch diese Belästigungen leide er unter massiven Depressionen sowie Herzbeschwerden. Ihm sei während der gesamten Vertragsverhandlungen nicht offenbart worden, dass das gesamte Objekt aufwändig saniert werden würde und er deswegen mit diesen massiven Belästigungen zu rechnen habe.

33
Der Beklagte vertritt ferner die Rechtsansicht, die ihm unstreitig bei den Kaufvertragsverhandlungen nicht mitgeteilte beabsichtigte Vermietung der Immobilie an die Stadt L zum Zwecke der Unterbringung von Asylanten und Flüchtlingen stelle eine erhebliche Vertragsverletzung der Klägerin dar, da er hierdurch in der Ausübung seines Wohnungsrechtes erheblich behindert worden wäre. Dies gelte insbesondere in Anbetracht seines Lebensalters und angegriffenen Gesundheitszustandes.

34
Gegenüber der Nebenkostenforderung erklärt der Beklagte die Aufrechnung mit einer Gegenforderung für erhöhte Elektrizitäts- und Heizkosten. Er behauptet, die Klägerin habe den Baustrom während der gesamten Bauzeit über seinen Zähler laufen lassen, wodurch ihm Mehrkosten von ca. 4.000,00 EUR EUR entstanden seien. Darüber hinaus sei er infolge der Beheizung der leerstehenden Wohnungen durch die Klägerin mit zusätzlichen Heizkosten von ca. 2.500,00 EUR belastet worden.

35
Mit der Widerklage, mit deren Forderungen er hilfsweise die Aufrechnung gegen die Klageforderung erklärt, macht der Beklagte einen Schadensersatzanspruch gegen die Klägerin geltend, den er wie folgt berechnet:

36

37
Hierzu behauptet der Beklagte, für die Immobilie sei von einem Architekten ein zu erzielender Kaufpreis von 335.000,00 EUR veranschlagt worden. Für diesen Erwerbspreis hätten sich auch Interessenten gefunden (Anlage WiKl 1 = Bl. … d.A.). Diese hätten infolge des vor Abschluss eines notariellen Vertrages durch einen Mieter verursachten Brandschadens von dem Erwerb Abstand genommen. Bei der Berechnung des Kaufpreisanspruches in dem notariellen Vertrag der Parteien sei ihm – dem Beklagten – nunmehr ausgehend von einem Kaufpreis von 320.000,00 EUR ohne Berücksichtigung des Brandschadens der Brandschaden finanziell zweimal in Rechnung gestellt worden. Nämlich einmal als Wertminderung und zum anderen als Verlust seiner Versicherungsansprüche gegen die E durch Abtretung an die Klägerin.

38
Der Beklagte vertritt daher die Rechtsansicht, von der Klägerin übervorteilt worden zu sein, zumal noch ein weiterer Betrag für das Wohnrecht in Abzug gebracht worden sei. Er behauptet, das im ursprünglichen Vertragstext – zwischen den Parteien unstreitig – auf fünf Jahre eingeräumte Wohnrecht (Anlage WiKl 2 = Bl. … d.A.; Anlage 17 = Bl. … – … d.A.) sei in dem späteren Vertragsentwurf ohne sein Wissen auf drei Jahre abgeändert worden. Er habe darauf bestanden, das fünfjährige Wohnrecht in den Notarvertrag aufzunehmen, wobei ihm der von der Klägerin beauftragte Makler und Zeuge X gesagt habe, das sei kein Problem, das könne man noch ohne weiteres korrigieren. Im Notartermin sei dann entgegen dieser Zusage ein dreijähriges Wohnrecht beurkundet worden ohne dass ihm – dem Beklagten – dies trotz seines Lebensalters und seiner Schwerhörigkeit bewusst gemacht worden sei. Außerdem sei ihm von der Klägerin wahrheitswidrig zugesagt worden, ihm würde ein kostenloses dingliches Wohnrecht eingeräumt werden.

39
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie auf die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.

40
Das Gericht hat gemäß Beschluss vom 13.12.2016 (Bl. … d.A.) Beweis erhoben durch Zeugenvernehmung. Wegen des Inhaltes und des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll der mündlichen Verhandlung vom 10.02.2017 (Bl. … – … d.A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe
41
Die zulässige Klage ist nur teilweise begründet. Die gemäß § 33 ZPO statthafte Widerklage hat in der Sache keinen Erfolg.

42
I. Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von 1.719,55 EUR aus den §§ 280 Abs. 1 und Abs. 3, 281 Abs. 1, 823 Abs. 1, 249 Abs. 1, 251 BGB sowie weiterer 2.850,00 EUR aus Ziffer V.3.c) des notariellen Kaufvertrages der Parteien vom 21.07.2015. Die weitergehenden Klageansprüche bestehen nicht.

43
1. Der im Tatbestand dieser Entscheidung beschriebene Ausschluss der Zugangsmöglichkeiten der Klägerin zu dem streitgegenständlichen Objekt durch den Beklagten beinhaltet eine rechtswidrige Verletzung des Besitzrechts der Klägerin. Diese Verhaltensweise stellt in Anbetracht der unter Ziffer V.6. des notariellen Vertrages der Parteien ausdrücklich geregelten und zunächst durch den Beklagten auch eingeräumten Übergabe des Kaufobjektes sowohl eine Vertragspflichtverletzung des Beklagten im Sinne der §§ 280 Abs. 1, 281 Abs. 1, 433 Abs. 1 Satz 1 BGB, als auch eine Verletzung des Besitzrechts der Klägerin als sonstiges Recht im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB dar (vgl. Palandt/Sprau, BGB, 76. Aufl. 2017, § 823 Rd. 13 m.w.N.).

44
Die zu der ersten „Aussperrung“ durch den Beklagten vom Januar 2016 formulierten Erwägungen des erkennenden Gerichts in der am 04.03.2016 verkündeten Entscheidung – 1 O 40/16 – gelten insoweit fort. Dort wurde auf Seite 5 des Urteils ausgeführt:

45
Die Verfügungsklägerin kann von dem Verfügungsbeklagten die (Wieder-)Einräumung ihres Mitbesitzes durch die Herausgabe von Schlüsseln zu der streitgegenständlichen Immobilie verlangen. Der Verfügungsanspruch ergibt sich aus den §§ 861 Abs. 1, 866 BGB, da der Verfügungsbeklagte den der Verfügungsklägerin durch die Übergabe der ursprünglich vorhandenen Schlüssel zu dem Objekt eingeräumten unmittelbaren Mitbesitz (vgl. Palandt/Bassenge, BGB, 75. Aufl. 2016, § 854 Rd. 5 m.w.N.) der Verfügungsklägerin mit dem Auswechseln des Türschlosses und der nachfolgenden Zutrittsverweigerung durch verbotene Eigenmacht im Sinne von § 858 Abs. 1 BGB wieder entzogen hat. Denn diese Besitzentziehung geschah ohne den Willen der Verfügungsklägerin und war dem Verfügungsbeklagten auch nicht durch das Gesetz gestattet.

46
Dieses Verhalten des Beklagten beinhaltet die nachträgliche Verhinderung der Erfüllung einer vertraglichen Hauptleistungspflicht (arg. § 433 Abs. 1 Satz 1 BGB) und begründet daher einen Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung im Sinne von § 281 Abs. 1 BGB. Zugleich kann dieses Verhalten auch als Verletzung einer Nebenpflicht des Beklagten im Sinne der §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 BGB eingestuft werden, alles zu unterlassen, was der Klägerin als Vertragsgläubigerin die erlangten (Besitz-)Vorteile wieder entzieht (vgl. BGH, Urteil vom 11.05.1989 – III ZR 88/87 = NJW-RR 1990, 141). Darüber hinaus haftet der Beklagte für dieses Verhalten gemäß § 823 Abs. 1 BGB aus Delikt.

47
2. Der Beklagte handelte auch pflicht- und rechtswidrig, da sein Verhalten nicht durch Notwehr gerechtfertigt gewesen ist.

48
a) Auch zur Frage eines Notwehrrechtes gelten die Erwägungen des erkennenden Gerichts in der am 04.03.2016 verkündeten Entscheidung – 1 O 40/16 – fort. Dort wurde auf den Seiten 5 bis 6 des Urteils ausgeführt:

49
a) Soweit der Verfügungsbeklagte sein Verhalten auf ein Notwehrrecht wegen gesundheitlicher Beeinträchtigungen stützen möchte, steht dies dem Verfügungsanspruch der Verfügungsklägerin nicht entgegen. Die Entziehung des Mitbesitzes durch den Verfügungsbeklagten war nämlich nicht durch Notwehr im Sinne von § 227 Abs. 1 BGB geboten. Es fehlt bereits an einem die Notwehrlage begründenden gegenwärtigen Angriff (§ 227 Abs. 2 BGB) der Verfügungsklägerin auf notwehrfähige Rechtsgüter des Verfügungsbeklagten und dessen Ehefrau. Denn die Durchführung der beanstandeten Baumaßnahmen war ihrerseits nicht rechtswidrig, da Sinn und Zweck des wirtschaftlichen Übergangs der Immobilie (Ziffer V.6. des notariellen Kaufvertrages) auch die Durchführung von Sanierungsarbeiten an dem brandgeschädigten Objekt (vgl. Ziffer II. und V.1.a), ebenda) war, was der Verfügungsbeklagte insoweit auch nicht in Abrede stellt. Damit handelte die Verfügungsklägerin ihrerseits vertragskonform und innerhalb des ihr eingeräumten Mitbesitzes.

50
Etwaige hieraus resultierende Lärmbeeinträchtigungen rechtfertigen die Entziehung des Mitbesitzes durch den Verfügungsbeklagten nicht, da es schon an der Erforderlichkeit dieser Notwehrhandlung (§ 227 Abs. 2 BGB) fehlt. Denn der Verfügungsbeklagte hätte das am wenigsten schädliche und die Verfügungsklägerin nicht vollständig von ihrem Mitbesitz ausschließende Mittel wählen können, beispielsweise das Verlangen einer verbindlichen Absprache zur Einhaltung von Ruhezeiten oder die vorherige Ankündigung besonders lärmintensiver Arbeiten. Dass dem Verfügungsbeklagten dies nicht möglich gewesen wäre, ist von ihm weder überprüfbar dargelegt noch glaubhaft gemacht worden (vgl. Palandt/Ellenberger, aaO., § 227 Rd. 13).

51
b) Gleiches gilt für die von dem Verfügungsbeklagten in diesem Zusammenhang behauptete Störung seines Teilbesitzes (§§ 865, 862 BGB) an der ihm zur Weiternutzung überlassenen Wohnung im Erdgeschoß links (vgl. Ziffer V.3. des notariellen Kaufvertrages). Im Übrigen ist ihm die räumliche Nutzung dieser Wohnung in vollem Umfange eingeräumt worden.

52
c) Im Hinblick auf den dem Verfügungsbeklagten an den übrigen Räumen des Objektes zusammen mit der Verfügungsklägerin eingeräumten Mitbesitz (§ 866 BGB) findet ein Besitzschutz nur insoweit statt, als der Mitbesitz durch eine völlige Besitzentziehung gestört beziehungsweise aufgehoben wird (vgl. OLG Stuttgart, NJW 2012, 625 ff.; Palandt/Bassenge, aaO., § 866 Rd. 4). Dem Verfügungsbeklagten stehen deshalb im Hinblick auf die weiteren Räume schon dem Grunde keine Besitzschutzansprüche gegen die Verfügungsklägerin wegen der beanstandeten Baumaßnahmen zu.

53
Anderes gilt indes für die Verfügungsklägerin, der von dem Verfügungsbeklagten der Mitbesitz an diesen Räumlichkeiten vollständig entzogen worden ist.

54
Ergänzender Sachvortrag des Beklagten, der eine abweichende Würdigung rechtfertigen könnte, liegt nicht vor. Konkrete Einzelheiten des Ablaufes der Arbeiten oder etwaiger Absprachen der Parteien hat der für die tatsächlichen Voraussetzungen eines Notwehrrechtes darlegungs- und beweisbelastete Beklagte (vgl. Palandt/Ellenberger, aaO., § 227 Rd. 13) weder überprüfbar dargetan noch unter Beweis gestellt. Der Sachverständigenbeweisantritt in dem Schriftsatz vom 09.12.2016 ist für diese Tatsachen ungeeignet.

55
b) Die von dem Beklagten ferner angeführte Nutzung der Immobilie zur Unterbringung von Asylanten und Flüchtlingen ist vertragsrechtlich nicht zu beanstanden. Es handelt sich hierbei vielmehr um eine zulässige Nutzung des Objektes zu Wohnzwecken, die den notariell beurkundeten Vereinbarungen der Parteien nicht widerspricht (vgl. auch aus Sicht des WEG und Nachbarrechts: AG Laufen, Urteil vom 04.02.2016 – 2 C 565/15 WEG = BeckRS 2016, 03523; AG Traunstein ZMR 2015, 978; Horst ZMR 2016, 598, 605 f.).

56
3. Der Beklagte hat diese Pflichtverletzungen auch zu vertreten (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB). Denn er hat den ihm obliegenden Entlastungsbeweis (vgl. Palandt/Grüneberg, aaO., § 280 Rd. 40) nicht geführt. Im Übrigen tragen schon die unstreitigen Umstände des vorliegenden Falles die positive Feststellung eines mindestens fahrlässigen und damit schuldhaften Verhaltens des Beklagten im Sinne von § 276 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 BGB. Denn dem Beklagten waren die eingangs unter 1. beschriebenen Vertragsinhalte und -pflichten bekannt. Für eine abweichende Bewertung der Sach- und Rechtslage, insbesondere unter dem Aspekt einer vermeintlichen Notwehrlage, lagen bei der hier auch von dem Beklagten zu verlangenden verständigen Würdigung des Falles keine begründeten Anhaltspunkte vor (vgl. zur Frage eines Rechtsirrtums nur Palandt/Grüneberg, aaO., § 276 Rd. 22 f. m.w.N.).

57
4. Einer Fristsetzung des Beklagten bedurfte es – für einen Schadensersatzanspruch statt der Leistung – gemäß § 281 Abs. 2 BGB nicht. Denn der Beklagte hat durch sein Verhalten und seine Erklärungen zu erkennen gegeben, die Wiedereinräumung des Besitzes dauerhaft und endgültig abzulehnen. Im Übrigen rechtfertigt die terminliche Situation der Klägerin als besonderer Umstand die sofortige Geltendmachung des Anspruches im Sinne von § 281 Abs. 2, 2. alt. BGB.

58
Für die gleichsam zu bejahenden Ansprüche aus § 280 Abs.1 BGB und § 823 Abs.1 BGB (oben unter 1.) bedurfte es zudem keiner Fristsetzung.

59
5. Der Höhe nach schuldet der Beklagte der Klägerin den Ersatz der ihr infolge seines rechtswidrigen Verhaltens entstandenen Kosten in Höhe der Rechnungsbeträge der C2 und C GbR vom 22.06.2016 und vom 22.05.2016.

60
Dass diese Kosten ursächlich auf das Verhalten des Beklagten zurückzuführen und in dieser Höhe sachlich und rechnerisch zutreffend abgerechnet worden sind, steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zur vollen Überzeugung des Gerichts (§ 286 Abs. 1 ZPO) fest.

61
Schon der Text der als Anlagen 5 und 7 mit der Klageschrift zur Akte gereichten Rechnungen indiziert in Verbindung mit dem unstreitigen chronologischen Geschehensablauf die Richtigkeit des Klägervortrages. Der Zeuge C hat in der mündlichen Verhandlung vom 10.02.2017 (S.12ff. des Sitzungsprotokolls) anschaulich, lebensnah und in allen Punkten überzeugend geschildert, dass die abgerechneten Fahrt- und Dienstzeiten angefallen sind und der C2 und C GbR bei einer derart kurzfristigen Zugangsverweigerung eine anderweitige Wahrnehmung von Kundenterminen nicht möglich war.

62
Nachdem die Klägerin die Begleichung der Rechnungsbeträge durch Vorlage der Ausdrucke ihrer Online-Überweisungen (Anlagen 15 und 16 0 Bl. … – … d.A) belegt hat, waren der Klägerin diese Beträge in Höhe von 1.719,55 EUR zuzusprechen.

63
6. Ein weiterer Zahlungsanspruch der Klägerin in Höhe von 2.850,00 EUR aus Ziffer V.3.c) des notariellen Kaufvertrages ist dem Grunde nach zwischen den Parteien unstreitig.

64
Zwar rechtfertigt der Nutzungscharakter des dem Beklagten eingeräumten Wohnrechts die analoge Anwendung der Abrechnungsfristen des § 556 Abs. 3 BGB auf diesen Vorauszahlungsanspruch (BGH NJW 2009, 3644, 3645 Rd. 8 ff.). Indes entbindet dies den Beklagten nicht von seiner Zahlungspflicht für den streitgegenständlichen Zeitraum, sondern könnte ihm allenfalls ein Zurückbehaltungsrecht (§ 273 Abs. 1 BGB) im Hinblick auf nach Ablauf der Abrechnungsfristen entstehende Vorauszahlungsansprüche verschaffen (vgl. BGH NJW 2006, 2552 f.; Palandt/Weidenkaff, aaO., § 556 Rd. 11).

65
Dieser Anspruch ist durch die von dem Beklagten erklärte Aufrechnung mit Elektrizitäts- und Heizkosten nicht erloschen, da es an einer Aufrechnungslage fehlt (vgl. §§ 387, 389 BGB). Dies folgt daraus, dass der Beklagte einen Gegenanspruch in Höhe von „circa“ 4.500,00 EUR beziehungsweise 2.500,00 EUR weder schlüssig dargelegt, noch die erforderlichen Anknüpfungstatsachen, aus denen sich ein derartiger Anspruch ergeben könnte, nicht unter Beweis gestellt hat.

66
Schon zu der behaupteten Ursache dieser Mehrkosten hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 28.10.2016 (S. 7) – insoweit unwidersprochen (§ 138 Abs. 3 ZPO) – dargelegt, dass sie ab Übergabe des Objektes mit der S AG einen Stromlieferungsvertrag abgeschlossen habe, der die Abrechnung von 6 Zählern (5 Wohnungen / 1 x Allgemeinstrom) beinhalte. Auch für die Heizkosten habe sie – die Klägerin – eigene Versorgungsverträge abgeschlossen. Einen Beweis für die Richtigkeit seines abweichenden Vortrages hat der Beklagte nicht angetreten.

67
7. Die Klägerin hat indes gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung weiterer 26.820,00 EUR aus den §§ 280 Abs. 1 und Abs. 2, 286 Abs. 1, 823 Abs. 1, 249 Abs. 1, 252 BGB.

68
Zwar begründen die Verzögerungen aus der eingangs unter 1. dargestellten Pflichtverletzung des Beklagten auch einen Anspruch auf Ersatz des der Klägerin hierdurch entstanden Verzugsschadens. Insbesondere führte die Zustellung des Antrages auf Erlass einer einstweiligen Verfügung der Klägerin in dem Verfahren 1 O 40/16 in entsprechender Anwendung von § 286 Abs. 1 Satz 2 BGB dazu, dass sich der Beklagte gegenüber der Klägerin ab diesem Zeitpunkt in Verzug (§ 286 Abs. 1 Satz 1 BGB) mit seiner Verpflichtung zur Wiedereinräumung des (Mit-)Besitzes an der Immobilie befand (vgl. BGH NJW 183, 2318, 2320 f. unter II.2.; MüKo/Ernst, BGB, 7. Aufl. 2016, § 286 Rd. 55).

69
Allerdings ist der Klägerin der ihr obliegende Beweis dafür, dass ihr infolge dieses Leistungsverzuges des Beklagten ein Schaden in Höhe von 26.820,00 EUR entstanden ist, nicht gelungen.

70
a) Schon die Frage, ob die Stadt L zum 01.06.2016 fünf Wohnungen in dem Objekt von ihr zu einem Preis von monatlich 2.980,00 EUR angemietet hätte, ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zweifelhaft.

71
Zwar liegt in Anbetracht der im Tatbestand zitierten Korrespondenz der Klägerin mit der Stadt L, insbesondere der unter dem 08.03.2016 bestätigten Zustimmung des Stadtrates zu dem Mietvertragsentwurf (Anlage 10 = Bl. … d.A.) sowie der zuvor erklärten Bestätigung einer Kaltmiete von 3.600,00 EUR für das Gesamtobjekt (Anlage 11 = Bl. … d.A.), die Annahme eines derartigen Vertragsschlusses bei lebensnaher Betrachtungsweise in Anwendung von § 252 Satz 2 BGB und § 287 Abs. 1 ZPO nahe. Denn der Zeuge H hat einleuchtend und insgesamt glaubhaft bekundet, dass die Stadt L in Anbetracht der Vielzahl der zu erwartenden Flüchtlinge und fehlender baulicher Alternativen für deren Unterbringung ein starkes Interesse an der Anmietung des Objektes hatte.

72
Andererseits bezog sich der von der Klägerin und dem Zeugen H verhandelte Vertragsentwurf (Anlage 12 = Bl. … – … d.A.) ausdrücklich auf eine Vermietung des Gebäudes mit sechs Wohneinheiten nebst dem dazugehörigen Grundstück (§ 1 Ziffer 1., ebenda), mithin einschließlich der von dem Beklagten genutzten Flächen. Von einem Wohnrecht des Beklagten war dem Zeugen H folglich nach seinen Angaben nichts bekannt. Ob und wie sich die Entscheidungsträger der Stadt bei einer vor Abschluss eines Mietvertrages von der Klägerin noch zu leistenden Offenlegung dieses Rechts und des damit unter Umständen verbundenen Konfliktpotentials verhalten hätten, ist damit allenfalls mit einer gewissen Wahrscheinlich positiv vorherzusagen. Die klägerseits vorgetragene Variante, dass sich die Stadt auf die Anmietung von 5 Wohnungen zu einem Preis von monatlich 2.980,00 EUR geeinigt hätte, hat der Zeuge H indes so nicht bestätigt, wenngleich er angegebenen hat, dass man den Vertragspreis von 3.600,00 EUR (§ 3 des Vertragsentwurfs) wohl zunächst einmal nicht reduziert hätte (vgl. S. 5 – 6 des Sitzungsprotokolls).

73
b) Entscheidend ist jedoch, dass nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht mit der für die Überzeugungsbildung des Gerichts erforderlichen hinreichenden Gewissheit festgestellt werden konnte (§ 286 Abs. 1 ZPO), dass die besagten fünf Wohnungen in dem Objekt (oben 7.b)) ohne die Schlossauswechselungen des Beklagten vertragsgemäß fertig gestellt gewesen wären. Auch in Anwendung des für die Klägerin günstigeren Beweismaßes von § 287 Abs. 1 ZPO ergibt sich keine günstigere Beurteilung.

74
Der zu dieser Beweisfrage vernommene sachverständige Zeuge K hat zwar bekundet, dass man nicht erst nach der Erteilung der Baugenehmigung vom 09.02.2016 mit den notwendigen Arbeiten hätte beginnen können, sondern bereits vorher mit der Dachsanierung sowie der energetischen Sanierung des Dachgeschosses von außen. Auch die Schätzung des Zeugen von einer kompletten Beendigung in 3 bis 4 Monaten nach der Genehmigung (S. 9 des Sitzungsprotokolls) sowie dessen Hinweis auf eine Vorlaufzeit von 11 Monaten (S. 10 und S. 11 des Sitzungsprotokolls) erscheint infolge der Fachkenntnis des Zeugen und dessen Kenntnis des konkreten Objektes im Grundsatz nicht unplausibel.

75
Andererseits lässt sich diese Schätzung allein anhand der Angaben des Zeugen sowie des Sachvortrages der Klägerin nicht hinreichend verifizieren. Es fehlt insbesondere an konkreten Anknüpfungstatsachen zu der Arbeitsplanung, zu den jeweiligen Arbeitsschritten, zu den beteiligten Firmen, zu den Terminsvorgaben bei etwaigen Auftragsvergaben, zu den im Einzelnen in den jeweiligen Wohnungen und Stockwerken vorzunehmenden Arbeiten sowie zu den auf diese Arbeitsschritte entfallenden Stundenzahlen. Ohne einen Nachweis derartiger Anknüpfungstatsachen fehlt es folglich an einer für eine Schadensschätzung (§ 287 Abs. 1 ZPO) geeigneten Grundlage (vgl. etwa zur Darlegungslast von bauzeitverlängernden Behinderungen: OLG Köln, Urteil vom 28.01.2014 – 24 U 199/12 = NZBau 2014, 626 ff. = NJW 2014, 3039 ff.). Dabei musste auch der Umstand Berücksichtigung finden, dass weder die ausführenden Unternehmen benannt wurden noch die zeitliche Dauer der „Aussperrung“ durch den Beklagten zwischen dem 07.01.2016 und dem zweiten Ereignis vom 20.05.2016 vorgetragen worden ist und diese Termine mit dem konkreten zeitlichen Ablauf der Sanierungsmaßnahmen nicht abgeglichen werden können.

76
8. Der Zinsanspruch der Klägerin folgt entsprechend den Zeitpunkten der Zustellung der jeweiligen Klageerhöhungen aus den §§ 288 Abs. 1, 291 BGB.

77
II. Der Anspruch der Klägerin ist durch die von dem Beklagten hilfsweise erklärte Aufrechnung mit ihren Forderungen aus der Widerklage nicht erloschen, da es an einer Aufrechnungslage fehlt (vgl. §§ 387, 389 BGB). Dies folgt daraus, dass der Beklagte einen zur Aufrechnung gestellten Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 68.320,00 EUR nicht schlüssig dargelegt hat.

78
Die (Hilfs-) Widerklage ist deshalb gleichsam unbegründet.

79
1. Der Beklagte hat gegen die Klägerin keinen Anspruch auf Zahlung von 68.320,00 EUR aus den §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 Ziffer 1., 241 Abs. 2, 249 f. BGB.

80
Eine die Klägerin zum Schadensersatz verpflichtende vorvertragliche Pflichtverletzung in Form einer pflichtwidrigen Einwirkung auf die Willensbildung des Beklagten bei dem Abschluss des – wirksamen – notariellen Kaufvertrages (vgl. etwa Palandt/Grüneberg, aaO., § 311 Rd. 40 ff. m.w.N.) hat der Beklagte nicht schlüssig vorgetragen. Ein schlüssiger und auch für die Klägerin erwiderungsfähiger Vortrag erfordert nämlich, dass das Vorbringen des Beklagten als Widerkläger bei unterstellter Richtigkeit des Tatsachenvortrages geeignet sein muss, seinen Widerklageantrag sachlich – mithin in Form einer das Zahlungsbegehren begründenden Anspruchsgrundlage – zu rechtfertigen (vgl. nur Zöller/Greger, ZPO, 31. Aufl. 2016, Vor § 253 Rd. 23 m.w.N.). Diese Voraussetzungen liegen indes nicht vor.

81
Das Vorbringen des Beklagten, ihm sei bei Abschluss des Kaufvertrages der Brandschaden finanziell zweimal in Rechnung gebracht worden, beinhaltet schon keine Darlegung einer unzulässigen Einwirkung auf seine Willensbildung bei Vertragsschluss. Denn die im Verhandlungswege gebildete Höhe des Kaufpreises ist nach dem Grundsatz der Vertragsfreiheit Sache der geschäftsfähigen Vertragsparteien.

82
Dafür, dass die Bezifferung des Abschlages für den Brandschaden, wovon der Beklagte selbst bereits 20.000,00 EUR vorab an Versicherungsleistungen ohne Gegenleistung vereinnahmt hat, im Sinne von § 138 Abs. 1 und Abs. 2 BGB sittenwidrig sein könnte, ist nichts ersichtlich.

83
Der Vortrag des Beklagten, die Änderung eines ursprünglich auf 5 Jahre angelegten Wohnrechts in dem Vertragsentwurf auf einen 3-Jahreszeitraum in dem unterzeichneten Vertrag sei ohne sein Wissen erfolgt, wird schon durch den unstreitigen Inhalt der Vertragsurkunden – worauf die Klägerin mit Schriftsatz vom 10.11.2016 zutreffend hinweist – widerlegt. Denn das Wohnrecht von drei Jahren wird mit diesem Inhalt in dem notariellen Vertrag unter Ziffer V.3.a) ausdrücklich benannt. Entscheidend ist indes, dass diese Reduzierung der Laufzeit des Wohnrechtes erkennbar durch eine Erhöhung des Kaufpreises von 212.800,00 EUR (Ziffer III.1. des Vertragsentwurfs = Bl. … d.A.) auf 227.680,00 EUR (Ziffer III.1. des notariellen Kaufvertrages) erkauft worden ist. Hierdurch wird dokumentiert, dass die Parteien den Vertragsentwurf tatsächlich und unmissverständlich abgeändert haben. Der abweichende Vortrag des Beklagten ist hiermit nicht zu vereinbaren.

84
Im Übrigen hat der Beklagte den notariellen Vertrag unterzeichnet. Diese Urkunde erbringt gemäß § 415 ZPO den Beweis, dass die hierin enthaltenen Erklärungen auch mit diesem Inhalt abgegeben worden sind (vgl. Palandt/Ellenberger, aaO., § 128 Rd.3 m.w.N.). Auch mit diesen Beweiswirkungen ist das Beklagtenvorbringen nicht zu vereinbaren. Der Vortrag des Beklagten, ihm sei dieser Vertragsinhalt nicht bewusst gemacht worden, erschüttert die Richtigkeit und Wirksamkeit der notariell beurkundeten Erklärungen nicht. Die behauptete Zusage des Maklers in Bezug auf eine Korrekturmöglichkeit ist insoweit rechtlich nicht erheblich, als diese – streitige – Äußerung vor dem Abschluss des notariellen Kaufvertrages gefallen sein soll.

85
Für den Einwand der Zusage eines kostenlosen dinglichen Wohnrechtes gelten die vorstehenden Erwägungen sinngemäß. Im Übrigen geht aus dem klaren Wortlaut und dem Gesamtzusammenhang dieser Regelung in Ziffer V.3.c) des notariellen Vertrages der Parteien deutlich hervor, dass hiermit festgelegt worden ist, dass der Beklagte für die Nutzung der betreffenden Wohnung (§ 1093 Abs. 1 BGB) über die Nebenkostenvorauszahlungen hinaus (oben unter I.6.) keine weitere (Nutzungs-)Vergütung an die Klägerin zahlen sollte.

86
Hieran anschließend liegen auch die tatsächlichen Voraussetzungen einer arglistigen Täuschung des Beklagten durch die Klägerin im Sinne von § 123 Abs. 1 BGB nicht vor.

87
2. Deliktische Ansprüche des Beklagten gegen die Klägerin auf Zahlung von 68.320,00 EUR aus den §§ 823 Abs. 1, 826, 249 f. BGB kommen gleichsam nicht in Betracht. Es fehlt aus den Gründen oben zu II.1. an einer rechtswidrigen Täuschung des Beklagten durch die Klägerin.

88
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO einerseits und den §§ 708 Ziffer 11., 711 andererseits.

89
Streitwert: 99.709,55 EUR (davon 68.320,00 EUR für die Widerklage).

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