Zur Haftung des Gebäudeeigentümers für sturmbedingte Beschädigung eines Pkw durch herabfallende Steine

AG Schöneberg, Urteil vom 10.07.2009 – 17b C 181/07

Zur Haftung des Gebäudeeigentümers für sturmbedingte Beschädigung eines Pkw durch herabfallende Steine

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.820,97 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 29.08.2007 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger von vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 316,18 € gegenüber dem Prozessbevollmächtigten des Klägers freizustellen.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

5. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger ist Mieter im Haus der Beklagten M.straße in B..

In der Nacht vom 18. zum 19. Januar 2007 hatte der Kläger dass Fahrzeug Audi 80 mit dem amtlichen Kennzeichen … auf der Straße vor dem Haus M.straße abgestellt. In dieser Nacht zog der Orkan „Kyrill “ über Berlin hinweg. Bei dem Orkan wurde der Schornstein des Hauses der Beklagten beschädigt, wobei herabfallende Steine des Schornsteins auf die Straße stürzten.

Der Kläger behauptet, dass durch herab fallende Steine des Schornsteins das Fahrzeug, welches in seinem Eigentum stehe, beschädigt worden sei. So sei die Frontscheibe des Fahrzeugs zerstört worden und die Motorhaube und das Dach seien eingebeult .

Für die Reparatur des Fahrzeugs seien 2523,20 EUR brutto aufzuwenden.

Das Fahrzeug sei reparaturwürdig gewesen und sei auch repariert worden.

Dafür sei vom Kläger auch Umsatzsteuer gezahlt worden.

Die für die Rechtsverfolgung entstandenen Gutachterkosten in Höhe von 321,13 EUR seien ihm ebenso wie die Reparaturkosten zu ersetzen.

Der Kläger ist der Ansicht, dass die Beklagte für die Beschädigungen seines Fahrzeugs durch den Schornstein ihres Hauses Schadensersatz zu leisten habe.

Der Schornstein habe bauliche Mängel aufgewiesen, weshalb er dem Sturm nicht standgehalten hätte. Normalerweise müsse der Schornstein auch höheren Windgeschwindigkeiten, als in dieser Nacht zu verzeichnen waren, standhalten.

Des weiteren verlangt der Kläger von der Beklagten zunächst Zahlung und klageändernd dann die Freistellung von den ihm entstandenen vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 316,18 EUR .

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen an ihn 2844,33 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Klageerhebung zu zahlen;

2. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger von den vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 316,18 EUR gegenüber den Prozessbevollmächtigten des Klägers freizustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte bestreitet den geltend gemachten Schadensersatzanspruch dem Grunde und der Höhe nach und wendet ein, dass der Kläger nicht aktiv legitimiert sei.

Die Beklagte bestreitet auch, dass eine Reparatur des Fahrzeugs durchgeführt worden sei.

Die Beklagte ist der Ansicht, dass eine Schadensersatzverpflichtung nicht bestehe, da höhere Gewalt zur Beschädigung des Schornsteins geführt habe. Die Beklagte trägt vor, der Orkan „Kyrill“ mit Starkniederschlag und Windstärken über 12 Beaufort sei ein außergewöhnliches Naturereignis gewesen und somit habe ein Ausnahmezustand geherrscht, für den die Beklagte nicht verantwortlich sei. Der Schornstein sei in einwandfreiem Zustand gewesen und sei regelmäßig überprüft worden.

Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen .

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin V., durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Deutschen Wetterdienstes sowie durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens des Sachverständigen R..

Hinsichtlich der Einzelheiten der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 7.12.2007, das schriftliche Gutachten des Deutschen Wetterdienstes vom 11.4.2008 sowie das schriftliche Gutachten des Sachverständigen R. vom 2.5.2009 verwiesen.


Entscheidungsgründe

Die Klage ist weitgehend begründet und nur zu einem geringen Teil unbegründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Schadensersatzanspruch gemäß § 836 Abs. 1 S. 1 BGB.

Dass in der Sturmnacht vom 18. zum 19. Januar 2007 vom Schornstein des Hauses, dessen Eigentümerin die Beklagte ist, Teile herab gefallen sind, ist zwischen den Parteien unstreitig.

Nach der Vernehmung der Zeugin V. geht das Gericht davon aus, dass durch vom Schornstein des Hauses herab fallende Steine das Fahrzeug des Klägers – der sein Eigentum an dem Fahrzeug durch Vorlage des Kaufvertrages nachgewiesen hat – an der Motorhaube, dem Dach und der Windschutzscheibe beschädigt worden ist.

Die Zeugin hat bekundet, dass sie in der sehr stürmischen Nacht plötzlich ein Poltern gehört habe und zum Fenster gegangen sei und hinaus geschaut habe. Sie habe gesehen, dass vom Dach etwas heruntergekommen sei und dass das Auto ihres Mannes – des Klägers -, welches auf der Straße gestanden habe, getroffen worden sei.

Das Fahrzeug habe direkt unter dem Fenster der Wohnung gestanden, so dass sie habe sehen können, dass Steinstücke sowie Putz auf dem Fahrzeug gelegen haben. Sie habe auch sehen können, dass die Windschutzscheibe eingedrückt gewesen sei. Um das Auto herum hätten Metallteile gelegen. Dabei habe es sich um die Halterungen gehandelt, die auf dem Dach angebracht waren um dem Schornsteinfeger das Kehren des Schornsteins zu ermöglichen. Am nächsten Tag habe sie das Auto ihres Mannes besichtigt und habe Beschädigungen auf dem Dach, auf der Motorhaube sowie an der Windschutzscheibe sowie dem Scheibenwischer festgestellt. An diesen Stellen habe sie auch Spuren von Steinen gesehen. Die Zeugin bekundete ferner, dass sie in der zweiten Etage des Hauses wohne und das Auto direkt unter einer Laterne gestanden habe. Auch von der Hausbeleuchtung sei Licht auf die Straße gefallen.

Nach diesen Bekundungen der Zeugin steht für das Gericht fest, dass das Fahrzeug des Klägers durch vom Schornstein des Hauses herabfallende Steine und Metallteile beschädigt worden ist. Die Zeugin hat insoweit glaubhaft bekundet, dass sie im direkten zeitlichen Zusammenhang mit der Beschädigung des Schornsteins des Hauses und von dort herab fallenden Steinen und Metallteilen die streitgegenständlichen Beschädigungen am Fahrzeug ihres Mannes wahrgenommen habe.

Aufgrund der von der Zeugin beschriebenen Beleuchtungsverhältnisse, wonach das Auto durch eine Laterne beschienen wurde und dem Umstand, dass sie aus der zweiten Etage des Hauses auf das Fahrzeug sehen konnte ergeben sich keine Zweifel an der Richtigkeit der von der Zeugin geschilderten Wahrnehmungen.

An der Glaubwürdigkeit der Zeugin hat das Gericht ebenfalls keine Zweifel. Die Zeugin hat ihre Bekundungen detailreich, klar und in sich widerspruchsfrei getätigt. Anhaltspunkte dafür, dass die Zeugin die Unwahrheit gesagt haben könnte, ergaben sich für das Gericht nicht.

Die Beklagte haftet gemäß § 836 Abs. 1 S. 1 BGB, da der Schornstein des Hauses ein Gebäudeteil darstellt, welches sich – unstreitig – in Teilen vom Gebäude abgelöst hat und dadurch eine Sache – nämlich das Fahrzeug des Klägers – beschädigt worden ist.

Dass die Ablösung die Folge fehlerhafter Errichtung oder mangelhafter Unterhaltung ist, ist zu bejahen, da sich nach dem Gutachten des Deutschen Wetterdienstes nicht feststellen lässt, dass der Orkan „Kyrill“ über dem Hause der Beklagten Windstärken erreicht hat, die über 12 Beaufort hinaus gingen. Insoweit lässt sich dem Gutachten des Deutschen Wetterdienstes entnehmen, dass zwar Windstärken von 12 Beaufort mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit erreicht worden sind, aber keine Windstärken über 12 Beaufort.

Nach Ansicht des Deutschen Wetterdienstes ist der Orkan „Kyrill“, der am 18./19.1.2007 den Berliner Raum überquerte als sehr seltenes Witterungsereignis einzustufen.

Dem schließt sich das Gericht nach eigener Würdigung an .

Jedoch ist – entgegen der Ansicht der Beklagten – kein außergewöhnliches Naturereignis anzunehmen, welches zu einer Beweislastumkehr führt.

Denn das sich nach den Grundsätzen des § 836 BGB ergebene vermutete Verschulden des Grundstücksbesitzers -hier der Beklagten- und der vermutete ursächliche Zusammenhang zwischen dem Verschulden des Besitzers des Gebäudes und dem Schaden sind nicht widerlegt worden.

Grundsätzlich muss ein Gebäude mit seinen sämtlichen Einrichtungen der Witterung standhalten und tut es dies nicht, so ist bei der Haftung aus § 836 BGB nach dem Beweis des ersten Anscheins anzunehmen, dass die Loslösung von Gebäudeteilen infolge von Witterungseinwirkungen darauf beruht, dass die Anlage entweder fehlerhaft errichtet oder mangelhaft unterhalten war.

Dies gilt nur dann nicht, wenn ein außergewöhnliches Naturereignis vorliegt, dem auch ein fehlerfrei errichtetes und mit der erforderlichen Sorgfalt unterhaltenes Bauwerk nicht Stand zu halten vermag.

Weil ein Gebäudebesitzer auch ungewöhnliche Stürme in seine Betrachtung einbeziehen und im Rahmen der ihn treffenden Verkehrssicherungspflicht entsprechende Vorsorge für die Festigkeit des Gebäudes und der Gebäudeteile treffen muss, gilt dies auch für Windstärken bis 12 Beaufort, die mit einem Orkan einhergehen.

(vergleiche OLG Rostock Urteil vom 15.9.2003 Aktenzeichen 3 U 5 8/03; OLG Köln Urteil vom 5.2.2004 Aktenzeichen 12 U 112/03 – recherchiert in Juris)

Eine Erschütterung des insoweit eingreifenden Anscheinsbeweises kann erst bei Orkanstärken oberhalb von 12 Beaufort der auf 17 Stufen erweiterten Windstärkenscala gelten (vgl. OLG Koblenz Urteil vom 9.2.2004 Az 12 U 11 /03).

Derartige Windstärken sind jedoch nach dem Gutachten des Deutschen Wetterdienstes in der Nacht des Orkans „Kyrill“ am Schadensort nicht gemessen worden.

Somit ist nach dem Beweis des ersten Anscheins erwiesen, dass die Ablösung von Teilen des Schornsteins des Gebäudes der Beklagten die Folge fehlerhafter Errichtung oder mangelhafter Unterhaltung des Schornsteins gewesen ist.

Die insoweit für das Gegenteil beweispflichtige Beklagte hat den erforderlichen Beweis nicht geführt.

Ihren diesbezüglichen Vortrag, dass der Schornstein im Jahr 2006 komplett neu aufgemauert worden sei, hat die Beklagte im Verlauf des Verfahrens korrigiert.

Eine Aufmauerung des Schornsteins ist vielmehr erst nach dem hier streitgegenständlichen Sturmschaden erfolgt. Auch soweit die Beklagte vorgetragen hat, dass regelmäßige Reparaturen und Überprüfungen an dem Schornstein durchgeführt worden seien, hat die Beklagte trotz einer gerichtlichen Auflage ihren Vortrag nicht durch die Einreichung von Rechnungen oder Schornsteinfegerprotokollen substantiiert.

Die Beklagte hat daher den Anscheinsbeweis nicht erschüttert.

Die Beklagte ist somit gemäß § 836 BGB zum Ersatz des dem Kläger durch herab fallende Teile des Schornsteins an seinem Fahrzeug entstandenen Schadens verpflichtet.

Nach dem Sachverständigengutachten des Sachverständigen R. ist das Fahrzeug des Klägers reparaturwürdig gewesen. Zwar – so der Sachverständige – sei der Wagen im Schadenszeitpunkt 14 Jahre alt gewesen, habe jedoch nur eine Laufleistung von 93.750 km und – bei der von ihm durchgeführten Besichtigung im reparierten Zustand – einen gepflegten und überdurchschnittlich guten Zustand aufgewiesen.

Somit sei – auf den Schadenszeitpunkt zurückgerechnet – von einem Wert des Fahrzeugs von 3100,00 EUR auszugehen. Reparaturkosten seien mit 2100,71 EUR ohne Mehrwertsteuer und 2499,84 EUR mit Mehrwertsteuer anzusetzen, so dass sich im Vergleich zum Wert des Fahrzeugs im Schadenszeitpunkt eine Reparaturwürdigkeit des Fahrzeugs ergebe.

Der Sachverständige hat in seiner Anhörung in der Verhandlung am 10.7.2009 ergänzend erläutert, dass im Schadenszeitpunkt von einem Restwert des Fahrzeugs von 400,00 bis 500,00 EUR auszugehen sei. Der Motor des Fahrzeugs sei in Ordnung gewesen und von den Schäden nicht betroffen. Konkrete Restwertangebote für das Fahrzeug habe er bei der Gutachtenerstellung nicht einholen können, da der Schadensfall bereits über ein Jahr zurück gelegen habe und es nicht möglich sei, für einen solchen relativ weit in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt konkrete Restwertangebote zu beziffern.

Nach den sachverständigen Feststellungen des Gutachters, denen das Gericht sich nach eigener Würdigung anschließt, ist – bei Feststellung der Reparaturwürdigkeit – von Reparaturkosten in Höhe von 2100,71 EUR netto und 2499,84 EUR brutto auszugehen.

Da der Sachverständige das Fahrzeug bei seiner Begutachtung im reparierten und nach seinen Feststellungen gepflegtem und überdurchschnittlich guten Zustand aufgefunden hat, ist von einer fachgerechten Reparatur auszugehen, so dass auch die Mehrwertsteuer vom Schadensersatz umfasst ist.

Die Beklagte schuldet auch den Ersatz der dem Kläger entstandenen Gutachterkosten des Sachverständigenbüros P. in Höhe von 321,13 EUR. Denn die Kosten der Schadensfeststellung sind Teil des zu ersetzenden Schadens.

Die Kosten des Gutachters zur Feststellung der zur Beseitigung des Schadens erforderlichen Reparaturkosten sind Aufwendungen des Klägers als Geschädigtem, die dieser nach den Umständen des Falles als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig ansehen konnte. (vergleiche Palandt zu § 249 BGB Randnummer 40).

Die Ersatzpflicht der Beklagten erstreckt sich auch auf die vom Kläger geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten. Denn die Inanspruchnahme eines Rechtsanwaltes zur Durchsetzung der Schadensersatzansprüche war erforderlich und zweckmäßig, da sich die Schadensregulierung – wie auch der durchgeführte Rechtsstreit zeigt – als schwierig darstellte.

Da eine Zahlung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten durch den Kläger nicht dargetan ist, war dem klageändernd geltend gemachten Anspruch auf Freistellung von den vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten stattzugeben.

Da der Sachverständige Rieger Reparaturkosten in Höhe von 2499,84 EUR festgestellt hat und das Gericht sich dem nach eigener Würdigung angeschlossen hat, war der Schadensersatzanspruch des Klägers nur in dieser Höhe begründet.

Da der Kläger seine Klage auf einen Reparaturkostenanspruch in Höhe von 2523,20 EUR brutto gestützt hat, war die weitergehende Klage insoweit wegen eines geringen Teils als unbegründet abzuweisen.

Die Zinsentscheidung hat ihre Grundlage in den §§ 286,288 BGB .

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Ziffer 1 ZPO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 709 ZPO.

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