Urteilsbegründung in frühneuhochdeutscher Sprache

AG Schöneberg, Urteil vom 14.07.1989 – 16 D 370/89

Urteil in frühneuhochdeutscher Sprache

Tenor

1. Unter Aufhebung der einstweiligen Verfügung vom 26. Juni 1989 wird der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung von 400,– DM abwenden, sofern nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Eyn kurtzweylig spil von zwo frow’n

die sich vor gericht thun houn

und dorch merer hauffen coth

koment in die hoechste noth

Wer auff dem lande oder in der stadt

eynen hund zu halten hat,

der sey wol darauff bedacht,

daß das thier keyn unru macht,

wer aber hierzu nit bereyt,

der hat nur groz schad und leyt.

Erzelen will ich lu drumb von zwo frawen,

die dorch oynen ungezognen hund,

zerstritent warn zestund,

daß ir dran kunnet wol erschawen,

wie obgemelte ler wuerekt um,

in eynem fayn exempulum.

Die parteyen wonent als mieter in eym hauß,

die clagerin under der beclagten,

mit zween nachbaurten gaerten,

zu den furst eyn terassen naus;

die gaerten geschiedent dorch eyn kleyn zaun,

die terassen gemeysam genuezet von den frawn.

Dia clag’rin eynen hund sich haelt,

der bar der ezwenge diser weld,

nit wissend, was isdt meyn und deyn,

kert in den garten der beclagten eyn,

uber den zaun und die terassen,

wie es im grad wol thatt passen.

Das thier duencket zu haben eyn kunstsinn,

gleychsam als sey es …,

jedtage schaffend etwas neus,

pfercht es seyne merdrums hin,

braun, gros und voller dufft gar scheen,

hat die nachbaurin eyn denckmal ste’n.

Doch über kunst seyt alter zeytt,

die weld, die stet im widerstreyt,

die beclagte hier nun voll verdruß,

empfuendet dis als aergernuß;

und eynen hoehern zaun – anstat des alten – sie setzen laeßt,

der thaylet garten und terassenpodest.

Die parteyen lerer sind,

und lerer habent immer recht.

Wenn aber zween irer andrer meynung sind,

so geht das leyder schlecht,

drumb suchent sie die weysheyt bey gericht,

auff das es eyn gut urtheyl ticht.

Denn wer uber alles entscheyden thatt,

von den er keyn ahnung hatt,

der ist grad der richtig man,

der dise sach entscheyden kann.

und wer im staate hat ein ambt,

der hat dazu auch den verstandt.

Die clagerin eyligst undersaget haben will,

– von ihres hundes unthat sie schweygt fein still -,

daß die beclagte ein zaun zyhen lasst,

der nit irem willen paßt,

und das gericht dorch beschluß zastund,

das begehrt‘ verbot thatt kund.

Die beclagte hatt dem widerseyt,

die clägerin will,

daß der beschluß so bleybt,

die beclagte antraegt,

disen wieder zu cassirn

und die clage abzuschmiern.

In behut des weytern parteygeczaenck

Han den thier in die acten lenk.

Und das gericht sihier spricht,

die clagerin enhat den anspruch nicht.

Die beclagte zwar mit fuersatz siceret,

den besitz, der auch der clagerin gehoeret,

an der terassen und dem zaun,

so das die beclagte nach acht sechs eyns BGB mußt in abbaun,

ganz gleych ob’s zerecht oder unrecht geschicht,

auch mit erlaubnis des vermieters darf man enstoeren nicht.

Jedoch in acht funf neun BGB es heyßt,

wenn ein hund in nachbaurs garten scheyßt,

so darff sich dieser des erwern,

denn die thatt in im besitze stoer’n,

und darff der mittel wuerckung nuczen,

die im in den besitz thun schutzen.

Die beclagte also eynen zaun darff zyhen lan,

uber den der hund nit springen kann,

und dabey den alten abbaun,

damit der neu erstellte zaun,

nit alleyn auf irem grundstueck steh,

und ir eyn stueck besitz abgeh.

Die clag’rin sprach nun zur beclagten keck:

„Kümmere Dich um Deinen eigenen Dreck !“

Jedoch sind des boesen hunds merdrums,

die fruechte ihres eigentums,

und g’hoern nach neun funf drei des BGB,

dem, dem das eygen an dem hund zusteh.

Auch wenn die clagerin diese nit will haben,

zudem sich dereselben derelinquiret,

indes die beclagte die unthat fotographiret,

diese weret sich solcher gaben,

so daß weder eigen noch besitz,

die beclagt‘ sich hier ersitz.

Und die moral des spils nun werd kund,

wer sich haltet eynen hund,

der muß in gar wol erziehn,

und auch reychlich gassi gehen,

dann wird das thier verrichten seyn geschafft,

wo es nit den andren nachbaurn trefft.

Der kostenausspruch folgt, ich meyn’s

aus der ZPO neun eyns,

und damit die beclagt‘ in kann auch executiern,

thu ich aus der ZPO 708 nummero 6 und 711 satz 1 citiern,

dieses urteyl ward geticht,

von Richter … bei Schoenbergens Amtsgericht.

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