Zur Haftung aufgrund eines tödlichen Unfalls im Rahmen einer sogenannten „cold-water-challenge“

LG Münster, Urteil vom 25. Mai 2016 – 16 O 184/15

Zur Haftung aufgrund eines tödlichen Unfalls im Rahmen einer sogenannten „cold-water-challenge“

Tenor

Es wird festgestellt, dass die Beklagten zu 2) und 3) gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, den Klägern mit einer Quote von 50 % Schadenersatz wegen entgangener Unterhaltsansprüche aufgrund des Unfalltodes vom 29.07.2014 des Herrn U1, geb. am ……….., zu zahlen.

Es wird ferner festgestellt, dass der Beklagte zu 3) darüber hinaus verpflichtet ist, den Klägern mit einer Quote von weiteren 25 % Schadenersatz wegen entgangener Unterhaltsansprüche aufgrund des Unfalltodes vom ……..2014 des U1, geb. am ……….., zu zahlen

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Die Gerichtskosten und außergerichtlichen Kosten der Kläger tragen die Kläger zu je 14,5 %, der Beklagte zu 2) zu 17 % und der Beklagte zu 3) zu 25 % .

Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) tragen die Kläger als Gesamtschuldner.

Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2) tragen zu 50 % die Kläger als Gesamtschuldner, im Übrigen der Beklagte zu 2) selbst.

Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 3) tragen zu 25 % die Kläger als Gesamtschuldner, zu 75 % der Beklagte zu 3) selbst.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand
1
Die Klägerin zu 1) war die Ehefrau des Herrn U1. Aus der Ehe sind die Kläger zu 2) bis 4) als Kinder hervorgegangen.

2
Die Kläger begehren die Feststellung, dass die Beklagten für den Unfalltod des Herrn U1, der am ……….. im Rahmen einer s. g. „Cold-water-challenge“ durch den umstürzenden Teleskoplader des Beklagten zu 3), amtliches Kennzeichen BOR-… …, tödlich verletzt wurde, vollumfänglich verantwortlich sind. Der streitgegenständliche Teleskoplader ist bei der Beklagten zu 1) haftpflichtversichert, er wurde zum Zeitpunkt des Unfallgeschehens vom Beklagten zu 2) gesteuert. Der verstorbene U1 war ebenso wie der Beklagte zu 2) Mitglied des Kegelclubs „Die C“, der von einem anderen Kegelclub zu der Challenge herausgefordert worden war. Zur Durchführung der Aktion trafen sich die Mitglieder des Kegelclubs am ……….. auf einer Ackerfläche am I-Weg in J. Dort sollte eine Szene als Video gedreht und dann ins Internet eingestellt werden. Die elf Mitglieder des Clubs sollten auf einer Gartenbankgarnitur in entspannter Atmosphäre sitzen. Sodann sollte aus einer Schaufel, die an dem streitgegenständlichen Teleskoplader befestigt war, von oben Wasser auf die Gruppe geschüttet werden. Wer die Idee zu dieser Aktion hatte, ließ sich nicht mehr feststellen, jedenfalls waren alle Mitglieder mit der Durchführung einverstanden.

3
Bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug handelt es sich um einen Teleskoplader, bei dem durch ein hydraulisches Ausschieben des Teleskops mit dem daran befestigten Lastaufnahmemittel eine Erzielung größerer Höhen bzw. ein Überbrücken größerer Abstände möglich ist. Ursache des Umstürzens des Teleskopladers war eine Überladung. Als Sicherungseinrichtungen waren in der Fahrerkabine ein s. g. Traglastdiagramm vorhanden, dem sich entnehmen lässt, welche Traglast bei dem Teleskoplader unter Berücksichtigung des Neigungswinkels und des Ausfahrzustandes des Teleskops zulässig ist. Da diese Möglichkeit, eine Überlastung zu erkennen, unpräzise ist, verfügte der streitgegenständliche Teleskoplader grundsätzlich über eine weitere Warneinrichtung im Fahrerhaus, die mit unterschiedlichen Dioden und Farben den Lastzustand anzeigt, in dem sich das Gerät befindet. Diese Warneinrichtung verfügt über grüne Dioden, die einen sicheren Lastzustand signalisieren, über gelbe Leuchtdioden, die einen bedenklichen Lastzustand signalisieren sowie rote Dioden, die auf einen kritischen Zustand hinweisen kombiniert mit einem Warnton, der ebenfalls auf eine Überlastung hinweist.

4
Der streitgegenständliche Teleskoplader wurde auf Anfrage des Kegelclub-Mitgliedes I1, der infolge Urlaubs am Abend nicht teilgenommen hat, beim Sohn des Beklagten zu 3), Herrn U2, angefragt und sodann vom Beklagten zu 2) am ……….. beim Beklagten zu 3) abgeholt. Im Rahmen der Abholung wurde zumindest allgemein über den Zweck der Nutzung gesprochen. Zuvor hatte der Beklagte zu 2) mindestens 20 Mal bereits beim Beklagten zu 3) das streitgegenständliche Fahrzeug erhalten. Man kam überein, die größere Schaufel mit einem Eigengewicht von ca. 800 Kilogramm zu montieren. Diese musste zuvor gereinigt werden. Hinweise auf eine nichtfunktionierende Überlastanzeige teilte der Beklagte zu 3) dem Beklagten zu 2) nicht mit. Dem Beklagten zu 3) war zumindest bekannt, dass die Überlastungsanzeige nicht zuverlässig funktionierte.

5
Gegen die Beklagten zu 2) und 3) wurde ein Strafverfahren durchgeführt. Wegen der in diesem Verfahren durchgeführten Beweisaufnahme, insbesondere der Einholung eines Sachverständigengutachtens wird auf das Strafverfahren, Az.: … Js …/… StA Münster Bezug genommen. Insbesondere wird auf das Sachverständigengutachten des Sachverständigen I2 vom 29.08.2014 sowie dessen Erläuterungen im Rahmen der Hauptverhandlung am 25.09.2015 (Blatt 361 ff. d. BA), wonach die Warneinrichtung schon deshalb nicht in Funktion war, weil ein Stecker im Kasten auf dem Heck des Teleskopladers gezogen war, Bezug genommen. Das Strafverfahren gegen den Beklagten zu 2) wurde gegen Zahlung einer Geldauflage von 3.500,00 EUR eingestellt; der Beklagte zu 3) wurde wegen fahrlässiger Tötung in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen verurteilt. Wegen der Urteilsfeststellungen wird auf das Urteil das AG Bocholt vom ……….. (… Ds … Js …/…-…/…) Bezug genommen.

6
Die Kläger sind der Auffassung, dass die Beklagten zu 2) und 3) für das Unfallgeschehen voll umfänglich verantwortlich sind und ein Mitverschulden des verstorbenen U1 nicht zu berücksichtigen sei. Er habe nicht damit rechnen können und müssen, dass die Warneinrichtungen des streitgegenständlichen Teleskopladers nicht funktionsfähig waren. Eine Haftung der Beklagten zu 1) ergebe sich schon daraus, dass das Unfallgeschehen sich beim Betrieb des pflichtversicherten Kraftfahrzeuges i. S. des § 7 StVG geeignet habe, zumindest liege ein Gebrauch des Fahrzeuges i. S. der AKB und des Pflichtversicherungsgesetzes vor. Eine zweckentfremdete Verwendung des Teleskopladers sei in dem Unfallgeschehen nicht zu sehen.

7
Die Kläger beantragen,

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festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, den Klägern mit einer Quote von 100 % Schadenersatz wegen entgangener Unterhaltsansprüche aufgrund des Unfalltodes vom 29.07.2014 des Herrn U1, geb. am ……….., zu zahlen.

13
Die Beklagten beantragen,

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die Klage abzuweisen.

15
Die Beklagte zu 1) ist insoweit zunächst der Auffassung, dass ein Direktanspruch gegen sie nicht bestehe, da der Teleskoplader zweckentfremdet und auf einem Privatgelände eingesetzt worden sei. Ein Fahrzeuggebrauch i. S. des § 7 StVG sei nicht mehr gegeben. Für eine derartige Nutzung des Teleskopladers sei eine Pflichtversicherung nicht erforderlich, sodass es an einem Direktanspruch gegen die Beklagte zu 1) fehle.

16
Ferner sind die Beklagten der Auffassung, dass die Kläger sich schon deshalb ein Mitverschulden des verstorbenen U1 zurechnen lassen müssen, weil alle Beteiligten, auch er, mit der Durchführung der Aktion einverstanden gewesen seien, sodass ihn die gleiche Verantwortung treffe wie den Beklagten zu 2), Herrn C1, der rein zufällig als Fahrer ausgewählt worden sei. Es liege ein generell gefährliches Verhalten vor, zumal jedermann klar sei, dass man sich nicht im Gefahrenbereich einer derartigen Maschine aufhalten dürfe. Das Vorhaben sei dilettantisch geplant gewesen.

17
Ferner sei von einem wechselseitigen Haftungsverzicht der Teilnehmer bei fahrlässigem Verhalten auszugehen. Diese Haftungsprivilegierung komme über die Regelung des gestörten Gesamtschuldverhältnisses auch den anderen Beklagten zugute. Die Kegelclubmitglieder hätten darüber hinaus eine Gesellschaft gebildet, so dass auch gem. § 708 BGB untereinander nur eine eingeschränkte Haftung gelte.

18
Der Beklagte zu 3) genieße als unentgeltlicher Verleiher ebenfalls ein Haftungsprivileg. Da der Beklagte zu 2) bereits mehrfach den Teleskoplader ausgeliehen und gefahren habe, habe eine weitere Einweisung des Beklagten zu 3) nicht stattfinden müssen. Diesem sei nicht bekannt gewesen, dass der Stecker gezogen gewesen sei, was er im Übrigen auch bestreite.

19
Nachdem die Kläger den zunächst nicht mitverklagten Beklagten zu 2) und 3) den Streit verkündet haben, sind diese der Beklagten zu 1) als Streithelfer beigetreten. Nach Klageerweiterung auf die Beklagten zu 2) und 3) hat der Beklagte zu 2) den Beitritt auf Seiten der Kläger erklärt im Rahmen seines Verursachungsbeitrages.

Entscheidungsgründe
I.

20
Zulässigkeit:

21
Die Klage ist als Feststellungsklage zulässig. Den Klägern steht ein Feststellungsinteresse i. S. des § 256 ZPO am Umfang der Eintrittspflicht der Beklagten zu. Da bei Feststellung der entsprechenden Leistungsverpflichtung der Beklagten im Hinblick auf den bestehenden Versicherungsvertrag davon auszugehen ist, dass eine Zahlung sodann erfolgen wird, sind die Kläger berechtigt, ohne direkt eine Leistungsklage zu erheben, diese Eintrittspflicht dem Grunde nach zunächst feststellen zu lassen.

II.

22
Begründetheit:

23
Die Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet, im Übrigen unbegründet.

24
1. Haftung der Beklagten zu 2) und 3):

25
Die Beklagten zu 2) und 3) haften zunächst als Fahrer bzw. Halter des streitgegenständlichen Teleskopradladers gem. den §§ 823 Abs. 1 und 2, 844 Abs. 2, 846 BGB, 222 StGB, 7 Abs.1, 18 Abs.1 StVG auf Schadenersatz wegen entgangener Unterhaltsansprüche.

26
Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt die Kammer zunächst auf die Feststellungen des strafgerichtlichen Urteils des Amtsgerichts Bocholt vom ……….. (… Ds … Js …/…-…/…) Bezug. Die dort getroffenen Feststellungen sind in der Sache nicht substantiiert bestritten worden.

27
Danach haften sowohl der Beklagte zu 2) als auch der Beklagte zu 3) als Halter und Fahrer für das streitgegenständliche Unfallgeschehen. Das Umstürzen des Radladers ist nämlich „beim Betrieb“ des Kraftfahrzeugs im Sinne des § 7 Abs.1 StVG erfolgt. Das Haftungsmerkmal „beim Betrieb“ ist entsprechend dem Schutzzweck des § 7 StVG weit auszulegen (vgl. BGH MDR 2014, 339). Ein Schaden ist demgemäß bereits dann „bei dem Betrieb“ eines Kraftfahrzeuges entstanden, wenn sich in ihm die von dem Kraftfahrzeug ausgehenden Gefahren ausgewirkt haben, d.h. wenn bei der insoweit gebotenen wertenden Betrachtung das Schadensgeschehen durch das Kraftfahrzeug (mit)geprägt worden ist (BGH a.a.O. m.w.N.) Dabei macht es keinen Unterschied, ob sich der Unfall auf einer öffentlichen Straße oder – wie vorliegend- auf einer privaten Fläche ereignet hat (BGH VersR 1975, 945). Bei Fahrzeugen, die zugleich als Arbeitsmaschine verwendet werden, ist allerdings erforderlich, dass das Unfallgeschehen im Zusammenhang mit der Bestimmung des KfZ als einer der Fortbewegung und des Transports dienende Maschine steht (vgl. BGH, Urteil vom 24.03.2015 in VI ZR 265/14, www.juris.de). Eine Haftung entfällt dann, wenn diese Funktion keine Rolle spielt, weil die Maschine „nur“ als Arbeitsmaschine eingesetzt wird und sich deshalb keine Gefahr aus der Transport- und Fortbewegungsfunktion verwirklicht hat. Nach diesen Grundsätzen ist eine Haftung der Beklagten zu 2) und 3) aus der Gefährdungshaftung des StVG gegeben. Zwar diente der Teleskopradlader lediglich „privaten“ Zwecken des Kegelclubs, wurde aber zum Transport der Wassermenge zum und am Unfallort benötigt. Gerade die Bewegung des vollbeladenen Radladers führte letztlich auch aufgrund der Unebenheit des Untergrundes zum Umstürzen mit den bedauerlichen Unfallfolgen, so dass diese bei einer gebotenen weiten Auslegung der Gefährdungshaftung aus § 7 StVG noch in den Schutzbereich dieser Regelung fällt mit der Folge, dass die Beklagten zu 2) und 3) bereits aus diesem Grunde dem Grunde nach haften.

28
Zudem ergibt sich eine Haftung der Beklagten gem. §§ 823 Abs. 1 und 2, 844 BGB, 222 StGB aufgrund einer schuldhaften Mitverursachung des Todes des Herrn U1.

29
Dem Beklagten zu 3) ist zunächst vorzuwerfen, dass er den Teleskoplader zur Verfügung gestellt hat, obwohl er zumindest wusste, dass die erforderlichen Sicherheitseinrichtungen, insbesondere die Überlastanzeige nicht bzw. nicht störungsfrei funktioniert hat, ohne dies dem Beklagten zu 2) mitzuteilen. Die Kammer geht insoweit davon aus, dass dieses Fehlverhalten zumindest mitursächlich für das spätere Unfallgeschehen ist. Hätte nämlich der Beklagte zu 2) und die übrigen Beteiligten gewusst, dass die Überlastanzeige nicht ordnungsgemäß funktioniert hat, hätten sie angesichts der erheblichen Last, die allein durch die größere Schaufel mit einem Eigengewicht von 800 Kilogramm sowie einer Wassermenge von etwa 2000 Litern zumindest besondere Vorsicht walten lassen und ggfls. von dem Vorhaben ganz Abstand genommen oder zumindest eine geringere Last durch eine geringere Wassermenge ausgewählt. Ggfls. hätte durch eine besondere Aufmerksamkeit und entsprechendem besonderen Beachten des Überlastungsdiagramms, welches ebenfalls in der Fahrerkabine vorhanden war, ein zu weites Ausfahren des Teleskoparms vermieden werden können.

30
Der Beklagte zu 3) kann sich insoweit auch nicht mit Erfolg auf die Haftungserleichterung des § 599 BGB berufen. Angesichts der Wichtigkeit der Sicherungseinrichtungen, zu denen der Überlastungsschutz zählt, ist es nämlich bereits grob fahrlässig, nicht auf Einschränkungen der Funktionsfähigkeit hinzuweisen, wenn das Fahrzeug auch rein gefälligkeitshalber ausgeliehen wird. Hinzu kommt, dass der Beklagte zu 3) zumindest dem Grunde nach wusste, zu welchem Zweck der Radlader ausgeliehen wurde. Von einer darüber hinaus konkludent vereinbarten Haftungsfreistellung ist in diesem Zusammenhang nicht auszugehen, so dass eine Haftung des Beklagten zu 3) schon aus diesem Grunde besteht.

31
Der Beklagte zu 2) haftet als Fahrer des streitgegenständlichen Teleskopladers ebenfalls. Ihm ist vorzuwerfen, nicht hinreichend dafür Sorge getragen zu haben, dass der Teleskopradlader, wie vom Sachverständigen im Strafverfahren nachvollziehbar und zur Überzeugung der Kammer dargelegt, von ihm in den „roten Bereich“ ausgefahren worden ist. Ihm hätte zumindest auffallen müssen, dass die Überlasteinrichtung nicht ordnungsgemäß funktioniert. Angesichts der bewegten Last und des Ausfahrens des Teleskoparms hätte ihm auch unter Beachtung des Überlastungsdiagramms auffallen müssen, dass er sich mit der Last bis in den „roten Bereich“ hinein bewegt. Dann hätte ihm auch auffallen müssen, dass die Überlastanzeige mit den Dioden nicht funktionsfähig ist. Bei Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte der Beklagte zu 2) mithin das Unfallgeschehen ebenfalls vermeiden können.

32
Die Kammer geht auch nicht davon aus, dass insoweit ein konkludenter Haftungsverzicht zwischen den Mitgliedern des Kegelclubs vereinbart worden ist. Eine derartige konkludente Vereinbarung, die ohnehin nur für einfache Fahrlässigkeit in Frage kommt (vgl. Palandt, BGB, 75. Aufl., § 276, Rn. 37 m.w.N.), setzt voraus, dass für einen entsprechenden Willen der Parteien konkrete Anhaltspunkte vorliegen. Allein die Tatsache, dass im Nachhinein niemand der Beteiligten dem Beklagten zu 2) insoweit einen Vorwurf macht und alle Beteiligten vorher um die potentielle Gefährlichkeit des Vorhabens wussten, reicht insoweit nach Auffassung der Kammer nicht aus. Vorliegend geht es nämlich nicht um die Gefahren, die aus dem bloßen Ausschütten einer großen Menge Wasser herrühren, sondern darum, dass das Nichtfunktionieren von Sicherungseinrichtungen nicht beachtet worden ist. Dass die Parteien auch hierfür einen Haftungsausschluss vereinbaren wollten, ist nicht ersichtlich.

33
Eine Haftungseinschränkung kommt ferner gem. § 708 BGB nicht in Betracht, da es vorliegend schon an einer Gesellschaft in diesem Sinne fehlt. Der verstorbene U1 und der Beklagte zu 2) waren lediglich Mitglied eines Kegelclubs, der sich zu einer gemeinsamen Aktion verabredet hat. Dies reicht nicht aus, um von einem Gesellschaftszweck i. S. der §§ 705 ff. BGB auszugehen.

34
Da sonstige Gründe, die eine Haftung des Beklagten zu 2) ausschließen, nicht vorliegen, haftet dieser grundsätzlich auch für den Unfalltod des Herrn U1.

35
Die Haftung der Beklagten zu 2) und 3) ist jedoch gem. §§ 846, 254 BGB wegen eines Mitverschuldens des verstorbenen U1 im Sinne einer schuldhaften Selbstgefährdung (vgl. Palandt, BGB, 75. Aul.,§ 254, Rn. 32 m.w.N.) eingeschränkt. Dem Getöteten war nämlich ebenso wie den übrigen beteiligten Mitgliedern des Kegelclubs die grundsätzliche Gefährlichkeit des Vorhabens klar, zumindest musste den Teilnehmern die Gefährlichkeit klar sein.

36
Aus den einschlägigen Unfallverhütungsvorschriften sowie auch aus der allgemeinen Lebenserfahrung ergibt sich nämlich, dass der Aufenthalt unter schweren Lasten gefährlich sein kann. Auch das Vorhandensein von Überlasteinrichtungen an einem Teleskoplader soll dieser grundsätzlichen Gefahr eines Umstürzens begegnen. Diese Gefahr ist umso größer, je weiter der Teleskoparm ausgefahren wird. Angesichts der Planungen war den Beteiligten auch klar, dass es vorliegend zu einem relativ weiten Ausfahren des Teleskoparms kommen würde, so dass die Gefahr dadurch gestiegen ist. Gleiches gilt für das erhebliche Gewicht der bewegten Last von ca. 2000 Litern Wasser sowie dem Eigengewicht der größeren Schaufel, zumal es sich bei der bewegten Last nicht um eine starre, sondern bewegliche Last handelte.

37
Die Kammer wertet diese schuldhafte Selbstgefährdung des Herrn U1 im Verhältnis zum Beklagten zu 2) mit 50 %. Zugrunde legt die Kammer insbesondere das von nahezu allen Zeugen im Strafverfahren genannte Argument, dass es rein zufällig gewesen ist, dass der Beklagte zu 2) den Teleskopradlader gefahren hat.

38
Alle Mitglieder des Kegelclubs waren mit der Aktion einverstanden und haben sie gebilligt. Daher schätzt die Kammer die Mitverschuldensquote unter den Mitgliedern des Kegelclubs gleich hoch, also mit 50 %, ein.

39
Dem gegenüber schätzt die Kammer die Mitverschuldensquote des Getöteten im Verhältnis zum Beklagten zu 3) niedriger ein, nämlich nur mit 25 %, so dass der Beklagte zu 3) zu 75 % haften muss. Insoweit geht die Kammer nämlich davon aus, dass zum Einen kein Mitglied des beteiligten Kegelclubs davon ausging und damit rechnen musste, dass die Gefahr ihres Vorhabens durch nicht oder nicht ordnungsgemäß funktionierende Sicherungseinrichtungen des Teleskopradladers erhöht worden ist. Dem Beklagten zu 3) war demgegenüber bekannt, dass die Sicherungseinrichtung jedenfalls nicht ordnungsgemäß funktionierte. Da dies letztlich eine ganz wesentliche Ursache für das Unfallgeschehen ist, schätzt die Kammer das Mitverschulden des Beklagten zu 3) höher ein und bewertet dieses mit insgesamt 75 %.

40
Die weitergehende Feststellungsklage war mithin abzuweisen.

41
2. Haftung der Beklagten zu 1:

42
Der Beklagte zu 1) haftet den Klägern nicht unmittelbar gem. den § 7 Abs. 1 StVG, § 115 VVG als Haftpflichtversicherer des Beklagten zu 3). Zwar besteht aus den o.g. Gründen eine Gefährdungshaftung des Beklagten zu 3), die auch von dem Versicherungsschutz der Beklagten zu 1) erfasst ist, so dass die Beklagten zu 2) und 3) grundsätzlich einen Anspruch aus dem Versicherungsvertrag auf Haftungsfreistellung durch die Beklagte zu 1) haben. Allerdings besteht kein Direktanspruch der Kläger gegen die Beklagte zu 1) im Sinne des § 115 VVG. Anders als bei der grundsätzlichen Haftung aus § 7 StVG besteht ein Direktanspruch nämlich nur, wenn eine Versicherung zur Erfüllung einer nach dem Pflichtversicherungsgesetz bestehenden Versicherungspflicht besteht, § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG. Nach § 1 PflVersG ist eine Haftpflichtversicherung aber nur dann erforderlich, wenn das Fahrzeug auf öffentlichen Wegen oder Plätzen verwendet wird. Deshalb scheidet ein Direktanspruch in den Fällen aus, in denen sich das Unfallereignis nicht auf öffentlichen Wegen und Plätzen ereignet hat (vgl. auch Stiefel/Maier AKB, § 115 VVG Rdnr. 80, LG Magdeburg, Urteil vom 31.03.2015 in 11 O 35/15, www.juris.de). Da das Unfallgeschehen sich auf einem privaten Ackergelände, also einer Fläche, die weder generell noch im Einzelfall dem Befahren mit Kraftfahrzeugen gewidmet war, ereignet hat, scheidet schon aus diesem Grunde ein Direktanspruch gegen die Beklagte zu 1) aus.

43
Insoweit war die Klage mithin ebenfalls abzuweisen.

44
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.

45
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.

46
Der Streitwert wird auf 20.000,00 EUR festgesetzt.

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