Zur Frage des Wertersatzes beim Matratzenkauf im Onlinehandel nach Ausübung des Prüfungsrechts

Amtsgericht Bremen, Urteil vom 15.04.2016 – 7 C 273/15

Zur Frage des Wertersatzes beim Matratzenkauf im Onlinehandel nach Ausübung des Prüfungsrechts

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Berufung gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Darstellung des Tatbestandes bedarf es gem. § 313a Abs. 1 S. 1 ZPO nicht, da eine Berufung gegen das Urteil mangels Erreichen der Berufungssumme des § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO (Übersteigen eines Betrages von Euro 600,00) und auch mangels Zulassung der Berufung gem. §§ 511 Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 4 ZPO nicht statthaft ist.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet.

Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten für die Nutzung der beiden Kaltschaum-Matratzen mit den Härtegraden H3 und H2 für jeweils 1 Nacht keinen Anspruch auf „Nutzungsentgelt“ in Höhe von jeweils 15% der Kaufpreissumme und damit in Höhe von Euro 85,40 und Euro 82,35, so dass die Klage in der vollen Höhe von Euro 167,75 abzuweisen ist.

Der Kauf der beiden Matratzen war im Rahmen von Fernabsatzverträgen erfolgt, welche seitens der Beklagten jeweils wirksam widerrufen worden waren (vgl. in diesem Zusammenhang auch aktuell zur Unbeachtlichkeit der Motivlage beim Widerruf: Bundesgerichtshof, Urt.v. 16.03.2016 – VIII ZR 146/15, ebenfalls ein Matratzenkauf im Rahmen eines Fernabsatzvertrages).

Soweit die Klägerin tatsächlich ein auf die Nutzung beruhendes „Nutzungsentgelt“ begehrt, steht dem entgegen, dass ein solches bei dem hier vorliegenden Fernabsatzvertrag grundsätzlich nicht geschuldet wird (Palandt/Grüneberg, 75.A., RdNr. 11 zu § 357 BGB; einschlägig hier: § 357 Abs. 1 BGB: Rückgewähr (nur) der empfangenen Leistungen; in Abgrenzung zu: § 346 Abs. 1 BGB: Rückgewähr der empfangenen Leistungen und der gezogenen Nutzungen; ein Rückgriff auf die §§ 346 ff. BGB ist im hier vorliegenden Kontext nicht möglich; vgl. hierzu nur Palandt/Grüneberg, aaO, RdNr. 8).

Tatsächlich begehrt die Klägerin ausweislich ihrer weiteren Ausführungen einen merkantilen Minderwert.

Nach § 357 Abs. 7 BGB hat die Beklagte aber auch keinen (Wert-)Ersatz für einen Wertverlust der Ware, hier der beiden Matratzen, zu leisten.

So kann dahingestellt bleiben, ob und in welchem Umfang die beiden Matratzen durch die jeweilige Nutzung für eine Nacht einen Wertverlust erlitten haben.

Ein solcher wäre dann auf die nur notwendige und hier noch moderate „Prüfung der Beschaffenheit, der Eigenschaften und der Funktionsweise der“ Matratzen zurückzuführen (§ 357 Abs. 7 Nr. 1 BGB), nachdem im Übrigen allerdings eine ausreichende Belehrung über das Widerrufsrecht gem. Nr. 2 der vorbenannten Regelung erfolgt war.

Mit der Nutzung der Matratzen jeweils nur über eine Nacht geht noch keine übermäßige Nutzung im Sinne der vorbenannten Regelung einher.

Die Beklagte als Verbraucherin hat ein Prüfungsrecht. Dieses beinhaltet die Berechtigung des Verbrauchers, die Ware auszuprobieren und zu testen. Dies insbesondere auch dann, wenn damit eine Ingebrauchnahme verbunden ist. Solange sich der Verbraucher hier im Rahmen der berechtigten Prüfung bewegt, schuldet dieser auch dann keinen Wertersatz, wenn die Ware einen vollständigen Wertverlust erleidet, wie z.B. beim Aufbau von Möbeln oder beim Befüllen eines Wasserbettes (vgl. nur Palandt/Grüneberg, RdNr. 9 zu § 357 BGB mwN; zum letztbenannten „Wasserbettfall“ insb. auch Bundesgerichtshof, Urt.v. 03.11.2010, NJW 2011, S. 56 ff.).

Vor diesem Hintergrund geht daher auch die Argumentation der Klägerin fehl, die im Ergebnis für ihr „Nutzungsentgelt“ oder auch anteiligen „Wertverlust“ ersichtlich alleine darauf abstellt, dass der Umstand einer erfolgten Nutzung Dritten gegenüber offenbarungspflichtig und dies dann wieder mit erheblichen Einbußen verbunden sei.

Hierauf kommt es im Rahmen der insoweit abschließenden Regelung (vgl. nur Palandt/Grüneberg, aaO, RdNr. 8) schlicht nicht an.

Auch das Landgericht Berlin hatte als Berufungsinstanz zur „Wasserbettentscheidung“ des Bundesgerichtshofes ausdrücklich angeführt:

„Der Kl. habe das Bett nach eigenem Bekunden drei Tage getestet. Da es sich bei einem Bett regelmäßig um eine langfristige, für das eigene Wohlbefinden nicht unerhebliche Anschaffung handele, dürfte auch eine dreitägige Nutzung noch als angemessene Prüfung i.S. von § BGB § 357BGB § 357 Absatz III 2 BGB a.F. zu werten sein“ (nach Bundesgerichtshof, aaO., RdNr. 14).

Hierauf kam es im Ergebnis aber nicht mehr an, da bereits das zulässige Befüllen des Wasserbettes den Wertverlust herbeigeführt habe. Bereits danach war kein Wertausgleich zu leisten.

Es kann für den vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, ob das dem Verbraucher zustehende Prüfungsrecht noch eine Zeitdauer von 3 Tagen bzw. von 3 Nächten umfasst (LG Berlin, aaO) oder ob nicht mit dem Amtsgericht Köln eine zulässige Nutzung von allenfalls 1 – 2 Nächte anzunehmen ist (Urt.v. 04.04.2012, Az. 119 C 462/11, BeckRS 2012, 18225: tatsächliche Nutzung von 5 Nächten), da im vorliegenden Fall jeweils nur eine Nutzungsdauer von 1 Nacht vorliegt und damit vom berechtigten Prüfungsumfang „auf jeden Fall“ umfasst ist. Aber auch ein Test über jeweils 2 Nächte pro Matratze wäre nach Einschätzung des Gerichts noch vom Prüfungsrecht umfasst.

Abschließend ist zu konstatieren, dass auch der Berechnungsansatz der Klägerin fehlt geht.

Selbst bei Annahme eines Anspruches auf Wertersatz gem. § 357 Abs. 7 BGB ist vom gesetzgeberischen Willen auszugehen, wonach hier für die Wertersatzermittlung nach der „Wertverzehrtheorie“ auf den Umfang der tatsächlichen Nutzung durch den Verbraucher im Verhältnis zur voraussichtlichen Gesamtnutzungsdauer abzustellen ist (MüKoBGB/Fritsche BGB § 357 Rn. 33, beck-online). Hier wäre entsprechend der Berechnung der Beklagten bei einer anzunehmenden Nutzungsdauer einer Matratze von 10 Jahre und dem Kaufpreis für die beiden Matratzen von Euro 939,79 der Umfang der tatsächlichen Nutzung als Grundlage für einen Wertansatz mit Euro 0,52 anzunehmen.

Soweit die Klägerin nicht ohnehin aufgrund des erteilten Hinweises die Klage wegen eines Teils der Nebenansprüche zurückgenommen hatte, ist die Klage mangels Hauptforderung auch hinsichtlich der weiterhin noch geltend gemachten Zinsen und Mahnkosten abzuweisen.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 713 ZPO.

Die Berufung gegen dieses Urteil gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ist nicht zuzulassen.

Die Zulassung zur Berufung hat nur dann zu erfolgen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert (§ 511 Abs. 4 Nr. 1 ZPO).

Grundsätzliche Bedeutung hat hierbei eine Sache, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl weiterer Fällen stellen kann und deshalb wie ein „Musterprozess“ eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung für die Allgemeinheit hätte (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. November 2012, 1 BvR 3238/08, 1 BvR 3239/08, BeckRS 2013, 47975; vgl. bereits: BGH, Beschluss vom 4. Juli 2002, NJW 2002, S. 3029 mwN).

Keine dieser Voraussetzungen ist für den vorliegenden Fall erfüllt.

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