Zur Frage des Kaufpreisanspruches des Ebay-Verkäufers bei unberechtigter Lossagung des Käufers von seinen Käuferpflichten

LG Saarbrücken, Urteil vom 16.03.2018 – 10 S 41/17

Sagt sich der Käufer unberechtigt von der eingegangenen vertraglichen Verpflichtung los; so behält der Verkäufer den Anspruch auf die Gegenleistung. Dieser muss sich jedoch auf den Kaufpreisanspruch gemäß § 326 Abs. 2 Satz 2 BGB einen höheren fiktiven Erlös anrechnen lassen, wenn er bei dem Deckungsverkauf eine erfolgsversprechende Verkaufsform (statt Verkauf über EBAY privater Verkauf an spontanen Kaufinteressenten) unterlassen hat.

(Leitsatz des Gerichts)

Tenor

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das am 13.02.2017 verkündete Urteil des Amtsgerichts St. Ingbert, Az. 9 C 315/16 (10) dahingehend abgeändert, dass die Klage abgewiesen wird.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

3. Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe
I.

1
Der Beklagte erwarb am 23.2.2016 über das Verkaufsportal eBay vom Kläger im Wege des Sofortkaufs einen Flügel zum Preis von 2.300 €, wobei der Kaufgegenstand lediglich mit einem Foto und der Angabe „Bechstein“ konkretisiert war.

2
Per E-Mail vom 24.2.2016 erklärte der Beklagte, er habe sich getäuscht und trete vom Kauf zurück. Eine Abholung des Flügels erfolgte trotz Ankündigung eines Notverkaufs nicht. Der Kläger veräußerte den Flügel gemäß Kaufvertrag vom 3.3.2016 an den Zeugen … zu einem Kaufpreis von 800 €.

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Soweit der Flügel am 08.03.2016 erneut über das Konto des Klägers beim Verkaufsportal eBay zu einem Preis von 2.300 € veräußert worden ist, behauptet der Kläger, er habe diesen Verkauf im Auftrag des Zeugen … getätigt; es habe sich mithin wirtschaftlich nicht um ein Eigengeschäft gehandelt.

4
Mit der Klage hat der Kläger – nach einer Teilklagerücknahme in Höhe von 199 € – den restlichen Kaufpreis in Höhe von 1.500 €, Lagergebühren in Höhe von 100 € und Ersatz gemachter Aufwendungen für den Schriftverkehr in Höhe von 150 €, mithin 1.750 € geltend gemacht.

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Der Beklagte hat die Abweisung der Klage beantragt und behauptet, der Vertrag sei nur deswegen nicht erfüllt worden, weil der Kläger es pflichtwidrig verweigert habe, Angabe zu Maßen und Gewicht des Flügels zu machen. Allein deshalb habe er keine Spedition mit der Abholung des Flügels beauftragen können. Darüber hinaus vertritt der Beklagte die Auffassung, dem Kläger sei kein Schaden entstanden, da er den streitgegenständlichen Flügel von dem Käufer zurück erworben und am 8.3.2016 wiederum für 2.300 € verkauft habe.

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Das Amtsgericht hat der Klage in Höhe von 1.500 € stattgegeben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Es hat im Wesentlichen ausgeführt, dass der Kläger nach der endgültigen Erfüllungsverweigerung durch den Beklagten berechtigt war, den Flügel anderweitig zu veräußern. Anhaltspunkte für ein Scheingeschäft hat das Amtsgericht nach der durchgeführten Beweisaufnahme durch Befragung des Zeugen … nicht gesehen.

7
Hiergegen richtet sich die Berufung des Beklagten, mit der er weiterhin die Abweisung der Klage verfolgt. Er vertritt die Auffassung, die Voraussetzungen für einen Selbsthilfeverkauf nach § 383 BGB lägen nicht vor. Insbesondere habe kein Annahmeverzug des Beklagten vorgelegen, da der Kläger die von ihm zu erbringende Leistung nicht ordnungsgemäß angeboten habe. Zumindest hätte der Kläger eine vertragliche Nebenpflicht verletzt, weil er dem Beklagten die erforderlichen Informationen zwecks Transports des Flügels nicht habe zukommen lassen. Schließlich hätte ein Selbsthilfeverkauf gemäß § 383 BGB durch öffentliche Versteigerung erfolgen müssen. Auch habe der Kläger den Flügel deutlich unter Wert verkauft.

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Der Beklagte beantragt,

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unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Sankt Ingbert vom 13.2.2017, Aktenzeichen: 9 C 315/16 (10) die Klage abzuweisen;

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hilfsweise,

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den Rechtsstreit unter Aufhebung des Urteils des Amtsgerichts Sankt Ingbert vom 13.2.2010, Aktenzeichen: 9 C 315/16 (10) an das Erstgericht zurückzuverweisen.

12
Der Kläger beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Der Kläger verteidigt unter Aufrechterhaltung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens die angefochtene Entscheidung.

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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Inhalte der Berufungsbegründung vom 18.4.2017 und der Berufungserwiderung vom 19.5.2017 sowie die Sitzungsniederschrift vom 23.2.2018 Bezug genommen.

II.

16
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Beklagten ist gemäß §§ 511, 513, 514 Abs. 2, 517 ff. ZPO zulässig. Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg. Entgegen den Ausführungen des Amtsgerichts hat der Kläger keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung in Höhe von 1.500 €.

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1. Zwar ist der Beklagte gemäß § 433 Abs. 2 BGB grundsätzlich verpflichtet, dem Kläger den vereinbarten Kaufpreis zu zahlen und die gekaufte Sache abzunehmen. Denn durch Abgabe des Gebotes im Wege des Sofortkaufs im Rahmen der bei eBay durchgeführten Internetauktion ist zwischen den Parteien ein Kaufvertrag gemäß § 433 BGB durch Willenserklärungen – Angebot und Annahme – gemäß §§ 145, 147 BGB über den Flügel unter Vereinbarung der Gegenleistung von 2.300 € zustande gekommen.

18
1.1 Der Kaufvertrag ist auch nicht wirksam vom Beklagten angefochten worden. Zwar hat der Beklagte in der E-Mail vom 24.02.2016 mitgeteilt, er habe sich getäuscht und trete vom Kauf zurück, darin ist jedoch mangels Darlegung eines Anfechtungsgrundes gemäß § 119 ff. BGB keine wirksamer Anfechtung zu sehen.

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1.2 Dem Beklagten stand auch kein wirksames Rücktrittsrechts zu. So sind mangels Vorliegens eines Sachmangels weder die Voraussetzungen des Rücktrittsrechts nach §§ 437 Nr. 2, 440, 323 BGB noch die Voraussetzungen eines Rücktritts wegen Verletzung vertraglicher Pflichten durch den Kläger gemäß §§ 324, 241 BGB bzw. § 323 Abs. 1 BGB gegeben. So hat der Beklagte vorliegend nicht substantiiert dargelegt, in welcher Form der Kläger etwaige vertragliche Nebenpflichten dadurch verletzt haben sollte, dass er dem Kläger Maße und Gewicht des Flügels nicht mitgeteilt hat. Zwar mag eine solche vertragliche Nebenpflicht bestehen, jedoch wäre Voraussetzung eines Rücktrittsrechts gemäß § 323 BGB, dass der Beklagte dem Kläger diesbezüglich eine Frist gesetzt hätte. Dies ist vorliegend nicht erfolgt und wird vom Beklagten auch nicht behauptet.

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Schließlich kann in der Mitteilung des Klägers, sich zu genaueren Informationen betreffend den Flügel nicht in der Lage zu sehen, auch keine Pflichtverletzung gesehen werden, aufgrund welcher dem Beklagten ein Festhalten am Vertrag gemäß § 324 BGB nicht mehr zuzumuten wäre. Denn wie das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat, obliegt es dem Käufer sich vor Vertragsschluss über die für ihn wesentlichen Eigenschaften der Kaufsache zu informieren.

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2. Die Leistungspflicht des Beklagten ist jedoch gemäß § 326 Abs. 1 BGB entfallen, nachdem dem Kläger die Übergabe des Flügels am 3.3.2016 durch Weiterveräußerung an den Zeugen … gemäß § 275 BGB unmöglich geworden ist.

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3. Zwar behält der Verkäufer gemäß § 326 Abs. 2 S. 1 BGB den Anspruch auf die Gegenleistung, wenn der Käufer als Gläubiger das Leistungshindernis weit überwiegend zu vertreten hat, jedoch muss sich der Kläger vorliegend gemäß § 326 Abs. 2 Satz 2 BGB in vollem Umfang anrechnen lassen, dass er es böswillig unterlassen hat, den Flügel im Wege eines adäquaten Ersatzverkaufs weiter zu veräußern. Dabei erfordert böswilliges Unterlassen keine Schädigungsabsicht, es genügt, dass der Schuldner eine zumutbare Erwerbsmöglichkeit kennt und vorsätzlich auslässt (Palandt/Grüneberg, BGB, 77. Auflage, § 326, Rn. 13).

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3.1 Der Schuldner, der nach § 275 von einer synallagmatischen Leistungspflicht frei wird, behält den Anspruch auf die Gegenleistung, wenn der Gläubiger das Leistungshindernis weit überwiegend zu vertreten hat. Vorliegend hat der Beklagte sich per E-Mail vom 24.2.2016 unberechtigt vom Vertrag zu einem Zeitpunkt losgesagt, in dem die Erfüllung des Kaufvertrages dem Kläger noch möglich gewesen wäre, sodass diese unberechtigte Abkehr vom Vertrag die Verantwortlichkeit des Käufers im Sinne des § 326 Abs. 2 S. 1 BGB begründet (BGH, Urteil vom 11. Februar 1987 – VIII ZR 56/86, NJW 1987, 1693; Palandt/Grüneberg, aaO., § 326, Rn. 9).

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3.2 Im Hinblick auf den bestehenden Kaufpreisanspruch muss der Kläger sich jedoch dasjenige anrechnen lassen, was er gemäß § 326 Abs. 3 Satz 2 BGB infolge Befreiung von der Leistung zu erwerben böswillig unterlässt, wobei ausreichend ist, dass der Schuldner eine zumutbare Erwerbsmöglichkeit kennt und vorsätzlich auslässt (s.o.). Die Anwendung dieses Grundsatzes führt zu einem vollständigen Entfallen des Kaufpreisanspruches:

25
a) Vorliegend hat der Kläger bei der Veräußerung des Flügels zu einem Kaufpreis von lediglich 800 € an den Zeugen … schon einen anderen Verkaufsweg gewählt. So muss sich der Verkäufer bei der Durchführung eines Deckungsverkaufs nach Möglichkeit an den Bedingungen des gescheiterten Geschäfts orientieren (OLG Frankfurt, Urteil vom 20. April 2017 – 3 U 228/16, NJW-RR 2017, 1493). Der Kläger hat sich trotz Zumutbarkeit vorliegend nicht des ursprünglichen Veräußerungsweges über die Verkaufsplattform eBay, die die Möglichkeit einer deutschlandweiten Reichweite des Kaufangebotes bietet, bedient, sondern hat das zufällig an ihn durch den Zeugen … herangetragene Angebot zum Abschluss eines Kaufvertrages weit unter dem ursprünglich erzielten Kaufpreis umgehend angenommen. Gerade bei einem nicht alltäglichen und großen Gegenstand wie einem Flügel erhöht eine große Reichweite des Verkaufsangebotes die Verkaufschancen. Dieser Chance hat der Kläger sich bewusst begeben, indem er quasi das erstbeste Angebot für den Deckungsverkauf angenommen hat.

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b) Der Kläger hat keinerlei Anstrengungen unternommen, einen höheren Kaufpreis zu erzielen. Dass ihm dies jedoch möglich gewesen wäre, ergibt sich aus Folgendem: Der streitgegenständliche Flügel wurde innerhalb von 12 Tagen 2 mal über die Internetplattform eBay zum Verkauf angeboten und beide Male konnte ein Kaufpreis von 2.300 € erzielt werden. Daraus ergibt sich zum einen, dass es möglich war, den Flügel zeitnah zu einem solchen Preis zu veräußern. Darüber hinaus hat dies auch Indizwert hinsichtlich des Marktwertes des Flügels. Denn offensichtlich waren 2 Käufer innerhalb weniger Tage bereit, einen Kaufpreis in Höhe von 2.300 € für den angebotenen Flügel zu leisten. Es ist nichts dafür ersichtlich, warum der Kläger gehalten gewesen wäre, den offensichtlich unter Wert erfolgten Deckungsverkauf an den Zeugen … am 3.3.2016 zu tätigen, ohne zuvor den Versuch zu unternehmen, den Flügel über den ursprünglichen Veräußerungsweg anzubieten.

27
c) Bei lebensnaher Betrachtung spricht auch nichts dafür, dass der Kläger im Falle eines Verkaufs ohne die Möglichkeit der Schadloshaltung beim ursprünglichen Käufer den Flügel am 3.3.2016 an den Zeugen … zu einem Kaufpreis von 800 € veräußert hätte. Vielmehr ist in diesem Fall davon auszugehen, dass der Kläger den Versuch unternommen hätte, erneut einen bestmöglichen Preis unter Benutzung der deutschlandweiten Internetverkaufsplattform eBay zu erzielen.

28
Der Kläger hat nach alledem bei dem Deckungsverkauf im Sinne des § 326 Abs. 2 S. 2 BGB „böswillig“ eine erfolgsversprechende Verkaufsform unterlassen und stattdessen das zufällig an ihn herangetragene, weit unter dem bislang erzielten Kaufpreis liegende Angebot des Zeugen … angenommen, sodass er den ihm dadurch entstandenen Schaden in Höhe von 1.500 € Kaufpreisdifferenz in vollem Umfang selbst zu tragen hat.

29
4. Nach alledem war die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen. Insoweit kommt es auch auf die Frage, ob der Kläger den erneuten Verkauf vom 8.3.2016 im Auftrag des Zeugen … ausgeführt hat, wovon nach den die Kammer bindenden Feststellungen des Amtsgerichts auszugehen ist, nicht an.

30
5. Die Entscheidung wegen der Kosten folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung besitzt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern (§ 543 Abs. 2 ZPO).

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