Zur Frage der Zulässigkeit nachträglicher Änderungen von Reiseleistungen

BGH, Urteil vom 16.01.2018 – X ZR 44/17

1. Abgesehen von geringfügigen, nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) auch ohne ausdrückliche vertragliche Grundlage vom Reisenden hinzunehmenden Abweichungen ist eine nachträgliche Leistungsänderung nur zulässig, wenn der Reiseveranstalter sich diese im Reisevertrag rechtswirksam vorbehalten hat, wofür regelmäßig nur eine entsprechende Klausel in den Allgemeinen Reisebedingungen des Veranstalters in Betracht kommt. Der Reiseveranstalter kann sich hiernach nur solche Leistungsänderungen vorbehalten, die unter Berücksichtigung der Interessen des Reiseveranstalters für den Reisenden zumutbar sind.(Rn.12)

2. Zumutbar sind nur Leistungsänderungen, die den Gesamtcharakter der Reise nicht verändern und aufgrund von Umständen notwendig werden, die nach Vertragsschluss eintreten und dem Reiseveranstalter bei Vertragsschluss nicht bekannt und für ihn bei ordnungsgemäßer Prüfung der Durchführbarkeit der Reiseplanung auch nicht vorhersehbar waren.(Rn.24)

3. Das Kündigungsrecht des Reisenden nach § 651a Abs. 5 Satz 2 BGB setzt voraus, dass eine wesentliche Reiseleistung vom Reiseveranstalter erheblich geändert wird. Es ist grundsätzlich nicht davon abhängig, ob der Reiseveranstalter zur Änderung der Reiseleistung berechtigt ist.(Rn.13)

4. Eine erhebliche Änderung einer Reiseleistung ergibt sich nicht bereits daraus, dass sich die geänderte Reiseleistung als mangelhafte Erbringung der (ursprünglich) vereinbarten Reiseleistung darstellt. Für die Frage, ob die Änderung einer wesentlichen Reiseleistung erheblich ist, kann es jedoch von Bedeutung sein, ob der Reiseveranstalter zu der Änderung berechtigt ist. Die Änderung einer wesentlichen Reiseleistung kann, wenn sie sich mangels vertraglicher Grundlage zugleich als Mangel der Reise darstellt, schon dann als erheblich anzusehen sein, wenn sie das Interesse des Reisenden daran, dass die Reise wie vereinbart erbracht wird, mehr als geringfügig beeinträchtigt.(Rn.14)

(Leitsatz des Gerichts)

Tenor

Die Revision gegen das Urteil der 22. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 21. April 2017 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand
1
Die Kläger begehren von dem beklagten Reiseveranstalter die Erstattung des gezahlten Reisepreises nach erklärtem Rücktritt vom Vertrag.

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Sie buchten bei der Beklagten eine China-Rundreise für den Zeitraum vom 30. August bis 13. September 2015 zum Preis von 3.298 €. Der Buchung lagen die Allgemeinen Reisebedingungen der Beklagten zugrunde, die in Abschnitt 15 in Absatz 1 Satz 1 folgende Regelung enthielten:

„Wenn die bestätigten Angebote oder Dienstleistungen nicht mehr vor der Abreise oder nach der Ankunft am Zielort möglich sind, behält S. sich das Recht vor, vergleichbare Angebote oder Dienstleistungen (z.B. Flug durch Hochgeschwindigkeitszug) zur Verfügung zu stellen.“

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Nach dem Reiseverlauf waren nach der Ankunft in Peking am 31. August 2015 für den 1. bis 3. September verschiedene Besichtigungen in und bei Peking vorgesehen. Am 1. September sollten der Platz des Himmlischen Friedens und die Verbotene Stadt besichtigt werden; für den Abend war eine Peking-Oper vorgesehen. Für den Folgetag standen die Große Mauer sowie die Ming-Gräber auf dem Programm. Am 3. September sollten die Reisenden nach der Besichtigung des Sommerpalastes und einer Rikscha-Tour durch die Hutongs am Nachmittag nach Xian weiterfliegen.

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Mit E-Mail vom 23. August 2015 teilte die Beklagte den Klägern mit, dass aufgrund einer Militärparade am 3. September 2015 die Verbotene Stadt und der Platz des Himmlischen Friedens in Peking nicht besichtigt werden könnten. Stattdessen wurde ein Besuch des Yonghe-Tempels angeboten. Die Kläger erklärten daraufhin mit Schreiben vom 25. August 2015 den Rücktritt vom Reisevertrag. Mit der Klage haben sie die Rückzahlung des Reisepreises, Ersatz nutzloser Aufwendungen für Impfungen und Visa und die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten geltend gemacht.

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Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht die Verurteilung zur Erstattung des Reisepreises bestätigt; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.

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Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, mit der sie ihren Antrag weiterverfolgt, die Klage abzuweisen, soweit sie zur Erstattung von mehr als 10 % des Reisepreises nebst Zinsen und außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten verurteilt worden ist. Die Kläger treten dem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision hat keinen Erfolg.

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I. Das Berufungsgericht hat angenommen, die von den Klägern beanstandete Änderung der Reiseplanung rechtfertige den erklärten Rücktritt vom Vertrag. Auf die Frage der Wirksamkeit des vereinbarten Leistungsänderungsvorbehalts komme es nicht an. Der Wegfall der beiden Sehenswürdigkeiten, welche zu den bekanntesten in Peking gehörten, stelle jedenfalls eine erhebliche Änderung einer wesentlichen Reiseleistung dar. Zwar sei der Umfang der Beeinträchtigung im Verhältnis zur Gesamtreise nicht erheblich. Auch geringfügige Auswirkungen einer Planänderung erfüllten aber die Voraussetzungen des Rücktrittsrechts, sofern sie bei Durchführung der Reise einen Mangel darstellten. So verhalte es sich hier; die ausgefallenen Reiseleistungen seien den Klägern bei Vertragsschluss zugesichert worden.

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II. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand. Jedenfalls im Ergebnis zu Recht hat das Berufungsgericht ein Rücktrittsrecht der Kläger nach § 651a Abs. 5 Satz 2 BGB bejaht.

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1. Nach dieser Vorschrift kann der Reisende bei einer Erhöhung des Reisepreises um mehr als 5 % oder einer erheblichen Änderung einer wesentlichen Reiseleistung vom Reisevertrag zurücktreten.

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a) Dem liegt zugrunde, dass der Reiseveranstalter die Reise grundsätzlich so durchzuführen hat, wie sie vereinbart ist, mithin an die vertraglich zugesagten einzelnen Reiseleistungen und ihre Ausgestaltung gebunden ist, soweit sie vertraglich festgelegt sind. § 651a Abs. 5 BGB geht jedoch davon aus, dass gleichwohl Änderungen des Reisepreises oder der Reiseleistungen möglich sind, denn nach seinem Satz 1 hat der Reiseveranstalter eine Änderung des Reisepreises nach Absatz 4, eine zulässige Änderung einer wesentlichen Reiseleistung oder eine zulässige Absage der Reise dem Reisenden unverzüglich nach Kenntnis von dem Änderungs- oder Absagegrund zu erklären. Während § 651a Abs. 4 BGB die Voraussetzungen einer Erhöhung des Reisepreises regelt, enthält das Reisevertragsrecht keine Bestimmung zu den Voraussetzungen einer Änderung der vereinbarten Reiseleistungen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass solche Änderungen ohne weiteres zulässig sind, denn dies wäre weder mit der Bindung des Reiseveranstalters an den geschlossenen Vertrag noch mit der ausdrücklichen Unterscheidung zwischen zulässigen und unzulässigen Änderungen wesentlicher Reiseleistungen in § 651a Abs. 5 Satz 1 BGB vereinbar.

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Abgesehen von geringfügigen, nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) auch ohne ausdrückliche vertragliche Grundlage vom Reisenden hinzunehmenden Abweichungen ist daher eine nachträgliche Leistungsänderung nur zulässig, wenn der Reiseveranstalter sich diese im Reisevertrag rechtswirksam vorbehalten hat, wofür regelmäßig nur eine entsprechende Klausel in den Allgemeinen Reisebedingungen des Veranstalters in Betracht kommt. Für die Wirksamkeit vereinbarter Leistungsänderungsvorbehalte gelten somit die Schranken der §§ 307, 308 Nr. 4 BGB; der Reiseveranstalter kann sich hiernach insbesondere nur solche Leistungsänderungen vorbehalten, die unter Berücksichtigung der Interessen des Reiseveranstalters für den Reisenden zumutbar sind.

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b) Das Kündigungsrecht des Reisenden setzt voraus, dass eine wesentliche Reiseleistung vom Reiseveranstalter erheblich geändert wird. Es ist damit grundsätzlich nicht davon abhängig, ob der Reiseveranstalter zur Änderung der Reiseleistung berechtigt ist. Weder kann aus dem Kündigungsrecht in Fällen erheblicher Änderungen wesentlicher Reiseleistungen geschlossen werden, dass solche Änderungen (in Allgemeinen Geschäftsbedingungen) nicht wirksam vereinbart werden können, denn dann regelte das Gesetz praktisch nur Fälle unzulässiger Leistungsänderungen, noch wäre es gerechtfertigt, dem Reisenden das Kündigungsrecht zu versagen, wenn eine solche erhebliche Änderung nicht durch ein vereinbartes Leistungsänderungsrecht gedeckt ist – unbeschadet der weiteren Rechte, die sich in einem solchen Fall für den Reisenden ergeben können.

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Entgegen der auch in der Literatur vertretenen (MünchKomm.BGB/Tonner, 6. Aufl., § 651a Rn. 117 f.; Staudinger/Kaiser, BGB, Neubearb. 2016, § 651a Rn. 182; Führich, Reiserecht, 7. Aufl., § 5 Rn. 167 ff.; Steinrötter in Junker/Beckmann/Rüßmann u.a., jurisPK-BGB, 8. Aufl., § 651a Rn. 80) Auffassung des Berufungsgerichts ergibt sich eine erhebliche Änderung einer Reiseleistung nicht bereits daraus, dass sich die geänderte Reiseleistung als mangelhafte Erbringung der (ursprünglich) vereinbarten Reiseleistung darstellt. Damit würde das Kriterium der Erheblichkeit der Änderung weitgehend seines Inhalts beraubt und entstünde ein Wertungswiderspruch zu den Voraussetzungen des Kündigungsrechts nach § 651e BGB, das nicht nur einen Mangel, sondern eine mangelbedingte erhebliche Beeinträchtigung der Reise voraussetzt (BGH, Urteil vom 14. Mai 2013 – X ZR 15/11, RRa 2013, 218 Rn. 33; Urteil vom 17. April 2012 – X ZR 76/11, NJW 2012, 2107 Rn. 32; Urteil vom 7. Oktober 2008 – X ZR 37/08, NJW 2009, 287 Rn. 15) und auch bereits vor Reiseantritt ausgeübt werden kann, wenn feststeht, dass der Reiseveranstalter die Reise nicht mangelfrei erbringen wird (vgl. BGH, Urteil vom 18. Dezember 2012 – X ZR 2/12, RRa 2013, 108 Rn. 19; Urteil vom 11. Januar 2005 – X ZR 118/03, BGHZ 161, 389, 391; Palandt/Sprau, BGB, 77. Aufl., § 651e Rn. 3).

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Für die Frage, ob die Änderung einer wesentlichen Reiseleistung erheblich ist, kann es jedoch von Bedeutung sein, ob der Reiseveranstalter zu der Änderung berechtigt ist. Nicht jede Änderung einer wesentlichen Reiseleistung genügt für das Kündigungsrecht. Auch wenn sie dem Reisenden unter Abwägung der beiderseitigen Interessen zumutbar und damit zulässig ist, kann sie gleichwohl das ursprünglich vereinbarte Leistungsspektrum so stark verändern, dass dem Reisenden trotz des Interesses des Reiseveranstalters, den Reisenden an dem zulässigerweise geänderten Vertrag festzuhalten (oder ihn auf das freie Rücktrittsrecht nach § 651i BGB zu verweisen), das Recht zuzubilligen ist, von der – veränderten – Reise Abstand zu nehmen. Ist hingegen die Änderung nicht (wirksam) vereinbart und damit dem Reisenden grundsätzlich auch nicht zuzumuten, hat das Interesse des Reiseveranstalters, den Reisenden am Vertrag festzuhalten, deutlich geringeres Gewicht. Dem kann und muss dadurch Rechnung getragen werden, dass in diesem Fall geringere Anforderungen an die Erheblichkeit der Änderung der Reiseleistung gestellt werden. Die Änderung einer wesentlichen Reiseleistung kann, wenn sie sich mangels vertraglicher Grundlage zugleich als Mangel der Reise darstellt, schon dann als erheblich anzusehen sein, wenn sie das Interesse des Reisenden daran, dass die Reise wie vereinbart erbracht wird, mehr als geringfügig beeinträchtigt. Die Beurteilung, ob dies der Fall ist, obliegt dem Tatrichter, der hierbei auch die Bedeutung der nicht vertragsgemäß erbrachten Reiseleistung für die Reise insgesamt zu berücksichtigen hat. Je größer der Stellenwert der geänderten Reiseleistung für die Reise insgesamt, desto eher können auch kleinere Abweichungen von der Planung als erheblich anzusehen sein.

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2. Nach diesen Maßstäben ist es nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht im Streitfall eine erhebliche Änderung einer wesentlichen Reiseleistung angenommen hat.

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a) Der für den 1. September 2015 vorgesehene Besuch des Platzes des Himmlischen Friedens und der Verbotenen Stadt stellte bereits für sich genommen eine wesentliche Reiseleistung dar. Die Verbotene Stadt ist, wie das Berufungsgericht ausgeführt hat, mit dem vorgelagerten Platz des Himmlischen Friedens eine der bekanntesten Sehenswürdigkeiten Pekings und Chinas. Der vorgesehene Besuch war ein zentrales Element des Pekingaufenthalts, denn er nahm, abgesehen von dem für den Abend vorgesehenen Besuch einer Peking-Oper den gesamten ersten Tag des dreitägigen Aufenthalts in Peking ein, für dessen zweiten Tag ein Ausflug zur Großen Mauer und zu den Ming-Gräbern vorgesehen war und dessen dritter Tag schon teilweise für den Transfer nach Xian genutzt wurde. Die Reiseplanung ist mithin in einem die Reise (mit-)prägenden Element geändert worden.

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b) Zu dieser Änderung war die Beklagte nicht berechtigt.

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aa) Die Beklagte hat sich in Abschnitt 15 der Allgemeinen Reisebedingungen eine Leistungsänderung für den Fall vorbehalten, dass die Durchführung bestätigter Angebote oder Dienstleistungen vor oder nach Reiseantritt nicht möglich sind. Bei dieser von den Klägern angegriffenen Bestimmung handelt es sich um eine für eine Vielzahl von Fällen vorformulierte Vertragsbedingung, die die Beklagte ihren Vertragspartnern bei Abschluss eines Vertrags stellt (§ 305 Abs. 1 Satz 1 BGB). Diese Bestimmung unterliegt nach dem Vorstehenden (Rn. 12) nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB der Inhaltskontrolle.

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bb) Dieser Inhaltskontrolle hält die Regelung nicht stand. Die Klausel verstößt gegen § 308 Nr. 4 BGB. Nach dieser Vorschrift kann sich der Reiseveranstalter nur solche Leistungsänderungen vorbehalten, die unter Berücksichtigung der Interessen des Reiseveranstalters für den Reisenden zumutbar sind. Das durch die angegriffene Klausel dem Reiseveranstalter eingeräumte Leistungsänderungsrecht ist unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders für den Vertragspartner nicht zumutbar.

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(1) Ob Änderungen des vertraglichen Leistungsbildes für den Reisenden zumutbar sind, ist aufgrund einer Abwägung der Interessen der Vertragsparteien zu beurteilen. Dieser Abwägung ist wegen der Geltung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen für eine Vielzahl von Fällen eine für den Reisevertrag typische Betrachtungsweise zugrunde zu legen. Daher richtet sich die Klausel nicht nach den Umständen eines konkreten Einzelfalles, sondern nach dem objektiven Maßstab eines rechtlich nicht vorgebildeten Durchschnittsreisenden (BGH, Urteil vom 10. Dezember 2013 – X ZR 24/13, NJW 2014, 1168 Rn. 39 zu Flugzeitänderungen). Aus dem Erfordernis der Zumutbarkeit ergeben sich nicht nur sachliche Grenzen möglicher Änderungen; Zumutbarkeit erfordert vielmehr auch, dass die Voraussetzungen eines Eingriffs in das vertraglich vereinbarte Leistungsspektrum in der Klausel hinreichend konkretisiert werden (BGH, Urteil vom 17. Februar 2004 – XI ZR 140/03, BGHZ 158, 149, 154 f.; Urteil vom 21. September 2005 – VIII ZR 284/04, NJW 2005, 3567, 3569).

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(2) Der Reiseveranstalter mag, insbesondere bei frühzeitig geschlossenen Verträgen, typischerweise darauf angewiesen sein, eine gewisse Flexibilität bei der Planung und Festlegung des Reiseablaufs zu behalten. Dadurch kann zum Beispiel dem Umstand Rechnung getragen werden, dass der Veranstalter, wie die Revision geltend macht, in seiner Planung von der tatsächlichen Durchführbarkeit der angebotenen Besichtigungen abhängig ist. Änderungen unwesentlicher Reiseleistungen müssen, wie die Revision zu Recht ausführt, vom Reisenden in der Regel hingenommen werden, da sie den Gesamtzuschnitt der Reise unberührt lassen. Änderungen von Leistungen können aber auch dann hinnehmbar sein, wenn die vereinbarten Leistungen – wie hier – für den Fall der Unmöglichkeit durch jedenfalls im wesentlichen gleichwertige („vergleichbare“) Leistungen ersetzt werden sollen.

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(3) Entsprechende Regelungen tragen jedoch dem Interesse des Reisenden, grundsätzlich nur die von ihm gebuchten Reiseleistungen als vertragsgemäße Erfüllung (§ 651a Abs. 1, § 362 Abs. 1 BGB) annehmen zu müssen, nicht in jedem Fall Rechnung. Auch wenn die Änderung sachlich zumutbar ist, muss der Reisende nicht voraussetzungslos Abweichungen von dem vertraglich vereinbarten Reiseablauf hinnehmen (vgl. BGH, NJW 2005, 3567, 3569; NJW 2014, 1168 Rn. 40).

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Zum einen sind nur Leistungsänderungen zulässig, die den Gesamtcharakter der Reise nicht verändern. Reisende entscheiden sich bei einer Rundreise oder Kreuzfahrt regelmäßig bewusst für die Reiseroute und ein bestimmtes mit dieser verbundenes Besichtigungsprogramm. Zum anderen darf der Veranstalter Änderungen dieses Programms nur dann vornehmen, wenn der Reisevertrag nicht nur einen entsprechenden Vorbehalt enthält, sondern die Änderung auch notwendig ist, weil der unveränderten Durchführung dem Reiseveranstalter nicht bekannte und für ihn auch nicht vorhersehbare Hindernisse entgegenstehen (vgl. Staudinger/Staudinger, BGB, Neubearb. 2016, § 651a Rn. 175; Erman/Schmidt, aaO, § 651a Rn. 44 ff., 47; Führich, Reiserecht, 7. Aufl., § 5 Rn. 161, 169; Steinrötter in Junker/Beckmann/Rüßmann u.a., jurisPK-BGB, 8. Aufl., § 651a Rn. 80; MünchKomm.BGB/Tonner, 6. Aufl., § 651a Rn. 124; Palandt/Sprau, BGB, 77. Aufl., § 651a Rn. 18, 22). Zumutbar sind nur Änderungen aufgrund von Umständen, die nach Vertragsschluss eintreten und dem Reiseveranstalter bei Vertragsschluss nicht bekannt und für ihn bei ordnungsgemäßer Prüfung der Durchführbarkeit der Reiseplanung auch nicht vorhersehbar sind (Schmidt in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 12. Aufl., § 308 Rn. 9; MünchKomm.BGB/Tonner, aaO, § 651a Rn. 124; Staudinger/Staudinger, aaO, § 651a Rn. 176).

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(4) Beide Schranken kommen in der Klausel nicht zum Ausdruck, die den Ersatz nicht mehr möglicher Reiseleistungen durch vergleichbare andere zulassen.

26
Die Klausel enthält zum einen keinerlei sachliche Grenzen für Leistungsänderungen, da nach ihrem Wortlaut jede Reiseleistung durch eine „vergleichbare“ andere ersetzt werden kann. Sie erfasst zum anderen nach ihrem Wortlaut nicht nur den Fall nach Vertragsschluss notwendig werdender Änderungen wesentlicher Reiseleistungen, sondern auch den Fall, dass der Reiseveranstalter den Änderungsgrund schon bei Vertragsschluss kannte oder jedenfalls hätte kennen müssen. Die sprachlich unklar formulierte Voraussetzung, dass die Reiseleistung „nicht mehr vor der Abreise oder nach der Ankunft am Zielort möglich“ sein muss, ist jedenfalls nach der möglichen und kundenfeindlichsten Auslegung dahin zu verstehen, dass es genügt, dass die Reiseleistung vor oder nach Reiseantritt unmöglich wird; dies schließt eine bereits vor Vertragsschluss eintretende und dem Reiseveranstalter bekannte Unmöglichkeit ein.

27
c) Hiernach hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei angenommen, dass im Streitfall eine erhebliche Änderung einer wesentlichen Reiseleistung vorlag.

28
Das Programm für den 1. September 2015 ist ohne vertragliche Grundlage wesentlich geändert worden. Der vorgesehene Besuch der Verbotenen Stadt und des Platzes des Himmlischen Friedens ist nicht nur in zeitlicher oder sachlicher Hinsicht geändert worden, sondern vollständig entfallen und durch den Besuch einer anderen, deutlich weniger bekannten Sehenswürdigkeit ersetzt worden. Nach den aufgezeigten Grundsätzen (Rn. 24) hat das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler angenommen, dass hierdurch das Interesse der Reisenden daran, dass die Reise wie vereinbart erbracht wurde, mehr als geringfügig beeinträchtigt worden ist.

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3. Eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 Abs. 3 AEUV ist nicht veranlasst (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 – 283/81, Slg. 1982, 3415 Rn. 21 – C.I.L.F.I.T.; Urteil vom 1. Oktober 2015 – C-452/14, GRUR Int. 2015, 1152 Rn. 43 – Doc Generici, mwN). Im Streitfall stellt sich keine entscheidungserhebliche Frage zur Auslegung des Unionsrechts, die nicht zweifelsfrei zu beantworten ist.

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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

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