LG Hamburg, Urteil vom 31.08.2016 – 317 O 110/13
Zur Frage der Haftung im Zusammenhang mit einer Prothesenfraktur
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird auf 28.021,26 € festgesetzt.
Tatbestand
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Der Kläger nimmt die Beklagte – Herstellerin u.a. von Hüftgelenksprothesen – auf Zahlung von Schmerzensgeld und Schadensersatz wegen des Bruches eines Implantats in Anspruch.
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Die Beklagte stellt E. Prothesen mit zementierbaren oder zementfreien Implantaten sowie das entsprechende Instrumentarium für die Primär- und Revisionschirurgie her. Die Beklagte beliefert u.a. die E.-Klinik in H..
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Bei dem Kläger war erstmalig im Januar 1999 eine Hüftgelenksprothese links eingesetzt worden. Im März 2005 wurde bei einer Punktion des linken Hüftgelenks ein Befall mit Streptococcus sangius festgestellt. Am 1. September 2005 erfolgte der Wechsel einer zementfreien MP-Revisionsprothese. Im August 2008 wurde im linken Hüftgelenk eine Infektion mit Staphylococcus Epidermis und Staphylococcus Aureus nachgewiesen. Am 28. November 2008 fand im Rahmen einer Operation in der E.-Klinik ein erneuter Prothesenwechsel statt. Es wurde das hier streitgegenständliche Implantat der Beklagten verwandt, die Prothese SP II Modell L..
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Am 26. August 2010 kam es während der Arbeit des Klägers zu einer Prothesenfraktur. Es wurde in der E.-Klink eine Prothesenschaftfraktur links Femur diagnostiziert, die eine Revisionsoperation erforderlich machte, welche am 13. September 2010 stattfand. Der stationäre Aufenthalt zog sich bis zum 25. September 2010 hin. Nach einer stationären Rehabilitationsmaßnahme vom 16. Dezember 2010 bis zum 6. Januar 2011 kann der Kläger seit dem 27. Januar 2011 seiner Erwerbstätigkeit wieder nachgehen.
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Der Kläger behauptet, zur Prothesenfraktur sei es aufgrund eines Materialfehlers gekommen. Er habe die Fraktur während einer Alltagsbewegung erlitten, ein traumatisches Erlebnis sei nicht Ursache der Fraktur gewesen. Auch eine septische Lockerung komme als Ursache nicht in Betracht.
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Es handele sich um einen Schwingbruch. Ursache seien geringe Schwingbreiten des Spannungsintensitätsfaktors. Die Bruchausgangsstelle zeige Rastlinien als Dauerschwingbrucherscheinungen. Auch dies belege, dass es sich um einen Materialfehler handele. Auch daraus, dass sich intraoperativ eine zweite drohende Bruchstelle gezeigt habe, werde deutlich, dass das Material schadhaft gewesen sei.
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Der Kläger macht materielle und immaterielle Schäden geltend. Er hält angesichts der Gesamtumstände ein Schmerzensgeld in Höhe von € 20.000,00 für angemessen. Materielle Schäden macht der Kläger in Höhe von € 3.021,26 für Fahrtkosten, Besuchskosten der Ehefrau, Verdienstausfall und weitere Kosten geltend.
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Der Kläger begehrt zudem Freihaltung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten sowie im Wege des Feststellungsantrags die Feststellung weitere Ersatzpflicht der Beklagten.
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Der Kläger beantragt,
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1. die Beklagte zu verpflichten, an den Kläger ein Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, für den Zeitraum vom 26. August 2010 bis 17. Mai 2013 zu zahlen,
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2. die Beklagte zu verpflichten, an den Kläger einen Betrag in Höhe von € 3.021,26 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger sämtliche weiteren materiellen oder immateriellen Schäden, die ihm aus der Prothesenschaftfraktur links entstanden sind oder zukünftig entstehen werden, soweit sie nicht auf Dritte, insbesondere Sozialversicherungsträger übergegangen sind, zu ersetzen.
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4. die Beklagte zu verpflichten, den Kläger von den außergerichtlichen Kosten in Höhe von € 1.085,04 freizuhalten.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte meint, der Kläger habe einen Produktfehler schon nicht schlüssig dargelegt. Der behauptete Schwingbruch spreche gerade gegen einen Produktfehler. Die Beklagte bestreitet, dass ein Produkt- oder Materialfehler Ursache der Fraktur sei. Es seien verschiedene Alternativursachen wahrscheinlich.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird ergänzend auf die gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.
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Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 25. März 2014 über die Ursache der Fraktur durch Einholung eines orthopädischen Sachverständigengutachtens sowie eines biomechanischen Zusatzgutachtens gemäß Beschluss vom 7. November 2014. Zum Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche orthopädische Gutachten des Sachverständigen Priv.-Doz. Dr. med. O. N. vom 27. Oktober 2014 (Bl. 134ff. d.A.) sowie das biomechanische Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. med. Dipl.-Ing. R. B. vom 24. März 2016 (Bl. 179ff.) verwiesen.
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Die Parteien haben mit Schriftsätzen vom 10. Juni 2016 und 13. Juni 2016 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren erklärt.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist nicht begründet. Dem Kläger stehen gegen die Beklagte keine Ansprüche aufgrund der Prothesenfraktur zur.
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Im Einzelnen:
I.
22
Dem Kläger stehen gegen die Beklagte Ansprüche weder aus §§ 1, 3 ProdHaftG noch aus § 823 BGB zu.
1.
23
Dem Kläger stehen gegen die Beklagte keine Ansprüche aus §§ 1, 3 ProdHaftG zu.
24
Nach den gut und nachvollziehbar begründeten Ausführungen der Sachverständigen, denen das Gericht folgt, lässt sich nicht feststellen, dass Ursache der Fraktur ein Materialfehler der von der Beklagten hergestellten Prothese ist.
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Insofern ist der Sachverständige Prof. B. nach eingehenden Untersuchungen des frakturierten Implantates zur Feststellung gelangt, dass der Bruchverlauf sich zuerst transkristallin auf ebenen Spaltflächen manifestiere und in einem Restgewaltbruch ende. Dieser ist nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen auf eine biomechanisch induzierte Überbeanspruchung des Implantats zurückzuführen. Es ergeben sich keine Anhaltspunkte für einen Materialfehler (S. 33 des Gutachten Prof. B., Bl. 211 d.A.). Das hohe Körpergewicht des Klägers zum Zeitpunkt des Implantatbruchs in Kombination mit dem relativ jungen Alter von 50 Jahren bei Implantation mit einem entsprechenden Erwartungsgrad an körperlicher Aktivität und Mobilität sprechen aus biomechanischer Sicht für eine Überbeanspruchung des Implantats (S. 33 des Gutachten Prof. B., Bl. 211 d.A.).
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Nach alledem kommt es auch nicht mehr darauf an, dass nach den Ausführungen des orthopädischen Sachverständigen eine septische Lockerung oder das großflächige Arbeiten mit Knochenzement nicht als Alternativursachen in Frage kommen (S. 7 des Gutachten N., Bl. 140 d.A.), zumal die verminderte Qualität der Knochenverhältnisse beim Kläger für die Entstehung des Bruches relevant ist, da der Bruch an der Grenze der fest im Knochen zementierten Prothesenspitze und dem im Verbund mit Narbe und Weichteilgewebe zementierten oberen Prothesenanteil passiert ist (S. 7 des Gutachten N., Bl. 140 d.A.).
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Nach alledem lässt sich ein Materialfehler nicht feststellen, so dass dem Kläger gegen die Beklagte kein Ansprüche aus §§ 1, 3 ProdHaftG zustehen.
2.
28
Dem Kläger stehen auch keine deliktischen Ansprüche aus § 823 BGB gegen die Beklagte zu. Anhaltspunkt für eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht oder sonst eine pflichtwidrige, schuldhafte Verursachung des Prothesenbruchs bestehen nicht.
3.
29
Nach alledem fehlt es bereits an einer Haftung der Beklagten dem Grunde nach, so dass die Klage unbegründet und insgesamt abzuweisen ist.
II.
30
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.