Zu den Voraussetzungen für die Vergütung von Überstunden

LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 11.01.2006 – 10 Sa 831/05

Zu den Voraussetzungen für die Vergütung von Überstunden (Rn. 16)

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 13.9.2005 – AZ: 1 Ca 1125/05 – wird kostenfällig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand
1
Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf Vergütung von Überstunden.

2
Zur Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes, nebst Anträgen, wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 13.09.2005 (Bl. 76 – 78 d. A.) Bezug genommen.

3
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Hinsichtlich der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 4 – 7 (= Bl. 78 – 81 d. A.) des Urteils vom 13.09.2005 verwiesen.

4
Gegen das ihm am 27.09.2005 zugestellte Urteil hat der Kläger am 12.10.2005 Berufung eingelegt und diese am 31.10.2005 begründet.

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Der Kläger macht im Wesentlichen geltend, dass Arbeitsgericht habe sich bei seiner Entscheidung nicht ausreichend mit der tatsächlichen Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses auseinandergesetzt bzw. den diesbezüglichen Sachvortrag nicht hinreichend gewürdigt. Zu berücksichtigen sei nämlich, dass er – der Kläger – von der Beklagten jeweils die Weisung erhalten habe, sämtliche Touren, die bereits im Schriftsatz vom 11.07.2005 im Einzelnen aufgeführt seien, zu fahren. Dabei habe der Beklagten klar sein müssen, dass ein derartiges Arbeitspensum unter Einhaltung der gesetzlichen Lenk- und Ruhezeitenpflicht nicht zu schaffen sei. Die Unmöglichkeit, vorgeschriebene Ruhezeiten einzuhalten, beruhe auf dem von der Beklagten vorgegebenen straffen Tourenplan einerseits sowie auf den jeweiligen Gepflogenheiten beim Be- und Entladen andererseits (Wartezeiten, Nachrücken in der Fahrzeugschlange, Öffnungszeiten etc.). Dass er – der Kläger – nunmehr verständlicherweise nicht mehr in der Lage sei, für jeden einzelnen Tag seines Beschäftigungsverhältnisses bei der Beklagten anzugeben, wann, wie lange und mit welchen Besonderheiten er bei einzelnen Kunden auf eine Be- oder Entladung habe warten müssen und welche Besonderheiten es an den einzelnen Tagen gegeben habe, könne im vorliegenden Fall nicht zu seinen Lasten gehen.

6
Der Kläger beantragt,

7
unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 13.09.2005 – 1 Ca 1125/05 – die Beklagte zu verurteilen, an ihn 7.697,75 EUR brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 01.05.2005 zu zahlen.

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Die Beklagte beantragt,

9
die Berufung zurückzuweisen.

10
Die Beklagte verteidigt das mit der Berufung angefochtene Urteil.

11
Von einer weiteren Darstellung des Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen. Insoweit wird Bezug genommen auf die Berufungsbegründungsschrift des Klägers vom 27.10.2005 (Bl. 100 – 102 d. A.) sowie auf die Berufungserwiderungsschrift der Beklagten vom 08.11.2005 (Bl. 107 – 110 d. A.).

Entscheidungsgründe
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Die statthafte Berufung ist sowohl form- als auch fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das hiernach insgesamt zulässige Rechtsmittel hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

13
Das Arbeitsgericht hat die Klage sowohl im Ergebnis zu Recht als auch mit zutreffender Begründung abgewiesen.

14
Die Klage ist nicht begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung der geltend gemachten Mehrarbeitsvergütung.

15
Das Berufungsgericht folgt den ausführlichen und sorgfältig dargestellten Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils und stellt dies hiermit ausdrücklich gem. § 69 Abs. 2 ArbGG fest. Von der Darstellung eigener Entscheidungsgründe kann daher abgesehen werden. Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen erscheinen lediglich folgende Ergänzungen angezeigt:

16
Selbst dann, wenn man zu Gunsten des Klägers davon ausgeht, dass er während der von ihm in seinen tabellarischen Aufstellungen (Bl. 20 – 27 d. A.) angegebenen Zeiträumen keinerlei Ruhepausen eingelegt, sondern durchgängig gearbeitet hat, besteht kein Anspruch des Klägers auf Überstundenvergütung. Ein solcher setzt nämlich voraus, dass die Überstunden vom Arbeitgeber angeordnet, gebilligt oder geduldet worden sind, oder jedenfalls zur Erledigung der geschuldeten Arbeiten notwendig waren. Dies muss der Arbeitnehmer im Prozess eindeutig vortragen (BAG, AP Nr. 7 zu § 253 ZPO; BAG, AP Nr. 3 zu § 14 KSchG 1969; BAG, AP Nr. 1 zu § 1 TVG Tarifverträge: Arbeiterwohlfahrt; BAG, AP Nr. 40 zu § 611 BGB Mehrarbeitsvergütung). Der Kläger hat im Streitfall nicht dargetan, dass und in welchem Umfang von der Beklagten Überstunden angeordnet, gebilligt oder geduldet wurden. Eine ausdrückliche Anordnung von Überstunden seitens der Beklagten hat der Kläger nicht behauptet. Zwar werden Überstunden nicht nur in der Weise angeordnet, dass ihre Zahl und Lage im Voraus festgelegt werden, sondern häufig allgemein dadurch, dass ein bestimmter Arbeitsauftrag innerhalb einer bestimmten Zeit durchgeführt werden muss (sog. „offene Überstundenanordnung“). Diesbezüglich kann auch genügen, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine Arbeit zuweist, die innerhalb der vertragsgemäßen Arbeitszeit nicht erledigt werden kann. Dem Sachvortrag des Klägers lässt sich jedoch nicht entnehmen, ob und in welchem Umfang Überstunden zur Erledigung der ihm übertragenen Arbeit notwendig waren. Zwar hat er sowohl seine Abfahrts- und Ankunftszeiten sowie die dabei jeweils gefahrenen Strecken vorgetragen. Hieraus lässt sich jedoch nicht entnehmen, ob und in welchem Umfang eine Überschreitung der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit oder der gesetzlichen Höchstarbeitszeit zur Durchführung der ihm von der Beklagten erteilten Arbeitsaufträge notwendig war. Diesbezüglich fehlt es an der Darlegung, welche Fahrten dem Kläger zur Erledigung in welcher (vorgegebenen) Zeit übertragen wurden. Ohne diese Angaben ist es dem Gericht nicht möglich, festzustellen, inwieweit die Erbringung von Überstunden zur Erledigung der ihm zugewiesenen Fahrten notwendig war. Soweit der Kläger diesbezüglich auf einen „äußerst straffen Tourenplan“ sowie allgemein auf Be- und Entladearbeiten und die damit verbundenen Wartezeiten verweist, so erweist sich dieses Vorbringen als unzureichend. Der Kläger hat bezüglich keiner einzigen der von ihm aufgelisteten Touren dargetan, dass ihm hierbei seitens der Beklagten irgendeine zeitliche Vorgabe gemacht worden war mit der Folge, dass die Erledigung des jeweiligen Auftrages nur ohne Einhaltung jeglicher Ruhepausen sowie unter Ableistung der geltend gemachten Überstunden möglich war. Es ist somit nicht erkennbar, dass die Beklagte dem Kläger Fahrten bzw. Aufträge zugewiesen hat, die er nicht ohne Überschreitung seiner vertragsgemäßen Arbeitszeit hätte erledigen können. Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Beklagte von den behaupteten Überstunden Kenntnis hatte und mit deren Erbringung einverstanden war bzw. dadurch die Leistung von Überstunden zumindest duldete. Fest steht insoweit nämlich lediglich, dass die Beklagte die jeweiligen Abfahrts- und Rückkehrzeitpunkte des Klägers kannte. Hieraus ergibt sich indessen nicht, dass die Beklagte auch davon Kenntnis haben musste bzw. konnte, dass der Kläger – wie von ihm behauptet – während der von ihm vorgetragenen Zeiträume durchgängig gearbeitet, keinerlei Ruhepausen eingelegt und Überstunden erbracht hat. Nichts anderes folgt aus dem Umstand, dass die Beklagte über die jeweiligen Tachoscheiben verfügt. Diese lassen nämlich insbesondere im Hinblick auf die während der Stehzeiten des Fahrzeugs u. U. geleisteten Arbeitszeiten des Fahrers keine sicheren Rückschlüsse zu (vgl. LAG Schleswig-Holstein, v. 18.09.1997 – 4 Sa 291/97 – u. v. 31.05.2005 – 5 Sa 38/05).

17
Nach alledem war die Berufung des Klägers mit der aus § 97 Abs. 1 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen.

18
Für die Zulassung der Revision bestand im Hinblick auf die in § 72 Abs. 2 ArbGG genannten Kriterien keine Veranlassung. Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision selbständig durch Beschwerde anzufechten (§ 72 a ArbGG) wird hingewiesen.

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